Eine Erfolgsgeschichte - 50 Jahre Bundesliga: Die Saison 1966/1967

Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich startet DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst DFB.de-Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: 1966.

Die Einrichtung der Bundesliga hatte sich im dritten Jahr erstmals auch international spürbar bewährt. Borussia Dortmund gewann im Mai 1966 den Europapokal und im Juli erreichte Deutschland in London erstmals seit dem Wunder von Bern wieder ein WM-Finale. Deutliche Anzeichen für eine Niveausteigerung.

In den beliebten Umfragen vor der Saison fielen natürlich besonders die Namen derer, die sich bereits mit Ruhm bekleckert hatten. 14 Bundesligatrainer schoben Meister 1860 München die Favoritenrolle in die Fußball-Schuhe, auch die anderen bisherigen Bundesligameister 1. FC Köln und Werder Bremen und sogar der aufstrebende FC Bayern wurden genannt. Von Eintracht Braunschweig sprach niemand, für viele war sie ein Abstiegskandidat. Trainer Helmut Johannsen wollte nur Platz zehn wiederholen.

Vier Jahre - vier verschiedene Meister

Aber die Bundesliga zeigte auch im vierten Jahr, dass sie eine Wundertüte sein kann. Vier Jahre, vier verschiedene Meister. Der Triumph von Eintracht Braunschweig darf getrost als größte Sensation bis zum Siegeszug von Aufsteiger Kaiserslautern 1998 bezeichnet werden. Eine bodenständige Mannschaft mit neun Niedersachsen, ohne Stars und – zunächst – ohne Nationalspieler düpierte die großen Favoriten. Auch weil man sie lange nicht ernst nahm.

"Die Braunschweiger werden noch abfallen", prophezeit Stuttgarts Trainer Rudi Gutendorf im November. Auch als sie Herbstmeister waren, tippten nur vier Trainer in einer Umfrage des Sport Magazins auf sie. Als sie am 21. Spieltag Verfolger Frankfurt 3:0 abfertigten, schrieb das Fachblatt plötzlich: "Jetzt muss man sich allen Ernstes fragen, wer den Siegesmarsch der Eintracht in Richtung Meisterschaft noch aufhalten soll?"

Natürlich flogen ihr nicht überall die Herzen zu, schon aufgrund der Spielweise. "Ich will nicht, dass eine solche Mannschaft Meister wird", sagte ein Gladbacher Vorstand anonym einem Reporter. Denn Defensive war Braunschweigs Trumpf. In genau der Hälfte aller Spiele blieb Torwart Horst Wolter unbezwungen, lange unerreichte 27 Gegentore waren es in der Endabrechnung. Vorne fielen zwar nur 49 Tore, so wenige wie kein anderer Meister in 49 Bundesliga-Jahren fabrizierte, aber dafür gab es trotzdem die meisten Punkte: 43. Bezeichnend, wie die Eintracht Meister wurde: mit einem 0:0 bei Absteiger RW Essen am 33. Spieltag. Namen wie Bäse und Kaack wurden plötzlich bekannt, Horst Wolter, Bernd Dörfel und Lothar Ulsaß gar Nationalspieler. Der Vorstand gönnte der einzigen Meistermannschaft der Klub-Historie als Prämie 5000 D-Mark und eine Armbanduhr.

Torschnitt fällt unter drei

Titelverteidiger TSV 1860 erlebte eine turbulente Saison. Im Oktober sorgte Timo Konietzka, Mann des ersten Tores, für einen Skandal, als er gegen Dortmund Schiedsrichter Spinnler gegen das Schienbein trat. Er wurde für sechs Monate gesperrt wurde – bis heute ein trauriger Rekord. Im Dezember warf Meister-Trainer Max Merkel nach dem letzten Heimspiel der Vorrunde nach Ärger mit dem Vorstand hin und wechselte mitten im Strom die Pferde – ab der Rückrunde übernahm er den vakanten Trainerposten in Nürnberg. Merkels Nachfolger Gunter Baumann führte die bis zum 33. Spieltag auf den Titel hoffenden "Löwen" auf Platz zwei, auch Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt (siebenmal Tabellenführer) hielten lange mit.

An Spannung fehlte es 1966/1967 sicher nicht, eher schon am großen Glanz. Erstmals fiel der Torschnitt pro Partie unter drei. Sicherheitsdenken war en vogue, am 22. April endeten sechs Spiele 1:1. Die so hoch gelobten Bayern fielen auf Platz sechs zurück, gingen im April in Braunschweig mit 2:5 unter. Dafür hielten sie sich aber in den Pokalwettbewerben schadlos. Sie verteidigten gegen den in der Liga stark enttäuschenden HSV (4:0) den DFB-Pokal und lösten gar Borussia Dortmund als Europacup-Sieger der Pokalsieger ab (1:0 gegen Glasgow Rangers).

Emmerich und Müller teilen sich Titel des Torschützenkönigs

Wieder ein stolzer Triumph für die Bundesliga! Die Kanone für den Torschützenkönig übergaben die Borussen aber nicht kampflos an die Münchner, Titelverteidiger Lothar Emmerich teilte sich den Ruhm nun mit Gerd Müller, der seine Torquote verdoppelte (von 14 auf 28) und Nationalspieler wurde.

Lange Gesichter gab es bei den Aufsteigern: Fortuna Düsseldorf und Rot-Weiß Essen nahmen prompt wieder den Fahrstuhl nach unten. Es kann eben nicht jedes Jahr so furiose Aufsteiger geben wie 1965 die Bayern und die Gladbacher, die in ihrer zweiten Saison auf Platz acht kletterten und für das erste zweistellige Resultat der Liga sorgten: Am 7. Januar 1967 fegten sie Schalke 04 11:0 vom Platz. Aber noch immer fehlte den "Fohlen" die Konstanz. Bezeichnend, dass sie schon eine Woche darauf, nun im Pokal, bei den von ihnen so gedemütigten Schalkern 2:4 unterlagen. Dass im Fußball alles möglich und nichts berechenbar ist, das hatte auch die Bundesliga nicht geändert. Aber das sollte sie ja auch nicht. Nur mehr möglich machen, und das tat sie.

Fakten der vierten Saison:

Tore: 895 (2,92 pro Spiel)
Torschützenkönig: Lothar Emmerich (BVB)/Gerd Müller (Bayern), je 28
Zuschauer: 7.129.485 (23.266 pro Spiel)
Meister: Eintracht Braunschweig
Absteiger: Fortuna Düsseldorf, Rot-Weiß Essen
Aufsteiger: Borussia Neunkirchen, Alemannia Aachen
Trainerentlassungen: 8 (Rekord)

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Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich startet DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst DFB.de-Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: 1966.

Die Einrichtung der Bundesliga hatte sich im dritten Jahr erstmals auch international spürbar bewährt. Borussia Dortmund gewann im Mai 1966 den Europapokal und im Juli erreichte Deutschland in London erstmals seit dem Wunder von Bern wieder ein WM-Finale. Deutliche Anzeichen für eine Niveausteigerung.

In den beliebten Umfragen vor der Saison fielen natürlich besonders die Namen derer, die sich bereits mit Ruhm bekleckert hatten. 14 Bundesligatrainer schoben Meister 1860 München die Favoritenrolle in die Fußball-Schuhe, auch die anderen bisherigen Bundesligameister 1. FC Köln und Werder Bremen und sogar der aufstrebende FC Bayern wurden genannt. Von Eintracht Braunschweig sprach niemand, für viele war sie ein Abstiegskandidat. Trainer Helmut Johannsen wollte nur Platz zehn wiederholen.

Vier Jahre - vier verschiedene Meister

Aber die Bundesliga zeigte auch im vierten Jahr, dass sie eine Wundertüte sein kann. Vier Jahre, vier verschiedene Meister. Der Triumph von Eintracht Braunschweig darf getrost als größte Sensation bis zum Siegeszug von Aufsteiger Kaiserslautern 1998 bezeichnet werden. Eine bodenständige Mannschaft mit neun Niedersachsen, ohne Stars und – zunächst – ohne Nationalspieler düpierte die großen Favoriten. Auch weil man sie lange nicht ernst nahm.

"Die Braunschweiger werden noch abfallen", prophezeit Stuttgarts Trainer Rudi Gutendorf im November. Auch als sie Herbstmeister waren, tippten nur vier Trainer in einer Umfrage des Sport Magazins auf sie. Als sie am 21. Spieltag Verfolger Frankfurt 3:0 abfertigten, schrieb das Fachblatt plötzlich: "Jetzt muss man sich allen Ernstes fragen, wer den Siegesmarsch der Eintracht in Richtung Meisterschaft noch aufhalten soll?"

Natürlich flogen ihr nicht überall die Herzen zu, schon aufgrund der Spielweise. "Ich will nicht, dass eine solche Mannschaft Meister wird", sagte ein Gladbacher Vorstand anonym einem Reporter. Denn Defensive war Braunschweigs Trumpf. In genau der Hälfte aller Spiele blieb Torwart Horst Wolter unbezwungen, lange unerreichte 27 Gegentore waren es in der Endabrechnung. Vorne fielen zwar nur 49 Tore, so wenige wie kein anderer Meister in 49 Bundesliga-Jahren fabrizierte, aber dafür gab es trotzdem die meisten Punkte: 43. Bezeichnend, wie die Eintracht Meister wurde: mit einem 0:0 bei Absteiger RW Essen am 33. Spieltag. Namen wie Bäse und Kaack wurden plötzlich bekannt, Horst Wolter, Bernd Dörfel und Lothar Ulsaß gar Nationalspieler. Der Vorstand gönnte der einzigen Meistermannschaft der Klub-Historie als Prämie 5000 D-Mark und eine Armbanduhr.

Torschnitt fällt unter drei

Titelverteidiger TSV 1860 erlebte eine turbulente Saison. Im Oktober sorgte Timo Konietzka, Mann des ersten Tores, für einen Skandal, als er gegen Dortmund Schiedsrichter Spinnler gegen das Schienbein trat. Er wurde für sechs Monate gesperrt wurde – bis heute ein trauriger Rekord. Im Dezember warf Meister-Trainer Max Merkel nach dem letzten Heimspiel der Vorrunde nach Ärger mit dem Vorstand hin und wechselte mitten im Strom die Pferde – ab der Rückrunde übernahm er den vakanten Trainerposten in Nürnberg. Merkels Nachfolger Gunter Baumann führte die bis zum 33. Spieltag auf den Titel hoffenden "Löwen" auf Platz zwei, auch Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt (siebenmal Tabellenführer) hielten lange mit.

An Spannung fehlte es 1966/1967 sicher nicht, eher schon am großen Glanz. Erstmals fiel der Torschnitt pro Partie unter drei. Sicherheitsdenken war en vogue, am 22. April endeten sechs Spiele 1:1. Die so hoch gelobten Bayern fielen auf Platz sechs zurück, gingen im April in Braunschweig mit 2:5 unter. Dafür hielten sie sich aber in den Pokalwettbewerben schadlos. Sie verteidigten gegen den in der Liga stark enttäuschenden HSV (4:0) den DFB-Pokal und lösten gar Borussia Dortmund als Europacup-Sieger der Pokalsieger ab (1:0 gegen Glasgow Rangers).

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Emmerich und Müller teilen sich Titel des Torschützenkönigs

Wieder ein stolzer Triumph für die Bundesliga! Die Kanone für den Torschützenkönig übergaben die Borussen aber nicht kampflos an die Münchner, Titelverteidiger Lothar Emmerich teilte sich den Ruhm nun mit Gerd Müller, der seine Torquote verdoppelte (von 14 auf 28) und Nationalspieler wurde.

Lange Gesichter gab es bei den Aufsteigern: Fortuna Düsseldorf und Rot-Weiß Essen nahmen prompt wieder den Fahrstuhl nach unten. Es kann eben nicht jedes Jahr so furiose Aufsteiger geben wie 1965 die Bayern und die Gladbacher, die in ihrer zweiten Saison auf Platz acht kletterten und für das erste zweistellige Resultat der Liga sorgten: Am 7. Januar 1967 fegten sie Schalke 04 11:0 vom Platz. Aber noch immer fehlte den "Fohlen" die Konstanz. Bezeichnend, dass sie schon eine Woche darauf, nun im Pokal, bei den von ihnen so gedemütigten Schalkern 2:4 unterlagen. Dass im Fußball alles möglich und nichts berechenbar ist, das hatte auch die Bundesliga nicht geändert. Aber das sollte sie ja auch nicht. Nur mehr möglich machen, und das tat sie.

Fakten der vierten Saison:

Tore: 895 (2,92 pro Spiel)
Torschützenkönig: Lothar Emmerich (BVB)/Gerd Müller (Bayern), je 28
Zuschauer: 7.129.485 (23.266 pro Spiel)
Meister: Eintracht Braunschweig
Absteiger: Fortuna Düsseldorf, Rot-Weiß Essen
Aufsteiger: Borussia Neunkirchen, Alemannia Aachen
Trainerentlassungen: 8 (Rekord)