Der "Ehrenamtsdulli" sagt: "Beiträge sind nicht mehr zeitgemäß"

Rund 400.000 Menschen in Deutschland engagieren sich ehrenamtlich für den Fußball. Sie sind Vereinsvorsitzender, Abteilungsleiterin, Jugendleiter oder Schatzmeisterin. Rechnet man die unzähligen freiwilligen Helfer hinzu - den Platzwart, die Betreuerin der Bambinis, den Papa am Grill, die Mama an der Waschmaschine - sind es zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen 1,7 Millionen Menschen, die dafür sorgen, dass der Ball rollt. Die "Aktion Ehrenamt" des Deutschen Fußball-Bundes feiert im Jahr 2017 ihr 20-jähriges Jubiläum. Zwei Jahrzehnte der Unterstützung aller ehrenamtlich und freiwillig Engagierten. "20 Jahre, 20 Köpfe": Im Jubiläumsjahr der "Aktion Ehrenamt" zeigt DFB.de Ihnen einige Verrückte und Vorbilder. Heute: Der Journalist Volker Mai, der ein manchmal harmlos witziges, manchmal beißend sarkastisches Buch über das Ehrenamt im Fußball geschrieben hat. In unserer Reihe sprechen wir mit dem 48-jährigen Lüneburger über die grassierende Anspruchshaltung, über Christopher-Cedric und zu niedrige Mitgliedsbeiträge.

DFB.de: Herr Mai, in den 50 kurzen Kapiteln Ihres Buches "Ehrenamtsdulli" beschreiben Sie die Leiden eines Jugendtrainers. Wann soll Schluss sein?

Volker Mai: Ist schon passiert. Ich habe 2016 aufgehört. Davor habe ich mich fast 25 Jahre für den Fußball eingebracht, größtenteils als Jugendtrainer. Angefangen habe ich aus Liebe zu meinem großen Ehrenamtsidol Horst Bobeth. Herrgott, was dieser Mann alles für uns gemacht hat, da bekomme ich heute noch Gänsehaut. Später folgte der Klassiker: mein Sohn spielt natürlich auch Fußball...

DFB.de: Der "Ehrenamtsdulli" verkauft sich ganz gut über den Eigenvertrieb. Wie erklären Sie sich den respektablen Absatz?

Mai: Mein Buch ist eher sarkastisch. Ich kriege oft eine Mail: "Sach‘ mal, du arbeitest ja wohl bei uns im Verein." Es ist überall das gleiche Lied. Ein bisschen bin ich zum Sprachrohr geworden, denn wie mit den Ehrenamtlern umgegangen wird in unserer Gesellschaft, ist eine Frechheit. Und die Leute können mein Buch in der Badewanne durchlesen.

DFB.de: Sie definieren den "Ehrenamtsdulli" so: "Er ist ein Typ, der immer da ist, alles macht, ein großes Herz hat und keine Forderungen stellt. Einer, den man irgendwie aber nicht ganz ernst nimmt – eben ein lieber Trottel." Ist dieser Hang zur Aufopferung nicht auch oft gepaart mit einer Portion Narzissmus und Sucht nach Anerkennung?

Mai: Ich glaube, dass es, vereinfacht gesprochen, zwei Typen von Ehrenamtlern gibt. Den einen, der sich aus Liebe zu seinem Verein einsetzt, vielleicht auch aus Liebe und Erinnerung an die Menschen, die ihn selbst mal trainiert haben. Dieser nostalgische Typ möchte erhalten, was ihm in seiner Kindheit Freude bereitete. Und dann gibt es sicher auch den, der sich über sein Ehrenamt profilieren möchte und auf Schulterklopfen steht, der vielleicht sonst nicht so zum Zuge kommt. Den ersten Typ, ich nenne die mal "Gutmenschen", davon hat man drei oder vier in jedem Verein, das sind die, die immer alles machen und immer da sind.



Rund 400.000 Menschen in Deutschland engagieren sich ehrenamtlich für den Fußball. Sie sind Vereinsvorsitzender, Abteilungsleiterin, Jugendleiter oder Schatzmeisterin. Rechnet man die unzähligen freiwilligen Helfer hinzu - den Platzwart, die Betreuerin der Bambinis, den Papa am Grill, die Mama an der Waschmaschine - sind es zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen 1,7 Millionen Menschen, die dafür sorgen, dass der Ball rollt. Die "Aktion Ehrenamt" des Deutschen Fußball-Bundes feiert im Jahr 2017 ihr 20-jähriges Jubiläum. Zwei Jahrzehnte der Unterstützung aller ehrenamtlich und freiwillig Engagierten. "20 Jahre, 20 Köpfe": Im Jubiläumsjahr der "Aktion Ehrenamt" zeigt DFB.de Ihnen einige Verrückte und Vorbilder. Heute: Der Journalist Volker Mai, der ein manchmal harmlos witziges, manchmal beißend sarkastisches Buch über das Ehrenamt im Fußball geschrieben hat. In unserer Reihe sprechen wir mit dem 48-jährigen Lüneburger über die grassierende Anspruchshaltung, über Christopher-Cedric und zu niedrige Mitgliedsbeiträge.

DFB.de: Herr Mai, in den 50 kurzen Kapiteln Ihres Buches "Ehrenamtsdulli" beschreiben Sie die Leiden eines Jugendtrainers. Wann soll Schluss sein?

Volker Mai: Ist schon passiert. Ich habe 2016 aufgehört. Davor habe ich mich fast 25 Jahre für den Fußball eingebracht, größtenteils als Jugendtrainer. Angefangen habe ich aus Liebe zu meinem großen Ehrenamtsidol Horst Bobeth. Herrgott, was dieser Mann alles für uns gemacht hat, da bekomme ich heute noch Gänsehaut. Später folgte der Klassiker: mein Sohn spielt natürlich auch Fußball...

DFB.de: Der "Ehrenamtsdulli" verkauft sich ganz gut über den Eigenvertrieb. Wie erklären Sie sich den respektablen Absatz?

Mai: Mein Buch ist eher sarkastisch. Ich kriege oft eine Mail: "Sach‘ mal, du arbeitest ja wohl bei uns im Verein." Es ist überall das gleiche Lied. Ein bisschen bin ich zum Sprachrohr geworden, denn wie mit den Ehrenamtlern umgegangen wird in unserer Gesellschaft, ist eine Frechheit. Und die Leute können mein Buch in der Badewanne durchlesen.

DFB.de: Sie definieren den "Ehrenamtsdulli" so: "Er ist ein Typ, der immer da ist, alles macht, ein großes Herz hat und keine Forderungen stellt. Einer, den man irgendwie aber nicht ganz ernst nimmt – eben ein lieber Trottel." Ist dieser Hang zur Aufopferung nicht auch oft gepaart mit einer Portion Narzissmus und Sucht nach Anerkennung?

Mai: Ich glaube, dass es, vereinfacht gesprochen, zwei Typen von Ehrenamtlern gibt. Den einen, der sich aus Liebe zu seinem Verein einsetzt, vielleicht auch aus Liebe und Erinnerung an die Menschen, die ihn selbst mal trainiert haben. Dieser nostalgische Typ möchte erhalten, was ihm in seiner Kindheit Freude bereitete. Und dann gibt es sicher auch den, der sich über sein Ehrenamt profilieren möchte und auf Schulterklopfen steht, der vielleicht sonst nicht so zum Zuge kommt. Den ersten Typ, ich nenne die mal "Gutmenschen", davon hat man drei oder vier in jedem Verein, das sind die, die immer alles machen und immer da sind.

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DFB.de: Wie erleben Sie die junge Generation im Ehrenamt?

Mai: Das Potenzial ist vorhanden. Unheimlich viele junge Menschen wollen mit Herzblut im Fußball ehrenamtlich tätig sein. Diese Generation ist beruflich oft sehr eingespannt, und auch sonst ist das Drumherum mehr geworden. Außerdem erlebe ich, dass junge Ehrenamtler deutlich mehr angeleitet werden müssen. Vereine sollten darauf achten, erfahrene Frauen und Männer in den Ämtern zu halten. Manche Jugendliche müssen alles bis ins Endlose ausdiskutieren. Entscheidungen zu treffen und wirklich etwas auf die Beine zu stellen, dauert heute etwas länger. Einmal in der Verantwortung, müssen junge Ehrenamtler aber auch machen dürfen. Es nützt nichts, wenn einer permanent daneben steht, und in einer Tour von früher erzählt. Die jungen Ehrenamtler verfügen über wertvolle Fähigkeiten, denken wir nur daran, wie sie etwa Netzwerke aufbauen.

DFB.de: Ist der Fußballverein zu günstig?

Mai: Die Beiträge entsprechen dem Stand von 1970. Wenn ich überlege, was ich für eine Stunde im Fitnessstudio oder in der Musikschule zahle. Jede Nachhilfestunde kostet so viel wie der Monatsbeitrag im Fußballverein. Was nichts kostet, das ist in der Bewertung auch nicht viel wert. Diese Unterbezahlung überträgt sich auf die Ehrenamtler im Fußballverein. Ich musste als Jugendtrainer mit Eltern die abstrusesten Diskussionen führen. Nur weil ich da im Trainingsanzug stehe, bin ich für die so ein kleiner "Ehrenamtsdulli". Mir fehlte oft der Respekt.

DFB.de: Fußball ist die Volkssportart: Addiert man Wettbewerbs- und Freizeitfußballer, sind es mehr als 14 Millionen, die in Deutschland dem Ball hinterher rennen. Angesichts dieser Beliebtheit, über alle Schichten und kulturellen Unterschiede hinweg, sind da niedrige Beiträge nicht absolut sinnvoll?

Mai: Das sehe ich völlig anders. Noch 2012 verlangte die Hälfte aller reinen Fußballvereine einen monatlichen Beitrag für Kinder von Euro 2,50, für Erwachsene von maximal sechs Euro. Und wenn dann ein Verein ankündigt, den Beitrag um auch nur einen Euro zu erhöhen, löst das einen riesigen Aufschrei aus. Jede andere Art der Freizeitgestaltung von Kindern in unserer Gesellschaft ist um ein Vielfaches teurer. Die Beiträge für den Fußballverein sind absolut nicht mehr zeitgemäß. Für mich sah das manchmal so aus, als ob die Eltern ihre Kinder für kleines Geld billig betreuen lassen. Und sobald sie etwas wiedergeben sollten, war bei vielen leider keine Zeit da.

DFB.de: Stichwort Anerkennung des Ehrenamtes: Leisten die Landesverbände und der DFB hier genug?

Mai: Der DFB ist in meinen Augen unheimlich positiv gewillt, das Ehrenamt zu würdigen. Aber Basis und Theorie sind zwei Paar Schuhe. Der Trainer der ersten Herren bekommt auch in den unteren Klassen 300 oder sogar 400 Euro. Und der Jugendtrainer bekommt 50 Euro, hat aber am Ende des Monats 75 Euro Ausgaben im Buch stehen. Dabei wird hier das Fundament für die weitere Laufbahn eines jeden Nationalspielers gelegt. Wichtiger noch scheint es mir, dass Fußballvereine wie so kleine Häfen funktionieren, bei denen alle anlegen, alle miteinander ins Gespräch kommen, und egal wie gut einer kicken kann, jeder gefordert und gefördert wird. Wir reden immer nur von Talenten. Aber es geht auch um zehntausende Kinder, die ohne den Fußball nur noch vor dem Rechner sitzen würden. Und wenn auch die Zahlen bei den Kleinsten stabil bleiben, ist der Jugendfußball insgesamt rückläufig. Mit 16 oder 17 Jahren hören viel zu viele auf. Mein Sohn ist in einer Spielgemeinschaft von drei Vereinen aktiv. Zu meiner Zeit haben wir genau gegen diese Vereine die größten Derbys gespielt, da war die Rivalität riesig - und eben auch das Herzblut für den eigenen Verein.

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DFB.de: Was läuft noch schief im Nachwuchsfußball?

Mai: Der Tod des Jugendfußballs ist das 9er-Feld. Auf dem Dorf funktioniert das nicht. Du brauchst für ein Spiel mindestens zwölf Spieler. Weil aber die Wochenenden prall mit Terminen gefüllt sind, benötigst du mindestens 20 Spieler.. Die hat kein Dorf mehr. Positiv finde ich, dass ein Spieler auch in den unteren Klassen nach der fünften Gelben Karte für ein Spiel gesperrt wird. Die Fair Play-Medaille, die von den Landesverbänden und an die Besten vom DFB jährlich verliehen wird, finde ich auch positiv. Dadurch konnte die wichtige Botschaft vermittelt werden, dass gerade die sportlich erfolgreichen Mannschaften oft betont fair spielen. Dass die Eltern 15 Meter Abstand halten, wie es dank des DFB in der Fair Play-Liga bei den jüngsten Jahrgängen praktiziert wird, finde ich ebenfalls positiv. Eine gewisse Distanz ist schon wichtig, weil sonst 22 Trainer am Start sind.

DFB.de: In ihrem Buch "Ehrenamtsdulli" taucht immer wieder der Jugendspieler Christopher-Cedric auf: dessen Oma dreimal im Jahr Geburtstag hat, der nicht "Hallo" sagen kann und schon mal seine sauteuren Schuhe liegen lässt, natürlich nicht nachfragt, aber zum nächsten Training mit einem brandneuen Paar aufkreuzt. Gibt es Christopher-Cedric wirklich?

Mai: Den gibt es in jeder Mannschaft. Aber am schlimmsten sind manche Eltern. Aber auch hier gilt: von zehn Eltern nerven zwei, fünf sagen gar nichts und drei packen immer mit an.

DFB.de: Sie ärgern sich über die völlig maßlosen Ansprüche mancher Eltern an den Jugendtrainer.

Mai: Ich zahle acht Euro und habe Ansprüche für 100 Euro - das ist doch leider bei zu vielen die Haltung. Der Trainer ist für tausend Sachen verantwortlich und rund um die Uhr verfügbar. Sobald der Trainer kritische Worte wählt, überhaupt mal sagt, wie es ist, können die wenigsten damit umgehen. Die Kinder verfügen heute über eine zu große Macht gegenüber dem Trainer und den Eltern. Wenn der Trainer zu meiner Zeit sagte, jetzt ist auch mal Ruhe, dann war auch Ruhe. Heute führt der Jugendtrainer nach einem noch so harmlosen Anpfiff endlose Telefonate, muss dutzende Whats-App-Einträge und Mails schreiben. Mich hat mal ein Vater nach einem Training vorwurfsvoll gefragt, warum sein Kind denn jetzt so dreckig sei. Was wollen sie darauf noch antworten?

DFB.de: Der nächste DFB-Bundestrag wählt Sie zum Präsidenten. Was ändern Sie?

Mai: Ich würde am liebsten alle Fußballeltern aus ganz Deutschland zusammenrufen, um mal deutlich zu beschreiben, was es heute bedeutet, ein Ehrenamt im Fußball auszuüben. Und alle loben, die mit Herzblut und Liebe alles geben, damit unsere Vereine am Leben bleiben.

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