Es geschah am 1. Spieltag: Der Tag, an dem es dunkel wurde

Zum Auftakt der 49. Bundesliga-Saison am Freitag startet DFB.de eine neue Serie. In „Es geschah am ... Spieltag“ blickt der Historiker und Autor Udo Muras zurück auf ein besonderes Ereignis am jeweiligen Spieltag einer früheren Saison.

Heute: Der kuriose Saisonstart 2004/2005, als ein Bagger in Bremen für einen Flutlichtausfall und einen um 65 Minuten verspäteten Start sorgte.

Datum: 6. August 2004
Ort: Bremer Weser-Stadion
Partie: Werder Bremen – Schalke 04

Ganz Deutschland schaut an diesem Freitagabend nach Bremen, wo der amtierende Meister nach einer damals noch ziemlich neuen Regelung in einem vorgezogenen Heimspiel die Saison eröffnen darf. Bühne frei für die 42. Saison, vor der wie üblich die Bayern Favorit sind. In einer Kicker-Umfrage tippen 47,7 Prozent der Leser auf den Rekordmeister, auf den Plätzen die Kontrahenten des Eröffnungsspieles: Werder (16 Prozent) und Schalke (12,2 Prozent), dessen Trainer Jupp Heynckes offen von der Meisterschaft spricht und auch vor Werder keine Scheu hat: „Wir haben die Möglichkeit, in Bremen zu gewinnen.“ Doch dazu muss auch gespielt werden…

Als die Mannschaften schon im Kabinengang stehen, gibt es einen lauten Knall. Er gehört nicht zur Choreographie des Eröffnungsspiels. Nein, er kündigt das Unheil an: drei Minuten vor Anpfiff fällt der Strom aus. Im Stadion wird es dunkel, auf den Bildschirmen auch – Premiere und ARD wollen live übertragen. Die Fernsehleute sind ratlos, Marcel Reif von Premiere moderiert kurzfristig per Telefon, aber das „hörte sich in etwa so an wie die alten Fußballmoderationen a la Bern 1954.“, lästert ein Zuschauer im Internet. Aber es gibt ja ohnehin nichts zu schildern.

Nur ein einsamer Flutlichtmast bringt etwas Licht ins Dunkel, die Anzeigetafel fällt auch aus. Ein Teil der 42.500 Fans nimmt es locker und skandiert: „Fußball geht auch ohne Strom“. Feuerzeuge werden geschwenkt und – ganz neumodisch – sogar Handy-Displays dienen als Lichtquellen. Um ein reguläres Spiel auszutragen, reichen sie natürlich nicht. Schiedsrichter Stefan Trautmann schickt die Spieler in die Kabinen zurück, der rote Teppich für die Eröffnungs-Zeremonie wird wieder eingerollt. Vor der Problembehebung kommt die Ursachenforschung. Aber noch weiß niemand, warum die Bundesliga-Premiere in ein schwarzes Loch gefallen ist. Heute wissen wir es: Der Schuldige ist eine Kabelmuffe namens Carola, die heute im Werder-Museum (Wuseum) zu besichtigen ist. In Stadionnähe finden nämlich Straßen-Bauarbeiten der Bremer Stadtwerke statt und ein Bagger hat sie nachhaltig beschädigt.

Immerhin funktioniert das Stadionmikrofon noch und so lernt der Zuschauer im Laufe des seltsamen Abends, dass diese Muffe zwei Kabel verbindet – und weil sie in einen Meter Tiefe verbuddelt war, dauert es entsprechend lange bis die Bundesligasaison eröffnet wird.

66 Minuten genau genommen, währen denen sich die Spieler in den Katakomben dehnen und strecken und gegen den Spannungsverlust ankämpfen. Nach 20 Minuten kommen sie auf den Rasen und trainieren öffentlich, prompt singen die Fans: „Wir wollen Fußball sehen.“ Sie müssen weiter warten, bis die Bremer Elektrizitätswerke ihre Spezialisten aus dem Feierabend geholt haben.

Die Verantwortlichen wollten übrigens schon nach 45 Minuten und ohne Rücksicht auf die TV-Zuschauer im Dämmerlicht anstoßen lassen, auch Schalke-Manager Rudi Assauer gibt sein Okay. aber als Trautmann bereits die Pfeife im Mund hat, fällt auch der letzte Flutlichtmast aus. Allmählich sieht es nach einem verdammt schlechten Scherz eines Fußballhassers aus. 15 Minuten dauert die Gespensterstunde im Stadion, das kaum jemand verlässt. Dann beklatschen die Fans den Moment, als das Licht wieder kommt, euphorischer als so manches Werder-Tor. An diesem Abend fällt nur eines – Nelson Valdez erzielt für die Gastgeber um 23.13 Uhr das spätestete Bundesliga-Tor aller Zeiten.

Was sonst noch am 1. Spieltag geschah

24. August 1963: Dortmunds Timo Konietzka schießt in Bremen nach rund 35 Sekunden das allererste Bundesliga-Tor. Da die Fotografen hinter dem anderen Tor sitzen und keine TV-Kameras im Stadion sind, gibt es davon keine Bilder.

6. August 1977: Am Lauterer Betzenberg geht ein Spieler k.o. - was vorkommt – aber der Täter ist der Schiedsrichter. Wilfried Burgers rammte im Tumult nach einer Elfmeterentscheidung Braunschweigs Reiner Hollmann unbeabsichtigt den Ellenbogen an den Hals. Hollmann wird ausgewechselt und muss ins Krankenhaus, die Eintracht spielt unter Protest weiter, zieht ihn aber später zurück.

21. August 1982: Wieder lautet der Tatort Bremen. Werder-Stürmer Uwe Reinders erzielt das erste Einwurf-Tor der Bundesliga, kassieren muss es Bayern-Torwart Jean-Marie Pfaff, der den vom Winde verwehten Ball noch mit den Fingern berührt und deshalb den Treffer gültig macht. Es bleibt das einzige Tor und Debütant Pfaff der Spott.

10. August 1985: Bayerns Helmut Winklhofer schießt in Uerdingen bei einem missglückten Pressschlag ein sagenhaftes Eigentor aus 25 Metern. Es entscheidet das Spiel und wird zum Tor des Monats gewählt. Die Plakette kam Weihnachten mit der Post, abholen wollte er sie nicht.

9. August 1986: Im Münchner Olympia-Stadion steuert Dortmunds Frank Mill das Bayern-Tor an. Er lässt Torwart Jean-Marie Pfaff aussteigen und muss nur noch einschießen. Doch bei seinem BVB-Debüt versagen ihm die Nerven, er gerät ins Stolpern und trifft nur den Pfosten. Bayern-Trainer Udo Lattek bietet Mill nach dem Spiel (2:2) schelmisch eine Prämie an, „falls er sie annimmt“. Als der Pechvogel ein Jahr später in San Francisco Urlaub macht, schaltet er im Hotel den Fernseher an und sieht seinen Bolzen in einer US-Pannenshow.

23. Juli 1988: Frankfurts Torwart Uli Stein streikt in München aus Frust nach dem Tor zum 1:0 für Bayern und bleibt demonstrativ an der Werbebande hinter dem Tor stehen. Die Signale von Schiedsrichter zurückzukehren, ignoriert er beharrlich – da sieht er Gelb. Weil er das mit höhnischem Applaus quittiert, fliegt Stein vom Platz. In Unterzahl verlieren die Hessen 0:3.

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Zum Auftakt der 49. Bundesliga-Saison am Freitag startet DFB.de eine neue Serie. In „Es geschah am ... Spieltag“ blickt der Historiker und Autor Udo Muras zurück auf ein besonderes Ereignis am jeweiligen Spieltag einer früheren Saison.

Heute: Der kuriose Saisonstart 2004/2005, als ein Bagger in Bremen für einen Flutlichtausfall und einen um 65 Minuten verspäteten Start sorgte.

Datum: 6. August 2004
Ort: Bremer Weser-Stadion
Partie: Werder Bremen – Schalke 04

Ganz Deutschland schaut an diesem Freitagabend nach Bremen, wo der amtierende Meister nach einer damals noch ziemlich neuen Regelung in einem vorgezogenen Heimspiel die Saison eröffnen darf. Bühne frei für die 42. Saison, vor der wie üblich die Bayern Favorit sind. In einer Kicker-Umfrage tippen 47,7 Prozent der Leser auf den Rekordmeister, auf den Plätzen die Kontrahenten des Eröffnungsspieles: Werder (16 Prozent) und Schalke (12,2 Prozent), dessen Trainer Jupp Heynckes offen von der Meisterschaft spricht und auch vor Werder keine Scheu hat: „Wir haben die Möglichkeit, in Bremen zu gewinnen.“ Doch dazu muss auch gespielt werden…

Als die Mannschaften schon im Kabinengang stehen, gibt es einen lauten Knall. Er gehört nicht zur Choreographie des Eröffnungsspiels. Nein, er kündigt das Unheil an: drei Minuten vor Anpfiff fällt der Strom aus. Im Stadion wird es dunkel, auf den Bildschirmen auch – Premiere und ARD wollen live übertragen. Die Fernsehleute sind ratlos, Marcel Reif von Premiere moderiert kurzfristig per Telefon, aber das „hörte sich in etwa so an wie die alten Fußballmoderationen a la Bern 1954.“, lästert ein Zuschauer im Internet. Aber es gibt ja ohnehin nichts zu schildern.

Nur ein einsamer Flutlichtmast bringt etwas Licht ins Dunkel, die Anzeigetafel fällt auch aus. Ein Teil der 42.500 Fans nimmt es locker und skandiert: „Fußball geht auch ohne Strom“. Feuerzeuge werden geschwenkt und – ganz neumodisch – sogar Handy-Displays dienen als Lichtquellen. Um ein reguläres Spiel auszutragen, reichen sie natürlich nicht. Schiedsrichter Stefan Trautmann schickt die Spieler in die Kabinen zurück, der rote Teppich für die Eröffnungs-Zeremonie wird wieder eingerollt. Vor der Problembehebung kommt die Ursachenforschung. Aber noch weiß niemand, warum die Bundesliga-Premiere in ein schwarzes Loch gefallen ist. Heute wissen wir es: Der Schuldige ist eine Kabelmuffe namens Carola, die heute im Werder-Museum (Wuseum) zu besichtigen ist. In Stadionnähe finden nämlich Straßen-Bauarbeiten der Bremer Stadtwerke statt und ein Bagger hat sie nachhaltig beschädigt.

Immerhin funktioniert das Stadionmikrofon noch und so lernt der Zuschauer im Laufe des seltsamen Abends, dass diese Muffe zwei Kabel verbindet – und weil sie in einen Meter Tiefe verbuddelt war, dauert es entsprechend lange bis die Bundesligasaison eröffnet wird.

66 Minuten genau genommen, währen denen sich die Spieler in den Katakomben dehnen und strecken und gegen den Spannungsverlust ankämpfen. Nach 20 Minuten kommen sie auf den Rasen und trainieren öffentlich, prompt singen die Fans: „Wir wollen Fußball sehen.“ Sie müssen weiter warten, bis die Bremer Elektrizitätswerke ihre Spezialisten aus dem Feierabend geholt haben.

Die Verantwortlichen wollten übrigens schon nach 45 Minuten und ohne Rücksicht auf die TV-Zuschauer im Dämmerlicht anstoßen lassen, auch Schalke-Manager Rudi Assauer gibt sein Okay. aber als Trautmann bereits die Pfeife im Mund hat, fällt auch der letzte Flutlichtmast aus. Allmählich sieht es nach einem verdammt schlechten Scherz eines Fußballhassers aus. 15 Minuten dauert die Gespensterstunde im Stadion, das kaum jemand verlässt. Dann beklatschen die Fans den Moment, als das Licht wieder kommt, euphorischer als so manches Werder-Tor. An diesem Abend fällt nur eines – Nelson Valdez erzielt für die Gastgeber um 23.13 Uhr das spätestete Bundesliga-Tor aller Zeiten.

Was sonst noch am 1. Spieltag geschah

24. August 1963: Dortmunds Timo Konietzka schießt in Bremen nach rund 35 Sekunden das allererste Bundesliga-Tor. Da die Fotografen hinter dem anderen Tor sitzen und keine TV-Kameras im Stadion sind, gibt es davon keine Bilder.

6. August 1977: Am Lauterer Betzenberg geht ein Spieler k.o. - was vorkommt – aber der Täter ist der Schiedsrichter. Wilfried Burgers rammte im Tumult nach einer Elfmeterentscheidung Braunschweigs Reiner Hollmann unbeabsichtigt den Ellenbogen an den Hals. Hollmann wird ausgewechselt und muss ins Krankenhaus, die Eintracht spielt unter Protest weiter, zieht ihn aber später zurück.

21. August 1982: Wieder lautet der Tatort Bremen. Werder-Stürmer Uwe Reinders erzielt das erste Einwurf-Tor der Bundesliga, kassieren muss es Bayern-Torwart Jean-Marie Pfaff, der den vom Winde verwehten Ball noch mit den Fingern berührt und deshalb den Treffer gültig macht. Es bleibt das einzige Tor und Debütant Pfaff der Spott.

10. August 1985: Bayerns Helmut Winklhofer schießt in Uerdingen bei einem missglückten Pressschlag ein sagenhaftes Eigentor aus 25 Metern. Es entscheidet das Spiel und wird zum Tor des Monats gewählt. Die Plakette kam Weihnachten mit der Post, abholen wollte er sie nicht.

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9. August 1986: Im Münchner Olympia-Stadion steuert Dortmunds Frank Mill das Bayern-Tor an. Er lässt Torwart Jean-Marie Pfaff aussteigen und muss nur noch einschießen. Doch bei seinem BVB-Debüt versagen ihm die Nerven, er gerät ins Stolpern und trifft nur den Pfosten. Bayern-Trainer Udo Lattek bietet Mill nach dem Spiel (2:2) schelmisch eine Prämie an, „falls er sie annimmt“. Als der Pechvogel ein Jahr später in San Francisco Urlaub macht, schaltet er im Hotel den Fernseher an und sieht seinen Bolzen in einer US-Pannenshow.

23. Juli 1988: Frankfurts Torwart Uli Stein streikt in München aus Frust nach dem Tor zum 1:0 für Bayern und bleibt demonstrativ an der Werbebande hinter dem Tor stehen. Die Signale von Schiedsrichter zurückzukehren, ignoriert er beharrlich – da sieht er Gelb. Weil er das mit höhnischem Applaus quittiert, fliegt Stein vom Platz. In Unterzahl verlieren die Hessen 0:3.