"Die Spieler haben ihre Fitness stetig verbessert"

Seit mittlerweile sechs Jahren kümmert sich Mark Verstegen mit seinem Team von Athlete's Perfomance um die Fitness der deutschen Nationalmannschaft. Die anfängliche Skepsis der Öffentlichkeit und der Bundesliga gegenüber vermeintlichem Gummitwist und Hightech-Geräten ist gewichen, der Ansatz des US-Amerikaners hat in weiten Teilen der Liga Fuß gefasst. Im Interview mit FUSSBALL.DE erzählt der vermeintliche Drillseargent, wie er das DFB-Team auf die WM in Südafrika vorbereitet hat, wer der fitteste deutsche Spieler ist und warum ihm Marcell Jansen ganz besonders imponiert.

FUSSBALL.DE: Herr Verstegen, wie haben Sie die DFB-Spieler in den vergangenen drei Wochen für die WM fit gemacht?

Mark Verstegen: Zunächst einmal. Wir sind ein Team. Keine Person ist bedeutender als die Mannschaft. Bei jedem Einzelnen haben wir geschaut, wo er steht, wie er sich fühlt, welche Energie er noch hat. Wir haben positive und negative Seiten analysiert und waren so in der Lage, individuelle Trainingspläne zu erstellen. Wir haben hart gearbeitet, damit jeder sein Optimum erreichen kann - in individuellen Einheiten und dann in der Gruppe.

FUSSBALL.DE: Wie sah das genau aus? Geben Sie uns ein paar Beispiele.

Verstegen: Anfangs ging es darum, nach der langen, anstrengenden Saison etwas zu entspannen. Gleichzeitig haben wir versucht, den Körper zu stärken, um Verletzungen vorzubeugen: Hüfte, Schulter, den gesamten Torso. Erst kommt Kraft und Ausdauer, dann Beweglichkeit, Schnelligkeit und Effizienz in den Bewegungen. Zusätzlich bedarf es der richtigen Ernährung, der passenden Erholung sowie des nötigen "Mind sets" - der Einstellung oder persönlichen Zielsetzung. Das sind die Fundamente.

FUSSBALL.DE: Und dann...?

Verstegen: ...haben wir mit dem Finetuning begonnen. Die Spieler haben ihre Fitness in kleinen, aber bedeutenden Schritten immer weiter verbessert. Und zwar gemäß ihrer Positionen auf dem Feld, damit jeder Einzelne den Anforderungen von Bundestrainer Joachim Löw für die ihm zugedachte Rolle gerecht wird.

FUSSBALL.DE: Hört sich nach ziemlicher Schinderei an...



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Seit mittlerweile sechs Jahren kümmert sich Mark Verstegen mit seinem Team von Athlete's Perfomance um die Fitness der deutschen Nationalmannschaft. Die anfängliche Skepsis der Öffentlichkeit und der Bundesliga gegenüber vermeintlichem Gummitwist und Hightech-Geräten ist gewichen, der Ansatz des US-Amerikaners hat in weiten Teilen der Liga Fuß gefasst. Im Interview mit FUSSBALL.DE erzählt der vermeintliche Drillseargent, wie er das DFB-Team auf die WM in Südafrika vorbereitet hat, wer der fitteste deutsche Spieler ist und warum ihm Marcell Jansen ganz besonders imponiert.

FUSSBALL.DE: Herr Verstegen, wie haben Sie die DFB-Spieler in den vergangenen drei Wochen für die WM fit gemacht?

Mark Verstegen: Zunächst einmal. Wir sind ein Team. Keine Person ist bedeutender als die Mannschaft. Bei jedem Einzelnen haben wir geschaut, wo er steht, wie er sich fühlt, welche Energie er noch hat. Wir haben positive und negative Seiten analysiert und waren so in der Lage, individuelle Trainingspläne zu erstellen. Wir haben hart gearbeitet, damit jeder sein Optimum erreichen kann - in individuellen Einheiten und dann in der Gruppe.

FUSSBALL.DE: Wie sah das genau aus? Geben Sie uns ein paar Beispiele.

Verstegen: Anfangs ging es darum, nach der langen, anstrengenden Saison etwas zu entspannen. Gleichzeitig haben wir versucht, den Körper zu stärken, um Verletzungen vorzubeugen: Hüfte, Schulter, den gesamten Torso. Erst kommt Kraft und Ausdauer, dann Beweglichkeit, Schnelligkeit und Effizienz in den Bewegungen. Zusätzlich bedarf es der richtigen Ernährung, der passenden Erholung sowie des nötigen "Mind sets" - der Einstellung oder persönlichen Zielsetzung. Das sind die Fundamente.

FUSSBALL.DE: Und dann...?

Verstegen: ...haben wir mit dem Finetuning begonnen. Die Spieler haben ihre Fitness in kleinen, aber bedeutenden Schritten immer weiter verbessert. Und zwar gemäß ihrer Positionen auf dem Feld, damit jeder Einzelne den Anforderungen von Bundestrainer Joachim Löw für die ihm zugedachte Rolle gerecht wird.

FUSSBALL.DE: Hört sich nach ziemlicher Schinderei an...

Verstegen: Wir haben auf Sizilien und in Südtirol hart trainiert, aber Freude ist dabei immer wichtig. Auch wenn die Zeitungen mich spöttisch als Quadratschädel und Drillseargent titulieren. Ich will bei der Arbeit Spaß haben und vor allem will ich, dass die Spieler Spaß haben.

FUSSBALL.DE: Was passiert während des Turniers in Südafrika?

Verstegen: Das ist ganz unterschiedlich. Natürlich wird die Trainingsintensität ein wenig runtergefahren. Aber Spieler, die nicht zum Zuge kommen, werden die Zeit direkt nach einer Partie oder den nächsten Morgen für eine richtige Einheit nutzen. Einwechselspieler bekommen leicht abgestufte Aufgaben, während die Stammspieler den Fokus auf Regeneration legen. Auch wenn es kompliziert ist: Wir wollen alle Akteure stets auf einem Niveau haben. Denn wir sind ein Team. Das ist der alles überragende Gedanke.

FUSSBALL.DE: Wie behält man da den Überblick?

Verstegen: Das ist eine Herausforderung. Zumal bei jedem noch Besonderheiten in Sachen Ernährung, Therapie und Performance dazukommen; dazu die technischen und taktischen Eigenheiten der einzelnen Positionen und das ganze in Koordination eines großen Trainerstabes. Aber unser System funktioniert. Es geht darum, die richtigen Fragen zu stellen und die passenden Antworten zu finden. Das ist ein sehr deutscher Ansatz und wir machen es den DFB-way. Zumal Shad Forsythe seit nunmehr sechs Jahren im Team dabei ist und alle Abläufe genau kennt. Ich kann das nun in Gelassenheit aus den USA verfolgen.

FUSSBALL.DE: Was hat sich in ihrer Arbeit verändert, seit sie 2004 unter großer Skepsis der Öffentlichkeit ihre Aufgabe antraten?

Verstegen: Inzwischen sind wir ein fester Bestandteil des deutschen Fußballs. Es war eine Zeit des Wachstums, und es macht Spaß, Teil dieser Entwicklung zu sein. Betrachten sie die Champions League des FC Bayern. Da hat sich so viel getan. Gerade in der Zusammenarbeit mit der Bundesliga, die am Anfang Bedenken hatte. Heute läuft die Kommunikation super. Das ist – um es mal so zu formulieren – ein Prozess der gegenseitigen Befruchtung geworden. Der Übergang vom Klub zur Nationalmannschaft ist problemlos. Wir wissen jederzeit, auf welchem Stand die Spieler sind und wenn sie zu uns kommen, fahren sie in ihrem Training da fort, wo sie in den Klubs aufgehört haben. Nur so funktioniert es, gerade wenn die Vorbereitung auf große Turniere kurz ist.

FUSSBALL.DE: Sprechen wir über Marcell Jansen. Sie müssen sehr stolz sein, dass er nach seiner schweren Verletzung zurück im Kader ist.

Verstegen: Ja, das stimmt. Marcell ist eine großartige Person. Er ist ein fleißiger Schüler und ein harter Arbeiter. Mein Kollege Shad Forsythe stand in den letzten Wochen immer in Kontakt mit ihm, und gemeinsam mit der medizinischen Abteilung des HSV ist es uns allen gelungen, diesen Erfolg zu schaffen. Es ist ein kleines Wunder. So wie bei Philipp Lahm, der sich 2006 trotz Armbruch noch zur WM gekämpft hat. Beide Spieler haben in schwierigen Situationen Einsatz und Mut gezeigt. Das imponiert mir, da kriege ich eine Gänsehaut.

FUSSBALL.DE: Wie viel fehlt Jansen noch für einen Einsatz über 90 Minuten?

Verstegen: Marcell hat getan, was nötig war, um im Testspiel gegen Ungarn einen ersten Kurzeinsatz zu absolvieren. Ich bin zufrieden mit seinem Stand jetzt, aber ich freue mich noch viel mehr darauf, wie er gegen Australien oder die anderen Gruppengegner in Form sein wird.

FUSSBALL.DE: Wie helfen Sie Miroslav Klose aus der Krise?

Verstegen: Wir haben unsere Matrix zu jedem Spieler und wissen, was ihm fehlt im Vergleich zu den erfolgreicheren Zeiten. Miro ist ein ganz besonderer Spieler. Wir müssen also beachten, was er auf dem Feld braucht, um mit seiner Art des Spiels erfolgreich zu sein. Da beginnt unser Feintuning, wie bei einem Rennauto. Auch wenn Miro ein toller Fahrer ist, mit einem Vierzylinder kommt er nicht voran. Aber wenn er in einem Achtzylinder sitzt, mit all den Fähigkeiten, die ihn einzigartig machen, schafft er es. Wir bauen ihm ein Siegerauto.

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FUSSBALL.DE: Wer ist der fitteste deutsche Spieler?

Verstegen: Das kann man so nicht beantworten. Das hängt von vielen Faktoren ab, etwa der Position auf dem Rasen. Wenn Sie allein den Faktor Ausdauer nehmen, vielleicht Bastian Schweinsteiger. Allein, wenn man seine großartige Saison beim FC Bayern sieht. Er ist schon in besonderer Verfassung.

FUSSBALL.DE: Wie hat sich der Faktor Fitness im Fußball generell entwickelt?

Verstegen: Die Spieler legen sehr viel längere Laufstrecken zurück. Und: Die Art und Weise, wie ein Spieler diese größere Distanz bewältigt, hat sich geändert. Das ist wie ein Vergleich Autobahn und Stadtverkehr. Fußball funktioniert nur noch unter Hochgeschwindigkeit: Beschleunigung und abruptes Stoppen. Ein Fußballer muss heute in neunzig Minuten 12 Kilometer oder mehr abreißen, und zwar nicht als Dauerlauf, sondern im permanenten Wechsel von Sprint und Stopp - oder wie wir sagen: mit Geschwindigkeits-Ausdauer. Das hat das komplette Spiel verändert - und darauf bereiten wir die die Athleten vor.

FUSSBALL.DE: Das heißt...?

Verstegen: Die Jungs müssen in der Lage sein, nicht nur eine Partie, sondern das ganze Turnier lang mit allerhöchstem Speed zu bestreiten - denn nur so holt man den Titel. Wenn die Spieler für Deutschland auf den Platz treten, ist das vom Druck her schon anspruchsvoll genug. Fitness gibt ihnen die Voraussetzung, sich auf die eigenen Fähigkeiten und den Gegner zu konzentrieren. Dann kann man immer noch hoffen, dass der Ball in die richtige Richtung springt.