Böger: "Ich bin stolz auf Meyer und Goretzka"

Stefan Böger bereitet sich mit der U 16-Nationalmannschaft seit Sonntag auf das Länderspiel heute (ab 17.30 Uhr) in Hyères gegen Frankreich vor. Für den 47-jährigen ist der Saisonabschluss auch das Ende eines Lebensabschnitts. Nach sechs Jahren verlässt Böger die DFB-Junioren und wird Trainer bei Dynamo Dresden.

Im DFB.de-Gespräch mit Redakteur Roy Rajber blickt der DFB-Trainer zurück auf eine ereignisreiche Zeit. Stefan Böger erinnert sich an historische Siege und tragische Niederlagen, spricht über seine Arbeit und die Entwicklung junger Spieler.

DFB.de: Herr Böger, Leon Goretzka und Max Meyer haben unter Bundestrainer Joachim Löw jüngst im A-Team debütiert. Sie haben diese beiden Schalker als Trainer der U-Nationalmannschaften auf einem wichtigen Stück ihres Weges begleitet und gefördert. Was ging in Ihnen vor, als Sie von der Nominierung erfahren haben?

Stefan Böger: Wenn Spieler oben ankommen, ist es das Schönste. Allein schon im Fokus der Öffentlichkeit zu sein und ein A-Länderspiel gegen Polen zu absolvieren, ist schon toll. Im Endeffekt ist es Bestätigung für unsere Arbeit. Ich betone bewusst: für unsere Arbeit. Also für das, was das ganze Trainerteam damals in der U 16 und U 17 geleistet hat. Und wenn man sich vorstellt, dass diese Jungs vor nicht einmal zwei Jahren im Finale der U 17-Europameisterschaft standen und nun bei Jogi Löw gelandet sind, dann macht mich das schon stolz.

DFB.de: Gab es einen ausschlaggebenden Punkt, der dazu beigetragen hat?

Böger: Wer sich ein bisschen im Jugendbereich auskennt, weiß, dass es auf viel mehr ankommt, als nur Fußball auf dem Platz zu vermitteln. Gerade in diesem Altersbereich, mitten in der Pubertät und all den Problemen, mit denen Jugendliche zu kämpfen haben - Elternhaus, Schule, Freunde, Freundinnen -, muss man besonders sensibel auf die Spieler eingehen und in vielen Gesprächen die persönlichen Befindlichkeiten und Bedürfnisse herausfinden. Die persönliche Entwicklung ist unglaublich wichtig.

DFB.de: Worauf kommt es schließlich an? Welche Spieler schaffen es?

Böger: Es schaffen es am Ende die Spieler, bei denen das Gesamtprofil stimmt. Grundsätzlich müssen sie natürlich Talent mitbringen. Sie müssen in der Lage sein, guten Fußball zu spielen. Aber dann geht es gerade in diesem Altersbereich noch um andere Dinge: Wer ist in der Lage, die Widrigkeiten, von denen wir gerade gesprochen haben, am besten zu meistern? Wer kann mit dem zunehmenden Druck und der Erwartungshaltung umgehen? Wer ist mental stark genug, um sich im Konkurrenzkampf mit anderen Spielern innerhalb des Vereins und den DFB-Teams zu behaupten? Das ist nicht leicht, besonders für junge Menschen.



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Stefan Böger bereitet sich mit der U 16-Nationalmannschaft seit Sonntag auf das Länderspiel heute (ab 17.30 Uhr) in Hyères gegen Frankreich vor. Für den 47-jährigen ist der Saisonabschluss auch das Ende eines Lebensabschnitts. Nach sechs Jahren verlässt Böger die DFB-Junioren und wird Trainer bei Dynamo Dresden.

Im DFB.de-Gespräch mit Redakteur Roy Rajber blickt der DFB-Trainer zurück auf eine ereignisreiche Zeit. Stefan Böger erinnert sich an historische Siege und tragische Niederlagen, spricht über seine Arbeit und die Entwicklung junger Spieler.

DFB.de: Herr Böger, Leon Goretzka und Max Meyer haben unter Bundestrainer Joachim Löw jüngst im A-Team debütiert. Sie haben diese beiden Schalker als Trainer der U-Nationalmannschaften auf einem wichtigen Stück ihres Weges begleitet und gefördert. Was ging in Ihnen vor, als Sie von der Nominierung erfahren haben?

Stefan Böger: Wenn Spieler oben ankommen, ist es das Schönste. Allein schon im Fokus der Öffentlichkeit zu sein und ein A-Länderspiel gegen Polen zu absolvieren, ist schon toll. Im Endeffekt ist es Bestätigung für unsere Arbeit. Ich betone bewusst: für unsere Arbeit. Also für das, was das ganze Trainerteam damals in der U 16 und U 17 geleistet hat. Und wenn man sich vorstellt, dass diese Jungs vor nicht einmal zwei Jahren im Finale der U 17-Europameisterschaft standen und nun bei Jogi Löw gelandet sind, dann macht mich das schon stolz.

DFB.de: Gab es einen ausschlaggebenden Punkt, der dazu beigetragen hat?

Böger: Wer sich ein bisschen im Jugendbereich auskennt, weiß, dass es auf viel mehr ankommt, als nur Fußball auf dem Platz zu vermitteln. Gerade in diesem Altersbereich, mitten in der Pubertät und all den Problemen, mit denen Jugendliche zu kämpfen haben - Elternhaus, Schule, Freunde, Freundinnen -, muss man besonders sensibel auf die Spieler eingehen und in vielen Gesprächen die persönlichen Befindlichkeiten und Bedürfnisse herausfinden. Die persönliche Entwicklung ist unglaublich wichtig.

DFB.de: Worauf kommt es schließlich an? Welche Spieler schaffen es?

Böger: Es schaffen es am Ende die Spieler, bei denen das Gesamtprofil stimmt. Grundsätzlich müssen sie natürlich Talent mitbringen. Sie müssen in der Lage sein, guten Fußball zu spielen. Aber dann geht es gerade in diesem Altersbereich noch um andere Dinge: Wer ist in der Lage, die Widrigkeiten, von denen wir gerade gesprochen haben, am besten zu meistern? Wer kann mit dem zunehmenden Druck und der Erwartungshaltung umgehen? Wer ist mental stark genug, um sich im Konkurrenzkampf mit anderen Spielern innerhalb des Vereins und den DFB-Teams zu behaupten? Das ist nicht leicht, besonders für junge Menschen.

DFB.de: Welche Rolle spielen dabei die Junioren-Nationalmannschaften von der U 15 bis zur U 21?

Böger: Es gibt, glaube ich, nur ganz wenige Beispiele dafür, dass Spieler, die nicht in U-Nationalmannschaften gespielt haben, letztlich doch den Weg in die A-Mannschaft schaffen. Thomas Müller gehört, wie ich meine, zu diesen seltenen Ausnahmen. Der Weg ist vorgezeichnet über die Juniorennationalteams in Richtung U 21 und A-Nationalmannschaft. Das ist eigentlich auch nur ein folgerichtiger Weg, wenn man sich vorstellt, dass die Ausbildung zum größten Teil in den Vereinen gemacht wird. Dort passiert der Alltag. Aber die internationale Erfahrung, die die Spieler beim DFB über Jahre machen dürfen, ist einfach nicht zu bezahlen.

DFB.de: Mit der Länderspielreise nach Frankreich geht für Sie persönlich ein Lebensabschnitt zu Ende. Wenn Sie zurückblicken auf die vergangenen sechs Jahre beim DFB: Was nehmen Sie mit?

Böger: Zunächst mal kommt es mir gar nicht vor wie sechs Jahre. Ich habe die ersten Treffen Ende 2007 noch vor Augen, als der damalige DFB-Sportdirektor Matthias Sammer mir das Angebot gemacht hatte. Beim DFB ging es dann im Frühjahr 2008 los, ich bin gleich voll eingestiegen als Spielbeobachter bei der U 19-Europameisterschaft. Dann die U 17-EM im eigenen Land mit dem Titelgewinn und auch der Erfolg bei der U 21-EM, bei denen ich jeweils im Sichterteam war. Das waren Erlebnisse, die ich niemals vergessen werde. Diese sechs Jahre waren sehr wertvolle, sehr spannende Jahre. Ich habe unheimlich viel gelernt und nehme sehr viel mit für meine nächste Herausforderung.

DFB.de: Was waren Ihre schönsten DFB-Momente?

Böger: Das waren die Erfolgsmomente, zu denen ich meinen kleinen Teil beitragen konnte. Dazu zählen mit Sicherheit die EM-Siege in der U 17, U 19 und U 21. Es war toll, in diesen Teams dabei zu sein. Natürlich war auch die Arbeit mit meinen Spielern als verantwortlicher Trainer besonders. Und sogar die tragische Niederlage im U 17-EM-Finale 2012.

DFB.de: Mit diesem 95er-Jahrgang blieben Sie in zwei Jahren und 30 Spielen ungeschlagen. Es war, als wäre diese Mannschaft unbesiegbar - bis zum Endspiel der U 17-EM gegen die Niederlande in Ljubljana. Ihr Team führte bis kurz vor Schluss mit 1:0, in der Nachspielzeit erzielten die Holländer den Ausgleich. Das direkt nach diesem Schock folgende Elfmeterschießen wurde mit 5:6 verloren. Wie schlimm war es, so jäh aus dem Titeltraum gerissen zu werden?

Böger: Sehr schlimm. Seitdem habe ich es nicht übers Herz gebracht, eine U 17-EM im Fernsehen zu verfolgen, auch wenn ich jedes Ergebnis kenne. Der Stachel sitzt immer noch sehr tief. Es war ein ganz bitterer Moment.

DFB.de: Was ging in Ihnen vor?

Böger: Plötzlich fühlt man sich alleine. Ich habe die Gesichter noch vor Augen, die der Jugendlichen und die der Erwachsenen. Das war Erschütterung pur, als wir gemerkt haben, was für eine riesengroße Chance wir vertan hatten. Am Ende ist man mit sich selbst allein und muss versuchen, es selbst geregelt zu bekommen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der nur Titel zählen und keine zweiten Plätze. Aber wenn man mit einigem Abstand das Gesamte sieht, dann waren das zwei Jahre, die außergewöhnlich waren.

DFB.de: Ist es leicht, nach so einer Enttäuschung wieder aufzustehen?

Böger: Man muss wieder aufstehen, auch wenn es am Anfang sehr schwer ist. Und auch wenn die Europameisterschaft 2012 am Ende ein ganz bitterer Moment gewesen ist, nehme ich viel Positives mit. Es hat uns alle, vor allem die Spieler, noch mal weitergebracht. Am Ende geht es darum, dass wir die Spieler begleiten. Dass die Spieler den nächsten Schritt machen und möglichst oben ankommen. Und deswegen ist es für mich jetzt auch ein würdiger Abschluss zu sehen, dass zwei Jungs, die vor zwei Jahren im EM-Finale bei der U 17 standen, heute zum erweiterten Kader von Joachim Löw zählen.

DFB.de: Empfinden Sie das, ganz menschlich, als Genugtuung?

Böger: Ich muss ganz klar sagen, dass dieses negative Ereignis 2012 dazu beigetragen hat - Max und Leon werden das ähnlich sehen -, die Sinne noch mehr zu schärfen und den Fokus noch weiter auszurichten auf das, was zu tun ist. Und das hat ganz sicher mit dazu beigetragen, dass beide heute da sind, wo sie sind.

DFB.de: Erzählen Sie heutigen Juniorennationalspielern von Ihrer Arbeit mit Max Meyer oder Leon Goretzka?

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Böger: Der Weg der beiden zeigt meinen aktuellen Spielern sehr deutlich, was möglich sein kann in ganz kurzer Zeit. In gewisser Weise ist das auch ein schönes Schlussbild, dass ich meiner Mannschaft mit meinem Abschiedsländerspiel gegen Frankreich aufzeigen kann.

DFB.de: Spieler wie Julian Brandt, Timo Werner oder Jonathan Tah, die ja erst im April 2013 die U 17-Eliterunde gespielt hatten, sind in der Bundesliga schon durchgestartet. Macht Sie das auch stolz?

Böger: Ich hefte mir das nicht alleine ans Revers. Das wäre ja auch Quatsch. Die Spieler haben ihren Weg in den Vereinen gefunden und die Unterstützung ihrer Vereinstrainer genossen. Das muss mal deutlich gesagt werden. Es ist beispielhaft, wie in den Nachwuchsleistungszentren gearbeitet wird. Es ist Freude pur, wenn ich samstags den Fernseher anmache oder im Radio höre, dass sie auf dem Platz stehen. Dann schmunzle in und denke, so schlecht haben wir gar nicht gearbeitet.

DFB.de: Zum Abschluss geht es heute gegen Frankreich. Auch im Juniorenfußball ist das ein Klassiker. Haben Sie sich etwas Besonderes vorgenommen, um die Zeit beim DFB mit Ihrem Trainer- und Betreuerstab ausklingen zu lassen?

Böger: Das Besondere ist, dass es nichts Besonderes geben wird. Ich habe mir dazu Gedanken gemacht und werde zu den Wegbegleitern, die von Anfang an dabei waren, hoffentlich die richtigen Worte finden. Aber eine Aktion oder dergleichen habe ich mir nicht ausgedacht. Ich fände es auch nicht gut, sich in den Mittelpunkt zu stellen.

DFB.de: Warum? Es ist immerhin Ihr Abschiedsspiel.

Böger: Es ist ein Länderspiel, es geht um die Spieler. Es ging mir immer nur um die Spieler. Sie sollen sich auf die Partie freuen, sich auf ihre Aufgabe vorbereiten und - wenn möglich - das Spiel gewinnen. Wir werden volle Pulle draufgehen, agieren, riskieren und alles geben. Aber ich gebe zu: Es würde mich natürlich freuen, wenn die Jungs zum Schluss noch einmal einen Sieg einfahren könnten.