"Den werteorientierten Fußball sichern"

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) setzt sich ein: für gesellschaftspolitische Positionen, für nachhaltige Hilfe. Neu ist das nicht, dieses Engagement hat eine bis in die 50er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurückreichende Tradition.

DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger hat nun eine hochrangig besetzte Kommission einberufen und beauftragt, neue Ideen zu entwickeln und dem gesellschaftspolitischen Engagement des Verbandes ein schärferes Profil zu geben. Es geht um Umwelt, Depression, um Bildung, Integration und andere Themen. Claudia Roth, Teresa Enke und der Fanforscher Gunter Pilz gehören unter anderem dem Beraterkreis an.

Ein interessantes, aber auch komplexes Thema. Für öffentliche Beachtung soll Dr. Alexandra Hildebrandt sorgen. Die 41-jährige DFB-Nachhaltigkeitsbeauftragte und erfolgreiche Publizistin zahlreicher Sachbücher wurde 2010 vom DFB-Präsidium in die Kommission berufen. Zuletzt erschien von Alexandra Hildebrandt "Welche Zeiten, in denen wir leben. Was erfolgreiches Unternehmertum ausmacht." Im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Thomas Hackbarth redet Hildebrandt darüber, warum Nachhaltigkeit ein zentrales Ziel des Fußballs sein muss.

DFB.de: Frau Dr. Hildebrandt, können Menschen mit dem viel zitierten Begriff "Nachhaltigkeit" wirklich erreicht werden? Was bedeutet das Wort konkret?

Dr. Alexandra Hildebrandt: "Nachhaltigkeit" ist im wahrsten Sinne des Wortes ein hölzerner Begriff, der so viel bedeutet wie nachdrücklich, intensiv oder dauerhaft. Hans Carl von Carlowitz legte 1713 die Summe seiner Erfahrungen im Umgang mit der Ressource Holz vor. Das Buch kritisiert ein auf kurzfristigen Gewinn ausgerichtetes Denken. Ein Kornfeld bringe jährlichen Nutzen, auf das Holz des Waldes müsse man dagegen Jahrzehnte warten, bis es hiebreif sei. Gegen den Raubbau am Wald setzt er die Regel, "dass man mit dem Holz pfleglich umgehe". Der fast 300 Jahre alte Leitbegriff des deutschen Forstwesens bezeichnet also die Verpflichtung, Reserven für künftige Generationen "nachzuhalten". Also nicht mehr Holz zu fällen als nachwächst.

DFB.de: Nachhaltigkeit lässt sich nicht erlernen, indem die richtigen Bücher gelesen werden?

Dr. Hildebrandt: Genau - sie ist vielmehr eine Haltung und Lebenseinstellung. Wenn wir uns unserer Begrenzung bewusst sind, gehen wir anders mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen um. Nachhaltigkeit bezeichnet, was uns trägt und uns hilft, gegen Zusammenbrüche aller Art gefeit zu sein, auch wenn wir mutlos sind. Besonders berührend ist eine Definition, die sich im 1807 von Joachim Heinrich Campe herausgegebenen Wörterbuch der deutschen Sprache findet: "Nachhalt" ist das, "woran man sich hält, wenn alles andere nicht mehr hält".

DFB.de: Welchen unmittelbaren Bezug hat Nachhaltigkeit zum Fußball?

Dr. Hildebrandt: Nachhaltigkeit braucht die Leidenschaft zum Konkreten, sonst bleibt das Wort ein Plastikbegriff. Es ist mehr als das in politischen Kontexten und wirtschaftsethischen Diskussionen so genannte Drei-Säulen-Modell. Dabei werden die drei Säulen Soziales, Ökologie und Ökonomie unterschieden und stehen gleichrangig nebeneinander. Fußball kann vor allem eine vierte Dimension vermitteln, die in der Nachhaltigkeitsdebatte häufig vernachlässigt wird: die Kultur. So zeigt der DFB mit seinem sozialen und gesellschaftspolitischen Engagement, wie der Fußball zum Vorreiter einer neuen Nachhaltigkeitskultur werden kann, denn die gemeinschafts- und sinnstiftende Kraft des Sports wirkt beim DFB weit über den reinen Spielbetrieb hinaus. 26.000 Vereine mit 177.000 Mannschaften, 6,75 Millionen Mitglieder, die Woche für Woche spielen, mehr als 500.000 ehrenamtliche Trainer, Schiedsrichter und Betreuer machen den Fußball zu einem der wichtigsten sozialen Netzwerke in Deutschland. Es gibt aber auch einen ganz einfachen Bezug zur Nachhaltigkeit, wenn Fußball als Abbild des Lebens gesehen wird: Wie im Leben ist hier vieles trotz bester Vorbereitung und Planung unberechenbar, zufällig oder abhängig von den Wechselfällen des Glücks.

DFB.de: Ist Fußball auch wie ein Vergrößerungsglas der Gesellschaft?

Dr. Hildebrandt: Ja, und weil das so ist, ergeben sich daraus auch besondere Chancen. In diesem Zusammenhang ist die Aussage von Egidius Braun noch immer hoch aktuell: "Wenn wir uns darauf beschränken, unseren Kindern den sauberen Spannstoß und den wuchtigen Kopfball zu lehren, machen wir einen immensen Fehler." Der Fußball ist in der Lage, Nachhaltigkeitsthemen wie Klima und Umwelt, Bildung und Qualifizierung oder Diskriminierung ganzheitlich umzusetzen. Hinzu kommt der emotionale Aspekt, der den Themen eine zusätzliche Tiefe gibt. Fußball spricht alle Sinne an. Das meint auch Theo Zwanziger, wenn er sagt: "Fußball begeistert, quer durch alle Schichten und Kulturen, jung wie alt, er weckt Emotionen, er verbindet und vereint." In seiner berühmten Trauerrede auf Robert Enke schränkte Theo Zwanziger aber auch ein, dass Fußball nicht alles im Leben ist, dass es uns nicht alleine ausfüllt, wie Besessene hinter Höchstleistungen herzujagen und darüber Maß, Balance und Werte wie Fairplay und Respekt zu vergessen - Tugenden, die schon im 14. Jahrhundert zum Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns gehörten.

DFB.de: Was ist das Motiv des DFB für sein Mühen um Nachhaltigkeit?

Dr. Hildebrandt: Nachhaltigkeit gehört zum DFB wie eine DNA – und das seit seiner Gründung im Jahr 1900. Das Wort wurde nur erst später genutzt. Die Frage ist nun, wie unter dem Dach der Nachhaltigkeit relevante DFB-Themen glaubwürdig kommuniziert werden können. Nachhaltigkeit in all seinen Dimensionen begreifbar zu machen, bedeutet vor allem, Geschichten zu erzählen und Menschen dort abzuholen, wo sie stehen. Das scheint mir etwa sehr gut gelungen in den beiden "Fußball-Tatort-Folgen" mit Maria Furtwängler und Ulrike Folkerts, als Diskriminierung und Integration so besprochen wurden, dass es lehrreich war und spannend blieb.

DFB.de: Was verkörpert DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger für Sie in diesem Zusammenhang?

Dr. Hildebrandt: Nachhaltigkeit braucht Gesichter – er ist das beste Beispiel dafür. Wir begreifen ja immer nur das, was uns wirklich ergreift. Deshalb ist es auch wichtig, die Spieler der Nationalmannschaft entsprechend einzubinden, weil sie den gesellschaftspolitischen Themen nach außen ein Gesicht geben.

DFB.de: Welche Rolle spielen die DFB-Sponsoren im Bereich Nachhaltigkeit?

Dr. Hildebrandt: Die meisten DFB-Sponsoren haben ein ausgezeichnetes Nachhaltigkeitsmanagement, das sich auch in der jeweiligen Berichterstattung zeigt. Diese Unternehmen wissen, dass künftig nur noch jene Unternehmen eine Überlebenschance haben, die Nachhaltigkeit in ihrem Kerngeschäft verankern, vernünftige Standards festlegen und auf deren Einhaltung hinwirken. Ihnen ist bewusst, dass – wenn sie die Regeln ihres Handelns transparent machen und nachweislich einhalten, sie an Reputation gewinnen und sich positiv vom Mitbewerber absetzen. Basis für ein langfristig gesichertes wirtschaftliches Wachstum sind weitsichtige Unternehmensentscheidungen und eine an ökologischen und sozial verantwortlichen Grundsätzen orientierte Unternehmensführung. Das Bedürfnis nach ehrlichen und sich nachhaltig positiv auswirkenden Handlungsweisen wächst in unserer Gesellschaft zunehmend. Die DFB-Sponsoren nehmen deshalb eine zentrale Rolle bei der Kommunikation des Nachhaltigkeitsansatzes innerhalb des Fußballs ein.

DFB.de: Wie wichtig sind Vorgaben und Regeln für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien?

Dr. Hildebrandt: Handlungsanweisungen, Begriffserläuterungen, PowerPoint-Präsentationen und Bücher über Nachhaltigkeitsmanagement können den Menschen nicht die Verantwortung für ihr konkretes Handeln abnehmen. Das ist auch nicht auf der Harvard Business School oder in St. Gallen zu lernen. Wer Nachhaltigkeit nur mit äußeren Faktoren in Verbindung bringt, begreift nicht, dass er auf die Fragen des Lebens nur antworten kann, wenn er auch für das eigene Leben nachhaltig Verantwortung übernimmt und es in Beziehung setzt zu dem, was in der Welt geschieht. Oft wird das Thema Nachhaltigkeit in den Medien unsensibel und glanzlos kommuniziert – hier sollten wir in der Kommunikation der Nachhaltigkeit des Fußballs achtsam handeln.

DFB.de: Der DFB wird nach §4 seiner Satzung in allen Tätigkeitsfeldern seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht. Welche Ziele und Dimensionen gehören dazu?

Dr. Hildebrandt: Zuerst das Kerngeschäft, die Organisation und Steuerung des Spitzen- und Breitenfußballs etwa durch die Verwaltung des Spielbetriebs und der Talentförderung, zweitens die Wertevermittlung im und durch den Fußballsport, drittens Unterstützung gesellschaftlicher Themen und Prozesse mit den Möglichkeiten des Fußballs und schließlich die Beteiligung an karitativen und humanitären Maßnahmen.

DFB.de: Wie sah der Weg dorthin konkret aus?

Dr. Hildebrandt: Im Oktober 2007 bestätigten die Delegierten auf dem DFB-Bundestag den Fußball-Entwicklungsplan mit dem Leitziel 5, nämlich der aktiven Wahrnehmung sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung. Zwei Jahre später wurden ein DFB-Nachhaltigkeitskonzept und eine DFB-Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgeschlagen. Die Strategie und Umsetzung dazu erfolgte im März 2010 – im Oktober erschien dann die DFB-Publikation "Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit". Beim DFB-Bundestag am 21./22. Oktober 2010 wurde ein nachhaltiges, wertorientiertes Arbeiten beschlossen sowie die Verankerung in §4 der DFB-Satzung. Auf der Präsidiumssitzung am 26. November 2010 wurde die DFB-Kommission Nachhaltigkeit berufen, die sich am 14. Januar 2011 konstituierte.

DFB.de: Wer gehört dazu, und wie sieht die Arbeit der Mitglieder konkret aus?

Dr. Hildebrandt: Die Arbeit der Kommission Nachhaltigkeit dient der Sicherung eines wertorientierten Fußballsports und damit auch der Zukunft des Kerngeschäfts in den Wettbewerben mit all seinen Facetten. Geleitet wird die Kommission von Karl Rothmund, DFB-Vizepräsident für sozial- und gesellschaftspolitische Aufgaben und Präsident des Niedersächsischen Fußballverbandes. Stellvertretender Vorsitzender ist Rolf Hocke, DFB-Vizepräsident für Prävention, Integration sowie Freizeit- und Breitensport und Präsident des Hessischen Fußball-Verbandes. Für den Bereich Depression, Prävention Missbrauch wurde Teresa Enke, Witwe des ehemaligen Nationaltorwarts, gewonnen. Sie ist auch Vorsitzende der Robert-Enke-Stiftung. Reinhard Grindel, Mitglied des Bundestages, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ist für den Bereich Anti-Korruption zuständig. DFB-Direktor Willi Hink vertritt die DFB-Zentralverwaltung, er ist unter anderem Mitglied des UEFA-Panels für Breitenfußball und des DFB-Spielausschusses.

DFB.de: Wie ist die Liga vertreten?

Dr. Hildebrandt: Als Vertreter des Ligaverbandes und der Bundesliga-Stiftung konnte Roland Kentsch gewonnen werden, Kentsch ist seit 2007 Mitglied des Aufsichtsrates der DFL und seit 2004 Vorstandsmitglied des DFB. Mit Gründung der Bundesliga-Stiftung übernahm er zudem das Amt des Stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden.

DFB.de: Welche Personen verantworten die weiteren Themen?

Dr. Hildebrandt: Gül Keskinler ist seit 2006 DFB-Integrationsbeauftragte und nun auch innerhalb der Kommission hierfür zuständig. Für den Bereich Anti-Korruption ist es Hermann Korfmacher, 1. DFB-Vizepräsident Amateure und seit 2004 Präsident des Westdeutschen Fußball- und Leichtathletikverbandes. Rainer Milkoreit, DFB-Vizepräsident Qualifizierung, ist Verbandschef des Thüringer Fußball-Verbandes und seit 2010 Präsident des Nordostdeutschen Fußballverbandes und innerhalb der Kommission Nachhaltigkeit für Bildung zuständig. Experte für den Bereich Prävention und Anti-Diskriminierung ist Prof. Dr. Gunter A. Pilz, Akademischer Oberrat i.R. der Leibniz-Universität Hannover. Claudia Roth, Bundesvorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen, war Sprecherin des Umweltbeirates der Frauenfußball-Weltmeisterschaft 2011 und wurde für den Bereich Klima und Umwelt berufen. Olliver Tietz, Geschäftsführer der Kulturstiftung, ist Kultur-Beauftragter. Die Sonderpädagogin Tanja Walther-Ahrens, seit 2006 Delegierte der European Gay and Lesbian Sport Federation beim europäischen Netzwerk Football against Racism in Europe (FARE), wurde ebenfalls für den Bereich Bildung beauftragt. Der Bereich soziale Verantwortung wird von Wolfgang Watzke, Geschäftsführer der DFB-Stiftungen Sepp Herberger und Egidius Braun, seit 1986 auch verantwortlich für die Mexiko-Hilfe des DFB, leitend geführt.

DFB.de: Wofür sind Sie zuständig?

Dr. Hildebrandt: Ich habe eine Schnittstellenfunktion, die einerseits Nachhaltigkeitsprozesse innerhalb der Kommission koordiniert sowie den Nachhaltigkeitsbericht, aber auch die Außenkommunikation relevanter aktueller Nachhaltigkeitsthemen steuert. Das ist kein leichter Spagat, denn es geht - symbolisch gesehen - um die Vermittlung von "Pflicht und Kür": Die Pflicht ist der wichtigere Teil, der aber viel schwerer zu kommunizieren ist, weil es um Handwerk geht, um Basisarbeit. Fest steht, dass es ohne einen aussagefähigen Bericht über die Umwelt- und Sozialaspekte der Geschäftspolitik die Wirtschaft nur noch begrenzt oder vielleicht gar nicht mehr unterstützend tätig wird. Das ist ein wesentlicher Aspekt in der Kommunikation – die "Pflicht" des Nachhaltigkeitsberichts ist kein Selbstzweck. Die Kür bleibt wegen ihres emotionalen Mehrwerts länger im Gedächtnis und berührt Menschen unmittelbar. Das Gehirn lernt zuerst das Konkrete und verankert daran das Abstrakte: So lernen wir zunächst Äpfel zählen und erst danach, was eine Menge von Äpfeln ist. So ist es auch mit dem Verständnis um das Thema Nachhaltigkeit.

DFB.de: Ein Nachhaltigkeitsbericht ist also nicht die alleinige Lösung?

Dr. Hildebrandt: Genau, denn er vermittelt lediglich Fakten, aber nicht die Geschichten dahinter und deren Gefühlsbewertung. Doch ohne die kommt das Gehirn nicht aus. Denn es speichert eine Neuigkeit viel weniger nach deren Tatsachengehalt als danach, wie sie uns emotional anspricht. Der Vorteil von Kampagnen ist, dass sie emotionaler und zielgruppenspezifischer sind – Identifikation und Motivation können ohne Streuverlust erreicht werden. Meine Rolle innerhalb der Kommission sehe ich darin, zwischen den unterschiedlichen Bereichen zu vermitteln, Themen zu multiplizieren und die Stärken zu konzentrieren.

DFB.de: Wie sind die Stiftungen in die Arbeit der Kommission eingebunden?

Dr. Hildebrandt: Die Zusammenarbeit mit den DFB-Stiftungen, die kein Anhängsel des DFB sind, sondern ein Herzstück, ist ein selbstverständlicher Teil des Gesamtprozesses. Die Erstellung des Berichts hilft allen Bereichen, die Themen erstmals gemeinsam systematisch zu erfassen. Zusammen sind wir besser als jeder einzelne von uns. Netzwerkarbeit, die die Nachhaltigkeitskommission fördern soll, beruht auf Prinzipien, um die heute niemand mehr herumkommt: Zusammenarbeit, Offenheit und die Bereitschaft zu teilen.

DFB.de: Wie sieht ist Ihr beruflicher Hintergrund aus?

Dr. Hildebrandt: Zuletzt leitete ich beim Handels- und Touristikkonzern Arcandor den Direktionsbereich Umwelt- und Gesellschaftspolitik. Erreicht habe ich in diesem krisengeschüttelten Unternehmen, das 2009 in die Insolvenz ging, immer das jeweils Machbare über den (Um-)Weg der kleinen Schritte, der ja auch zielführend ist. Es war mir trotz jährlich wechselnder Vorstände wichtig, einfach anzufangen, zu machen, ein stabiles Netz zu schaffen, das auch trägt, wenn vieles andere zerrissen war. Nur über das Tun an sich konnten die ständigen Politikwechsel im Unternehmen nachhaltig und glaubwürdig überstanden werden. Dabei habe ich immer alle Möglichkeiten ausgeschöpft, und das Beste aus der jeweiligen Situation gemacht.

DFB.de: Verglichen mit der Situation, wie unterscheidet sich ihre Atbeit heute bei einem Sportverband wie dem DFB?

Dr. Hildebrandt: Die Berechenbarkeit und Verlässlichkeit. So vermittelt der Präsident vielen Menschen ein Gefühl der Sicherheit und des Aufgehobenseins – Steffi Jones sagte einmal: "Wo Theo ist, ist alles gut." Das drückt es sehr schön aus. Er ist ein Mensch, der andere ernst nimmt und die Persönlichkeit hat, um Themen durchzusetzen, auch über Widerstände hinweg. Er missbraucht seine Macht nicht, sondern nutzt sie im Sinne von "machen". Nachhaltigkeit ist ihm ein persönliches Bedürfnis. Das Menschliche in all seinen Facetten unterscheidet den Sportverband, der zudem nicht kapitalgetrieben ist, von einem Konzern. Hier sind Emotionalität und Leidenschaft nicht nur erwünscht, sondern Voraussetzung für herausragende Leistungen. Die Ehrlichkeit und Unmittelbarkeit des DFB hat etwas Faszinierendes, auch wenn es manchmal hart zur Sache geht. Aber das brauchen bestimmte Themen auch.

DFB.de: Was charakterisiert die Arbeit der DFB-Kommission Nachhaltigkeit?

Dr. Hildebrandt: Im Auftrag des DFB-Präsidiums fungiert die DFB-Nachhaltigkeitskommission als neutrales Beratungs- und Empfehlungsgremium bei sämtlichen ökologischen wie gesellschaftlichen Angelegenheiten des DFB. Die Vielfalt der Kommissionsmitglieder gewährleistet, dass "Kopfgeburten" vermieden werden können, weil es für die Vermittlung der unterschiedlichen Themen eine gemeinsame Augenhöhe und ein entsprechendes Verständnis braucht. Das führt zugleich dazu, dass auch Strukturen aufgebrochen werden, denn wer – um im Bereich des Sports zu bleiben - immer mit denselben Trainingsmethoden weitermacht, stagniert irgendwann mit seinen Leistungen. Es geht um Vielfalt statt Einfalt. Die Sätze des Kunsthistorikers Egon Friedell bringen es auf den Punkt: „Bei einem Denker sollte man nicht fragen: Welchen Standpunkt nimmt er ein? Sondern: Wie viele Standpunkte nimmt er ein? Mit anderen Worten: Hat er einen geräumigen Denkapparat, oder leidet er an Platzmangel, das heißt: an einem System?“

DFB.de: Was passiert aktuell?

Dr. Hildebrandt: Die Mitglieder der DFB-Kommission Nachhaltigkeit widmen sich derzeit in ihren Arbeitsgruppen verschiedenen Projektideen. Parallel läuft der Aufbau eines Kennzahlensystems, das ein systematisches Nachhaltigkeitsmanagement grundlegend benötigt. Derzeit fließen viele Ideen und Anregungen in die Kommission – auch wenn am Ende vielleicht nicht alle Bälle gleichermaßen weitergeleitet werden können. Diese Projekte und vorgeschlagenen Aktionen der Kommission entsprechen dem Ansatz der Initiative, Großes zu wollen, aber bewusst und geduldig Schritt für Schritt dorthin zu gehen, auch wenn es Zeit braucht.

DFB.de: Weshalb sind Klima und Umweltschutz wichtige Themen für den des DFB, und was kann der Fußball leisten?

Dr. Hildebrandt: Das Erscheinen der UN-Klimastudie im April 2007 hat das Bewusstsein für die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit nochmals immens geschärft. Theo Zwanziger betonte im Vorfeld der WM in Südafrika, dass zu einem erstklassigen Wettkampf auch das Bewusstsein für die Umwelt und ein entsprechend nachhaltiges Programm gehört, das die negativen Auswirkungen auf die Umwelt ermittelt und mit gezielten Maßnahmen reduziert und kompensiert. Bereits 2006 begleitete der DFB die WM mit dem Umweltprogramm Green Goal, das sich auf die fünf Kernbereiche Wasser, Abfall, Catering, Energie und Mobilität bezog, und das zukünftig ein fester Bestandteil von Weltmeisterschaften sein wird. Wesentlich war damals und heute auch die Sensibilisierung und Beteiligung der Fußballfans in den Stadien und am Bildschirm. Denn es geht auch um die Teilhabe aller Beteiligten – nur dann kann Nachhaltigkeit wirken.

DFB.de: Der DFB hat am 13. Juli 2011 die Charta der Vielfalt unterzeichnet. Was bedeutet das für den DFB und die Arbeit der Kommission Nachhaltigkeit?

Dr. Hildebrandt: Mit der Unterzeichnung schlägt der DFB in seiner Philosophie keine neue Richtung ein, wie auch Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer bei der Übergabe an Dr. Zwanziger betonte. Seit Jahren bereits engagiert sich der Verband für Vielfalt und Integration. So erfüllte der Fußball-Dachverband zehn Selbstverpflichtungen im Rahmen des Nationalen Integrationsplans, seit 2007 wird gemeinsam mit dem Generalsponsor Mercedes Benz jährlich ein hochdotierter Integrationspreis verliehen. Der Beitritt hat jedoch wesentlichen Einfluss auf die Arbeit der Nachhaltigkeitskommission und die spätere Nachhaltigkeitsberichterstattung, denn unter dem Dach "Diversity" können erstmals Themen vereint werden, die bislang getrennt kommuniziert wurden. Dazu gehören Schwerpunkte wie Generationenvielfalt, Nationalität, ethnische Herkunft, Geschlecht, Kultur- und Religionszugehörigkeit, Behinderungen und sexuelle Orientierung. Mit der Konzentration dieser Themen unter dem Dach der Vielfalt verbunden ist auch Vertrauen durch eine gelingende Verständigungskultur und Transparenz. Den einfachsten Weg dorthin beschrieb Johannes Rau einmal so: "Sagen, was man tut, und tun, was man sagt." Das bedeutet auch, dass Nachhaltigkeit nur dort Fuß fasst, wo sie auch vorgelebt wird.

[th]

[bild1]

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) setzt sich ein: für gesellschaftspolitische Positionen, für nachhaltige Hilfe. Neu ist das nicht, dieses Engagement hat eine bis in die 50er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurückreichende Tradition.

DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger hat nun eine hochrangig besetzte Kommission einberufen und beauftragt, neue Ideen zu entwickeln und dem gesellschaftspolitischen Engagement des Verbandes ein schärferes Profil zu geben. Es geht um Umwelt, Depression, um Bildung, Integration und andere Themen. Claudia Roth, Teresa Enke und der Fanforscher Gunter Pilz gehören unter anderem dem Beraterkreis an.

Ein interessantes, aber auch komplexes Thema. Für öffentliche Beachtung soll Dr. Alexandra Hildebrandt sorgen. Die 41-jährige DFB-Nachhaltigkeitsbeauftragte und erfolgreiche Publizistin zahlreicher Sachbücher wurde 2010 vom DFB-Präsidium in die Kommission berufen. Zuletzt erschien von Alexandra Hildebrandt "Welche Zeiten, in denen wir leben. Was erfolgreiches Unternehmertum ausmacht." Im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Thomas Hackbarth redet Hildebrandt darüber, warum Nachhaltigkeit ein zentrales Ziel des Fußballs sein muss.

DFB.de: Frau Dr. Hildebrandt, können Menschen mit dem viel zitierten Begriff "Nachhaltigkeit" wirklich erreicht werden? Was bedeutet das Wort konkret?

Dr. Alexandra Hildebrandt: "Nachhaltigkeit" ist im wahrsten Sinne des Wortes ein hölzerner Begriff, der so viel bedeutet wie nachdrücklich, intensiv oder dauerhaft. Hans Carl von Carlowitz legte 1713 die Summe seiner Erfahrungen im Umgang mit der Ressource Holz vor. Das Buch kritisiert ein auf kurzfristigen Gewinn ausgerichtetes Denken. Ein Kornfeld bringe jährlichen Nutzen, auf das Holz des Waldes müsse man dagegen Jahrzehnte warten, bis es hiebreif sei. Gegen den Raubbau am Wald setzt er die Regel, "dass man mit dem Holz pfleglich umgehe". Der fast 300 Jahre alte Leitbegriff des deutschen Forstwesens bezeichnet also die Verpflichtung, Reserven für künftige Generationen "nachzuhalten". Also nicht mehr Holz zu fällen als nachwächst.

DFB.de: Nachhaltigkeit lässt sich nicht erlernen, indem die richtigen Bücher gelesen werden?

Dr. Hildebrandt: Genau - sie ist vielmehr eine Haltung und Lebenseinstellung. Wenn wir uns unserer Begrenzung bewusst sind, gehen wir anders mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen um. Nachhaltigkeit bezeichnet, was uns trägt und uns hilft, gegen Zusammenbrüche aller Art gefeit zu sein, auch wenn wir mutlos sind. Besonders berührend ist eine Definition, die sich im 1807 von Joachim Heinrich Campe herausgegebenen Wörterbuch der deutschen Sprache findet: "Nachhalt" ist das, "woran man sich hält, wenn alles andere nicht mehr hält".

DFB.de: Welchen unmittelbaren Bezug hat Nachhaltigkeit zum Fußball?

Dr. Hildebrandt: Nachhaltigkeit braucht die Leidenschaft zum Konkreten, sonst bleibt das Wort ein Plastikbegriff. Es ist mehr als das in politischen Kontexten und wirtschaftsethischen Diskussionen so genannte Drei-Säulen-Modell. Dabei werden die drei Säulen Soziales, Ökologie und Ökonomie unterschieden und stehen gleichrangig nebeneinander. Fußball kann vor allem eine vierte Dimension vermitteln, die in der Nachhaltigkeitsdebatte häufig vernachlässigt wird: die Kultur. So zeigt der DFB mit seinem sozialen und gesellschaftspolitischen Engagement, wie der Fußball zum Vorreiter einer neuen Nachhaltigkeitskultur werden kann, denn die gemeinschafts- und sinnstiftende Kraft des Sports wirkt beim DFB weit über den reinen Spielbetrieb hinaus. 26.000 Vereine mit 177.000 Mannschaften, 6,75 Millionen Mitglieder, die Woche für Woche spielen, mehr als 500.000 ehrenamtliche Trainer, Schiedsrichter und Betreuer machen den Fußball zu einem der wichtigsten sozialen Netzwerke in Deutschland. Es gibt aber auch einen ganz einfachen Bezug zur Nachhaltigkeit, wenn Fußball als Abbild des Lebens gesehen wird: Wie im Leben ist hier vieles trotz bester Vorbereitung und Planung unberechenbar, zufällig oder abhängig von den Wechselfällen des Glücks.

DFB.de: Ist Fußball auch wie ein Vergrößerungsglas der Gesellschaft?

Dr. Hildebrandt: Ja, und weil das so ist, ergeben sich daraus auch besondere Chancen. In diesem Zusammenhang ist die Aussage von Egidius Braun noch immer hoch aktuell: "Wenn wir uns darauf beschränken, unseren Kindern den sauberen Spannstoß und den wuchtigen Kopfball zu lehren, machen wir einen immensen Fehler." Der Fußball ist in der Lage, Nachhaltigkeitsthemen wie Klima und Umwelt, Bildung und Qualifizierung oder Diskriminierung ganzheitlich umzusetzen. Hinzu kommt der emotionale Aspekt, der den Themen eine zusätzliche Tiefe gibt. Fußball spricht alle Sinne an. Das meint auch Theo Zwanziger, wenn er sagt: "Fußball begeistert, quer durch alle Schichten und Kulturen, jung wie alt, er weckt Emotionen, er verbindet und vereint." In seiner berühmten Trauerrede auf Robert Enke schränkte Theo Zwanziger aber auch ein, dass Fußball nicht alles im Leben ist, dass es uns nicht alleine ausfüllt, wie Besessene hinter Höchstleistungen herzujagen und darüber Maß, Balance und Werte wie Fairplay und Respekt zu vergessen - Tugenden, die schon im 14. Jahrhundert zum Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns gehörten.

DFB.de: Was ist das Motiv des DFB für sein Mühen um Nachhaltigkeit?

Dr. Hildebrandt: Nachhaltigkeit gehört zum DFB wie eine DNA – und das seit seiner Gründung im Jahr 1900. Das Wort wurde nur erst später genutzt. Die Frage ist nun, wie unter dem Dach der Nachhaltigkeit relevante DFB-Themen glaubwürdig kommuniziert werden können. Nachhaltigkeit in all seinen Dimensionen begreifbar zu machen, bedeutet vor allem, Geschichten zu erzählen und Menschen dort abzuholen, wo sie stehen. Das scheint mir etwa sehr gut gelungen in den beiden "Fußball-Tatort-Folgen" mit Maria Furtwängler und Ulrike Folkerts, als Diskriminierung und Integration so besprochen wurden, dass es lehrreich war und spannend blieb.

DFB.de: Was verkörpert DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger für Sie in diesem Zusammenhang?

Dr. Hildebrandt: Nachhaltigkeit braucht Gesichter – er ist das beste Beispiel dafür. Wir begreifen ja immer nur das, was uns wirklich ergreift. Deshalb ist es auch wichtig, die Spieler der Nationalmannschaft entsprechend einzubinden, weil sie den gesellschaftspolitischen Themen nach außen ein Gesicht geben.

DFB.de: Welche Rolle spielen die DFB-Sponsoren im Bereich Nachhaltigkeit?

Dr. Hildebrandt: Die meisten DFB-Sponsoren haben ein ausgezeichnetes Nachhaltigkeitsmanagement, das sich auch in der jeweiligen Berichterstattung zeigt. Diese Unternehmen wissen, dass künftig nur noch jene Unternehmen eine Überlebenschance haben, die Nachhaltigkeit in ihrem Kerngeschäft verankern, vernünftige Standards festlegen und auf deren Einhaltung hinwirken. Ihnen ist bewusst, dass – wenn sie die Regeln ihres Handelns transparent machen und nachweislich einhalten, sie an Reputation gewinnen und sich positiv vom Mitbewerber absetzen. Basis für ein langfristig gesichertes wirtschaftliches Wachstum sind weitsichtige Unternehmensentscheidungen und eine an ökologischen und sozial verantwortlichen Grundsätzen orientierte Unternehmensführung. Das Bedürfnis nach ehrlichen und sich nachhaltig positiv auswirkenden Handlungsweisen wächst in unserer Gesellschaft zunehmend. Die DFB-Sponsoren nehmen deshalb eine zentrale Rolle bei der Kommunikation des Nachhaltigkeitsansatzes innerhalb des Fußballs ein.

DFB.de: Wie wichtig sind Vorgaben und Regeln für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien?

Dr. Hildebrandt: Handlungsanweisungen, Begriffserläuterungen, PowerPoint-Präsentationen und Bücher über Nachhaltigkeitsmanagement können den Menschen nicht die Verantwortung für ihr konkretes Handeln abnehmen. Das ist auch nicht auf der Harvard Business School oder in St. Gallen zu lernen. Wer Nachhaltigkeit nur mit äußeren Faktoren in Verbindung bringt, begreift nicht, dass er auf die Fragen des Lebens nur antworten kann, wenn er auch für das eigene Leben nachhaltig Verantwortung übernimmt und es in Beziehung setzt zu dem, was in der Welt geschieht. Oft wird das Thema Nachhaltigkeit in den Medien unsensibel und glanzlos kommuniziert – hier sollten wir in der Kommunikation der Nachhaltigkeit des Fußballs achtsam handeln.

DFB.de: Der DFB wird nach §4 seiner Satzung in allen Tätigkeitsfeldern seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht. Welche Ziele und Dimensionen gehören dazu?

Dr. Hildebrandt: Zuerst das Kerngeschäft, die Organisation und Steuerung des Spitzen- und Breitenfußballs etwa durch die Verwaltung des Spielbetriebs und der Talentförderung, zweitens die Wertevermittlung im und durch den Fußballsport, drittens Unterstützung gesellschaftlicher Themen und Prozesse mit den Möglichkeiten des Fußballs und schließlich die Beteiligung an karitativen und humanitären Maßnahmen.

DFB.de: Wie sah der Weg dorthin konkret aus?

Dr. Hildebrandt: Im Oktober 2007 bestätigten die Delegierten auf dem DFB-Bundestag den Fußball-Entwicklungsplan mit dem Leitziel 5, nämlich der aktiven Wahrnehmung sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung. Zwei Jahre später wurden ein DFB-Nachhaltigkeitskonzept und eine DFB-Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgeschlagen. Die Strategie und Umsetzung dazu erfolgte im März 2010 – im Oktober erschien dann die DFB-Publikation "Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit". Beim DFB-Bundestag am 21./22. Oktober 2010 wurde ein nachhaltiges, wertorientiertes Arbeiten beschlossen sowie die Verankerung in §4 der DFB-Satzung. Auf der Präsidiumssitzung am 26. November 2010 wurde die DFB-Kommission Nachhaltigkeit berufen, die sich am 14. Januar 2011 konstituierte.

DFB.de: Wer gehört dazu, und wie sieht die Arbeit der Mitglieder konkret aus?

Dr. Hildebrandt: Die Arbeit der Kommission Nachhaltigkeit dient der Sicherung eines wertorientierten Fußballsports und damit auch der Zukunft des Kerngeschäfts in den Wettbewerben mit all seinen Facetten. Geleitet wird die Kommission von Karl Rothmund, DFB-Vizepräsident für sozial- und gesellschaftspolitische Aufgaben und Präsident des Niedersächsischen Fußballverbandes. Stellvertretender Vorsitzender ist Rolf Hocke, DFB-Vizepräsident für Prävention, Integration sowie Freizeit- und Breitensport und Präsident des Hessischen Fußball-Verbandes. Für den Bereich Depression, Prävention Missbrauch wurde Teresa Enke, Witwe des ehemaligen Nationaltorwarts, gewonnen. Sie ist auch Vorsitzende der Robert-Enke-Stiftung. Reinhard Grindel, Mitglied des Bundestages, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ist für den Bereich Anti-Korruption zuständig. DFB-Direktor Willi Hink vertritt die DFB-Zentralverwaltung, er ist unter anderem Mitglied des UEFA-Panels für Breitenfußball und des DFB-Spielausschusses.

DFB.de: Wie ist die Liga vertreten?

Dr. Hildebrandt: Als Vertreter des Ligaverbandes und der Bundesliga-Stiftung konnte Roland Kentsch gewonnen werden, Kentsch ist seit 2007 Mitglied des Aufsichtsrates der DFL und seit 2004 Vorstandsmitglied des DFB. Mit Gründung der Bundesliga-Stiftung übernahm er zudem das Amt des Stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden.

DFB.de: Welche Personen verantworten die weiteren Themen?

Dr. Hildebrandt: Gül Keskinler ist seit 2006 DFB-Integrationsbeauftragte und nun auch innerhalb der Kommission hierfür zuständig. Für den Bereich Anti-Korruption ist es Hermann Korfmacher, 1. DFB-Vizepräsident Amateure und seit 2004 Präsident des Westdeutschen Fußball- und Leichtathletikverbandes. Rainer Milkoreit, DFB-Vizepräsident Qualifizierung, ist Verbandschef des Thüringer Fußball-Verbandes und seit 2010 Präsident des Nordostdeutschen Fußballverbandes und innerhalb der Kommission Nachhaltigkeit für Bildung zuständig. Experte für den Bereich Prävention und Anti-Diskriminierung ist Prof. Dr. Gunter A. Pilz, Akademischer Oberrat i.R. der Leibniz-Universität Hannover. Claudia Roth, Bundesvorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen, war Sprecherin des Umweltbeirates der Frauenfußball-Weltmeisterschaft 2011 und wurde für den Bereich Klima und Umwelt berufen. Olliver Tietz, Geschäftsführer der Kulturstiftung, ist Kultur-Beauftragter. Die Sonderpädagogin Tanja Walther-Ahrens, seit 2006 Delegierte der European Gay and Lesbian Sport Federation beim europäischen Netzwerk Football against Racism in Europe (FARE), wurde ebenfalls für den Bereich Bildung beauftragt. Der Bereich soziale Verantwortung wird von Wolfgang Watzke, Geschäftsführer der DFB-Stiftungen Sepp Herberger und Egidius Braun, seit 1986 auch verantwortlich für die Mexiko-Hilfe des DFB, leitend geführt.

DFB.de: Wofür sind Sie zuständig?

Dr. Hildebrandt: Ich habe eine Schnittstellenfunktion, die einerseits Nachhaltigkeitsprozesse innerhalb der Kommission koordiniert sowie den Nachhaltigkeitsbericht, aber auch die Außenkommunikation relevanter aktueller Nachhaltigkeitsthemen steuert. Das ist kein leichter Spagat, denn es geht - symbolisch gesehen - um die Vermittlung von "Pflicht und Kür": Die Pflicht ist der wichtigere Teil, der aber viel schwerer zu kommunizieren ist, weil es um Handwerk geht, um Basisarbeit. Fest steht, dass es ohne einen aussagefähigen Bericht über die Umwelt- und Sozialaspekte der Geschäftspolitik die Wirtschaft nur noch begrenzt oder vielleicht gar nicht mehr unterstützend tätig wird. Das ist ein wesentlicher Aspekt in der Kommunikation – die "Pflicht" des Nachhaltigkeitsberichts ist kein Selbstzweck. Die Kür bleibt wegen ihres emotionalen Mehrwerts länger im Gedächtnis und berührt Menschen unmittelbar. Das Gehirn lernt zuerst das Konkrete und verankert daran das Abstrakte: So lernen wir zunächst Äpfel zählen und erst danach, was eine Menge von Äpfeln ist. So ist es auch mit dem Verständnis um das Thema Nachhaltigkeit.

DFB.de: Ein Nachhaltigkeitsbericht ist also nicht die alleinige Lösung?

Dr. Hildebrandt: Genau, denn er vermittelt lediglich Fakten, aber nicht die Geschichten dahinter und deren Gefühlsbewertung. Doch ohne die kommt das Gehirn nicht aus. Denn es speichert eine Neuigkeit viel weniger nach deren Tatsachengehalt als danach, wie sie uns emotional anspricht. Der Vorteil von Kampagnen ist, dass sie emotionaler und zielgruppenspezifischer sind – Identifikation und Motivation können ohne Streuverlust erreicht werden. Meine Rolle innerhalb der Kommission sehe ich darin, zwischen den unterschiedlichen Bereichen zu vermitteln, Themen zu multiplizieren und die Stärken zu konzentrieren.

DFB.de: Wie sind die Stiftungen in die Arbeit der Kommission eingebunden?

[bild2]

Dr. Hildebrandt: Die Zusammenarbeit mit den DFB-Stiftungen, die kein Anhängsel des DFB sind, sondern ein Herzstück, ist ein selbstverständlicher Teil des Gesamtprozesses. Die Erstellung des Berichts hilft allen Bereichen, die Themen erstmals gemeinsam systematisch zu erfassen. Zusammen sind wir besser als jeder einzelne von uns. Netzwerkarbeit, die die Nachhaltigkeitskommission fördern soll, beruht auf Prinzipien, um die heute niemand mehr herumkommt: Zusammenarbeit, Offenheit und die Bereitschaft zu teilen.

DFB.de: Wie sieht ist Ihr beruflicher Hintergrund aus?

Dr. Hildebrandt: Zuletzt leitete ich beim Handels- und Touristikkonzern Arcandor den Direktionsbereich Umwelt- und Gesellschaftspolitik. Erreicht habe ich in diesem krisengeschüttelten Unternehmen, das 2009 in die Insolvenz ging, immer das jeweils Machbare über den (Um-)Weg der kleinen Schritte, der ja auch zielführend ist. Es war mir trotz jährlich wechselnder Vorstände wichtig, einfach anzufangen, zu machen, ein stabiles Netz zu schaffen, das auch trägt, wenn vieles andere zerrissen war. Nur über das Tun an sich konnten die ständigen Politikwechsel im Unternehmen nachhaltig und glaubwürdig überstanden werden. Dabei habe ich immer alle Möglichkeiten ausgeschöpft, und das Beste aus der jeweiligen Situation gemacht.

DFB.de: Verglichen mit der Situation, wie unterscheidet sich ihre Atbeit heute bei einem Sportverband wie dem DFB?

Dr. Hildebrandt: Die Berechenbarkeit und Verlässlichkeit. So vermittelt der Präsident vielen Menschen ein Gefühl der Sicherheit und des Aufgehobenseins – Steffi Jones sagte einmal: "Wo Theo ist, ist alles gut." Das drückt es sehr schön aus. Er ist ein Mensch, der andere ernst nimmt und die Persönlichkeit hat, um Themen durchzusetzen, auch über Widerstände hinweg. Er missbraucht seine Macht nicht, sondern nutzt sie im Sinne von "machen". Nachhaltigkeit ist ihm ein persönliches Bedürfnis. Das Menschliche in all seinen Facetten unterscheidet den Sportverband, der zudem nicht kapitalgetrieben ist, von einem Konzern. Hier sind Emotionalität und Leidenschaft nicht nur erwünscht, sondern Voraussetzung für herausragende Leistungen. Die Ehrlichkeit und Unmittelbarkeit des DFB hat etwas Faszinierendes, auch wenn es manchmal hart zur Sache geht. Aber das brauchen bestimmte Themen auch.

DFB.de: Was charakterisiert die Arbeit der DFB-Kommission Nachhaltigkeit?

Dr. Hildebrandt: Im Auftrag des DFB-Präsidiums fungiert die DFB-Nachhaltigkeitskommission als neutrales Beratungs- und Empfehlungsgremium bei sämtlichen ökologischen wie gesellschaftlichen Angelegenheiten des DFB. Die Vielfalt der Kommissionsmitglieder gewährleistet, dass "Kopfgeburten" vermieden werden können, weil es für die Vermittlung der unterschiedlichen Themen eine gemeinsame Augenhöhe und ein entsprechendes Verständnis braucht. Das führt zugleich dazu, dass auch Strukturen aufgebrochen werden, denn wer – um im Bereich des Sports zu bleiben - immer mit denselben Trainingsmethoden weitermacht, stagniert irgendwann mit seinen Leistungen. Es geht um Vielfalt statt Einfalt. Die Sätze des Kunsthistorikers Egon Friedell bringen es auf den Punkt: „Bei einem Denker sollte man nicht fragen: Welchen Standpunkt nimmt er ein? Sondern: Wie viele Standpunkte nimmt er ein? Mit anderen Worten: Hat er einen geräumigen Denkapparat, oder leidet er an Platzmangel, das heißt: an einem System?“

DFB.de: Was passiert aktuell?

Dr. Hildebrandt: Die Mitglieder der DFB-Kommission Nachhaltigkeit widmen sich derzeit in ihren Arbeitsgruppen verschiedenen Projektideen. Parallel läuft der Aufbau eines Kennzahlensystems, das ein systematisches Nachhaltigkeitsmanagement grundlegend benötigt. Derzeit fließen viele Ideen und Anregungen in die Kommission – auch wenn am Ende vielleicht nicht alle Bälle gleichermaßen weitergeleitet werden können. Diese Projekte und vorgeschlagenen Aktionen der Kommission entsprechen dem Ansatz der Initiative, Großes zu wollen, aber bewusst und geduldig Schritt für Schritt dorthin zu gehen, auch wenn es Zeit braucht.

DFB.de: Weshalb sind Klima und Umweltschutz wichtige Themen für den des DFB, und was kann der Fußball leisten?

Dr. Hildebrandt: Das Erscheinen der UN-Klimastudie im April 2007 hat das Bewusstsein für die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit nochmals immens geschärft. Theo Zwanziger betonte im Vorfeld der WM in Südafrika, dass zu einem erstklassigen Wettkampf auch das Bewusstsein für die Umwelt und ein entsprechend nachhaltiges Programm gehört, das die negativen Auswirkungen auf die Umwelt ermittelt und mit gezielten Maßnahmen reduziert und kompensiert. Bereits 2006 begleitete der DFB die WM mit dem Umweltprogramm Green Goal, das sich auf die fünf Kernbereiche Wasser, Abfall, Catering, Energie und Mobilität bezog, und das zukünftig ein fester Bestandteil von Weltmeisterschaften sein wird. Wesentlich war damals und heute auch die Sensibilisierung und Beteiligung der Fußballfans in den Stadien und am Bildschirm. Denn es geht auch um die Teilhabe aller Beteiligten – nur dann kann Nachhaltigkeit wirken.

DFB.de: Der DFB hat am 13. Juli 2011 die Charta der Vielfalt unterzeichnet. Was bedeutet das für den DFB und die Arbeit der Kommission Nachhaltigkeit?

Dr. Hildebrandt: Mit der Unterzeichnung schlägt der DFB in seiner Philosophie keine neue Richtung ein, wie auch Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer bei der Übergabe an Dr. Zwanziger betonte. Seit Jahren bereits engagiert sich der Verband für Vielfalt und Integration. So erfüllte der Fußball-Dachverband zehn Selbstverpflichtungen im Rahmen des Nationalen Integrationsplans, seit 2007 wird gemeinsam mit dem Generalsponsor Mercedes Benz jährlich ein hochdotierter Integrationspreis verliehen. Der Beitritt hat jedoch wesentlichen Einfluss auf die Arbeit der Nachhaltigkeitskommission und die spätere Nachhaltigkeitsberichterstattung, denn unter dem Dach "Diversity" können erstmals Themen vereint werden, die bislang getrennt kommuniziert wurden. Dazu gehören Schwerpunkte wie Generationenvielfalt, Nationalität, ethnische Herkunft, Geschlecht, Kultur- und Religionszugehörigkeit, Behinderungen und sexuelle Orientierung. Mit der Konzentration dieser Themen unter dem Dach der Vielfalt verbunden ist auch Vertrauen durch eine gelingende Verständigungskultur und Transparenz. Den einfachsten Weg dorthin beschrieb Johannes Rau einmal so: "Sagen, was man tut, und tun, was man sagt." Das bedeutet auch, dass Nachhaltigkeit nur dort Fuß fasst, wo sie auch vorgelebt wird.