Ehemaliger Nationalspieler Löhr feiert seinen 70. Geburtstag

Natürlich hätte ihm sein Klub ruhig mal den Gefallen tun können, nicht schon wieder abzusteigen. Denn Hannes Löhr hängt ja immer noch an seinem 1. FC Köln, mit ganzem Herzen und der Dauerkarte in der Jackentasche. Nun also wieder Zweite Liga – kein schönes Geschenk zum 70. für den Bundesliga-Rekordtorschützen der Geißböcke. Zu seiner Zeit hat es das nicht gegeben. 1964, als er kam, war der 1. FC Meister und 1978, als er ging, auch. Dazwischen lagen phänomenale 638 Spiele und 395 Tore in allen Wettbewerben für den einzigen Klub seines Lebens, jedenfalls seit er ein Mann ist.

Stimmungskanone "Hannes"

Über seinen Heimatklub FC Eitorf im Sieg-Kreis und die Sportfreunde Saarbrücken war der "Hannes", wie die Rheinländer einen Johannes umgehend umtaufen, sobald er ihr Revier betritt und länger als eine Nacht bleibt, nach der ersten Bundesligasaison 1963/64 nach Köln gekommen. Der mit 19 zum Vollwaise gewordene Löhr kam gut klar mit den Kölnern, der Kicker skizzierte ihn 1975 "als guten Kumpel ebenso wie als Stimmungs- und Schusskanone".

Dass es 14 Jahre werden sollten, "das war so nicht geplant", gestand er dieser Tage dem Sport-Informations-Dienst (SID). "Alle zwei, drei Jahre neue Herausforderungen" wollte er sich eigentlich suchen, aber dann blieb er doch länger und noch etwas länger. "Der Verein hatte damals alles, was er wollte. Wir hatten viel Erfolg und waren immer oben dabei."

In der Saison 1967/68 feierte er seinen Durchbruch: Mit 27 Toren wurde er Bundesliga-Torschützenkönig, Ende 1967 gab der torgefährliche Linksaußen sein Länderspieldebüt und im Sommer wurde er erstmals DFB-Pokalsieger. Löhr war bei der WM 1970 dabei, auch in den beiden Jahrhundertspielen gegen England (3:2) und Italien (3:4 n.V.). Müllers 3:2 gegen England legte er mit dem Kopf auf und die dramatische Halbfinal-Niederlage hat er, erzählte er jedenfalls damals selbst, mitverschuldet. Warum? Weil er nicht seine weißen Glückssocken unter den Stutzen trug. Da haben die Italiener ja noch mal Glück gehabt. Und der Hannes im Pech – wieder mal.

Krankheiten bremsen Löhr

Löhr hatte auch gesundheitlich weniger Glück als andere und sammelte während seiner Karriere mehr Krankheiten als Verletzungen. Ein Blick in die Krankenakte Löhr: Tuberkulose, Lebererkrankung, auch mal eine schwere Blutvergiftung – mit ein Grund, warum er nur auf 20 Länderspiele kam. "Ich bin doch gar kein Pechvogel, sondern eher ein Glückspilz, weil ich alles so schnell überwand", sagte er dem Kicker im Juni 1975. Es war ein Nachruf, seine Karriere mit 33 beendet – damals nicht unüblich. Das Abschiedsspiel war auch schon terminiert für den November.

Doch wohl nie hat einer sein Abschiedsspiel länger hinausgezögert als der Hannes. Der Fußball-Pensionär spielte gerade auf seiner eigenen Tennis-Anlage, als ihn der Anruf des Präsidenten Peter Weiand erreichte. "Hannes, Sie müssen wieder spielen. Der Dieter Müller hat eine schwere Rippenfellentzündung. Er fällt ein halbes Jahr aus und Sie sind unser einziger erfahrener Torjäger."

Löhr gab zu: "Es soll bloß niemand denken, ich hätte jubelnd und voller Dankbarkeit zugesagt." Aber er sagte zu und konnte seine Titelsammlung noch im Alter von 36 wesentlich erweitern: DFB- Pokalsieger 1977 und 1978 und als Edel-Reservist mit acht Einsätzen sogar noch Deutscher Meister 1978. Wieder gab’s einen Termin für ein Abschiedsspiel – und diesmal, am 23. Oktober 1978, sagte er im Müngersdorfer Stadion wirklich "tschö".

Aber niemals geht man so ganz, als Fußballer schon mal gar nicht. Denn er blieb bei seinem FC und wurde 1980 dessen Manager. Und als nach dem Rauswurf von Rinus Michels nach dem zweiten Spieltag 1983/84 auf die Schnelle kein Wunschtrainer zu haben war, war Löhr plötzlich der Chef.

Der Start glückte: ein sechster Platz reichte für den UEFA-Cup, im Folgejahr war der FC gar Dritter. Heute dürfte man dafür in die Champions League. Andere Regeln gelten ewig; wenn der Erfolg ausbleibt, fliegt der Trainer. Nach dem 20. Spieltag 1985/86, einem 2:3 gegen Bayer Leverkusen, war an einem bitterkalten Februartag die Liebe zwischen dem FC und dem Hannes vorübergehend erkaltet. Nach dem Spiel wollte der als zu kumpelhaft geltende Trainer noch den harten Mann spielen und kündigte an: "Karneval ist abgesagt. In dieser Woche wird gearbeitet." Der Vorstand hatte nichts dagegen, bloß mit einem anderen Vorarbeiter. Als Löhr in der Krisensitzung als Vertrauensbeweis eine Vertragsverlängerung forderte, wurde er entlassen. Platz elf war nicht Kölns Anspruch in jenen Tagen, die Mannschaft war mit Stars gespickt und erreichte im April das UEFA-Cup-Finale. Es half auch nichts, dass Toni Schumacher die Entlassung als "unverschämtheit" titulierte. Löhr grollte ein wenig: "Hier haben sie sogar den besten, den Hennes Weisweiler gefeuert."

Löhr geht zum DFB

Sprach’s und ging alsbald als Auswahltrainer zum DFB, wo er die Olympioniken 1988 in Seoul mit Spielern wie Jürgen Klinsmann und Frank Mill in Seoul zur Bronze-Medaille führte. Es ist die einzige Olympische Medaille einer Herren-Fußballmannschaft, denn meistens verpasste Deutschland die Qualifikation. 1990 übernahm Löhr die U 21 von Berti Vogts. Danach setzte er sich noch mal auf die Schulbank und schloss sein Studium der Sportwissenschaften an der Deutschen Sporthochschule in Köln mit dem Diplom ab. Thema seiner Diplomarbeit war: "Das Bosman-Urteil und seine Auswirkungen auf die Einsatzzeiten junger Spieler". Note 1,2. Beim DFB blieb er bis 2002, ehe er die U 21 an Jürgen Kohler weitergab.

Da war er 60. Er intensivierte sein Golfspiel, heute mit 70 hat er ein Handicap von 10,9 – und er erfreut sich noch bester Gesundheit. Natürlich hätte er seine Frau Annemarie noch liebend gerne an seiner Seite, sie verstarb vor zwei Jahren. Das Jubiläum heute werde "keine große Sache. Ein paar gute Freunde kommen zu Besuch und wir feiern zusammen." Und er kann dann noch mal jedem die Geschichte vom Münzwurf anno 1965 in Liverpool erzählen. Die Münze, die nach drei Unentschieden über Sein oder Nicht sein im Landesmeister-Cup entscheiden sollte, blieb erstmal im Schlamm stecken. Senkrecht. Hannes stand direkt daneben. Dann entschied sie für Liverpool und zum ersten Mal muss er sich doch wie ein Pechvogel gefühlt haben. "Das sind Dinge, die vergisst man nicht", sagt der Hannes. Ihn vergisst man auch nicht.

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Natürlich hätte ihm sein Klub ruhig mal den Gefallen tun können, nicht schon wieder abzusteigen. Denn Hannes Löhr hängt ja immer noch an seinem 1. FC Köln, mit ganzem Herzen und der Dauerkarte in der Jackentasche. Nun also wieder Zweite Liga – kein schönes Geschenk zum 70. für den Bundesliga-Rekordtorschützen der Geißböcke. Zu seiner Zeit hat es das nicht gegeben. 1964, als er kam, war der 1. FC Meister und 1978, als er ging, auch. Dazwischen lagen phänomenale 638 Spiele und 395 Tore in allen Wettbewerben für den einzigen Klub seines Lebens, jedenfalls seit er ein Mann ist.

Stimmungskanone "Hannes"

Über seinen Heimatklub FC Eitorf im Sieg-Kreis und die Sportfreunde Saarbrücken war der "Hannes", wie die Rheinländer einen Johannes umgehend umtaufen, sobald er ihr Revier betritt und länger als eine Nacht bleibt, nach der ersten Bundesligasaison 1963/64 nach Köln gekommen. Der mit 19 zum Vollwaise gewordene Löhr kam gut klar mit den Kölnern, der Kicker skizzierte ihn 1975 "als guten Kumpel ebenso wie als Stimmungs- und Schusskanone".

Dass es 14 Jahre werden sollten, "das war so nicht geplant", gestand er dieser Tage dem Sport-Informations-Dienst (SID). "Alle zwei, drei Jahre neue Herausforderungen" wollte er sich eigentlich suchen, aber dann blieb er doch länger und noch etwas länger. "Der Verein hatte damals alles, was er wollte. Wir hatten viel Erfolg und waren immer oben dabei."

In der Saison 1967/68 feierte er seinen Durchbruch: Mit 27 Toren wurde er Bundesliga-Torschützenkönig, Ende 1967 gab der torgefährliche Linksaußen sein Länderspieldebüt und im Sommer wurde er erstmals DFB-Pokalsieger. Löhr war bei der WM 1970 dabei, auch in den beiden Jahrhundertspielen gegen England (3:2) und Italien (3:4 n.V.). Müllers 3:2 gegen England legte er mit dem Kopf auf und die dramatische Halbfinal-Niederlage hat er, erzählte er jedenfalls damals selbst, mitverschuldet. Warum? Weil er nicht seine weißen Glückssocken unter den Stutzen trug. Da haben die Italiener ja noch mal Glück gehabt. Und der Hannes im Pech – wieder mal.

Krankheiten bremsen Löhr

Löhr hatte auch gesundheitlich weniger Glück als andere und sammelte während seiner Karriere mehr Krankheiten als Verletzungen. Ein Blick in die Krankenakte Löhr: Tuberkulose, Lebererkrankung, auch mal eine schwere Blutvergiftung – mit ein Grund, warum er nur auf 20 Länderspiele kam. "Ich bin doch gar kein Pechvogel, sondern eher ein Glückspilz, weil ich alles so schnell überwand", sagte er dem Kicker im Juni 1975. Es war ein Nachruf, seine Karriere mit 33 beendet – damals nicht unüblich. Das Abschiedsspiel war auch schon terminiert für den November.

Doch wohl nie hat einer sein Abschiedsspiel länger hinausgezögert als der Hannes. Der Fußball-Pensionär spielte gerade auf seiner eigenen Tennis-Anlage, als ihn der Anruf des Präsidenten Peter Weiand erreichte. "Hannes, Sie müssen wieder spielen. Der Dieter Müller hat eine schwere Rippenfellentzündung. Er fällt ein halbes Jahr aus und Sie sind unser einziger erfahrener Torjäger."

Löhr gab zu: "Es soll bloß niemand denken, ich hätte jubelnd und voller Dankbarkeit zugesagt." Aber er sagte zu und konnte seine Titelsammlung noch im Alter von 36 wesentlich erweitern: DFB- Pokalsieger 1977 und 1978 und als Edel-Reservist mit acht Einsätzen sogar noch Deutscher Meister 1978. Wieder gab’s einen Termin für ein Abschiedsspiel – und diesmal, am 23. Oktober 1978, sagte er im Müngersdorfer Stadion wirklich "tschö".

Aber niemals geht man so ganz, als Fußballer schon mal gar nicht. Denn er blieb bei seinem FC und wurde 1980 dessen Manager. Und als nach dem Rauswurf von Rinus Michels nach dem zweiten Spieltag 1983/84 auf die Schnelle kein Wunschtrainer zu haben war, war Löhr plötzlich der Chef.

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Der Start glückte: ein sechster Platz reichte für den UEFA-Cup, im Folgejahr war der FC gar Dritter. Heute dürfte man dafür in die Champions League. Andere Regeln gelten ewig; wenn der Erfolg ausbleibt, fliegt der Trainer. Nach dem 20. Spieltag 1985/86, einem 2:3 gegen Bayer Leverkusen, war an einem bitterkalten Februartag die Liebe zwischen dem FC und dem Hannes vorübergehend erkaltet. Nach dem Spiel wollte der als zu kumpelhaft geltende Trainer noch den harten Mann spielen und kündigte an: "Karneval ist abgesagt. In dieser Woche wird gearbeitet." Der Vorstand hatte nichts dagegen, bloß mit einem anderen Vorarbeiter. Als Löhr in der Krisensitzung als Vertrauensbeweis eine Vertragsverlängerung forderte, wurde er entlassen. Platz elf war nicht Kölns Anspruch in jenen Tagen, die Mannschaft war mit Stars gespickt und erreichte im April das UEFA-Cup-Finale. Es half auch nichts, dass Toni Schumacher die Entlassung als "unverschämtheit" titulierte. Löhr grollte ein wenig: "Hier haben sie sogar den besten, den Hennes Weisweiler gefeuert."

Löhr geht zum DFB

Sprach’s und ging alsbald als Auswahltrainer zum DFB, wo er die Olympioniken 1988 in Seoul mit Spielern wie Jürgen Klinsmann und Frank Mill in Seoul zur Bronze-Medaille führte. Es ist die einzige Olympische Medaille einer Herren-Fußballmannschaft, denn meistens verpasste Deutschland die Qualifikation. 1990 übernahm Löhr die U 21 von Berti Vogts. Danach setzte er sich noch mal auf die Schulbank und schloss sein Studium der Sportwissenschaften an der Deutschen Sporthochschule in Köln mit dem Diplom ab. Thema seiner Diplomarbeit war: "Das Bosman-Urteil und seine Auswirkungen auf die Einsatzzeiten junger Spieler". Note 1,2. Beim DFB blieb er bis 2002, ehe er die U 21 an Jürgen Kohler weitergab.

Da war er 60. Er intensivierte sein Golfspiel, heute mit 70 hat er ein Handicap von 10,9 – und er erfreut sich noch bester Gesundheit. Natürlich hätte er seine Frau Annemarie noch liebend gerne an seiner Seite, sie verstarb vor zwei Jahren. Das Jubiläum heute werde "keine große Sache. Ein paar gute Freunde kommen zu Besuch und wir feiern zusammen." Und er kann dann noch mal jedem die Geschichte vom Münzwurf anno 1965 in Liverpool erzählen. Die Münze, die nach drei Unentschieden über Sein oder Nicht sein im Landesmeister-Cup entscheiden sollte, blieb erstmal im Schlamm stecken. Senkrecht. Hannes stand direkt daneben. Dann entschied sie für Liverpool und zum ersten Mal muss er sich doch wie ein Pechvogel gefühlt haben. "Das sind Dinge, die vergisst man nicht", sagt der Hannes. Ihn vergisst man auch nicht.