Cool, klug und neu: "Spielkultur" debütiert mit Tuchel

BVB-Cheftrainer Thomas Tuchel und der in Stanford ansässige Literatur-Philosoph Hans Ulrich Gumbrecht redeten am Sonntagabend über Fußball, wie es das so noch nicht in Deutschland zu hören gab. Der Mann vom Fach und der Mann der Theorie eröffneten im Deutschen Fußballmuseum und vor vollem Haus die neue Talk-Reihe "Spielkultur". Deren wesentliche Regel: kein Tagesgeschäft. Zweimal 45 Minuten plus 15 Minuten waren für das Aufeinandertreffen von Praxis und Theorie in Dortmund angesetzt. Zumindest zeitlich also ein eingeübtes Format. Der Rest war Neuland. Spritzig, frisch und oft überraschend. Tempo, Dynamik, Finten und auch mal ein hartes Einsteigen - es gab etliche Strafraumszenen und einige mitreißende Momente.

Etwa als Tuchel davor warnte, als Trainer den immanenten Spielstil eines Klubs, "seine DNA", einfach übergehen zu wollen. Was das für Borussia Dortmund bedeute? "Wir können in diesem Stadion mit seinen 80.000 Zuschauern doch nicht verhalten spielen. Diesem Stadion können wir nicht mit 14 1:0-Siegen in Folge gerecht werden." Oder als der Vielreiser Gumbrecht berichtete, dass immer wenn er ein bestimmtes Institut in Belo Horizonte besuche, der brasilianische Taxifahrer partout nicht am Stadion vorbeifahren wolle. Obwohl das auf dem Weg liegt.

Der Fußball-Lehrer Tuchel bekannte hingegen, dass er selbst sich überhaupt nicht als Lehrer sähe: "Ich empfinde mich eher als Begleiter dieser Talente, Persönlichkeiten und Charaktere." Und Dortmunds Cheftrainer verriet den vollen Rängen im Fußballmuseum auch noch, dass er überlege, sich künftig bei europäischen Auswärtsspielen eine Nachttour der Stadt zu organisieren: "Schlafen kann ich dann ohnehin nicht."

Gespräche über Fußball: Es geht auch anders

Um kurz nach 19 Uhr hatte Moderator Christoph Biermann, Mitglied der 11Freunde-Chefredaktion und selbst schon zweimal für das Fußballbuch des Jahres ausgezeichnet, das neueste Format der DFB-Kulturstiftung angepfiffen. Und obwohl es bei diesem total unüblichen Fußballtalk eben nicht ums Alltagsgeschäft gehen sollte, beschäftigte sicher manche der 200 Gäste zu Beginn eine ganz dem Bundesligageschehen geschuldete Frage. Mit welcher Laune würde Tuchel auftauchen? Es war immerhin der Tag nach dem 1:2 des BVB beim Tabellenletzten Darmstadt. Antwort: Sie war blendend.

Ob diese neue Idee "Spielkultur" trägt, war noch so eine spannende Frage am Sonntagabend in Dortmund. Lohnt es sich tatsächlich, 90 Minuten lang über Fußball zu reden? Zumal unter der erschwerten Bedingung, eben nicht darüber debattieren zu dürfen, ob nun dieser oder jener Trainer rausgeworfen gehört, dieser oder jener Sechser spielen sollte. Thomas Tuchel und Hans Ulrich Gumbrecht waren am Sonntagabend angetreten, den Beweis anzutreten, dass es auch anders geht. Nach 90 Minuten ist das Endergebnis eindeutig: Es ist vollbracht. Das intellektuelle Gespräch über den Zustand des Fußballs hat nun einen Pulsschlag.



BVB-Cheftrainer Thomas Tuchel und der in Stanford ansässige Literatur-Philosoph Hans Ulrich Gumbrecht redeten am Sonntagabend über Fußball, wie es das so noch nicht in Deutschland zu hören gab. Der Mann vom Fach und der Mann der Theorie eröffneten im Deutschen Fußballmuseum und vor vollem Haus die neue Talk-Reihe "Spielkultur". Deren wesentliche Regel: kein Tagesgeschäft. Zweimal 45 Minuten plus 15 Minuten waren für das Aufeinandertreffen von Praxis und Theorie in Dortmund angesetzt. Zumindest zeitlich also ein eingeübtes Format. Der Rest war Neuland. Spritzig, frisch und oft überraschend. Tempo, Dynamik, Finten und auch mal ein hartes Einsteigen - es gab etliche Strafraumszenen und einige mitreißende Momente.

Etwa als Tuchel davor warnte, als Trainer den immanenten Spielstil eines Klubs, "seine DNA", einfach übergehen zu wollen. Was das für Borussia Dortmund bedeute? "Wir können in diesem Stadion mit seinen 80.000 Zuschauern doch nicht verhalten spielen. Diesem Stadion können wir nicht mit 14 1:0-Siegen in Folge gerecht werden." Oder als der Vielreiser Gumbrecht berichtete, dass immer wenn er ein bestimmtes Institut in Belo Horizonte besuche, der brasilianische Taxifahrer partout nicht am Stadion vorbeifahren wolle. Obwohl das auf dem Weg liegt.

Der Fußball-Lehrer Tuchel bekannte hingegen, dass er selbst sich überhaupt nicht als Lehrer sähe: "Ich empfinde mich eher als Begleiter dieser Talente, Persönlichkeiten und Charaktere." Und Dortmunds Cheftrainer verriet den vollen Rängen im Fußballmuseum auch noch, dass er überlege, sich künftig bei europäischen Auswärtsspielen eine Nachttour der Stadt zu organisieren: "Schlafen kann ich dann ohnehin nicht."

Gespräche über Fußball: Es geht auch anders

Um kurz nach 19 Uhr hatte Moderator Christoph Biermann, Mitglied der 11Freunde-Chefredaktion und selbst schon zweimal für das Fußballbuch des Jahres ausgezeichnet, das neueste Format der DFB-Kulturstiftung angepfiffen. Und obwohl es bei diesem total unüblichen Fußballtalk eben nicht ums Alltagsgeschäft gehen sollte, beschäftigte sicher manche der 200 Gäste zu Beginn eine ganz dem Bundesligageschehen geschuldete Frage. Mit welcher Laune würde Tuchel auftauchen? Es war immerhin der Tag nach dem 1:2 des BVB beim Tabellenletzten Darmstadt. Antwort: Sie war blendend.

Ob diese neue Idee "Spielkultur" trägt, war noch so eine spannende Frage am Sonntagabend in Dortmund. Lohnt es sich tatsächlich, 90 Minuten lang über Fußball zu reden? Zumal unter der erschwerten Bedingung, eben nicht darüber debattieren zu dürfen, ob nun dieser oder jener Trainer rausgeworfen gehört, dieser oder jener Sechser spielen sollte. Thomas Tuchel und Hans Ulrich Gumbrecht waren am Sonntagabend angetreten, den Beweis anzutreten, dass es auch anders geht. Nach 90 Minuten ist das Endergebnis eindeutig: Es ist vollbracht. Das intellektuelle Gespräch über den Zustand des Fußballs hat nun einen Pulsschlag.

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"Praktiker und Theoretiker zusammenbringen"

Gemeinsam mit Biermann hatte Norbert Niclauß die Grundidee für "Spielkultur" entwickelt. Man wolle den Fußball eben nicht in seiner Bedeutung für die Politik oder die Wirtschaft besprechen, erklärt Niclauß: "Es geht nicht um weitere Analogien. Stattdessen wollten wir einen Praktiker und einen Theoretiker zusammenbringen, die sich dann über den Fußball, das tatsächliche Spiel, unterhalten." Man wolle, so sagt der Referent am Bundesbildungsministerium, "das Niemandsland zwischen Sportteil und Feuilleton" besetzen.

Dass Fußball gleichberechtigt mit einer klassischen Symphonie oder einem Roman der Weltliteratur eine ästhetische Erfahrung darstelle, mit dieser These Gumbrechts hatte die allererste "Spielkultur" einen guten und passenden Auftakt gefunden. Und deswegen, so der Komparatist aus Stanford, den Biermann als "umherschweifenden Intellektuellen" anmoderiert hatte, gehen die Leute auch ins Stadion. Wegen der Ästhetik - und eben nicht wegen des Ergebnisses.

Tuchel: "Das Ergebnis steht viel zu sehr im Mittelpunkt"

Für einige überraschend, stimmte der erfolgreiche Trainer aus dem harten Profifußball dem Philosophen aus vollem Herzen zu. Tuchel: "Ich glaube nicht, dass der Zuschauer ausschließlich für das Ergebnis kommt. Ich glaube er kommt für den gelungenen Spielzug. Wenn man mal überlegt, was das Erlebnis Fußball eigentlich ausmacht, steht das Ergebnis viel zu sehr im Mittelpunkt."

War die erste Hälfte der Schönheit des Spiels gewidmet, ging es nach der Pause um das Berufsbild und die Rolle des Trainers. In den besten Momenten der "Spielkultur" im Dortmunder Fußballmuseum gelang es der Dreierkette auf der Bühne, den Fußball auf einer übergeordneten Ebene zu betrachten, ohne ihn zu sezieren, sondern das Erlebnis des Spiels greifbarer, verständlicher und damit größer zu machen. Die Begeisterung für den Fußball also noch zu steigern. Nach dem Erfolg in Dortmund ist Folge zwei der Spielkultur bereits fest für das zweite Halbjahr eingeplant.

Das Gespräch von Thomas Tuchel und Hans Ulrich Gumbrecht im Wortlaut veröffentlicht DFB.de am Dienstag/Mittwoch.

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