Dariusz Michalczewski: "Der Gejagte zu sein, ist das Schlimmste"

Eine seiner schwärzesten Stunden als Faustkämpfer erlebte der Fußballfan Dariusz Michalczewski ausgerechnet im Fußballstadion. Im Millerntor auf St. Pauli verteidigte der Box-Weltmeister 1996 seinen Weltmeistertitel nur mit Glück gegen Herausforderer Graciano Rocchigiani, der nach Punkten führend disqualifiziert wurde. Neun Jahre lang war der in Danzig geborene Michalczewski Champion im Halbschwergewicht, 1994 erkämpfte er sich zudem einen zweiten WM-Gürtel im nächsthöheren Cruisergewicht. 2005 trat er nach zwei Niederlagen in Folge, den einzigen in 50 Profikämpfen, zurück.

Michalczewski, der sich 1988 während eines Turniers in Karlsruhe von der polnischen Nationalmannschaft abgesetzt hatte und später deutscher Staatsbürger wurde, lebte lange Jahre in Hamburg. Mittlerweile ist der 47 Jahre alte Vater von vier Kindern wieder in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Auch wenn er sagt: "Hamburg ist eine Weltstadt, Danzig ist ein Dorf."

Im DFB.de-Interview mit Redakteur Arne Leyenberg erzählt Dariusz Michalczewski, warum die polnische Nationalmannschaft ihren Erfolg auch ihm zu verdanken hat, warum er Boxer und nicht Fußballer wurde - und zu wem er hält, wenn Polen am Freitag (ab 20.45 Uhr, live bei RTL) in der EM-Qualifikation in Frankfurt gegen Deutschland spielt.

DFB.de: Herr Michalczewski, ist es schwieriger, Weltmeister zu werden oder Weltmeister zu bleiben?

Dariusz Michalczewski: Ganz klare Sache: Weltmeister zu werden ist schwer, es aber zu bleiben, ist viel schwieriger. Das ist nicht nur meine Erfahrung.

DFB.de: Was macht es so schwer?

Michalczewski: Der Druck. Der Druck und die Erwartungshaltung der anderen lässt dich verkrampfen. Man hört Sprüche wie "Dariusz, du gewinnst!" Oder: "Dariusz, bestimmt gewinnst du!" Damit umzugehen, ist ganz, ganz kompliziert. Nur wer starke Nerven hat, gewinnt dann auch.

DFB.de: Plötzlich ist man der Gejagte, jeder Gegner will dem Weltmeister beweisen, dass er mithalten kann.

Michalczewski: Der Gejagte zu sein, ist das Schlimmste, was es gibt. Auf einmal waren alle so wie ich früher. Ich habe auch immer jemanden gejagt, und der andere war der Favorit. Auf einmal im Kopf zu haben, selbst Favorit zu sein, ist schlimm. Zu meiner Zeit wurden zehn bis zwanzig Boxer als Jahrhunderttalente gehandelt. Die waren alle schneller weg als ich.

DFB.de: Was war Ihr Erfolgsgeheimnis?

Michalczewski: Ich bin jeden Tag ins Gym gegangen mit der gleichen Einstellung, die alle jungen Boxer hatten, die nach oben wollen: Ich habe mich trotzdem als Herausforderer gesehen. Das war mein Geheimnis. Das Wichtigste war, Erfolg haben zu wollen und nicht nur das Geld mit der Schubkarre auszugeben.

DFB.de: Sie sollen ein guter Fußballer gewesen sein. Wären Sie lieber Fußballprofi statt Profiboxer geworden?

Michalczewski: Es war immer mein großer Traum, Fußballer zu werden. Leider wurde ich dann nur Boxer. Aber kein schlechter... (lacht)



Eine seiner schwärzesten Stunden als Faustkämpfer erlebte der Fußballfan Dariusz Michalczewski ausgerechnet im Fußballstadion. Im Millerntor auf St. Pauli verteidigte der Box-Weltmeister 1996 seinen Weltmeistertitel nur mit Glück gegen Herausforderer Graciano Rocchigiani, der nach Punkten führend disqualifiziert wurde. Neun Jahre lang war der in Danzig geborene Michalczewski Champion im Halbschwergewicht, 1994 erkämpfte er sich zudem einen zweiten WM-Gürtel im nächsthöheren Cruisergewicht. 2005 trat er nach zwei Niederlagen in Folge, den einzigen in 50 Profikämpfen, zurück.

Michalczewski, der sich 1988 während eines Turniers in Karlsruhe von der polnischen Nationalmannschaft abgesetzt hatte und später deutscher Staatsbürger wurde, lebte lange Jahre in Hamburg. Mittlerweile ist der 47 Jahre alte Vater von vier Kindern wieder in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Auch wenn er sagt: "Hamburg ist eine Weltstadt, Danzig ist ein Dorf."

Im DFB.de-Interview mit Redakteur Arne Leyenberg erzählt Dariusz Michalczewski, warum die polnische Nationalmannschaft ihren Erfolg auch ihm zu verdanken hat, warum er Boxer und nicht Fußballer wurde - und zu wem er hält, wenn Polen am Freitag (ab 20.45 Uhr, live bei RTL) in der EM-Qualifikation in Frankfurt gegen Deutschland spielt.

DFB.de: Herr Michalczewski, ist es schwieriger, Weltmeister zu werden oder Weltmeister zu bleiben?

Dariusz Michalczewski: Ganz klare Sache: Weltmeister zu werden ist schwer, es aber zu bleiben, ist viel schwieriger. Das ist nicht nur meine Erfahrung.

DFB.de: Was macht es so schwer?

Michalczewski: Der Druck. Der Druck und die Erwartungshaltung der anderen lässt dich verkrampfen. Man hört Sprüche wie "Dariusz, du gewinnst!" Oder: "Dariusz, bestimmt gewinnst du!" Damit umzugehen, ist ganz, ganz kompliziert. Nur wer starke Nerven hat, gewinnt dann auch.

DFB.de: Plötzlich ist man der Gejagte, jeder Gegner will dem Weltmeister beweisen, dass er mithalten kann.

Michalczewski: Der Gejagte zu sein, ist das Schlimmste, was es gibt. Auf einmal waren alle so wie ich früher. Ich habe auch immer jemanden gejagt, und der andere war der Favorit. Auf einmal im Kopf zu haben, selbst Favorit zu sein, ist schlimm. Zu meiner Zeit wurden zehn bis zwanzig Boxer als Jahrhunderttalente gehandelt. Die waren alle schneller weg als ich.

DFB.de: Was war Ihr Erfolgsgeheimnis?

Michalczewski: Ich bin jeden Tag ins Gym gegangen mit der gleichen Einstellung, die alle jungen Boxer hatten, die nach oben wollen: Ich habe mich trotzdem als Herausforderer gesehen. Das war mein Geheimnis. Das Wichtigste war, Erfolg haben zu wollen und nicht nur das Geld mit der Schubkarre auszugeben.

DFB.de: Sie sollen ein guter Fußballer gewesen sein. Wären Sie lieber Fußballprofi statt Profiboxer geworden?

Michalczewski: Es war immer mein großer Traum, Fußballer zu werden. Leider wurde ich dann nur Boxer. Aber kein schlechter... (lacht)

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DFB.de: In Ihrer Jugend haben Sie parallel zum Boxen noch Fußball gespielt, warum haben Sie sich für den Boxsport entschieden?

Michalczewski: Von 1980 bis 1983 bin ich direkt vom Fußball- zum Boxtraining gegangen. Und irgendwann hat mein Trainer gesagt: "Dariusz, du bist ein Egoist, geh zum Boxen." 1983 habe ich mich auf das Boxen konzentriert und sofort große Erfolge gefeiert. Von 1984 bis 1987 war ich polnischer Meister, dann habe ich die Bronzemedaille bei der Junioren-Europameisterschaft gewonnen und 1991, nach meiner Flucht nach Deutschland, bin ich Europameister geworden.

DFB.de: Trotzdem haben Sie später noch das Trikot eines Bundesligisten getragen.

Michalczewski: Ich habe in Hamburg öfter mit den Jungs von St. Pauli trainiert. Beim Zehnkilometer-Lauf war ich immer der Erste. Im Januar 1997 war ich dann sogar mit im Trainingslager in Katar, mit der Mannschaft um Martin Driller und Thomas Sobotzik. Trainer war damals Uli Maslo. Ich habe auch die Freundschaftsspiele mitgespielt.

DFB.de: Man hat Ihnen aber keinen Vertrag angeboten?

Michalczewski: (lacht) Nein, da hätte ich auch zu wenig Geld bekommen. Ich habe damals doch viel mehr verdient.

DFB.de: Ihre Gegenspieler waren wahrscheinlich froh, wenn sie das Spiel heil überstanden hatten.

Michalczewski: Ich war immer für Fairplay. Als kleiner Junge habe ich meinen Kumpels beim Fußball schon mal auf die Schnauze gehauen. Später als Boxer war das außerhalb des Rings natürlich tabu. Das haben mir meine Trainer beigebracht.

DFB.de: Einen Ihrer schlechtesten Kämpfe haben Sie ausgerechnet im Fußballstadion gemacht. Graciano Rocchigiani war 1996 am Millerntor der überlegene Boxer, dann wurde er disqualifiziert.

Michalczewski: Das war nicht mein bester Kampf. Ich war irgendwie unkonzentriert und schlecht. Außerdem hatte ich zwei Trainer. Ich hätte lieber einen mittelmäßigen als zwei gute Trainer haben sollen.

DFB.de: Vor dem Hinspiel in Warschau im Oktober haben Sie gesagt, der polnische Fußball sei so fürchterlich schlecht, das Team habe keine Chance gegen Deutschland. Und dann gewinnt Polen 2:0. Wie konnten Sie sich so irren?

Michalczewski: Wir haben jetzt ein paar gute junge Spieler, eine wirklich gute Mannschaft um Lewandowski, Piszczek, Blaszczykowski. Die Jungs sind super. Ich glaube, dass sie ihre Gruppe in der EM-Qualifikation als Erster abschließen werden. Und bei der Europameisterschaft sind sie für mich Favorit auf die Medaillenränge.

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DFB.de: Trotz der Konkurrenz aus Deutschland?

Michalczewski: Ich habe ja auch nur Medaillenränge gesagt.

DFB.de: Aber noch mal: Vor dem Hinspiel klangen Sie ganz anders. Was hat sich seitdem geändert?

Michalczewski: Ich war sehr skeptisch, Polen hat vorher wirklich Mist gespielt. Dabei sind unsere Jungs nicht schlechter als die anderen. Ich habe immer provokant gefragt: Haben eure Gegner andere Beine oder andere Füße? Ihr bekommt tolles Geld, ihr habt die gleichen Voraussetzungen. Zbigniew Boniek (Präsident des polnischen Fußballverbandes; Anm. d. Red.) ist ein guter Freund von mir, wir telefonieren öfter. Ich habe ihn gefragt, was los ist. Auch er war sprachlos. Ich habe provoziert ohne Ende.

DFB.de: Also haben Sie einen Anteil am Erfolg, weil Sie Leistung herausgekitzelt haben?

Michalczewski: Ich war einer von vielen, die die Jungs provoziert haben. Sie sollen nachmachen, was Cristiano Ronaldo im Training macht, und nicht nur seine Frisuren und seine Kleidung kopieren. Ob das jetzt die Lösung war, weiß ich nicht.

DFB.de: Zu wem halten Sie, wenn Polen auf Deutschland trifft? Sie haben beide Staatsbürgerschaften.

Michalczewski: Natürlich zum Schwächeren, zu Polen. Deutschland ist die Nummer eins, der Weltmeister, das sind die besten Spieler überhaupt. Deutschland zu schlagen, war toll. In Deutschland zu gewinnen, wäre unglaublich. Aber das wird ganz schwer. Ein Unentschieden wäre toll.

DFB.de: Stimmt es, dass Sie die deutsche Nationalhymne auf Polnisch mitsingen?

Michalczewski: (lacht) Für mich ist das witzig. Ich liebe beide Länder. Ich bin in Polen geboren, aber Deutschland habe ich viel zu verdanken, weil es mir so viele Möglichkeiten gegeben hat. Ich bin kein Nationalist, ich bin ein Europäer. Ich bin ein Pole, der Deutschland liebt.

DFB.de: Aber Sie können tatsächlich die deutsche Nationalhymne mit polnischem Text singen?

Michalczewski: (singt) Ich glaube, ich bin der einzige, der das kann.

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DFB.de: Wo haben sie die WM 2014 verfolgt?

Michalczewski: Ich war nicht in Brasilien, ich war hier in Polen. Aber ich habe natürlich Deutschland die Daumen gedrückt. In Brasilien Weltmeister zu werden, ist das Größte vom Größten, das Höchste vom Höchsten. Ich habe mich so gefreut, ich war so stolz, unglaublich. Ich bin der größte Werbeträger für Deutschland hier in Polen. Meine Kumpels wollten alle, dass Deutschland verliert. Aber ich war der große Boss.

DFB.de: Spielen Sie heute noch Fußball?

Michalczewski: Fußball spiele ich bestimmt einmal die Woche. Ich habe in Polen eine Fitnesskette, die "Tiger Gyms". Ich gehe dreimal die Woche laufen, und dreimal die Woche trainiere ich im Gym.

DFB.de: Neben den Fitnessstudios haben Sie auch einen eigenen Energydrink.

Michalczewski: Der Energydrink ist meine Rente. Ich vergebe dafür die Lizenz, in Polen macht der "Tiger Energy Drink" einen Jahresumsatz von 35 Millionen Euro.

DFB.de: Boxen Sie noch?

Michalczewski: Nachdem ich die Handschuhe weggelegt habe, habe ich sie nur noch für Fotos angezogen. Ich liebe den Sport, und ich liebe die Boxer. Aber der Sport ist am Boden. Die Jungs von heute wollen schnell Geld verdienen, sie sind faule Säcke. Aber das geht im Boxen nicht, das ist harte Arbeit.

DFB.de: Sind Ihre Söhne Boxer oder Fußballer geworden?

Michalczewski: Geschäftsleute. Aber sie können super Fußball spielen. Gerade haben sie bei einem Beachsoccer-Turnier den zweiten Platz belegt.

DFB.de: Zum Abschluss: Wie geht das Spiel am 4. September aus?

Michalczewski: Polen gewinnt 1:0. Das ist mein Wunschkonzert.