Drei schöne Jahre: Als Andy noch ein Berliner war

Aus Kiel zog er aus in die Welt. Andreas Köpke war Europameister, er war Weltmeister, er war Welttorhüter – und er war Berliner "ehrenhalber". DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke über den Karrierebeginn und die Berliner Zeit des Torwarttrainers der deutschen Nationalmannschaft.

Der Anlass, gemeinsam in fröhlichen Erinnerungen zu schwelgen, war tragisch. Die Krankheit und schließlich der Tod von Bernd Geesdorf haben die Gedanken von Andreas Köpke (50) in jüngerer Vergangenheit häufiger fast drei Jahrzehnte zurückversetzt. Mit Geesdorf hat Köpke zu Beginn seiner Karriere zusammen gespielt, damals, in Berlin, beim SC Charlottenburg. Ende 2010 erkrankte Geesdorf schwer, das motorische Nervensystem war befallen, unheilbar. Im Dezember 2011 erlag Geesdorf 48-jährig der Krankheit. Die Kollegen von früher litten und trauerten mit, das tragische Schicksal hat lose Verbindungen wieder fester werden lassen. Mit einigen der früheren Kollegen hat Köpke seither wieder mehr Kontakt. Dann spricht man über früher, über Fußball, über Berlin, über Hertha und den SC Charlottenburg.

Köpkes Berliner Zeit begann indirekt mit einem Spiel zwischen Holstein Kiel und den Amateuren von Werder Bremen, Fußball-Oberliga Nord. 30 Jahre ist das mittlerweile her, an die Details erinnert sich Köpke nicht mehr. Gesichert ist nur, dass auf der Tribüne Spielbeobachter vom SCC saßen. Und dass Köpke ziemlich gut gehalten haben muss. Denn wenig später erhielt er ein Angebot aus Berlin.

Ein großer Schritt Richtung Berlin

Der Torhüter musste nicht lange überlegen. Köpkes Vertrag mit Holstein Kiel lief aus, seine Lehre war beendet, es war Zeit für etwas Neues. Da kam das Interesse vom SCC gerade recht. Berlin kannte er von diversen Besuchen, aber eben nur so gut, wie man Städte bei Besuchen kennenlernen kann. "Berlin war damals schon eine Weltstadt", sagt Köpke. Die Größe der Stadt, die Insellage, die besondere Situation im Ost-West-Konflikt – all das ließ den Wechsel nach Berlin zu einem Abenteuer werden. "Der Schritt war groß", sagt Köpke.

Schwergefallen ist er ihm nicht. Denn bei aller Neugier auf die Stadt war Köpke vor allem auf seine Karriere fokussiert. Und für diese schien ihm der Wechsel zum SCC richtig. Die Charlottenburger waren als Meister Berlins für die Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga qualifiziert, der Verein insgesamt ambitioniert. "Obwohl zum Zeitpunkt des Wechsels noch nicht feststand, ob der Verein wirklich aufsteigen würde", sagt Köpke. Tatsächlich sah es eher schlecht aus.

Der SCC hatte die ersten beiden Partien in der Aufstiegsrunde verloren, nur Optimisten gingen davon aus, dass der Einzug in die 2. Liga gelingen würde. Für Köpke war dies nicht entscheidend, er war von Konzept und Vision der Charlottenburger überzeugt. Also packte er seine Sachen und ging nach Berlin. Nach Berlin – und in eine höhere Spielklasse. Nachdem Köpke den Vertrag unterschrieben hatte, bekam der SCC in der Aufstiegsrunde Rückenwind. Drei Spiele in Serie wurden gewonnen, Charlottenburg stieg schließlich doch noch auf. "Auf einmal war ich in der 2. Liga", sagt Köpke.

Berliner "ehrenhalber"

Der SCC organisierte ihm eine Wohnung im Zentrum Tegels. Köpke hat sich dort wohlgefühlt, dort sowie in der ganzen damals noch halbierten Stadt – und im Verein. Familiär ging es zu beim SCC, die Spieler waren Mannschaftskollegen, auch Freunde. So war der Teamgeist besonders ausgeprägt, auch weil beim SCC eine Besonderheit Voraussetzung war. "Es sollten nur echte Berliner in der Mannschaft stehen", sagt Köpke. Und er? Wurde zum Berliner ehrenhalber erklärt. "So ganz genau genommen hat man es bei mir nicht", sagt Köpke. Leistung schlug Herkunft, Messi ist ja auch kein Katalane.

Sportlich lief es für Köpke in seinem ersten Jahr in Berlin nur teilweise wie erhofft. Der Torhüter etablierte sich als Nummer eins, der SCC feierte einige Achtungserfolge, vor allem nahmen die Fans die Mannschaft an. Nicht selten kamen 10.000 Zuschauer ins Mommsenstadion, der SCC war nicht nur in Charlottenburg beliebt. "Die Berliner haben honoriert, dass die Mannschaft fast nur mit Berlinern besetzt war", sagt Köpke. Besondere Höhepunkte waren die Derbys gegen Hertha BSC. "In diesen Spielen haben wir beide Male gut ausgesehen", erinnert sich der Torhüter. Im Olympiastadion gab es ein 1:1, das Rückspiel im Mommsenstadion gewann der SCC mit 1:0.

"Berlin ist mir ans Herz gewachsen"

Und doch reichte es am Ende nicht für den Klassenverbleib, als Tabellenachtzehnter mussten die Charlottenburger Liga zwei nach einem Jahr wieder verlassen. Für Köpke bedeutete dies: Zeit für etwas Neues. Mit der Betonung auf "etwas". Dem Keeper gefiel es in Berlin, die Menschen, die Stadt, das Ambiente, weg wollte er nicht. Da kam das Angebot von Hertha gerade recht. "Es gab gute Gründe für mich, in Berlin zu bleiben", sagt er. Die Verhandlungen mit Präsident Wolfgang Holst waren unkompliziert, schnell stand fest: Köpke bleibt Berliner.

Der nächste Schritt in seiner Karriere war also kurz und groß zugleich. "Hertha war auch damals schon eine andere Liga“" sagt Köpke und meint nicht die Zugehörigkeit zur Spielklasse. Bei der Alten Dame wurde professionell gearbeitet, Köpkes Karriere wurde auf die nächste Stufe gehievt. "Es gab zum Beispiel einen eigenen Torwarttrainer", erinnert sich Köpke. Mit Gustav Eder und Nello di Martino entwickelte er seine Fähigkeiten weiter, mit einem auf seine Bedürfnisse abgestimmten Trainingsprogramm. "Das Training mit den beiden hat mir auf jeden Fall einen Schub gegeben", sagt Köpke. "Ich kannte es ja gar nicht, dass sich jemand speziell um mich gekümmert hat."

Zwei Jahre blieb Köpke bei Hertha. Als der Verein nach der Saison 1985/1986 die 2. Liga verlassen musste, trennten sich auch die Wege von Hertha und dem Torhüter. Der 1. FC Nürnberg und die Bundesliga lockten, Köpke entschied sich für die weitere Karriere. Aber nicht ohne Wehmut. "Mir ist es nicht leicht gefallen, aus Berlin wegzugehen“, sagt er. „Die Stadt ist mir ans Herz gewachsen."

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Aus Kiel zog er aus in die Welt. Andreas Köpke war Europameister, er war Weltmeister, er war Welttorhüter – und er war Berliner "ehrenhalber". DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke über den Karrierebeginn und die Berliner Zeit des Torwarttrainers der deutschen Nationalmannschaft.

Der Anlass, gemeinsam in fröhlichen Erinnerungen zu schwelgen, war tragisch. Die Krankheit und schließlich der Tod von Bernd Geesdorf haben die Gedanken von Andreas Köpke (50) in jüngerer Vergangenheit häufiger fast drei Jahrzehnte zurückversetzt. Mit Geesdorf hat Köpke zu Beginn seiner Karriere zusammen gespielt, damals, in Berlin, beim SC Charlottenburg. Ende 2010 erkrankte Geesdorf schwer, das motorische Nervensystem war befallen, unheilbar. Im Dezember 2011 erlag Geesdorf 48-jährig der Krankheit. Die Kollegen von früher litten und trauerten mit, das tragische Schicksal hat lose Verbindungen wieder fester werden lassen. Mit einigen der früheren Kollegen hat Köpke seither wieder mehr Kontakt. Dann spricht man über früher, über Fußball, über Berlin, über Hertha und den SC Charlottenburg.

Köpkes Berliner Zeit begann indirekt mit einem Spiel zwischen Holstein Kiel und den Amateuren von Werder Bremen, Fußball-Oberliga Nord. 30 Jahre ist das mittlerweile her, an die Details erinnert sich Köpke nicht mehr. Gesichert ist nur, dass auf der Tribüne Spielbeobachter vom SCC saßen. Und dass Köpke ziemlich gut gehalten haben muss. Denn wenig später erhielt er ein Angebot aus Berlin.

Ein großer Schritt Richtung Berlin

Der Torhüter musste nicht lange überlegen. Köpkes Vertrag mit Holstein Kiel lief aus, seine Lehre war beendet, es war Zeit für etwas Neues. Da kam das Interesse vom SCC gerade recht. Berlin kannte er von diversen Besuchen, aber eben nur so gut, wie man Städte bei Besuchen kennenlernen kann. "Berlin war damals schon eine Weltstadt", sagt Köpke. Die Größe der Stadt, die Insellage, die besondere Situation im Ost-West-Konflikt – all das ließ den Wechsel nach Berlin zu einem Abenteuer werden. "Der Schritt war groß", sagt Köpke.

Schwergefallen ist er ihm nicht. Denn bei aller Neugier auf die Stadt war Köpke vor allem auf seine Karriere fokussiert. Und für diese schien ihm der Wechsel zum SCC richtig. Die Charlottenburger waren als Meister Berlins für die Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga qualifiziert, der Verein insgesamt ambitioniert. "Obwohl zum Zeitpunkt des Wechsels noch nicht feststand, ob der Verein wirklich aufsteigen würde", sagt Köpke. Tatsächlich sah es eher schlecht aus.

Der SCC hatte die ersten beiden Partien in der Aufstiegsrunde verloren, nur Optimisten gingen davon aus, dass der Einzug in die 2. Liga gelingen würde. Für Köpke war dies nicht entscheidend, er war von Konzept und Vision der Charlottenburger überzeugt. Also packte er seine Sachen und ging nach Berlin. Nach Berlin – und in eine höhere Spielklasse. Nachdem Köpke den Vertrag unterschrieben hatte, bekam der SCC in der Aufstiegsrunde Rückenwind. Drei Spiele in Serie wurden gewonnen, Charlottenburg stieg schließlich doch noch auf. "Auf einmal war ich in der 2. Liga", sagt Köpke.

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Berliner "ehrenhalber"

Der SCC organisierte ihm eine Wohnung im Zentrum Tegels. Köpke hat sich dort wohlgefühlt, dort sowie in der ganzen damals noch halbierten Stadt – und im Verein. Familiär ging es zu beim SCC, die Spieler waren Mannschaftskollegen, auch Freunde. So war der Teamgeist besonders ausgeprägt, auch weil beim SCC eine Besonderheit Voraussetzung war. "Es sollten nur echte Berliner in der Mannschaft stehen", sagt Köpke. Und er? Wurde zum Berliner ehrenhalber erklärt. "So ganz genau genommen hat man es bei mir nicht", sagt Köpke. Leistung schlug Herkunft, Messi ist ja auch kein Katalane.

Sportlich lief es für Köpke in seinem ersten Jahr in Berlin nur teilweise wie erhofft. Der Torhüter etablierte sich als Nummer eins, der SCC feierte einige Achtungserfolge, vor allem nahmen die Fans die Mannschaft an. Nicht selten kamen 10.000 Zuschauer ins Mommsenstadion, der SCC war nicht nur in Charlottenburg beliebt. "Die Berliner haben honoriert, dass die Mannschaft fast nur mit Berlinern besetzt war", sagt Köpke. Besondere Höhepunkte waren die Derbys gegen Hertha BSC. "In diesen Spielen haben wir beide Male gut ausgesehen", erinnert sich der Torhüter. Im Olympiastadion gab es ein 1:1, das Rückspiel im Mommsenstadion gewann der SCC mit 1:0.

"Berlin ist mir ans Herz gewachsen"

Und doch reichte es am Ende nicht für den Klassenverbleib, als Tabellenachtzehnter mussten die Charlottenburger Liga zwei nach einem Jahr wieder verlassen. Für Köpke bedeutete dies: Zeit für etwas Neues. Mit der Betonung auf "etwas". Dem Keeper gefiel es in Berlin, die Menschen, die Stadt, das Ambiente, weg wollte er nicht. Da kam das Angebot von Hertha gerade recht. "Es gab gute Gründe für mich, in Berlin zu bleiben", sagt er. Die Verhandlungen mit Präsident Wolfgang Holst waren unkompliziert, schnell stand fest: Köpke bleibt Berliner.

Der nächste Schritt in seiner Karriere war also kurz und groß zugleich. "Hertha war auch damals schon eine andere Liga“" sagt Köpke und meint nicht die Zugehörigkeit zur Spielklasse. Bei der Alten Dame wurde professionell gearbeitet, Köpkes Karriere wurde auf die nächste Stufe gehievt. "Es gab zum Beispiel einen eigenen Torwarttrainer", erinnert sich Köpke. Mit Gustav Eder und Nello di Martino entwickelte er seine Fähigkeiten weiter, mit einem auf seine Bedürfnisse abgestimmten Trainingsprogramm. "Das Training mit den beiden hat mir auf jeden Fall einen Schub gegeben", sagt Köpke. "Ich kannte es ja gar nicht, dass sich jemand speziell um mich gekümmert hat."

Zwei Jahre blieb Köpke bei Hertha. Als der Verein nach der Saison 1985/1986 die 2. Liga verlassen musste, trennten sich auch die Wege von Hertha und dem Torhüter. Der 1. FC Nürnberg und die Bundesliga lockten, Köpke entschied sich für die weitere Karriere. Aber nicht ohne Wehmut. "Mir ist es nicht leicht gefallen, aus Berlin wegzugehen“, sagt er. „Die Stadt ist mir ans Herz gewachsen."