Ein Team, ein Ziel, ein gemeinsamer Traum

Ein letzter Test vor dem großen Turnier. Ein 3:1-Erfolg am vergangenen Donnerstag gegen Bosnien-Herzegowina nach rund drei Wochen in zwei Trainingslagern. Nun beginnt für die deutsche Nationalmannschaft die abschließende Phase der WM-Vorbereitung. Am Sonntag flog der DFB-Kader von Frankfurt am Main nach Südafrika, am 13. Juni steht das erste Gruppenspiel gegen Australien an. Joachim Löw muss auf einige verletzte Spieler verzichten, aber er vertraut auf seine junge Mannschaft. "Wir werden gut vorbereitet in das Turnier gehen", sagt der Bundestrainer. DFB-Chefredakteur Ralf Köttker und DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke über die Situation im Kader vor dem WM-Auftakt.

Kurz vor Ende des Trainingslagers wollten die Spieler noch einmal ungestört sein. Bundestrainer Joachim Löw hatte ihnen freigegeben und die Mannschaft ließ sich vom Teamhotel Weinegg in den nahegelegenen Landgasthof Turmbach bringen. Die Trainingsanzüge blieben an diesem Abend auf den Hotelzimmern. In Jeans und T-Shirts saßen die Spieler an den rustikalen Holztischen, draußen verschwand die Sonne hinter den Weinbergen. Es wurde landestypisch gegessen, ein Gläschen getrunken, viel miteinander geredet. Es war der letzte Mannschaftsabend vor der Abreise nach Südafrika - nur einige Kilometer Luftlinie von dem Ort entfernt, an dem sich eine deutsche Nationalmannschaft 20 Jahre zuvor auf den WM-Sieg in Italien eingestimmt hatte.

Die Meisten kehrten früh zurück. Kräfte schonen, bevor es gemeinsam auf die letzte, die alles entscheidende Etappe geht. Am Sonntag begann auf dem Frankfurter Flughafen eine Reise, deren Ende niemand vorhersagen kann. Mit dem größten Passagierflugzeug der Welt fliegt die deutsche Nationalmannschaft zum größten Fußballturnier der Welt. Gegen 20.30 Uhr wird der Airbus A380 in Richtung Johannesburg abheben. Ein besonderer Flug für einen ganz über besonderen Anlass. Alles ist seit langem bis ins letzte Detail durchgeplant, nur das genaue Datum des Rückflugs ist offen.

Ein Ereignis von nationalem Interesse

Wie weit wird die DFB-Auswahl bei der WM in Südafrika kommen? Droht in der Vorrunde das Aus? Wer wartet im Viertelfinale? Kann das Team im Halbfinale auf Spanien treffen? Und wie hoch ist die Chance, nach 1954, 1974 und 1990 vielleicht doch den vierten Titel zu gewinnen? Fragen, die eine Fußballnation beschäftigen werden. Fragen, die an jedem Stammtisch, an jedem Arbeitsplatz und in jedem Klassenzimmer diskutiert werden. Fragen, die in den kommenden Wochen sogar die Euro-Krise ins Abseits stellen werden. Wer im Sturm spielt, ist plötzlich genauso wichtig wie die Frage, wer Bundespräsident wird. Deutschland, Fußball-Land.

Es geht in Südafrika um ein Ereignis von nationalem Interesse. Und die Bundeskanzlerin wollte dafür eigentlich ganz persönlich viel Glück wünschen. Sie wollte nicht nur einen Brief schreiben, ein paar nette Worte auf Amtspapier übermitteln lassen. Angela Merkel wollte den Spielern in die Augen schauen, jedem einzelnen die Hand schütteln. Durch den Rücktritt von Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler musste sie die geplante Reise ins Trainingslager kurzfristig absagen. Ihre Botschaft übermittelte sie trotzdem, am Telefon: Deutschland steht hinter Euch, Deutschland drückt Euch die Daumen. Deutschland glaubt an diese Mannschaft. Ein Land, ein Team. Und ein gemeinsamer Traum.

"Wir werden sehr gut vorbereitet in das Turnier gehen", sagt Bundestrainer Joachim Löw, der seine Mannschaft am 14. Mai zusammengerufen hatte. Das Abenteuer Südafrika begann mit ein paar gemeinsamen Tagen auf Sizilien. Erholen, Regenerieren, Trainieren. Mit dem kühlen Wind hatte niemand gerechnet. Und mit der Nachricht auch nicht, die aus München kam. Michael Ballack fällt für die WM aus. Ein Tritt im englischen Pokalfinale zerstörte seinen Traum. Und Deutschland stand plötzlich ohne seinen Kapitän da.

Löw: "Ich habe Vertrauen in die Qualität unseres Kaders"

Das Entsetzen war groß, der öffentliche Aufschrei noch größer. Eine Mischung aus sportlicher Verzweiflung und Wut auf den Verursacher bestimmte die Schlagzeilen. Und die meistgestellte Frage lautete: Kann die Mannschaft ohne den "Capitano" bei der WM erfolgreich sein?

Die Antwort gab der Bundestrainer selbst. Ja, der Verlust wiegt natürlich schwer. Ja, ein Michael Ballack ist kaum zu ersetzen. Aber nein, es gibt keinen Grund für Resignation, überhaupt keinen. "Ich habe Vertrauen in die Qualität unseres Kaders", hat Löw gesagt. Und an seiner Meinung hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn es weitere Nachrichten gab, mit denen niemand rechnen konnte und wollte. 27 Spieler hatte der Bundestrainer in den vorläufigen Kader berufen, am Ende des Trainingslagers waren es nur noch 24. Nach Ballack verletzten sich auch Christian Träsch und Heiko Westermann. Die Diagnosen waren unterschiedlich, die Konsequenz jedes Mal dieselbe: Abschied nehmen, heimfahren, nicht bei der WM dabei sein. Ein trauriger Moment für jeden Einzelnen. Und für das ganze Team. "Mir bleibt jetzt nur der Mannschaft viel Erfolg zu wünschen", sagte Heiko Westermann, als er mit eingegipstem Fuß auf Krücken das Quartier verließ. Ein Wunsch - und eine Verpflichtung. Für jeden.

Die Tage in Südtirol waren nicht sorgenfrei. Aber es hätte für das Team kaum einen besseren Ort geben können, um die Sorgen möglichst schnell zu vergessen und sich optimal auf ein großes Turnier vorzubereiten. Ein Hotel inmitten der Weinberge. Ein bestens präpariertes Trainingsgelände in unmittelbarer Nähe. Ein Medienzentrum mit allem Zubehör. Und überall freundliche, fleißige Helfer, von denen einige schon vor 20 Jahren dabei waren, als Franz Beckenbauer in der Region sein Team in Form brachte. Der DFB zu Gast bei Freunden. Und das Wetter in Südtirol war auch noch besser als auf Sizilien.

Es waren wichtige Tage für das Team, das lange auf die sieben Spieler des FC Bayern München, die im Finale der Champions League standen, warten musste. Bergsteiger-Legende Reinhold Messner besuchte den Kader und sprach über die Herausforderungen auf dem Weg zum Gipfel, auf dem Weg nach ganz oben. Im Kino schauten alle gemeinsam den Film "Invictus", der den sensationellen Sieg des südafrikanischen Rugby-Teams beim World Cup 1995 nacherzählt. Es wurde nach den Einheiten zusammen Tennis gespielt, gegrillt und geflachst. Ein Team, ein Ziel. Und ein großer gemeinsamer Traum.

Mertesacker - einer der "jungen Erfahrenen"

Für diesen Traum wurde hart gearbeitet, jeden einzelnen Tag. Im Fitnesszelt neben dem Platz, auf dem Rasen, auf dem Mountainbike. Hundertprozentiger Einsatz, von jedem. Der Trainerstab ließ Laufwege üben, die Fitnesscoaches ließen die Spieler schwitzen. Dazwischen wurde immer wieder analysiert, kontrolliert, perfektioniert. Und schnell noch massiert. Es wurden immer wieder taktische Varianten durchdiskutiert und Spielzüge automatisiert. "Es ist schon klasse zu sehen, mit welchem Einsatz hier wirklich alle mitziehen", sagte einer wie Per Mertesacker, der zu den jungen Erfahrenen gehört.

Es ist ein Markenzeichen dieser Mannschaft, dass sie jung ist. Und sie will allen zeigen, dass sie für große Aufgaben nicht zu jung ist. Spieler Anfang 30, die viel erlebt und eine unangreifbare Ausnahmestellung hatten, gab es früher. Spieler wie Kapitän Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger oder Lukas Podolski gehören heute zu den Etablierten. Mit Mitte 20 haben sie bereits mehr Länderspiele absolviert als die meisten Nationalspieler vorangegangener Generationen in ihrer gesamten Karriere. Nie ging eine deutsche Auswahl mit so jungem Führungspersonal in ein Turnier. Nie zuvor war ein Kapitän erst 26.

Es gibt nicht wenige, denen so viel Jugendlichkeit unheimlich ist. Was passiert, wenn es Probleme gibt? Wenn Rückschläge kommen? Wenn eine starke Ansprache gefragt ist? "Wir wissen schon, was zu tun ist. Die meisten von uns haben solche Situationen auch schon erlebt", sagt Bastian Schweinsteiger, 25 Jahre, wie Lahm, Müller, Badstuber, Butt, Klose und Gómez Double-Gewinner und Champions-League-Finalist 2010. Keine schlechten Referenzen. Keine schlechten Argumente. Löw setzt auf die Vorteile der Jugend. Seine Spieler sind trotz der langen Saison fit. Sie sind gut trainiert. Sie sind talentiert. Und sie sind ambitioniert. Ein Teil der Mannschaft hat vergangenes Jahr noch in der U 21 gespielt und ist in Schweden Europameister geworden. Mittlerweile spielen auch sie eine wichtige Rolle im A-Team. Manuel Neuer hat nach dem Ausfall von René Adler die Nummer 1 übernommen und strahlt im Strafraum eine Gelassenheit aus, als hätte er schon 50 Länderspiele hinter sich. Mesut Özil macht unvorhersehbare Dinge und damit das Spiel unberechenbarer. Jérôme Boateng ist eine vielversprechende Option in der Abwehr. Und Sami Khedira soll die Rolle spielen, die eigentlich für Ballack vorgesehen war. Ob er das kann? "Ich denke, ich sollte meine Stärken einbringen", sagt er. Selbstbewusst, und trotzdem bescheiden.

Alles ist möglich

Wohin führt die letzte, die entscheidende Etappe? "Es ist natürlich auch immer wichtig, wie eine Mannschaft in ein Turnier kommt", sagt Löw, der schon nach der Auslosung auf die Fähigkeiten der Gruppengegner hingewiesen hatte. Australien, Serbien, Ghana. Kein leichtes Spiel, auch wenn der WM-Dritte von 2006 und Vize-Europameister als Favorit in die Begegnungen geht. Am 13. Juni beginnt es in Durban gegen Australien, es folgen Serbien und Ghana. Ein Rückflug nach der Vorrunde ist nicht vorgesehen. Und danach? "In einem Turnier ist doch immer alles möglich", sagt Klose.

Nach der Landung in Südafrika wird weiter daran gearbeitet, dass alles möglich bleibt, möglichst lang. Und möglichst wenig soll dabei dem Zufall überlassen werden. "Das gilt auch außerhalb des Platzes", sagt Teammanager Oliver Bierhoff, der sich intensiv mit den besonderen Gegebenheiten des Turniers beschäftigt hat. Es kann kühl werden im südafrikanischen Winter. Es wird ziemlich früh dunkel. Und die Sicherheitsvorkehrungen schränken die Bewegungsfreiheit ein. "Es ist wichtig, dass die Spieler im Hotel Ablenkung haben", sagt Bierhoff. "Die Stimmung im Team ist sehr gut, und so soll sie auch bleiben." Ein Team, ein Ziel, ein gemeinsamer Traum. Vielleicht war das Trainingslager in Südtirol am Ende tatsächlich wieder ein gutes Omen. Vielleicht war der Mannschaftsabend im Landgasthof Turmbach genau die richtige Einstimmung auf die Weltmeisterschaft. Und vielleicht wird nach dem Turnier niemand mehr über die vielen Ausfälle und das Alter der Mannschaft reden.

[rk/sl]

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Ein letzter Test vor dem großen Turnier. Ein 3:1-Erfolg am vergangenen Donnerstag gegen Bosnien-Herzegowina nach rund drei Wochen in zwei Trainingslagern. Nun beginnt für die deutsche Nationalmannschaft die abschließende Phase der WM-Vorbereitung. Am Sonntag flog der DFB-Kader von Frankfurt am Main nach Südafrika, am 13. Juni steht das erste Gruppenspiel gegen Australien an. Joachim Löw muss auf einige verletzte Spieler verzichten, aber er vertraut auf seine junge Mannschaft. "Wir werden gut vorbereitet in das Turnier gehen", sagt der Bundestrainer. DFB-Chefredakteur Ralf Köttker und DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke über die Situation im Kader vor dem WM-Auftakt.

Kurz vor Ende des Trainingslagers wollten die Spieler noch einmal ungestört sein. Bundestrainer Joachim Löw hatte ihnen freigegeben und die Mannschaft ließ sich vom Teamhotel Weinegg in den nahegelegenen Landgasthof Turmbach bringen. Die Trainingsanzüge blieben an diesem Abend auf den Hotelzimmern. In Jeans und T-Shirts saßen die Spieler an den rustikalen Holztischen, draußen verschwand die Sonne hinter den Weinbergen. Es wurde landestypisch gegessen, ein Gläschen getrunken, viel miteinander geredet. Es war der letzte Mannschaftsabend vor der Abreise nach Südafrika - nur einige Kilometer Luftlinie von dem Ort entfernt, an dem sich eine deutsche Nationalmannschaft 20 Jahre zuvor auf den WM-Sieg in Italien eingestimmt hatte.

Die Meisten kehrten früh zurück. Kräfte schonen, bevor es gemeinsam auf die letzte, die alles entscheidende Etappe geht. Am Sonntag begann auf dem Frankfurter Flughafen eine Reise, deren Ende niemand vorhersagen kann. Mit dem größten Passagierflugzeug der Welt fliegt die deutsche Nationalmannschaft zum größten Fußballturnier der Welt. Gegen 20.30 Uhr wird der Airbus A380 in Richtung Johannesburg abheben. Ein besonderer Flug für einen ganz über besonderen Anlass. Alles ist seit langem bis ins letzte Detail durchgeplant, nur das genaue Datum des Rückflugs ist offen.

Ein Ereignis von nationalem Interesse

Wie weit wird die DFB-Auswahl bei der WM in Südafrika kommen? Droht in der Vorrunde das Aus? Wer wartet im Viertelfinale? Kann das Team im Halbfinale auf Spanien treffen? Und wie hoch ist die Chance, nach 1954, 1974 und 1990 vielleicht doch den vierten Titel zu gewinnen? Fragen, die eine Fußballnation beschäftigen werden. Fragen, die an jedem Stammtisch, an jedem Arbeitsplatz und in jedem Klassenzimmer diskutiert werden. Fragen, die in den kommenden Wochen sogar die Euro-Krise ins Abseits stellen werden. Wer im Sturm spielt, ist plötzlich genauso wichtig wie die Frage, wer Bundespräsident wird. Deutschland, Fußball-Land.

Es geht in Südafrika um ein Ereignis von nationalem Interesse. Und die Bundeskanzlerin wollte dafür eigentlich ganz persönlich viel Glück wünschen. Sie wollte nicht nur einen Brief schreiben, ein paar nette Worte auf Amtspapier übermitteln lassen. Angela Merkel wollte den Spielern in die Augen schauen, jedem einzelnen die Hand schütteln. Durch den Rücktritt von Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler musste sie die geplante Reise ins Trainingslager kurzfristig absagen. Ihre Botschaft übermittelte sie trotzdem, am Telefon: Deutschland steht hinter Euch, Deutschland drückt Euch die Daumen. Deutschland glaubt an diese Mannschaft. Ein Land, ein Team. Und ein gemeinsamer Traum.

"Wir werden sehr gut vorbereitet in das Turnier gehen", sagt Bundestrainer Joachim Löw, der seine Mannschaft am 14. Mai zusammengerufen hatte. Das Abenteuer Südafrika begann mit ein paar gemeinsamen Tagen auf Sizilien. Erholen, Regenerieren, Trainieren. Mit dem kühlen Wind hatte niemand gerechnet. Und mit der Nachricht auch nicht, die aus München kam. Michael Ballack fällt für die WM aus. Ein Tritt im englischen Pokalfinale zerstörte seinen Traum. Und Deutschland stand plötzlich ohne seinen Kapitän da.

Löw: "Ich habe Vertrauen in die Qualität unseres Kaders"

Das Entsetzen war groß, der öffentliche Aufschrei noch größer. Eine Mischung aus sportlicher Verzweiflung und Wut auf den Verursacher bestimmte die Schlagzeilen. Und die meistgestellte Frage lautete: Kann die Mannschaft ohne den "Capitano" bei der WM erfolgreich sein?

Die Antwort gab der Bundestrainer selbst. Ja, der Verlust wiegt natürlich schwer. Ja, ein Michael Ballack ist kaum zu ersetzen. Aber nein, es gibt keinen Grund für Resignation, überhaupt keinen. "Ich habe Vertrauen in die Qualität unseres Kaders", hat Löw gesagt. Und an seiner Meinung hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn es weitere Nachrichten gab, mit denen niemand rechnen konnte und wollte. 27 Spieler hatte der Bundestrainer in den vorläufigen Kader berufen, am Ende des Trainingslagers waren es nur noch 24. Nach Ballack verletzten sich auch Christian Träsch und Heiko Westermann. Die Diagnosen waren unterschiedlich, die Konsequenz jedes Mal dieselbe: Abschied nehmen, heimfahren, nicht bei der WM dabei sein. Ein trauriger Moment für jeden Einzelnen. Und für das ganze Team. "Mir bleibt jetzt nur der Mannschaft viel Erfolg zu wünschen", sagte Heiko Westermann, als er mit eingegipstem Fuß auf Krücken das Quartier verließ. Ein Wunsch - und eine Verpflichtung. Für jeden.

Die Tage in Südtirol waren nicht sorgenfrei. Aber es hätte für das Team kaum einen besseren Ort geben können, um die Sorgen möglichst schnell zu vergessen und sich optimal auf ein großes Turnier vorzubereiten. Ein Hotel inmitten der Weinberge. Ein bestens präpariertes Trainingsgelände in unmittelbarer Nähe. Ein Medienzentrum mit allem Zubehör. Und überall freundliche, fleißige Helfer, von denen einige schon vor 20 Jahren dabei waren, als Franz Beckenbauer in der Region sein Team in Form brachte. Der DFB zu Gast bei Freunden. Und das Wetter in Südtirol war auch noch besser als auf Sizilien.

Es waren wichtige Tage für das Team, das lange auf die sieben Spieler des FC Bayern München, die im Finale der Champions League standen, warten musste. Bergsteiger-Legende Reinhold Messner besuchte den Kader und sprach über die Herausforderungen auf dem Weg zum Gipfel, auf dem Weg nach ganz oben. Im Kino schauten alle gemeinsam den Film "Invictus", der den sensationellen Sieg des südafrikanischen Rugby-Teams beim World Cup 1995 nacherzählt. Es wurde nach den Einheiten zusammen Tennis gespielt, gegrillt und geflachst. Ein Team, ein Ziel. Und ein großer gemeinsamer Traum.

Mertesacker - einer der "jungen Erfahrenen"

Für diesen Traum wurde hart gearbeitet, jeden einzelnen Tag. Im Fitnesszelt neben dem Platz, auf dem Rasen, auf dem Mountainbike. Hundertprozentiger Einsatz, von jedem. Der Trainerstab ließ Laufwege üben, die Fitnesscoaches ließen die Spieler schwitzen. Dazwischen wurde immer wieder analysiert, kontrolliert, perfektioniert. Und schnell noch massiert. Es wurden immer wieder taktische Varianten durchdiskutiert und Spielzüge automatisiert. "Es ist schon klasse zu sehen, mit welchem Einsatz hier wirklich alle mitziehen", sagte einer wie Per Mertesacker, der zu den jungen Erfahrenen gehört.

Es ist ein Markenzeichen dieser Mannschaft, dass sie jung ist. Und sie will allen zeigen, dass sie für große Aufgaben nicht zu jung ist. Spieler Anfang 30, die viel erlebt und eine unangreifbare Ausnahmestellung hatten, gab es früher. Spieler wie Kapitän Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger oder Lukas Podolski gehören heute zu den Etablierten. Mit Mitte 20 haben sie bereits mehr Länderspiele absolviert als die meisten Nationalspieler vorangegangener Generationen in ihrer gesamten Karriere. Nie ging eine deutsche Auswahl mit so jungem Führungspersonal in ein Turnier. Nie zuvor war ein Kapitän erst 26.

Es gibt nicht wenige, denen so viel Jugendlichkeit unheimlich ist. Was passiert, wenn es Probleme gibt? Wenn Rückschläge kommen? Wenn eine starke Ansprache gefragt ist? "Wir wissen schon, was zu tun ist. Die meisten von uns haben solche Situationen auch schon erlebt", sagt Bastian Schweinsteiger, 25 Jahre, wie Lahm, Müller, Badstuber, Butt, Klose und Gómez Double-Gewinner und Champions-League-Finalist 2010. Keine schlechten Referenzen. Keine schlechten Argumente. Löw setzt auf die Vorteile der Jugend. Seine Spieler sind trotz der langen Saison fit. Sie sind gut trainiert. Sie sind talentiert. Und sie sind ambitioniert. Ein Teil der Mannschaft hat vergangenes Jahr noch in der U 21 gespielt und ist in Schweden Europameister geworden. Mittlerweile spielen auch sie eine wichtige Rolle im A-Team. Manuel Neuer hat nach dem Ausfall von René Adler die Nummer 1 übernommen und strahlt im Strafraum eine Gelassenheit aus, als hätte er schon 50 Länderspiele hinter sich. Mesut Özil macht unvorhersehbare Dinge und damit das Spiel unberechenbarer. Jérôme Boateng ist eine vielversprechende Option in der Abwehr. Und Sami Khedira soll die Rolle spielen, die eigentlich für Ballack vorgesehen war. Ob er das kann? "Ich denke, ich sollte meine Stärken einbringen", sagt er. Selbstbewusst, und trotzdem bescheiden.

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Alles ist möglich

Wohin führt die letzte, die entscheidende Etappe? "Es ist natürlich auch immer wichtig, wie eine Mannschaft in ein Turnier kommt", sagt Löw, der schon nach der Auslosung auf die Fähigkeiten der Gruppengegner hingewiesen hatte. Australien, Serbien, Ghana. Kein leichtes Spiel, auch wenn der WM-Dritte von 2006 und Vize-Europameister als Favorit in die Begegnungen geht. Am 13. Juni beginnt es in Durban gegen Australien, es folgen Serbien und Ghana. Ein Rückflug nach der Vorrunde ist nicht vorgesehen. Und danach? "In einem Turnier ist doch immer alles möglich", sagt Klose.

Nach der Landung in Südafrika wird weiter daran gearbeitet, dass alles möglich bleibt, möglichst lang. Und möglichst wenig soll dabei dem Zufall überlassen werden. "Das gilt auch außerhalb des Platzes", sagt Teammanager Oliver Bierhoff, der sich intensiv mit den besonderen Gegebenheiten des Turniers beschäftigt hat. Es kann kühl werden im südafrikanischen Winter. Es wird ziemlich früh dunkel. Und die Sicherheitsvorkehrungen schränken die Bewegungsfreiheit ein. "Es ist wichtig, dass die Spieler im Hotel Ablenkung haben", sagt Bierhoff. "Die Stimmung im Team ist sehr gut, und so soll sie auch bleiben." Ein Team, ein Ziel, ein gemeinsamer Traum. Vielleicht war das Trainingslager in Südtirol am Ende tatsächlich wieder ein gutes Omen. Vielleicht war der Mannschaftsabend im Landgasthof Turmbach genau die richtige Einstimmung auf die Weltmeisterschaft. Und vielleicht wird nach dem Turnier niemand mehr über die vielen Ausfälle und das Alter der Mannschaft reden.