Dr. Theo Zwanziger: "Wir vertrauen auf die Arbeit von Jürgen Klinsmann"

In Abwesenheit des erkrankten DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder war Dr. Theo Zwanziger der Delegationsleiter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) beim Länderspiel in Italien. Im Interview mit www.dfb.de äußert sich der Geschäftsführende DFB-Präsident zu aktuellen Nationalmannschaftsfragen.

Frage: Die Niederlage in Florenz hat erwartungsgemäß zu heftigen Diskussionen geführt. Wie beurteilen Sie die Leistung der DFB-Auswahl gegen Italien?

Dr. Zwanziger: Es war ein deprimierend schlechtes Spiel, unter dem Millionen treuer Fans leiden. Leid ist aber immer ein Ausdruck von Emotionen. Wir dürfen jetzt den Blick für die Realitäten nicht verlieren und müssen das Spiel absolut objektiv analysieren. Im Klartext: Die Ursachen für unsere augenblicklichen Probleme liegen nicht in der Person von Jürgen Klinsmann und seiner Arbeit begründet, sondern in Fehlentwicklungen, die aus den 90er Jahren stammen.

Frage: Können Sie das präzisieren?

Dr. Zwanziger: Wir haben heute nicht mehr die Spieler-Typen, die wir 1954 beim „Wunder von Bern“, in den sogenannten „Goldenen 70er Jahren“, bei unserem letzten WM-Sieg 1990 oder beim EM-Titelgewinn 1996 hatten. Wir wissen sehr genau, dass diese Problematik kurzfristig nicht durch die intensive Nachwuchsarbeit des DFB und die Erhöhung des Anteils deutscher Spieler in der Bundesliga zufriedenstellend gelöst werden kann. DFB und DFL haben zwar nach der enttäuschenden EM 2000 einen gemeinsamen Weg eingeschlagen, um eine bessere Ausbildung und Förderung der deutschen Talente zu erreichen, und erste Früchte sind auch schon zu erkennen. Aber langfristig sind weitere Fortschritte nötig. Was eine Steigerung des Anteils deutscher Spieler in der Bundesliga betrifft, so stehen uns hier außerdem beachtliche rechtliche Hürden im Wege, die mit dem positiven Aspekt des Zusammenwachsens in Europa zu tun haben.

Frage: Was bedeutet das für die WM 2006?

Dr. Zwanziger: Jürgen Klinsmann hat im Sommer 2004 die Verantwortung für die Nationalmannschaft übernommen. Im Wissen darum, dass er auf junge Spieler setzen muss. Dies und weitere von ihm angekündigte Reformen entsprachen damals ausdrücklich den Wünschen und Vorstellungen der großen Mehrheit aller Fußball-Fans in Deutschland. Mit dem Einsatz von jungen Spielern sind aber immer Risiken verbunden. Es fehlt ihnen häufig die Konstanz in ihren Leistungen. Das sind natürliche Mechanismen, die wir nicht leugnen und nicht ändern können.

Frage: Was bedeutet das für das vom Bundestrainer bei seinem Amtsantritt ausgegebene Ziel, Weltmeister 2006 werden zu wollen?

Dr. Zwanziger: Die Vorbereitung auf dieses große Ereignis ist mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Das wussten alle von Anfang an. Trotzdem bleibt es zu Recht das Ziel von Jürgen Klinsmann, mit einer konkurrenzfähigen und starken Mannschaft in das Turnier gehen zu wollen. Deshalb hat sich durch die enttäuschende Niederlage gegen Italien an seiner Vorgabe nichts geändert: Wir wollen Weltmeister werden und unseren Heimvorteil nutzen. Die sportliche Leitung der Nationalmannschaft hat stets darauf hingewiesen, dass unser Projekt 2006 von Rückschlägen begleitet werden wird und diese verkraftet werden müssen, ohne dass deshalb gleich alles in Frage gestellt werden darf.

Frage: Sie sind also immer noch davon überzeugt, dass Deutschland Weltmeister 2006 werden kann?

Dr. Zwanziger: Ja. Ich vertraue auf die konsequente und engagierte Arbeit von Jürgen Klinsmann und seines Teams. Der WM-Titelgewinn 2006 ist weiterhin das Ziel und mit dem nötigen Quäntchen Glück auch zu erreichen. Natürlich wird es schwer, und es gibt dafür keine Garantie. Aber wenn wir dem Weg des Bundestrainers weiterhin Vertrauen schenken und nicht an jeder Entscheidung, die er sportlich und auch im persönlichen Bereich trifft, sofort und penetrant herummäkeln, dann ist das die richtige Einstellung für die kommenden Wochen.

Frage: Wie gehen Sie mit den Kritikern um?

Dr. Zwanziger: Jeder von uns muss mit Kritik leben können. Und gerade im Fußball, der ständig im Fokus der Öffentlichkeit steht, darf uns das nicht stören. In Deutschland gibt es in der Tat Millionen von Bundestrainern, die sich intensive Gedanken machen und mit ihren Meinungen nicht ganz falsch liegen. Häufig beziehen Sie dabei am Ende aber unterschiedliche Positionen. Deshalb kann nur einer das Sagen haben: Der Bundestrainer entscheidet für die Nationalmannschaft die taktischen und personellen Fragen.

Frage: Erhoffen Sie sich vom Heimvorteil bei der WM eine beflügelnde oder eine belastende Wirkung für die Nationalmannschaft?

Dr. Zwanziger: Die tolle Stimmung beim Confederations Cup hat deutlich gezeigt, dass es nur von Vorteil sein kann, wenn wir in unseren neuen Stadien vor heimischer Kulisse spielen. Wenn wir Erfolg bei dieser WM haben wollen, brauchen wir die Unterstützung der Fans. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Anhänger bei der WM der zwölfte Mann sein werden. Ich kann daher nur alle, die mit unterschiedlichem Interesse und in unterschiedlichen Funktionen am Fußball in Deutschland beteiligt sind, herzlich darum bitten, gerade jetzt zur Nationalmannschaft zu stehen. Ob das die Fans sind oder auch die Medienvertreter – wir sind für kritische Anregungen dankbar, aber überzogene und unsachliche Schelte ist nicht angebracht. Zumal die Vorbereitungsspiele vor anderen Turnieren, die wir erfolgreich beendet haben, ebenfalls nicht immer nach Wunsch liefen. Wer an einem sportlichen und gesellschaftlichen Erfolg der WM 2006 interessiert ist, muss bei unserer Nationalmannschaft den eingeschlagenen Kurs unterstützen und dabei auch die Entscheidungen von Jürgen Klinsmann akzeptieren, seine persönlichen Einschätzungen und seinen Stil tolerieren.

Frage: Mit welchen Erwartungen blicken Sie dem Länderspiel gegen die USA am 22. März in Dortmund entgegen?

Dr. Theo Zwanziger: Der Bundestrainer hat deutlich gemacht, dass er von der Mannschaft eine Reaktion und Wiedergutmachung erwartet. Er vertraut seinem Kader, und ich bin mir sicher, dass seine Botschaft bei den Spielern ankommt. Eine seiner Stärken ist, dass er eng an der Mannschaft dran ist. Auch dann, wenn er sich zwischen den Spielen in den USA aufhält. Darüber hinaus bin ich sicher, dass das tolle Publikum in Dortmund unsere Mannschaft anfeuern und ihr helfen wird, ein starkes Spiel zu liefern. Gerade im Dortmunder Stadion war die Atmosphäre bei Länderspielen immer großartig. Ich denke nur an die einzigartige Unterstützung im entscheidenden WM-Qualifikationsspiel im Herbst 2001 gegen die Ukraine.

[hs]


[bild1]
In Abwesenheit des erkrankten DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder war Dr. Theo Zwanziger der Delegationsleiter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) beim Länderspiel in Italien. Im Interview mit www.dfb.de äußert sich der Geschäftsführende DFB-Präsident zu aktuellen Nationalmannschaftsfragen.



Frage: Die Niederlage in Florenz hat erwartungsgemäß zu heftigen Diskussionen geführt. Wie beurteilen Sie die Leistung der DFB-Auswahl gegen Italien?



Dr. Zwanziger: Es war ein deprimierend schlechtes Spiel, unter dem Millionen treuer Fans leiden. Leid ist aber immer ein Ausdruck von Emotionen. Wir dürfen jetzt den Blick für die Realitäten nicht verlieren und müssen das Spiel absolut objektiv analysieren. Im Klartext: Die Ursachen für unsere augenblicklichen Probleme liegen nicht in der Person von Jürgen Klinsmann und seiner Arbeit begründet, sondern in Fehlentwicklungen, die aus den 90er Jahren stammen.



Frage: Können Sie das präzisieren?



Dr. Zwanziger: Wir haben heute nicht mehr die Spieler-Typen, die wir 1954 beim „Wunder von Bern“, in den sogenannten „Goldenen 70er Jahren“, bei unserem letzten WM-Sieg 1990 oder beim EM-Titelgewinn 1996 hatten. Wir wissen sehr genau, dass diese Problematik kurzfristig nicht durch die intensive Nachwuchsarbeit des DFB und die Erhöhung des Anteils deutscher Spieler in der Bundesliga zufriedenstellend gelöst werden kann. DFB und DFL haben zwar nach der enttäuschenden EM 2000 einen gemeinsamen Weg eingeschlagen, um eine bessere Ausbildung und Förderung der deutschen Talente zu erreichen, und erste Früchte sind auch schon zu erkennen. Aber langfristig sind weitere Fortschritte nötig. Was eine Steigerung des Anteils deutscher Spieler in der Bundesliga betrifft, so stehen uns hier außerdem beachtliche rechtliche Hürden im Wege, die mit dem positiven Aspekt des Zusammenwachsens in Europa zu tun haben.



Frage: Was bedeutet das für die WM 2006?



Dr. Zwanziger: Jürgen Klinsmann hat im Sommer 2004 die Verantwortung für die Nationalmannschaft übernommen. Im Wissen darum, dass er auf junge Spieler setzen muss. Dies und weitere von ihm angekündigte Reformen entsprachen damals ausdrücklich den Wünschen und Vorstellungen der großen Mehrheit aller Fußball-Fans in Deutschland. Mit dem Einsatz von jungen Spielern sind aber immer Risiken verbunden. Es fehlt ihnen häufig die Konstanz in ihren Leistungen. Das sind natürliche Mechanismen, die wir nicht leugnen und nicht ändern können.



Frage: Was bedeutet das für das vom Bundestrainer bei seinem Amtsantritt ausgegebene Ziel, Weltmeister 2006 werden zu wollen?



Dr. Zwanziger: Die Vorbereitung auf dieses große Ereignis ist mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Das wussten alle von Anfang an. Trotzdem bleibt es zu Recht das Ziel von Jürgen Klinsmann, mit einer konkurrenzfähigen und starken Mannschaft in das Turnier gehen zu wollen. Deshalb hat sich durch die enttäuschende Niederlage gegen Italien an seiner Vorgabe nichts geändert: Wir wollen Weltmeister werden und unseren Heimvorteil nutzen. Die sportliche Leitung der Nationalmannschaft hat stets darauf hingewiesen, dass unser Projekt 2006 von Rückschlägen begleitet werden wird und diese verkraftet werden müssen, ohne dass deshalb gleich alles in Frage gestellt werden darf.



Frage: Sie sind also immer noch davon überzeugt, dass Deutschland Weltmeister 2006 werden kann?



Dr. Zwanziger: Ja. Ich vertraue auf die konsequente und engagierte Arbeit von Jürgen Klinsmann und seines Teams. Der WM-Titelgewinn 2006 ist weiterhin das Ziel und mit dem nötigen Quäntchen Glück auch zu erreichen. Natürlich wird es schwer, und es gibt dafür keine Garantie. Aber wenn wir dem Weg des Bundestrainers weiterhin Vertrauen schenken und nicht an jeder Entscheidung, die er sportlich und auch im persönlichen Bereich trifft, sofort und penetrant herummäkeln, dann ist das die richtige Einstellung für die kommenden Wochen.



Frage: Wie gehen Sie mit den Kritikern um?



Dr. Zwanziger: Jeder von uns muss mit Kritik leben können. Und gerade im Fußball, der ständig im Fokus der Öffentlichkeit steht, darf uns das nicht stören. In Deutschland gibt es in der Tat Millionen von Bundestrainern, die sich intensive Gedanken machen und mit ihren Meinungen nicht ganz falsch liegen. Häufig beziehen Sie dabei am Ende aber unterschiedliche Positionen. Deshalb kann nur einer das Sagen haben: Der Bundestrainer entscheidet für die Nationalmannschaft die taktischen und personellen Fragen.



Frage: Erhoffen Sie sich vom Heimvorteil bei der WM eine beflügelnde oder eine belastende Wirkung für die Nationalmannschaft?



[bild2]
Dr. Zwanziger: Die tolle Stimmung beim Confederations Cup hat deutlich gezeigt, dass es nur von Vorteil sein kann, wenn wir in unseren neuen Stadien vor heimischer Kulisse spielen. Wenn wir Erfolg bei dieser WM haben wollen, brauchen wir die Unterstützung der Fans. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Anhänger bei der WM der zwölfte Mann sein werden. Ich kann daher nur alle, die mit unterschiedlichem Interesse und in unterschiedlichen Funktionen am Fußball in Deutschland beteiligt sind, herzlich darum bitten, gerade jetzt zur Nationalmannschaft zu stehen. Ob das die Fans sind oder auch die Medienvertreter – wir sind für kritische Anregungen dankbar, aber überzogene und unsachliche Schelte ist nicht angebracht. Zumal die Vorbereitungsspiele vor anderen Turnieren, die wir erfolgreich beendet haben, ebenfalls nicht immer nach Wunsch liefen. Wer an einem sportlichen und gesellschaftlichen Erfolg der WM 2006 interessiert ist, muss bei unserer Nationalmannschaft den eingeschlagenen Kurs unterstützen und dabei auch die Entscheidungen von Jürgen Klinsmann akzeptieren, seine persönlichen Einschätzungen und seinen Stil tolerieren.



Frage: Mit welchen Erwartungen blicken Sie dem Länderspiel gegen die USA am 22. März in Dortmund entgegen?



Dr. Theo Zwanziger: Der Bundestrainer hat deutlich gemacht, dass er von der Mannschaft eine Reaktion und Wiedergutmachung erwartet. Er vertraut seinem Kader, und ich bin mir sicher, dass seine Botschaft bei den Spielern ankommt. Eine seiner Stärken ist, dass er eng an der Mannschaft dran ist. Auch dann, wenn er sich zwischen den Spielen in den USA aufhält. Darüber hinaus bin ich sicher, dass das tolle Publikum in Dortmund unsere Mannschaft anfeuern und ihr helfen wird, ein starkes Spiel zu liefern. Gerade im Dortmunder Stadion war die Atmosphäre bei Länderspielen immer großartig. Ich denke nur an die einzigartige Unterstützung im entscheidenden WM-Qualifikationsspiel im Herbst 2001 gegen die Ukraine.