Ehrenamtler der Woche: "Vor allem sind wir Sorben"

Ohne sie kann der Fußball nicht bestehen: die ehrenamtlichen Helfer. Immer dienstags stellt DFB.de-Redakteur Gereon Tönnihsen einen von ihnen vor. Was die Ehrenamtler antreibt, was sie bewegt, was sie leisten - und wie wichtig ihr Engagement ist. Ihnen allen ist eines gemein: Sie leben Fußball.

Johannes Matzke könnte sich als Kollege von Oliver Bierhoff bezeichnen. Macht er aber nicht, dazu ist er zu bescheiden. Doch wie Bierhoff ist auch Matzke Manager einer Nationalmannschaft. Einer, deren Spieler deutsche Pässe haben, wenn es auch nicht das A-Nationalteam ist. Der 62-Jährige leitet das Nationalteam der Sorben - und gleichzeitig die Fußball-Abteilung seines Klubs SG Crostwitz 1981.

Dort, in der Nähe von Bautzen in der Lausitz, ist alles ein bisschen anders. Knapp 90 Prozent der Bevölkerung sprechen sorbisch und deutsch, für die meisten von ihnen ist Erstgenanntes die Muttersprache. Bei Festen sieht man viele in traditionellen Trachten der Sorben, die Schilder sind oftmals in beiden Sprachen gehalten. Die SG Crostwitz 1981, Matzkes Verein, heißt darum auch SJ Chrósćicy 1981. „Wir sind Deutsche, aber vor allem Sorben“, sagt Johannes Matzke.

Vereinswechsel - der Frau zuliebe

Er selbst begann Ende der 50er-Jahre bei der SG Horka, einem Ortsteil der 1200-Einwohner-Gemeinde Crostwitz, mit dem Fußballspielen. Als er auf einer Silvester-Party Maria aus Crostwitz kennenlernte, war für ihn klar: „Da muss ich hin.“ Von seinem Klub ist er seither nicht mehr losgekommen, von Maria auch nicht, und das ist ganz und gar positiv gemeint. Das Haus der Familie ist „nur 50 Meter von der Eckfahne entfernt“, sagt Matzke. Vielleicht muss das so sein.

Ab 1961 bereits bildeten die Crostwitzer eine Spielgemeinschaft, hießen fortan BSG Traktor Panschwitz/Crostwitz, zehn Jahre später hieß der Verein nur noch Traktor Panschwitz. „Wir hatten einfach Nachwuchsprobleme“, sagt Matzke, der später die Mannschaft der VEB Feuerfestwerke Wetro betreute, dort arbeitete er auch als Ingenieur. Inzwischen ist er pensioniert.

Als 1981 der Fußball in Crostwitz wiederbelebt wurde, war Matzke der erste Trainer der Herren-Mannschaft. „Ich habe sofort zugesagt“, sagt er. „Das war mir eine Herzensangelegenheit.“ Eine erfolgreiche obendrein: Gleich im ersten Jahr gelang der Aufstieg in die erste Kreisklasse. Als 1983 mit dem Bau eines neuen Sportplatzes begonnen wurde, gehörte der umtriebige Matzke zu den treibenden Kräften.

Am Wochenende ausgebucht

Zehn Jahre lang blieb Matzke Trainer der ersten Mannschaft, war von 1983 bis 1990 zusätzlich Schiedsrichter im Juniorenbereich. „Von Freitagsabend bis Sonntagsabend war ich ausgebucht“, erzählt er. 1991 wechselte er in den Job des Fußball-Abteilungsleiters. Ehrenamtlich, versteht sich. Seither ist er „Mädchen für alles“ der rund 160 Fußballer im Verein. Als vor einigen Jahren mal ein E-Juniorentrainer fehlte, sprang er kurzentschlossen ein - und genoss die Zeit.

„Man muss für die Sache leben, sonst kann man sie nicht machen“, sagt er. „Die Freude, die man anderen Menschen durch seine Arbeit macht, entlohnt einen reichlich.“ Matzke ist in Crostwitz der Herr über den Spielbetrieb, er schaut sich fast alle Begegnungen an, arbeitet an der Vereinschronik, schreibt Berichte für die sorbische Zeitung.

Seine andere große Liebe, das ist die sorbische Nationalmannschaft, die es seit Ende der 80er-Jahre gibt. Seit 1990 werden ein- bis zweimal im Jahr Freundschaftsspiele ausgetragen. Der Spieler kommen aus der Region, aus Bautzen, Kamenz, Hoyerswerda, Radibor. Keiner spielt höher als Bezirksliga - und doch sind sie Auswahlkicker.

Siege gegen Zimbrer und Okzitaner

Höhepunkt der Arbeit mit den Nationalspielern aus der Kreisliga war 2008 die Teilnahme an der Europameisterschaft der nationalen Minderheiten in der Schweiz. „Das war etwas ganz Besonderes. Dort zu stehen und die Hymne zu hören, so etwas vergisst man nicht“, sagt er.

Die Gegner in der Vorrunde waren die Kroaten in Rumänien, die Zimbrer und die Okzitaner. Erst im Viertelfinale kam das Aus nach einem 1:3 gegen die dänische Minderheit in Deutschland. Europameister wurde die Auswahl aus Südtirol. „Wir waren eine verschworene Einheit. Und dass wir dann Fünfter geworden sind, hat diese tolle Erfahrung noch getoppt“, sagt Matzke.

Kenntnisse und Traditionen wahren

Es sei wichtig, dass die sorbische Kultur und Sprache erhalten blieben, sagt er. In der Region gibt es regelmäßig Veranstaltungen der Sorben, rund 15.000 seien es, schätzt Matzke. „Wir in der Region können dazu beitragen, dass diese Kenntnisse und Traditionen gewahrt bleiben.“

Und ganz nebenbei kann die eigene Sprache auch ein Vorteil auf dem Platz sein. Wenn die Spieler sorbisch reden, versteht der Gegner nur Bahnhof. „Stimmt“, sagt Matzke. „So richtig einfach ist das dann nicht für die.“ Wie lange er noch weitermachen will? „Warten wir’s ab, wie die Gesundheit mitmacht. Aber erst mal ist das Ende offen.“

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Ohne sie kann der Fußball nicht bestehen: die ehrenamtlichen Helfer. Immer dienstags stellt DFB.de-Redakteur Gereon Tönnihsen einen von ihnen vor. Was die Ehrenamtler antreibt, was sie bewegt, was sie leisten - und wie wichtig ihr Engagement ist. Ihnen allen ist eines gemein: Sie leben Fußball.

Johannes Matzke könnte sich als Kollege von Oliver Bierhoff bezeichnen. Macht er aber nicht, dazu ist er zu bescheiden. Doch wie Bierhoff ist auch Matzke Manager einer Nationalmannschaft. Einer, deren Spieler deutsche Pässe haben, wenn es auch nicht das A-Nationalteam ist. Der 62-Jährige leitet das Nationalteam der Sorben - und gleichzeitig die Fußball-Abteilung seines Klubs SG Crostwitz 1981.

Dort, in der Nähe von Bautzen in der Lausitz, ist alles ein bisschen anders. Knapp 90 Prozent der Bevölkerung sprechen sorbisch und deutsch, für die meisten von ihnen ist Erstgenanntes die Muttersprache. Bei Festen sieht man viele in traditionellen Trachten der Sorben, die Schilder sind oftmals in beiden Sprachen gehalten. Die SG Crostwitz 1981, Matzkes Verein, heißt darum auch SJ Chrósćicy 1981. „Wir sind Deutsche, aber vor allem Sorben“, sagt Johannes Matzke.

Vereinswechsel - der Frau zuliebe

Er selbst begann Ende der 50er-Jahre bei der SG Horka, einem Ortsteil der 1200-Einwohner-Gemeinde Crostwitz, mit dem Fußballspielen. Als er auf einer Silvester-Party Maria aus Crostwitz kennenlernte, war für ihn klar: „Da muss ich hin.“ Von seinem Klub ist er seither nicht mehr losgekommen, von Maria auch nicht, und das ist ganz und gar positiv gemeint. Das Haus der Familie ist „nur 50 Meter von der Eckfahne entfernt“, sagt Matzke. Vielleicht muss das so sein.

Ab 1961 bereits bildeten die Crostwitzer eine Spielgemeinschaft, hießen fortan BSG Traktor Panschwitz/Crostwitz, zehn Jahre später hieß der Verein nur noch Traktor Panschwitz. „Wir hatten einfach Nachwuchsprobleme“, sagt Matzke, der später die Mannschaft der VEB Feuerfestwerke Wetro betreute, dort arbeitete er auch als Ingenieur. Inzwischen ist er pensioniert.

Als 1981 der Fußball in Crostwitz wiederbelebt wurde, war Matzke der erste Trainer der Herren-Mannschaft. „Ich habe sofort zugesagt“, sagt er. „Das war mir eine Herzensangelegenheit.“ Eine erfolgreiche obendrein: Gleich im ersten Jahr gelang der Aufstieg in die erste Kreisklasse. Als 1983 mit dem Bau eines neuen Sportplatzes begonnen wurde, gehörte der umtriebige Matzke zu den treibenden Kräften.

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Am Wochenende ausgebucht

Zehn Jahre lang blieb Matzke Trainer der ersten Mannschaft, war von 1983 bis 1990 zusätzlich Schiedsrichter im Juniorenbereich. „Von Freitagsabend bis Sonntagsabend war ich ausgebucht“, erzählt er. 1991 wechselte er in den Job des Fußball-Abteilungsleiters. Ehrenamtlich, versteht sich. Seither ist er „Mädchen für alles“ der rund 160 Fußballer im Verein. Als vor einigen Jahren mal ein E-Juniorentrainer fehlte, sprang er kurzentschlossen ein - und genoss die Zeit.

„Man muss für die Sache leben, sonst kann man sie nicht machen“, sagt er. „Die Freude, die man anderen Menschen durch seine Arbeit macht, entlohnt einen reichlich.“ Matzke ist in Crostwitz der Herr über den Spielbetrieb, er schaut sich fast alle Begegnungen an, arbeitet an der Vereinschronik, schreibt Berichte für die sorbische Zeitung.

Seine andere große Liebe, das ist die sorbische Nationalmannschaft, die es seit Ende der 80er-Jahre gibt. Seit 1990 werden ein- bis zweimal im Jahr Freundschaftsspiele ausgetragen. Der Spieler kommen aus der Region, aus Bautzen, Kamenz, Hoyerswerda, Radibor. Keiner spielt höher als Bezirksliga - und doch sind sie Auswahlkicker.

Siege gegen Zimbrer und Okzitaner

Höhepunkt der Arbeit mit den Nationalspielern aus der Kreisliga war 2008 die Teilnahme an der Europameisterschaft der nationalen Minderheiten in der Schweiz. „Das war etwas ganz Besonderes. Dort zu stehen und die Hymne zu hören, so etwas vergisst man nicht“, sagt er.

Die Gegner in der Vorrunde waren die Kroaten in Rumänien, die Zimbrer und die Okzitaner. Erst im Viertelfinale kam das Aus nach einem 1:3 gegen die dänische Minderheit in Deutschland. Europameister wurde die Auswahl aus Südtirol. „Wir waren eine verschworene Einheit. Und dass wir dann Fünfter geworden sind, hat diese tolle Erfahrung noch getoppt“, sagt Matzke.

Kenntnisse und Traditionen wahren

Es sei wichtig, dass die sorbische Kultur und Sprache erhalten blieben, sagt er. In der Region gibt es regelmäßig Veranstaltungen der Sorben, rund 15.000 seien es, schätzt Matzke. „Wir in der Region können dazu beitragen, dass diese Kenntnisse und Traditionen gewahrt bleiben.“

Und ganz nebenbei kann die eigene Sprache auch ein Vorteil auf dem Platz sein. Wenn die Spieler sorbisch reden, versteht der Gegner nur Bahnhof. „Stimmt“, sagt Matzke. „So richtig einfach ist das dann nicht für die.“ Wie lange er noch weitermachen will? „Warten wir’s ab, wie die Gesundheit mitmacht. Aber erst mal ist das Ende offen.“