Silvia Neid: Ein Abschied in Gold

Als am Freitagabend der Schlusspfiff ertönte, war nicht nur das Spiel vorbei. Nicht nur das Olympische Fußballturnier der Frauen. Auch die großartige Karriere von Silvia Neid als Bundestrainerin war beendet. Schon vor über einem Jahr hatte Neid ihren nahenden Abschied bekannt gegeben. Es ist längst alles vorbereitet. Aber als der Moment dann tatsächlich gekommen war, nach dem 2:1 (0:0) im Finale gegen Schweden, nach dem Olympiasieg, war es doch irgendwie ein emotionaler Augenblick.

Neid hat ohne jeden Zweifel eine Ära geprägt. Das allerletzte Kapitel ihres ganz persönlichen Drehbuchs endete mit dem großen Happy End, mit dem totalen Triumph, mit der Goldmedaille. Die 52-Jährige war schon vorher mit einem ganz klaren Ziel zu den Olympischen Spielen nach Rio de Janeiro gereist. Gemeinsam mit ihrer Mannschaft und allen Betreuern wollte sie diese Goldmedaille holen – und nichts anderes. Genauso ist es gekommen. Neid hat als Bundestrainerin fast alles gewonnen, was der Weltfußball zu bieten hat. Es ist ein würdiger Abschluss, es ist ein passender Abschluss.

Neid:"Einfach total happy"

"Das war das I-Tüpfelchen. Ich bin einfach total happy, dass wir dieses Spiel auch noch gewonnen haben, es war nicht einfach. Ich bin echt total stolz auf meine Mannschaft.‎ Wir haben den Traum von der Goldmedaille wahr gemacht. Das ist einfach der Wahnsinn", sagt Neid, die gleichzeitig schon den Blick nach vorne warf: "Ich persönlich verspüre große Vorfreude auf das, was nun kommt. Ich werde eine neue Aufgabe haben auf die ich mich sehr freue."

Neid hatte schon vorher ziemlich unmissverständlich formuliert, dass sie keine Wehmut verspüre. Denn sie wisse ja genau, dass sie ihre Mannschaft in gute Hände übergebe. Mit Steffi Jones steht ihre Nachfolgerin schon lange fest. Sie hinterlässt eine Auswahl, die auch in den kommenden Jahren eine führende Rolle im Frauenfußball einnehmen wird. Und Neid wird das in ihrer neuen Rolle als Leiterin der Scouting-Abteilung Frauen und Juniorinnen des DFB genau verfolgen. Es ist also kein kompletter Abschied. In ihrem Fall trifft eher das Motte "Niemals geht man so ganz" den Nagel auf den Kopf.

Ein neuer Lebensabschnitt beginnt

"Ich bin unheimlich gespannt darauf, weil es einfach mal etwas Neues ist", sagt sie. "Es ist ja nicht nur Büroarbeit. Ich werde viel in der Welt herumreisen, um zu schauen, was die Trends im Frauenfußball sind. Diese zu sammeln, auszuwerten und Steffi Jones und ihrem Team dann zur Verfügung zu stellen – das wird eine spannende Aufgabe." Ihre neuen Arbeitsplätze sind demnächst der Schreibtisch, das Flugzeug, die internationale Welt des Frauenfußballs. Sie wird dann nicht mehr am Spielfeldrand zu finden sein, sie wird auf der Tribüne sitzen. Eine neue Perspektive für einen neuen Lebensabschnitt.

Bevor das alles beginnen kann, muss man natürlich auch noch einmal zurückschauen. Es ist fast schon unglaublich, aber man muss ziemlich weit in die Vergangenheit reisen, um die Anfänge von Neids Trainerkarriere beim DFB zu erreichen. Zurück in die Zukunft, vorwärts in die Vergangenheit – es vermischt gerade alles, die Grenzen werden aufgelöst.

Eindrucksvoller Rückblick

Neid hat 1996 – also genau vor 20 Jahren – als Assistentin von Tina Theune begonnen. 2005 ist sie dann zur Cheftrainerin aufgestiegen. Ihr erstes großes Turnier als Verantwortliche war die Weltmeisterschaft 2007 in China, Deutschland holte durch ein 2:0 im Finale gegen Brasilien den Titel. Auf einer normalen Visitenkarte wäre gar nicht genug Platz für die ganzen Erfolge, die sie feiern konnte. Neid ist als Trainerin zweimal Weltmeisterin geworden, sie hat fünfmal die Europameisterschaft geholt, sie hat drei Bronzemedaillen und nun also Gold bei Olympischen Spielen gewonnen und viermal stand sie beim Algarve Cup ganz oben auf dem Treppchen. Und das sind nur die wichtigsten Trophäen. Dazu kommen verschiedene Titel mit Junioren-Nationalmannschaften des DFB, die sie zu Beginn ihrer Trainerlaufbahn auch noch betreut hat. Neid hat als Trainerin der A-Nationalmannschaft 169 Spiele bestritten. 125 davon hat sie gewonnen, 22 sind unentschieden ausgegangen, 22 hat sie verloren – eine imponierende Bilanz.

Auch für ihre Zeit als Spielerin könnte man diese Liste beinahe beliebig erweitern: Neid war beim ersten offiziellen Länderspiel einer deutschen Frauen-Nationalmannschaft dabei, sie debütierte am 10. November 1982 in Koblenz gegen die Schweiz. Mit gerade einmal 18 Jahren. Und trug sich nur eine Minute nach ihrer Einwechslung direkt als Torschützin ein, zudem sorgte sie in dieser Partie für den 5:1-Endstand.

Neid war die erste Deutsche mit 100 Länderspielen

Insgesamt 111 Länderspiele bestritt sie, erzielte dabei 48 Tore. Sie war die erste deutsche Spielerin, die die Marke von 100 Spielen erreichte. Nach 14 Jahren beendete die Frau mit der Nummer 10 nach der Begegnung am 25. Juli gegen Brasilien bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta ihre Karriere – als Vize-Weltmeisterin, dreimalige Europameisterin, siebenmalige Deutsche Meisterin und sechsmalige DFB-Pokal-Siegerin.

Aber es gab natürlich auch ernüchternde Momente. Diese Rückschläge haben sie jedoch nicht umgeworfen. Selbst wenn ihr der Wind mal ordentlich ins Gesicht geblasen hat, ist Neid nicht umgefallen. Sie hat dagegen gehalten und ist dadurch noch stärker geworden. Ein bitterer Augenblick war zum Beispiel das Viertelfinal-Aus bei der Heim-WM 2011 nach Verlängerung gegen den späteren Weltmeister Japan. Darauf hätte sie verzichten können. Sie hätte die Euphorie rund um den Frauenfußball in Deutschland in diesen Wochen gerne weiter getragen.

Aber Neid ist lang genug im Geschäft, um ganz genau zu wissen, dass Freud' und Leid gerade im Fußball sehr eng zusammenliegen können. Obwohl sie mehr Zeit auf der Sonnenseite als im Schatten verbracht hat. Und so kann man schon sagen, dass sich nun alles zusammenfügt. Als Spielerin war nach Olympischen Spielen Schluss, als Trainerin ist nach Olympischen Spielen Schluss. Damals ohne Medaille. Gestern gab es Gold für die Mannschaft. Der Kreis schließt sich.

[sw]

Als am Freitagabend der Schlusspfiff ertönte, war nicht nur das Spiel vorbei. Nicht nur das Olympische Fußballturnier der Frauen. Auch die großartige Karriere von Silvia Neid als Bundestrainerin war beendet. Schon vor über einem Jahr hatte Neid ihren nahenden Abschied bekannt gegeben. Es ist längst alles vorbereitet. Aber als der Moment dann tatsächlich gekommen war, nach dem 2:1 (0:0) im Finale gegen Schweden, nach dem Olympiasieg, war es doch irgendwie ein emotionaler Augenblick.

Neid hat ohne jeden Zweifel eine Ära geprägt. Das allerletzte Kapitel ihres ganz persönlichen Drehbuchs endete mit dem großen Happy End, mit dem totalen Triumph, mit der Goldmedaille. Die 52-Jährige war schon vorher mit einem ganz klaren Ziel zu den Olympischen Spielen nach Rio de Janeiro gereist. Gemeinsam mit ihrer Mannschaft und allen Betreuern wollte sie diese Goldmedaille holen – und nichts anderes. Genauso ist es gekommen. Neid hat als Bundestrainerin fast alles gewonnen, was der Weltfußball zu bieten hat. Es ist ein würdiger Abschluss, es ist ein passender Abschluss.

Neid:"Einfach total happy"

"Das war das I-Tüpfelchen. Ich bin einfach total happy, dass wir dieses Spiel auch noch gewonnen haben, es war nicht einfach. Ich bin echt total stolz auf meine Mannschaft.‎ Wir haben den Traum von der Goldmedaille wahr gemacht. Das ist einfach der Wahnsinn", sagt Neid, die gleichzeitig schon den Blick nach vorne warf: "Ich persönlich verspüre große Vorfreude auf das, was nun kommt. Ich werde eine neue Aufgabe haben auf die ich mich sehr freue."

Neid hatte schon vorher ziemlich unmissverständlich formuliert, dass sie keine Wehmut verspüre. Denn sie wisse ja genau, dass sie ihre Mannschaft in gute Hände übergebe. Mit Steffi Jones steht ihre Nachfolgerin schon lange fest. Sie hinterlässt eine Auswahl, die auch in den kommenden Jahren eine führende Rolle im Frauenfußball einnehmen wird. Und Neid wird das in ihrer neuen Rolle als Leiterin der Scouting-Abteilung Frauen und Juniorinnen des DFB genau verfolgen. Es ist also kein kompletter Abschied. In ihrem Fall trifft eher das Motte "Niemals geht man so ganz" den Nagel auf den Kopf.

Ein neuer Lebensabschnitt beginnt

"Ich bin unheimlich gespannt darauf, weil es einfach mal etwas Neues ist", sagt sie. "Es ist ja nicht nur Büroarbeit. Ich werde viel in der Welt herumreisen, um zu schauen, was die Trends im Frauenfußball sind. Diese zu sammeln, auszuwerten und Steffi Jones und ihrem Team dann zur Verfügung zu stellen – das wird eine spannende Aufgabe." Ihre neuen Arbeitsplätze sind demnächst der Schreibtisch, das Flugzeug, die internationale Welt des Frauenfußballs. Sie wird dann nicht mehr am Spielfeldrand zu finden sein, sie wird auf der Tribüne sitzen. Eine neue Perspektive für einen neuen Lebensabschnitt.

Bevor das alles beginnen kann, muss man natürlich auch noch einmal zurückschauen. Es ist fast schon unglaublich, aber man muss ziemlich weit in die Vergangenheit reisen, um die Anfänge von Neids Trainerkarriere beim DFB zu erreichen. Zurück in die Zukunft, vorwärts in die Vergangenheit – es vermischt gerade alles, die Grenzen werden aufgelöst.

Eindrucksvoller Rückblick

Neid hat 1996 – also genau vor 20 Jahren – als Assistentin von Tina Theune begonnen. 2005 ist sie dann zur Cheftrainerin aufgestiegen. Ihr erstes großes Turnier als Verantwortliche war die Weltmeisterschaft 2007 in China, Deutschland holte durch ein 2:0 im Finale gegen Brasilien den Titel. Auf einer normalen Visitenkarte wäre gar nicht genug Platz für die ganzen Erfolge, die sie feiern konnte. Neid ist als Trainerin zweimal Weltmeisterin geworden, sie hat fünfmal die Europameisterschaft geholt, sie hat drei Bronzemedaillen und nun also Gold bei Olympischen Spielen gewonnen und viermal stand sie beim Algarve Cup ganz oben auf dem Treppchen. Und das sind nur die wichtigsten Trophäen. Dazu kommen verschiedene Titel mit Junioren-Nationalmannschaften des DFB, die sie zu Beginn ihrer Trainerlaufbahn auch noch betreut hat. Neid hat als Trainerin der A-Nationalmannschaft 169 Spiele bestritten. 125 davon hat sie gewonnen, 22 sind unentschieden ausgegangen, 22 hat sie verloren – eine imponierende Bilanz.

Auch für ihre Zeit als Spielerin könnte man diese Liste beinahe beliebig erweitern: Neid war beim ersten offiziellen Länderspiel einer deutschen Frauen-Nationalmannschaft dabei, sie debütierte am 10. November 1982 in Koblenz gegen die Schweiz. Mit gerade einmal 18 Jahren. Und trug sich nur eine Minute nach ihrer Einwechslung direkt als Torschützin ein, zudem sorgte sie in dieser Partie für den 5:1-Endstand.

Neid war die erste Deutsche mit 100 Länderspielen

Insgesamt 111 Länderspiele bestritt sie, erzielte dabei 48 Tore. Sie war die erste deutsche Spielerin, die die Marke von 100 Spielen erreichte. Nach 14 Jahren beendete die Frau mit der Nummer 10 nach der Begegnung am 25. Juli gegen Brasilien bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta ihre Karriere – als Vize-Weltmeisterin, dreimalige Europameisterin, siebenmalige Deutsche Meisterin und sechsmalige DFB-Pokal-Siegerin.

Aber es gab natürlich auch ernüchternde Momente. Diese Rückschläge haben sie jedoch nicht umgeworfen. Selbst wenn ihr der Wind mal ordentlich ins Gesicht geblasen hat, ist Neid nicht umgefallen. Sie hat dagegen gehalten und ist dadurch noch stärker geworden. Ein bitterer Augenblick war zum Beispiel das Viertelfinal-Aus bei der Heim-WM 2011 nach Verlängerung gegen den späteren Weltmeister Japan. Darauf hätte sie verzichten können. Sie hätte die Euphorie rund um den Frauenfußball in Deutschland in diesen Wochen gerne weiter getragen.

Aber Neid ist lang genug im Geschäft, um ganz genau zu wissen, dass Freud' und Leid gerade im Fußball sehr eng zusammenliegen können. Obwohl sie mehr Zeit auf der Sonnenseite als im Schatten verbracht hat. Und so kann man schon sagen, dass sich nun alles zusammenfügt. Als Spielerin war nach Olympischen Spielen Schluss, als Trainerin ist nach Olympischen Spielen Schluss. Damals ohne Medaille. Gestern gab es Gold für die Mannschaft. Der Kreis schließt sich.

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