Burkhard Pape: Mit Herberger fing alles an

Er kennt diese Reaktion: Staunen. Wenn Burkhard Pape (82) aus seinem Leben und von seinen Erlebnissen berichtet, sitzen ihm die Zuhörer oft mit offenen Mündern und spitzen Ohren gegenüber. Bewunderung schlägt ihm entgegen, Neugier. Auch Zweifel. War das wirklich so? Kann das stimmen? Seine Geschichten sind so skurril, so unvorstellbar, so fremd. Was daran liegt, dass sie von einer fremden Welt erzählen, aus einer anderen Zeit.

Vor fast 50 Jahren hat sich Pape von Hannover aus auf den Weg gemacht, den Fußball in die Welt zu bringen. Er war einer der ersten Auslandsexperten des DFB, ein Pionier des runden Leders. Mit Redakteur Steffen Lüdeke hat Pape über fünf Jahrzehnte in Westafrika und Asien gesprochen. Ein zweiteiliges Interview über Kannibalen, Diktatoren und Kokosnüsse, über Magier auf und neben dem Spielfeld, über die Kraft des Fußballs und die Macht der Menschlichkeit.

DFB.de: Herr Pape, vor fast 50 Jahren begann Ihr Abenteuer als Fußball-Entwicklungshelfer. Ihre "Auslandskarriere" wurde durch Sepp Herberger initiiert. Wie ist das genau gelaufen?

Burkhard Pape: Da muss ich ein wenig ausholen.

DFB.de: Bitteschön.

Pape: Nach Abschluss meiner Trainerausbildung an der Sporthochschule Köln bekam ich überraschend das Angebot, als Verbandstrainer nach Karlsruhe zu gehen. Ich war damals der jüngste Verbandstrainer, Karlsruhe war die modernste Sportschule. Ich habe dort viele neue Sachen einführen wollen, Dinge, die ich im Rahmen der Ausbildung in Köln gelernt hatte. Die Leute in Baden waren davon natürlich nicht begeistert.

DFB.de: Herberger schon.

Pape: Ja. Er war damals oft in der Sportschule, er wohnte in der Nähe von Karlsruhe und die Sportschule war optimal für die Belange der Nationalmannschaft. An mir hat er Gefallen gefunden. Ihm hat auch imponiert, wie ich eine Reise mit der Amateurauswahl in die USA organisiert und durchgeführt hatte. Das war 1962, und so etwas hat es vorher noch nicht gegeben. Ich habe mit Herberger nach dieser Reise oft drüber gesprochen. Abends beim Wein kam er dann eines Tages auf mich zu und sagt: "Horchen se mal, Burkhard, Sie können was, Sie sind ein junger Kerl, Sie müssen ins Ausland gehen." Ich habe gesagt: "Herr Herberger, Fußball und Reisen - das sind meine zwei Hobbies. Wenn ich das verbinden kann - das würde mich unheimlich reizen." So fing alles an.

DFB.de: Wie ging es weiter?

Pape: Herberger hat damals oft Briefe bekommen wegen des Wunders von Bern. Viele Schreiben aus afrikanischen Ländern, viele enthielten die Bitte an ihn, ob er selber dort helfen könne. Konnte er natürlich nicht, er wurde ja in Deutschland gebraucht. Aber er fand den Gedanken interessant. Also hat er sich ans Auswärtige Amt gewandt und gesagt: "Ihr schickt Ingenieure raus, Ärzte, Entwicklungshelfer, Regierungsberater - warum nicht auch einen Fußballtrainer?" Die Gegenfrage des Auswärtigen Amtes, ob er einen Trainer kennen würde, der bereit und fähig wäre, so etwas zu machen, konnte er mit "Ja" beantworten.

DFB.de: Weil er Burkhard Pape kannte.

Pape: Ja. Wir haben uns dann in Bonn getroffen und ich wurde gefragt, in welche Länder ich gehen würde. Mir war das egal, und das habe ich auch zum Ausdruck gebracht. Ich habe aber Wert darauf gelegt, dass ich in Deutschland abgesichert bin, ich wollte die Unterstützung der offiziellen Stellen, sonst hätte ich es nicht gemacht. So wurde mir dann gesagt, dass ich nach Westafrika gehen würde, wahrscheinlich in den Kongo, für sechs Monate, probeweise. Ich habe dann in Karlsruhe darauf gewartet, dass es losgeht. Irgendwann bekam ich einen Anruf, dann wurde es langsam ernst. Witzig war, wie das genau gelaufen ist: Sie haben mich gefragt, ob ich auch nach Sierra Leone gehen würde? Ich wusste nicht, wo dieses Land liegt, also habe ich gefragt: "Wo ist das denn?"



Er kennt diese Reaktion: Staunen. Wenn Burkhard Pape (82) aus seinem Leben und von seinen Erlebnissen berichtet, sitzen ihm die Zuhörer oft mit offenen Mündern und spitzen Ohren gegenüber. Bewunderung schlägt ihm entgegen, Neugier. Auch Zweifel. War das wirklich so? Kann das stimmen? Seine Geschichten sind so skurril, so unvorstellbar, so fremd. Was daran liegt, dass sie von einer fremden Welt erzählen, aus einer anderen Zeit.

Vor fast 50 Jahren hat sich Pape von Hannover aus auf den Weg gemacht, den Fußball in die Welt zu bringen. Er war einer der ersten Auslandsexperten des DFB, ein Pionier des runden Leders. Mit Redakteur Steffen Lüdeke hat Pape über fünf Jahrzehnte in Westafrika und Asien gesprochen. Ein zweiteiliges Interview über Kannibalen, Diktatoren und Kokosnüsse, über Magier auf und neben dem Spielfeld, über die Kraft des Fußballs und die Macht der Menschlichkeit.

DFB.de: Herr Pape, vor fast 50 Jahren begann Ihr Abenteuer als Fußball-Entwicklungshelfer. Ihre "Auslandskarriere" wurde durch Sepp Herberger initiiert. Wie ist das genau gelaufen?

Burkhard Pape: Da muss ich ein wenig ausholen.

DFB.de: Bitteschön.

Pape: Nach Abschluss meiner Trainerausbildung an der Sporthochschule Köln bekam ich überraschend das Angebot, als Verbandstrainer nach Karlsruhe zu gehen. Ich war damals der jüngste Verbandstrainer, Karlsruhe war die modernste Sportschule. Ich habe dort viele neue Sachen einführen wollen, Dinge, die ich im Rahmen der Ausbildung in Köln gelernt hatte. Die Leute in Baden waren davon natürlich nicht begeistert.

DFB.de: Herberger schon.

Pape: Ja. Er war damals oft in der Sportschule, er wohnte in der Nähe von Karlsruhe und die Sportschule war optimal für die Belange der Nationalmannschaft. An mir hat er Gefallen gefunden. Ihm hat auch imponiert, wie ich eine Reise mit der Amateurauswahl in die USA organisiert und durchgeführt hatte. Das war 1962, und so etwas hat es vorher noch nicht gegeben. Ich habe mit Herberger nach dieser Reise oft drüber gesprochen. Abends beim Wein kam er dann eines Tages auf mich zu und sagt: "Horchen se mal, Burkhard, Sie können was, Sie sind ein junger Kerl, Sie müssen ins Ausland gehen." Ich habe gesagt: "Herr Herberger, Fußball und Reisen - das sind meine zwei Hobbies. Wenn ich das verbinden kann - das würde mich unheimlich reizen." So fing alles an.

DFB.de: Wie ging es weiter?

Pape: Herberger hat damals oft Briefe bekommen wegen des Wunders von Bern. Viele Schreiben aus afrikanischen Ländern, viele enthielten die Bitte an ihn, ob er selber dort helfen könne. Konnte er natürlich nicht, er wurde ja in Deutschland gebraucht. Aber er fand den Gedanken interessant. Also hat er sich ans Auswärtige Amt gewandt und gesagt: "Ihr schickt Ingenieure raus, Ärzte, Entwicklungshelfer, Regierungsberater - warum nicht auch einen Fußballtrainer?" Die Gegenfrage des Auswärtigen Amtes, ob er einen Trainer kennen würde, der bereit und fähig wäre, so etwas zu machen, konnte er mit "Ja" beantworten.

DFB.de: Weil er Burkhard Pape kannte.

Pape: Ja. Wir haben uns dann in Bonn getroffen und ich wurde gefragt, in welche Länder ich gehen würde. Mir war das egal, und das habe ich auch zum Ausdruck gebracht. Ich habe aber Wert darauf gelegt, dass ich in Deutschland abgesichert bin, ich wollte die Unterstützung der offiziellen Stellen, sonst hätte ich es nicht gemacht. So wurde mir dann gesagt, dass ich nach Westafrika gehen würde, wahrscheinlich in den Kongo, für sechs Monate, probeweise. Ich habe dann in Karlsruhe darauf gewartet, dass es losgeht. Irgendwann bekam ich einen Anruf, dann wurde es langsam ernst. Witzig war, wie das genau gelaufen ist: Sie haben mich gefragt, ob ich auch nach Sierra Leone gehen würde? Ich wusste nicht, wo dieses Land liegt, also habe ich gefragt: "Wo ist das denn?"

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DFB.de: Und die Antwort?

Pape: Die Herren vom Auswärtigen Amt haben gesagt. "Wir haben nachgeguckt – das ist auch Westafrika." Ich habe mich schließlich in Frankfurt beim DFB mit dem Sportminister von Sierra Leone getroffen. Für mich war das wertvoll, ich wollte die Möglichkeit nutzen, erste Kontakte zu knüpfen. Als ich den Sportminister dabei zum ersten Mal gesehen habe, habe ich mich gewundert. Er war extrem korpulent, und das habe ich ihm auch gleich gesagt.

DFB.de: Ganz schön mutig.

Pape: Das ist einfach meine Art, und in den vergangen 82 Jahren hat sich diese immer bewährt. Ich war noch nie ein großer Diplomat. Ich gehe also auf ihn zu und sage: "Du bist der Sportminister? Den Ersten, den ich trainieren muss, ist der Sportminister. Es geht nicht, wie Du aussiehst."

DFB.de: Wie war die Reaktion?

Pape: Erst: Totenstille. Dann: Hat er angefangen zu lachen, die ganze DFB-Zentrale hat gewackelt. Schnell war klar, dass ich in Sierra Leone einen ersten Verbündeten haben würde. Und so ist es auch gekommen. Diese offene Art hat mir oft geholfen. Ich habe zwischen den Menschen nie einen Unterschied gemacht. Ob das jetzt ein hochrangiger General, ein Staatspräsident oder wer auch immer gewesen ist – ich hab immer allen direkt die Meinung gesagt. Und es hat nie geschadet.

DFB.de: Angeeckt sind Sie nie?

Pape: Nein, diese Art hat viel mehr Türen geöffnet als verschlossen.

DFB.de: Zum Beispiel?

Pape: Da gibt es etliche. Als ich mit Ägypten die Mittelmeerspiele gewonnen habe, war das für Ägypten sportlich und politisch ein wichtiger Erfolg. Deswegen hat Präsident Sadat die Mannschaft und den deutschen Trainer zu sich geladen. Ich habe den deutschen Botschafter darüber informiert - die wollen ja sowas wissen. Der Botschafter ist dann natürlich mitgekommen. Als wir schließlich Sadat mit seiner Entourage getroffen haben, gab es ein großes Hallo und Gratulationen. Sadat hatte dabei einen Zigarillo im Mund. Mich hat das gestört. Also habe ich ihm auf die Schulter geklopft und gesagt, er möge die Zigarette ausmachen. Der Botschafter ist kalkweiß geworden, und hat gedacht, dass ich binnen 24 Stunden ausgewiesen würde.

DFB.de: Und wie hat Sadat reagiert?

Pape: Er hat die Zigarette ausgemacht.

DFB.de: In Schwierigkeiten geraten sind Sie durch diese Art wirklich nie?

Pape: Wenn ich heute drüber nachdenke, dann weiß ich, dass ich auch oft Glück gehabt habe und manchmal zu weit gegangen bin. In meiner Zeit in Uganda gab es zahlreiche Begegnungen mit Idi Amin, und nicht immer war es vernünftig, wie ich agiert habe. Ich habe in einer Art mit ihm gesprochen, die kein anderer jemals gewagt hätte. Widerspruch kennen solche Menschen ja gar nicht. Und dann kommt so ein Deutscher und sagt ihm, wo es langgeht - das war schon heikel.

DFB.de: Für Ihre Nähe zu Idi Amin sind Sie oft kritisiert worden.

Pape: Ich weiß, und bis heute kann ich nicht nachvollziehen, was in deutschen Zeitungen geschrieben wurde.

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DFB.de: Wie sehen Sie Ihre damalige Verbindung zum Diktator aus heutiger Sicht?

Pape: Ich könnte darüber ganz viel erzählen. Unter dem Strich bleibt, dass ich dort versucht habe, meinen Job zu machen, und das so gut wie möglich. Zur Wahrheit gehört auch, dass ich niemals vom Auswärtigen Amt oder irgendjemandem sonst aufgefordert worden bin, das Land zu verlassen. Also bin ich geblieben. Bis heute finde ich das richtig. Wenn unsere Gesellschaft will, dass Deutsche im Ausland helfen, dann funktioniert das nur, wenn Sie akzeptiert, dass die Deutschen vor Ort die Regeln akzeptieren, nach denen dort gespielt wird. Alles andere ist heuchlerisch. Idi Amin hat imponiert, dass ich das Land nicht verlassen habe. Viele andere Entwicklungshelfer, auch andere ausländische Trainer, sind nicht lange geblieben.

DFB.de: In den acht Jahren seiner Herrschaft soll Idi Amin zwischen 300.000 und 400.000 Menschen umbringen lassen haben. Und Sie haben nie überlegt, das Land zu verlassen?

Pape: Ich habe es als meine Pflicht angesehen, dort zu bleiben. Die gute Verbindung zu Idi Amin war es doch, die mir ermöglicht hat, in Situationen zu helfen, in denen kein anderer etwas erreicht hätte. Kein Botschafter hatte Zugang. Niemand. Ich schon. Mein Vorteil war, dass ich zu ihm schon guten Kontakt hatte, als er noch General war. In Afrika ist es sehr oft so, dass frühere Verbindungen halten, unabhängig vom sozialen Status. Deswegen hat sich an unserem Verhältnis nichts geändert, nachdem er Präsident geworden war. Für mich war das ein großer Vorteil. Ich konnte mich auf sein Wort verlassen, das habe ich sehr oft genutzt.

DFB.de: In welchen Situationen haben Sie sich an ihn gewandt.

Pape: Zunächst hat er sich an mich gewandt. Eine seiner ersten Amtshandlungen als Präsident bestand darin, mich zu sich zu rufen. Im Beisein all seiner Minister hat er mir ein Versprechen gegeben. Er hat mir seine Hand – eine Riesenflosse – gereicht und gesagt: "Wann immer Du in diesem Land ein Problem hat, was immer es ist, komm zu mir, ich werde Dir helfen."

DFB.de: Und dieses Versprechen haben Sie später eingefordert?

Pape: Mehr als einmal.

DFB.de: Zum Beispiel.

Pape: Ganz oft natürlich in meiner Tätigkeit als Trainer und Ausbilder. Aber eben auch abseits des Sports. Es gab damals etwa einen Fall, in dem ein Deutscher in Uganda verhaftet wurde. Niemand wusste, wo er ist, die Spuren haben sich schnell verloren. Das schlimmste Schicksal, das einem dort wiederfahren konnte, war es, einfach zu verschwinden. Deswegen war es wichtig zu wissen, wo der Deutsche festgehalten wird. Seine Frau hat mir davon erzählt, sie war völlig verzweifelt, kein Wunder. Ich bin dann zu Idi Amin gegangen und habe mit ihm gesprochen. Ich habe ihn niemals gebeten, einen Schuldigen laufen zu lassen. Wenn jemand die Gesetze eines Landes verletzt, muss er nach den Gesetzen bestraft werden, auch wenn mir diese Gesetze nicht gepasst haben. Aber ich wollte wissen, wo der Deutsche ist und vor allem wollte ich, dass fair mit ihm umgegangen wird. Idi Amin hat zum Telefon gegriffen, wenig später wussten wir, in welchem Gefängnis sich der Deutsche aufhält. Zwei Tage später kam der Deutsche aus dem Gefängnis raus und durfte das Land verlassen.

DFB.de: Gab es auch Fälle, in denen Sie nichts ausrichten konnten?

Pape: Ein paar Mal habe ich Glück gehabt. Es gab mal ein Team von deutschen Entwicklungshelfern, ich meine vom ZDF, die mit dem Ziel in Uganda waren, die Versorgung des Landes mit Farbfernsehen zu verbessern. Uganda war damals in Afrika in solchen Sachen führend. Die Leute vom ZDF erhielten dann den Auftrag, eine öffentliche Hinrichtung zu übertragen. Alle im Land sollten damit abgeschreckt werden. Die Crew vom ZDF war geschockt, sie wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Natürlich wollten sie ihre Finger nicht bei einer solchen Sache im Spiel haben. Sie sind dann zum Botschafter und er hat ihnen gesagt, dass sie sich an mich wenden sollen. Ich bin also wieder auf den Berg, hoch zu Idi Amin.

DFB.de: Mit der Ambition, dass Idi Amin von der Hinrichtung absieht.

Pape: Nein, natürlich nicht. Die Welt kann ich nicht retten. Aber ich wollte, dass das deutsche Fernsehen so etwas nicht übertragen muss.

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DFB.de: Davon konnten Sie Idi Amin überzeugen?

Pape: Ich habe ihn ausgetrickst. Bevor wir richtig gesprochen haben, hat er bekräftigt, wie wichtig die landesweite Übertragung ist. Alle Leute sollten sehen, wie gnadenlos mit Feinden der Regierung umgegangen wird. Ich habe ihm Recht gegeben. Und ihm gesagt, dass es viel besser ist, wenn das ugandische Fernsehen die Hinrichtung filmisch aufnimmt. Dann kann er das Material immer wieder verwenden, anders als bei einer Live-Übertragung, wo, so sagte ich ihm, die Bilder nur einmal genutzt werden können. Er hat die Lüge geglaubt - so war das ZDF raus aus der Nummer.

DFB.de: In Ihre Zeit in Sierra Leone fällt auch ein persönlich erfreuliches Ereignis. Sie haben Ihrer Bärbel einen Heiratsantrag gemacht. Auch dazu gibt es eine spezielle Geschichte.

Pape: Wir haben uns im Jahr vor meiner Abreise in Deutschland kennen gelernt. Sie war anfangs nicht mit vor Ort, ich wollte sie da haben, also musste ich mir etwas einfallen lassen. Zu meiner Verabschiedung hatten mir Karlsruher Sportärzte ein Tonbandgerät geschenkt. Also hatte ich die Idee, dass ich ihr auf diese Weise einen Antrag machen könnte. Ich habe mir ein paar Notizen gemacht, habe dann meine kleine Ansprache aufgenommen. Als ich fertig war, war ich sehr stolz auf mich, ich fand mich gut. Dann wollte ich es mir anhören – und es war nichts zu verstehen. Der laute Regen hatte alles andere übertönt. Beim zweiten Versuch hat es dann besser geklappt. Das Tonband habe ich dann nach Deutschland geschickt - und ich wurde erhört.

DFB.de: Wie hat Bärbel den Antrag angenommen. Auch via Tonband?

Pape: Nein, das hat Sie per Brief gemacht. Die Post lief über Bonn und dann die deutsche Botschaft in Uganda. Wir haben in meinem ersten Deutschland-Urlaub geheiratet, uns kam entgegen, dass es seit kurzer Zeit möglich war, als Nicht-Christ kirchlich getraut zu werden. Für meine Schwiegereltern war das wichtig. Sie hatten auch keine Probleme damit, dass Bärbel mir dann in mein Auslandsabenteuer gefolgt ist. Für mich war das ein großer Glücksfall. Ohne meine Frau wäre vieles nicht möglich gewesen. Sie hat sich in den jeweiligen Ländern immer großartig engagiert, hat selber Projekte aufgebaut und war bei den Einheimischen mindestens so beliebt wie ich.

DFB.de: Alles begann für Sie am 1. Februar 1966. Wie sah eine Reise von Deutschland nach Sierra Leone damals aus?

Pape: Das kann sich heute kaum einer vorstellen. Heute setzt man sich in ein Flugzeug und ein paar Stunden später ist man an beinahe jedem Ort in Afrika. Ich bin damals von meiner Mutter in Hannover nach Frankfurt geflogen. Von dort ging es nach Dakar, dort hatte ich zwei Tage Aufenthalt, dann erst ging mein Anschlussflug. Bis ich in Sierra Leone ankam, musste ich noch zwei Mal zwischenlanden und in kleinere Maschinen umsteigen. Was mir noch in Erinnerung ist: Das Betanken des Flugzeugs wurde mit Kanistern aus der Hand durchgeführt. Ich kam dann auf einer Insel an, von dort ging es mit der Fähre in die Hauptstadt Freetown. In den ersten Wochen, war ich ständig im Schlepptau des Sportministers, er hat mich überall hin gezerrt und wollte damit verdeutlichen, dass es sein Verdienst war, das ich jetzt dort bin.

DFB.de: Wie haben Sie auf die Menschen in Sierra Leone gewirkt. Fühlten Sie sich manchmal als Außerirdischer?

Pape: Ich war eine Attraktion, und natürlich bin ich dort alleine aufgrund meiner Hautfarbe aufgefallen. Jeder kannte mich, jeder wusste, wer ich bin. Bei meiner Landung wurde die Parlaments-Sitzung für die Nachricht unterbrochen, dass der deutsche Trainer in Sierra Leone angekommen ist. Die Zeitungen waren voll, die Erwartungshaltung riesengroß. 14 Tage nach meiner Ankunft war ein Spiel gegen Liberia angesetzt, ein Team, gegen das Sierra Leone zuvor immer verloren hatte. Nun haben alle erwartet, dass wir das Spiel gewinnen würden, schließlich war nun ein deutscher Trainer da. Ich war für alle der Heilsbringer.

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DFB.de: Wie sind Sie mit dem Druck umgegangen?

Pape: Zunächst habe ich gedacht: "Ich bin im falschen Film." Erst Recht, als ich immer mehr wahrgenommen habe, in welchem Zustand der Fußball in Sierra Leone war. Zum Training der Nationalmannschaft gab es gerade mal zwei Bälle, einer ging schnell kaputt, blieb nur noch einer. Und in so einer Situation soll man ein Spiel gegen eine Mannschaft gewinnen, gegen die man zuvor immer verloren hatte.

DFB.de: Wie war das Ankommen ansonsten? Wie fremd war die Welt? Gab es Dinge, die sie abgeschreckt haben?

Pape: Natürlich, aber ich hatte mir schon vorher vorgenommen, andere Maßstäbe anzusetzen. Man kann eine solche Sache nicht angehen, wenn man alles am europäischen Standard misst. Aber es gab durchaus Dinge, bei denen ich geschluckt habe. Es gab damals in Sierra Leone eine breit angelegte Kampagne gegen Kannibalismus, die unter dem für unsere Ohren makaberen Slogan lief: "Es ist nicht nett, seinen Nachbarn zu essen." Nun, ja. Jedenfalls waren damals zwei Einheimische wegen Kannibalismus zum Tode verurteilt worden. Wir waren gerade beim Training, als ein Offizieller auf mich zukam und mir sagte, dass das Training abgebrochen werden muss, weil die Galgen für die Hinrichtung aufgebaut werden müssen. Und er hat mir die freudige Mitteilung gemacht, dass ich als einziger Europäer Zeuge der Hinrichtung sein dürfe.

DFB.de: Herzlichen Glückwunsch.

Pape: Das habe ich mir auch gesagt. Zum Glück folgte ein gewaltiger öffentlicher Aufschrei, weil es die erste öffentliche Hinrichtung sein sollte. Alle Botschaften haben sich eingeschaltet, Politiker aus aller Welt, auch der Papst. Und schließlich wurde auf die öffentliche Hinrichtung verzichtet.

DFB.de: Wie lange haben Sie benötigt, um in der fremden Welt anzukommen?

Pape: Ich habe mich nie unwohl gefühlt, aber natürlich nicht sofort heimisch. Es gab gerade zu Beginn ein paar Geschichten, die extrem gewesen sind. Aber immer wieder auch sehr schöne Erlebnisse in einer sehr fremden Welt. Ich weiß noch genau, wie ich nach ein paar Monaten in Sierra Leone gefragt wurde, ob ich nicht auch im Landesinneren im Dorf mal einen Trainerlehrgang durchführen könnte. "Klar", habe ich gesagt und mich auf den Weg gemacht.

DFB.de: Auf in ein neues Abenteuer.

Pape: Schon. Ich kam dann da an, abends gab es Essen. Ich habe gefragt, was es geben würde. Und mir wurde gesagt: Huhn. So ging das ein paar Abende. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass ich dort nicht ein einziges Huhn gesehen habe. Ich habe dann nachgefragt, und sie haben mir gestanden, dass es kein Huhn war, sondern …

DFB.de: Wollen wir das hören?

Pape: Keine Angst, es ist nicht ganz so schlimm. Es war Affenfleisch. Für die Menschen dort ganz normal, nur für uns ungewohnt. Aber das wollte ich eigentlich gar nicht erzählen. Für mich war es einfach witzig oder vielmehr interessant.

DFB.de: Was genau?

Pape: Ich sitze im westafrikanischen Busch, ziehe Linien in den Sand, stelle mit Kokosnüssen Positionen von Spielern dar und erkläre den Einheimischen, wie Mann- und Raumdeckung funktionieren. Im Fackelschein, im Sand, mit Kokosnüssen. Und auf einmal trifft es mich wie ein Schlag und ich denke: "Mensch, vor einem Jahr habe ich noch an der modernsten Sportschule Europas unterrichtet. Und jetzt sitze ich hier im Busch." Ich fand das aber nicht schlimm, im Gegenteil: Ich fand es großartig und habe es sehr genossen.

Lesen Sie den zweiten Teil des Interviews am Mittwoch auf DFB.de