Heynckes: "Der Trainer sollte Fels in der Brandung sein"

Vor zwei Jahren gewann Jupp Heynckes als erster deutscher Trainer das Triple aus Champions League, DFB-Pokal und Deutscher Meisterschaft. Anschließend wurde er zum Welttrainer 2013 gewählt. Es war Krönung und Abschluss einer großen Karriere, die 1964 als Vertragsspieler bei Borussia Mönchengladbach begonnen und ab 1979 als Trainer in der Bundesliga ihre Fortsetzung gefunden hatte.

Heute ist der 69-Jährige im Rahmen der Abschlussveranstaltung des 61. Fußball-Lehrgangs für sein Lebenswerk als Trainer mit dem Ehrenpreis des DFB ausgezeichnet worden. Im DFB.de-Gespräch der Woche redet Jupp Heynckes, der am 9. Mai seinen 70. Geburtstag feiert, mit Redakteur Jochen Breideband über späte Wertschätzung, Vorzüge des Ruhestands, seine Entwicklung als Fußball-Lehrer - und Trainerkollegen, die ihm besonders imponieren. Bemerkenswerte Reflexionen eines bemerkenswerten Charakters.

DFB.de: Die schönste Zeit des Fußballjahres bricht an. Die Saison geht überall in die entscheidende Phase. Vermissen Sie etwas, Herr Heynckes? Kribbelt es ab und zu noch?

Jupp Heynckes: Nein, überhaupt nicht. Ich war rund 50 Jahre im Fußballgeschäft, davon achteinhalb Jahre im Ausland. Ich habe viele Dinge erlebt, es war eine ereignisreiche Zeit. Aber es gibt mehr Dinge als nur Fußball. Mir ist es gut gelungen, Distanz zu gewinnen. Seien Sie beruhigt, ich habe keine Entzugserscheinungen (lacht).

DFB.de: Was genießen Sie am meisten am Ruhestand?

Heynckes: Mal zu Hause zu sein. Das ist ein Luxus, nachdem ich jahrelang zeitlich sehr angespannt war und vieles zu kurz gekommen ist. Wenn man im Profifußball Erfolg haben will, muss man sich rund um die Uhr damit beschäftigen, das ist so, das ist der Preis. Das Privatleben steht da nicht hintenan, es findet gar nicht statt. Ich bin in meiner Karriere 18-mal umgezogen. Jetzt genieße ich unser Haus, das wir 2002 in Schwalmtal gebaut und 2003 bezogen haben, ich genieße die Natur, die Zeit mit der Familie, mit unseren Katzen und unserem Schäferhund. Ich genieße es auch, ganz entspannt Fußball zu schauen, einfach als Fan, nicht so analytisch wie als Trainer.

DFB.de: Sie wurden nach Ihrem Karriereende als Welttrainer 2013 ausgezeichnet und sind nun vom DFB offiziell für Ihr Lebenswerk geehrt worden. Hätten Sie sich noch vor wenigen Jahren so viel Wertschätzung erträumen lassen?

Heynckes: Es ist nun einmal so, dass große Erfolge große Trainer machen. Es gibt viele Trainer, ob in der Bundesliga oder im Amateurbereich, die hervorragende Arbeit leisten, aber leider nie diese Anerkennung bekommen, die sie eigentlich verdient hätten. Titel und Erfolge erhöhen die Aufmerksamkeit, das ist mir in den letzten Jahren verstärkt zuteil geworden – mit dem historischen Triple mit dem FC Bayern als Krönung.

DFB.de: Es ist 36 Jahre her, seit Sie bei Borussia Mönchengladbach zum ersten Mal auf der Trainerbank saßen. Der Profifußball hat sich seitdem stark verändert. Der Trainerberuf auch?

Heynckes: Der Fußball hat sich rasant entwickelt, gerade die Mediensituation. Alles ist öffentlicher, alles ist internationaler geworden. Auch inhaltlich hat sich für Trainer vieles verändert. Eigentlich ist Fußball ein simpler Volkssport, aber für die unmittelbar Beteiligten wie Spieler und Trainer beinhaltet er viele komplexe Aspekte – von der sozialen Kompetenz bis zum sportlich-taktischen Bereich. Im Vergleich zu den heutigen Kollegen hatte ich als junger Trainer einen einfacheren Einstieg. Ich durfte damals noch Fehler machen. Heute darf das keiner mehr, sonst läuft sofort die Kritikmaschinerie an. Das ist schade, weil man aus Fehlern viel lernt.



Vor zwei Jahren gewann Jupp Heynckes als erster deutscher Trainer das Triple aus Champions League, DFB-Pokal und Deutscher Meisterschaft. Anschließend wurde er zum Welttrainer 2013 gewählt. Es war Krönung und Abschluss einer großen Karriere, die 1964 als Vertragsspieler bei Borussia Mönchengladbach begonnen und ab 1979 als Trainer in der Bundesliga ihre Fortsetzung gefunden hatte.

Heute ist der 69-Jährige im Rahmen der Abschlussveranstaltung des 61. Fußball-Lehrgangs für sein Lebenswerk als Trainer mit dem Ehrenpreis des DFB ausgezeichnet worden. Im DFB.de-Gespräch der Woche redet Jupp Heynckes, der am 9. Mai seinen 70. Geburtstag feiert, mit Redakteur Jochen Breideband über späte Wertschätzung, Vorzüge des Ruhestands, seine Entwicklung als Fußball-Lehrer - und Trainerkollegen, die ihm besonders imponieren. Bemerkenswerte Reflexionen eines bemerkenswerten Charakters.

DFB.de: Die schönste Zeit des Fußballjahres bricht an. Die Saison geht überall in die entscheidende Phase. Vermissen Sie etwas, Herr Heynckes? Kribbelt es ab und zu noch?

Jupp Heynckes: Nein, überhaupt nicht. Ich war rund 50 Jahre im Fußballgeschäft, davon achteinhalb Jahre im Ausland. Ich habe viele Dinge erlebt, es war eine ereignisreiche Zeit. Aber es gibt mehr Dinge als nur Fußball. Mir ist es gut gelungen, Distanz zu gewinnen. Seien Sie beruhigt, ich habe keine Entzugserscheinungen (lacht).

DFB.de: Was genießen Sie am meisten am Ruhestand?

Heynckes: Mal zu Hause zu sein. Das ist ein Luxus, nachdem ich jahrelang zeitlich sehr angespannt war und vieles zu kurz gekommen ist. Wenn man im Profifußball Erfolg haben will, muss man sich rund um die Uhr damit beschäftigen, das ist so, das ist der Preis. Das Privatleben steht da nicht hintenan, es findet gar nicht statt. Ich bin in meiner Karriere 18-mal umgezogen. Jetzt genieße ich unser Haus, das wir 2002 in Schwalmtal gebaut und 2003 bezogen haben, ich genieße die Natur, die Zeit mit der Familie, mit unseren Katzen und unserem Schäferhund. Ich genieße es auch, ganz entspannt Fußball zu schauen, einfach als Fan, nicht so analytisch wie als Trainer.

DFB.de: Sie wurden nach Ihrem Karriereende als Welttrainer 2013 ausgezeichnet und sind nun vom DFB offiziell für Ihr Lebenswerk geehrt worden. Hätten Sie sich noch vor wenigen Jahren so viel Wertschätzung erträumen lassen?

Heynckes: Es ist nun einmal so, dass große Erfolge große Trainer machen. Es gibt viele Trainer, ob in der Bundesliga oder im Amateurbereich, die hervorragende Arbeit leisten, aber leider nie diese Anerkennung bekommen, die sie eigentlich verdient hätten. Titel und Erfolge erhöhen die Aufmerksamkeit, das ist mir in den letzten Jahren verstärkt zuteil geworden – mit dem historischen Triple mit dem FC Bayern als Krönung.

DFB.de: Es ist 36 Jahre her, seit Sie bei Borussia Mönchengladbach zum ersten Mal auf der Trainerbank saßen. Der Profifußball hat sich seitdem stark verändert. Der Trainerberuf auch?

Heynckes: Der Fußball hat sich rasant entwickelt, gerade die Mediensituation. Alles ist öffentlicher, alles ist internationaler geworden. Auch inhaltlich hat sich für Trainer vieles verändert. Eigentlich ist Fußball ein simpler Volkssport, aber für die unmittelbar Beteiligten wie Spieler und Trainer beinhaltet er viele komplexe Aspekte – von der sozialen Kompetenz bis zum sportlich-taktischen Bereich. Im Vergleich zu den heutigen Kollegen hatte ich als junger Trainer einen einfacheren Einstieg. Ich durfte damals noch Fehler machen. Heute darf das keiner mehr, sonst läuft sofort die Kritikmaschinerie an. Das ist schade, weil man aus Fehlern viel lernt.

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DFB.de: Inwieweit hat sich das Führen einer Mannschaft verändert?

Heynckes: Ich hatte damals autokratische Trainer. Der Trainer hat befohlen, der Spieler ist gefolgt. Heute kann man das vergessen. Die Spieler sind reifer und mündiger, und das ist gut so. Das Sozialverhalten innerhalb einer Mannschaft ist fundamental. Um Erfolg zu haben, muss man sich gegenseitig respektieren und unterstützen. Und die Spieler müssen zum Trainer Vertrauen haben.

DFB.de: Also war früher nicht alles besser?

Heynckes: Nein. Zu dieser Sorte gehöre ich nicht. Die Zeit war einfach eine ganz andere. Als Spieler habe ich damals zum Beispiel nie Druck verspürt, auch nicht als junger Kerl. Ich konnte mich dadurch frei entwickeln. Heute ist der Leistungsdruck wesentlich höher, unter anderem weil die wirtschaftlichen Aspekte solch eine wichtige Rolle spielen. Als Trainer im Profibereich muss man heute Druck von den Spielern nehmen, nicht zusätzlichen Druck ausüben. Der Trainer sollte Fels in der Brandung sein und immer wieder entschleunigend einwirken. Carlos Ancelotti macht das bei Real Madrid mit seiner unaufgeregten und souveränen Art überragend.

DFB.de: Welche gravierenden Entwicklungen und Veränderungen haben Sie persönlich in den 34 Jahren als Trainer vollzogen?

Heynckes: Als junger Trainer habe ich immer gemeint, dass die Spieler genauso professionell denken müssten, wie ich es immer getan habe. Das hat dazu geführt, dass ich teilweise zu unnachgiebig und zu rigoros war. Irgendwann habe ich gemerkt, das geht so nicht. Früher musste man Profis allerdings eher beibringen, was Professionalität bedeutet. Heute ist das stärker verankert, da geht es nur mit höchster Professionalität, wenn man international erfolgreich sein will. Auch meine Zeit im Ausland, andere Gegebenheiten und eine andere Kultur kennenzulernen, hat mir als Mensch geholfen. Letztlich habe ich immer versucht, gerecht zu sein. Vielleicht ist es mir nicht immer gelungen, aber ich habe es immerhin versucht (lacht).

DFB.de: Welche Trainer haben Sie am stärksten beeinflusst?

Heynckes: Zuallererst mein Mentor und späterer Freund Hennes Weisweiler. Er hatte eine raue Natur, besaß aber einen großen Spaß an der Arbeit und eine enorme Leidenschaft für den Fußball. Hennes hatte das Glück, dass er zum richtigen Zeitpunkt nach Gladbach kam. Er hat dort eine Fülle an tollen Spielern vorgefunden, die er anschließend geformt hat. Sein Charakter, sein Ehrgeiz und seine Führung haben mich massiv beeinflusst. Von ihm habe ich gelernt, nie aufzugeben. Aber auch andere Trainer hatten Einfluss auf mich, obwohl ich nur als Gegner mit ihnen zu tun hatte: Ernst Happel, Branko Zebec, Pal Csernai – alles große Taktiker.

DFB.de: Welche aktuellen Trainer imponieren Ihnen?

Heynckes: Ancelotti hatte ich schon genannt. Ich weiß ja aus eigener Erfahrung, dass es nicht einfach ist, Real Madrid zu trainieren. In Deutschland haben wir viele Top-Trainer. Markus Weinzierl macht in Augsburg einen tollen Job, auch mein Ex-Spieler Dieter Hecking in Wolfsburg. Nicht zu vergessen Lucien Favre: Die Zusammenarbeit zwischen ihm und Borussia Mönchengladbach ist für beide Seiten ein Glücksfall. Und dann möchte ich noch Christian Streich nennen. Er hat beim SC Freiburg hervorragende Arbeit im Nachwuchsbereich geleistet, jetzt verliert er in der Bundesliga jedes Jahr seine besten Spieler und hält trotzdem die Klasse. Davor ziehe ich den Hut.

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DFB.de: Im Gegensatz zu den meisten Trainern war Ihnen mit dem Gewinn von Champions League, Deutscher Meisterschaft und DFB-Pokal im Sommer 2013 der perfekte Abschied vergönnt. War es auch die schönste Saison Ihres Lebens?

Heynckes: Aufgrund der Titel und der Art, wie wir Fußball gespielt haben, war es auf jeden Fall die erfolgreichste Saison. Allerdings habe ich in München nochmal zwei Jahre nur für den Fußball gelebt. Unheimlich glücklich war ich in Bilbao, dort habe ich mich wie zu Hause gefühlt. Allein das Stadion: immer ausverkauft, fast alle Fans in Trikots, dort hat man Fußball pur geatmet. Als ich 1992 nach Bilbao kam, sprach ich kein Wort Spanisch. Die Spieler haben mich integriert, es war ein wunderbares Miteinander.

DFB.de: Welcher Ihrer Erfolge bedeutet Ihnen am meisten?

Heynckes: In meinem ersten Jahr als Vertragsspieler bei Borussia Mönchengladbach sind wir 1964/1965 von der Regionalliga in die Bundesliga aufgestiegen. Das war mein schönstes Jahr als Profifußballer, wir haben intuitiv gespielt, völlig unbeschwert, wie auf der Straße. Der schönste Titel war meine erste Deutsche Meisterschaft 1971, davon hatte ich als Junge immer geträumt. Alle Erfolge danach waren Produkt des Hungers auf Erfolg.

DFB.de: Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung für Ihr Lebenswerk als Trainer?

Heynckes: Das ist natürlich eine große Ehre. Man sollte nie vergessen, dass es nicht immer einfach war, dass ich neben Höhen auch einige Tiefen erlebt habe, vor allem als Trainer. Das sollte jungen Trainern Mut geben, nie aufzugeben. Ich sehe diese Auszeichnung stellvertretend für die vielen Trainer, denen die verdiente öffentliche Anerkennung trotz toller Arbeit verwehrt bleibt.

Jupp Heynckes in Zahlen:

Geboren: 9. Mai 1945
Stationen als Spieler: Borussia Mönchengladbach, Hannover 96 – Statistik als Spieler: 369 Bundesligaspiele (220 Tore), 39 Länderspiele (14 Tore)
Größte Erfolge als Spieler: Weltmeister 1974; Europameister 1972; Deutscher Meister 1971, 1975, 1976, 1977 mit Borussia Mönchengladbach; DFB-Pokalsieger 1973 mit Mönchengladbach, UEFA-Cup-Sieger 1975 mit Mönchengladbach; Bundesliga-Torschützenkönig 1974 und 1975; Dritter der ewigen Bundesliga-Torschützenliste
Stationen als Trainer: Borussia Mönchengladbach (1979-1987), FC Bayern München (1987-1991), Athletic Bilbao (1992-1994), Eintracht Frankfurt (1994/1995), CD Teneriffa (1995-1997), Real Madrid (1997/1998), Benfica Lissabon (1999/2000), Athletic Bilbao (2001-2003), FC Schalke 04 (2003/2004), Borussia Mönchengladbach (2006/2007), FC Bayern München (2009), Bayer 04 Leverkusen (2009-2011), FC Bayern München (2011-2013)
Größte Erfolge als Trainer: Champions-League-Sieger mit Real Madrid (1998) und Bayern München (2013); Deutscher Meister 1989, 1990, 2013 mit Bayern München; DFB-Pokalsieger 2013 mit Bayern München
Auszeichnungen als Trainer: DFB-Preis für das Lebenswerk als Trainer 2015; FIFA-Welttrainer 2013; Deutschlands Trainer des Jahres 2013; Bambi in der Kategorie Sport 2013; DFB-Fairplay-Medaille 2013