Buchwald: "Da haben sie mich aus den Augen verloren"

34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Vor dem 19. Spieltag der Bundesliga mit dem Duell Bayer Leverkusen gegen VfB Stuttgart am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) erinnert sich Weltmeister Guido Buchwald an den Tag, als der VfB zum vierten Mal Deutscher Meister wurde. Sein Tor am 38. und letzten Spieltag in Leverkusen entschied am 16. Mai 1992 das bis dato dramatischste Meisterschaftsfinale der Ligahistorie. Das historische Interview mit dem inzwischen 52 Jahre alten Buchwald.

DFB.de: Was fällt Ihnen spontan ein zum 16. Mai 1992, Herr Buchwald?

Guido Buchwald: Natürlich mein Tor zum 2:1-Endstand nach Flanke von "Wiggerl" Kögl - und dass so viele VfB-Fans auf den Platz gelaufen sind, als wir es geschafft hatten. Und natürlich, wie mir als Kapitän die Meisterschale überreicht wurde. Auch wenn es nur eine Kopie war (das Original war in Rostock; Anm. d. Red.)

DFB.de: Das dachten wir uns. Doch gehen wir bitte besser chronologisch vor. Die Ausgangslage war einmalig: Drei Mannschaften gingen punktgleich in den letzten Spieltag. Neben dem VfB waren dies Tabellenführer Eintracht Frankfurt und der BVB. Von 20 Kapitänen tippten im kicker nur fünf auf Meister Stuttgart, darunter Sie. Auch weil der VfB mit Leverkusen den schwersten Gegner hatte, war er der große Außenseiter. Woran glaubten Sie wirklich?

Buchwald: Wir hatten ja eigentlich nichts zu verlieren und eine tolle Saison gespielt. Wir gingen mit der Einstellung ins Spiel, es zu gewinnen. Ob wir nun Meister würden oder nicht. Manager Dieter Hoeneß hat vor dem Spiel dasselbe gesagt und die Siegprämie erhöht. Die hätten wir also auch bekommen, wenn wir Dritter geworden wären.

DFB.de: Und zu welchen Tricks hat der große Motivator Christoph Daum, der den Ausgang des letzten Spieltags übrigens exakt vorausgesagt hatte, gegriffen?

Buchwald: Vor diesem Spiel musste er das nicht. Sein großes Verdienst an der Meisterschaft war es eher, dass er uns vor den Spielen gegen vermeintlich leichtere Gegner immer gepusht hat. Wir haben keinen Gegner unterschätzt und uns deshalb weniger Ausrutscher geleistet als zum Beispiel die Frankfurter.



34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Vor dem 19. Spieltag der Bundesliga mit dem Duell Bayer Leverkusen gegen VfB Stuttgart am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) erinnert sich Weltmeister Guido Buchwald an den Tag, als der VfB zum vierten Mal Deutscher Meister wurde. Sein Tor am 38. und letzten Spieltag in Leverkusen entschied am 16. Mai 1992 das bis dato dramatischste Meisterschaftsfinale der Ligahistorie. Das historische Interview mit dem inzwischen 52 Jahre alten Buchwald.

DFB.de: Was fällt Ihnen spontan ein zum 16. Mai 1992, Herr Buchwald?

Guido Buchwald: Natürlich mein Tor zum 2:1-Endstand nach Flanke von "Wiggerl" Kögl - und dass so viele VfB-Fans auf den Platz gelaufen sind, als wir es geschafft hatten. Und natürlich, wie mir als Kapitän die Meisterschale überreicht wurde. Auch wenn es nur eine Kopie war (das Original war in Rostock; Anm. d. Red.)

DFB.de: Das dachten wir uns. Doch gehen wir bitte besser chronologisch vor. Die Ausgangslage war einmalig: Drei Mannschaften gingen punktgleich in den letzten Spieltag. Neben dem VfB waren dies Tabellenführer Eintracht Frankfurt und der BVB. Von 20 Kapitänen tippten im kicker nur fünf auf Meister Stuttgart, darunter Sie. Auch weil der VfB mit Leverkusen den schwersten Gegner hatte, war er der große Außenseiter. Woran glaubten Sie wirklich?

Buchwald: Wir hatten ja eigentlich nichts zu verlieren und eine tolle Saison gespielt. Wir gingen mit der Einstellung ins Spiel, es zu gewinnen. Ob wir nun Meister würden oder nicht. Manager Dieter Hoeneß hat vor dem Spiel dasselbe gesagt und die Siegprämie erhöht. Die hätten wir also auch bekommen, wenn wir Dritter geworden wären.

DFB.de: Und zu welchen Tricks hat der große Motivator Christoph Daum, der den Ausgang des letzten Spieltags übrigens exakt vorausgesagt hatte, gegriffen?

Buchwald: Vor diesem Spiel musste er das nicht. Sein großes Verdienst an der Meisterschaft war es eher, dass er uns vor den Spielen gegen vermeintlich leichtere Gegner immer gepusht hat. Wir haben keinen Gegner unterschätzt und uns deshalb weniger Ausrutscher geleistet als zum Beispiel die Frankfurter.

DFB.de: Es lief ja zunächst nicht so besonders. Dortmund ging früh in Duisburg in Führung, der VfB geriet nach 20 Minuten in Rückstand. In Rostock stand es zur Pause noch 0:0. Waren Sie immer über die Spielstände informiert?

Buchwald: Nein, wir wollten in der ersten Halbzeit auch noch gar nichts wissen und haben uns auf uns konzentriert. Zum Glück gelang Fritz Walter noch der Ausgleich. Mit Verlauf der zweiten Hälfte haben wir dann gespürt, dass der Druck immer größer wurde - allein schon daran, wie uns unsere Bank angefeuert hat.

DFB.de: Wer tat sich da hervor: Daum, Hoeneß oder wer?

Buchwald: Alle. Als die Frankfurter plötzlich in Rückstand gerieten, rief die ganze Bank: "Ihr müsst nur gewinnen, dann seid ihr Meister." Dortmund hatte ja das schlechtere Torverhältnis.

DFB.de: Und dann passierte die dumme Geschichte mit Matthias Sammer, der nach höhnischem Applaus von Schiedsrichter Dellwing vom Platz gestellt wurde. Elf Minuten vor Schluss ein Spiel in Leverkusen in Unterzahl drehen - waren Sie da als Kapitän besonders gefragt?

Buchwald: Ja, aber auch da waren wir einfach ein Team. Wir haben uns bei jedem Einwurf und Eckball angefeuert. Und wir wussten, dass wir jetzt für einen mitlaufen müssen, der nicht mehr dabei war. Der gute Zusammenhalt war unser Meistergeheimnis, spielerisch waren andere besser.

DFB.de: Vier Minuten vor Schluss geschah dann das kleine Wunder. Haben Sie gespürt, dass Sie sich jetzt selbst um das Tor kümmern müssen? Stürmer Fritz Walter wurde ausgewechselt, viel lief vorne eigentlich nicht zusammen an diesem Tag.

Buchwald: Das war ja eine logische Sache, dass die Mittelfeldspieler nun bei jedem Angriff mit nach vorne gingen. Außerdem fiel das Tor ja nach einer Ecke, wo die kopfballstarken Spieler sowieso vorne drin sind.

DFB.de: Wir haben uns das Tor noch mal angeschaut. Erstaunlich, wie frei die Leverkusener einen Guido Buchwald zum Kopfball kommen ließen…

Buchwald: Moment, das lag daran, dass es der "zweite Ball" war. Die Ecke war abgewehrt worden, Bayer orientierte sich wieder etwas nach vorne - und da haben sie mich aus den Augen verloren.

DFB.de: Was sich rächte. Wenig später pfiff der Schiedsrichter ab. Es heißt, er hätte das zwei Minuten zu früh getan. Können Sie das aufklären?

Buchwald: Ob 50 oder 90 Sekunden, weiß ich auch nicht. Aber zu früh schon. Eigentlich wollte er nach einem Foul Freistoß pfeifen, aber unsere Fans waren schon auf die Zäune geklettert. Da haben die Ordner eben die Tore geöffnet, und er hat abgepfiffen. Es war das Beste, was er machen konnte.

DFB.de: Damit waren Sie persönlich nach 1984 zum zweiten Mal Deutscher Meister geworden. Welchen Stellenwert hat der Titel für Sie in ihrer Vita?

Buchwald: Damals habe ich gesagt, er sei mit dem WM-Titel von 1990 fast gleichzusetzen, und dazu stehe ich auch heute. Ich stelle den Erfolg auf alle Fälle über den von 1984, als ich als junger Spieler in meiner ersten Bundesligasaison noch nicht so den Stellenwert hatte wie 1992. Jetzt war ich ein Führungsspieler und konnte ganz anders Einfluss nehmen.

DFB.de: Stimmt es, dass Matthias Sammer Ihr Tor gar nicht gesehen hat und auch nicht wusste, warum plötzlich alle Stuttgarter jubelten?

Buchwald: Ja, der saß im Duschraum und vergoss Tränen, ehe ihm unser Doktor von der Wende der Dinge erzählte. Er konnte es kaum glauben.

DFB.de: Wie schon 1984 und später 2007 stürzte der VfB nach dem Titel rasant ab. 1992/1993 wurden Sie nur Siebter. Gibt es eine schlüssige Erklärung dafür?

Buchwald: Das hatte immer andere Gründe. 1993 war es einfach so, dass wir nach dem Wechselfehler von Leeds in ein tiefes Loch fielen. Da dachten sich viele Spieler: "Der Trainer verlangt von uns immer so viel Power und Einsatz, und selbst weiß er nicht, dass man im Europapokal keine drei Ausländer einsetzen darf." Christoph Daum hat uns damals einfach nicht mehr erreicht.

Guido Buchwald spielte in der Bundesliga für den VfB Stuttgart (1983 bis 1994) und den Karlsruher SC (1997/1998) insgesamt 334-mal und trug 76-mal das DFB-Trikot. 1990 wurde er in Rom mit der deutschen Nationalmannschaft Weltmeister.