Bochumer Goosen: "Spiel schon verloren? Davon geht hier keiner aus"

Im Broterwerb ist Frank Goosen Autor und Kabarettist. Was aber auch nur daran liegt, dass es den hauptberuflichen Fußballfan nicht gibt. Der 49-Jährige hat das Beste aus der Situation gemacht und fiebert mit seinem Verein, dem VfL Bochum 1848, mittlerweile als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. Nun liegen aufregende Tage vor ihm. Am Mittwoch kommen die Bayern im DFB-Pokal und am 18. Februar erscheint sein neues Buch „Förster, mein Förster“. DFB-Redakteur Niels Barnhofer hat mit ihm über Melancholie, absurde Komik und nüchterne Realität gesprochen.

DFB.de: Herr Goosen, würden Sie sich als Melancholiker bezeichnen?

Frank Goosen: Eigentlich schon. Ich habe – neben der Tatsache, dass ich gerne Leute zum Lachen bringe – immer auch die Einsicht, dass Lachen nicht alles ist. Als Anhänger des VfL Bochum sowieso.

DFB.de: Kennen Sie die Pokal- und Bundesliga-Statistik des VfL gegen den FC Bayern?

Goosen: Nein, nicht auswendig. Ich weiß nur, dass wir sowohl in der Bundesliga als auch im DFB-Pokal gegen die Bayern etliche sehr gute Spiele gemacht haben. Also dieser Automatismus, dass der VfL von den Bayern immer nur schwer über die Rübe bekommen hat, diese Behauptung ist nicht zu halten.

DFB.de: Dann schätzen Sie doch mal, wie die Bilanz aussieht.

Goosen: Ich würde sagen, wenn es 50 Spiele waren, haben wir wahrscheinlich 30 verloren.

DFB.de: Die DFB.de-Datenbank sagt: 73 Spiele, neun Siege, 16 Unentschieden, 48 Niederlagen. Überrascht?

Goosen: Überrascht mich jetzt nicht. Ich habe erst kürzlich auf einer Veranstaltung alte Zeitungsausschnitte in mein Programm eingebaut. Die waren von 1974. Der VfL hatte die Bayern mit 3:0 geschlagen. In den Artikeln stand, dass Udo Lattek anschließend um Entlassung gebeten hatte. Wahrscheinlich, weil er Trainer beim VfL werden wollte, damals eine aufstrebende, junge Truppe mit einem für damalige Verhältnisse sehr modernen Trainer, Heinz Höher. Und da haben wir die Bayern 3:0 weggefiedelt. Das war vom Allerfeinsten, die Schlagzeilen von damals haben sich überschlagen. Allerdings haben wir eben auch das berühmte Jahrhundert-Spiel (Anm. d. Red.: Saison 1976/77) gehabt, in dem der VfL erst 4:0 führt, um dann noch 5:6 zu verlieren. Hermann Gerland hat mir mal erzählt, dass ihn Uli Hoeneß heute noch damit aufzieht.

DFB.de: An welche Spiele und Szenen erinnern Sie sich zurück?

Goosen: Ich kann mich tatsächlich an dieses 5:6 erinnern. Ich war im Stadion dabei. Es war eines der ersten Spiele vor der neuen Südtribüne, das Stadion wurde damals noch umgebaut und mein Vater hatte da ausnahmsweise mal Sitzplatzkarten gekauft. Die habe ich übrigens jahrzehntelang aufbewahrt, sie sind dann aber bei irgendeinem Umzug verloren gegangen. Aber ich weiß noch, dass wir im Block A, Reihe 22, Sitz 1 und 2 saßen. Das werde ich mein Leben nicht vergessen, es gab im Bochumer Stadion noch orangefarbene Sitzschalen, die waren damals topmodern. Und dann das Spiel. Wir konnten es alle nicht fassen. Erst unsere 4:0-Führung und dann, dass wir das noch verloren haben.

DFB.de: Wissen Sie noch, wann der VfL zum bisher letzten Mal gegen die Bayern gewonnen hat?

Goosen: Ich weiß ungefähr wann der letzte Auswärtssieg gegen den FC Bayern war, das war Anfang der 90er Jahre, 1992 oder so?

DFB.de: Der letzte Heimsieg ist auch schon über zehn Jahre her, datiert aus dem Jahr 2004.

Goosen: Ja, 2004! An den erinnere ich mich genau. (lacht)

DFB.de: Wissen Sie noch, wer das Tor gemacht hat zum 1:0-Sieg?

Goosen: Das war Peter Madsen.

DFB.de: Richtig!

Goosen: Ja, das weiß ich deshalb, weil Peter Madsen vor dem Treffer Oliver Kahn ausgespielt hatte – und davon gibt es ein Foto, wo Oliver Kahn wie eine tote Schildkröte auf dem Rücken liegt und Madsen an ihm vorbeigeht. Und mit diesem Fotomotiv hat ein Freund von mir sich damals ein T-Shirt gemacht.

DFB.de: Steigern wir den Schwierigkeitsgrad: Wann hat der VfL die Bayern letztmals im Pokal besiegen können?

Goosen: Das weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass es einen der wichtigsten Pokalsiege der Vereinsgeschichte gab, das war im Halbfinale 1968, da hat der VfL 2:1 gewonnen.

DFB.de: Richtig! Spricht die Bilanz Ihre melancholische Ader an?

Goosen: Nein, in diesem Fall würde ich eher sagen: meine kämpferische Ader. Gerade in Hinblick auf das bevorstehende Pokalspiel.

DFB.de: Sie sind Meister der absurden Komik: Entwerfen Sie doch mal ein entsprechendes Szenario für das Pokalspiel.

Goosen: Ich weiß nicht. Ich komm da nicht auf absurde Komik. Ich kann dieses Spiel bisher noch nicht unter satirischen Aspekten sehen, da man in Bochum wegen dieser Partie sehr aufgeregt ist und in der Stadt sowie im ganzen Verein eine erwartungsfrohe und ungemein kämpferische Stimmung herrscht. Also hier geht keiner davon aus, dass das Spiel automatisch verloren ist. Die Mannschaft ist besser als vor einem halben Jahr. Die Qualität ist hoch. Ich war selber mit im Trainingslager, die Spieler sind enger zusammengerückt und ziemlich heiß auf die Rückrunde. Sie haben sich was vorgenommen. Und sie sind alle sehr, sehr heiß auf dieses Spiel. Wie ich auch. Wir gehen da rein, um das Spiel zu gewinnen, ganz klar. Und das ist für mich keine absurde Komik, sondern eine Selbstverständlichkeit. Denn wenn man in ein Pokalspiel geht, ein K.o.-Spiel also, kann alles passieren.

DFB.de: Und wie wird die nüchterne Realität aussehen?

Goosen: Realistisch betrachtet, ist es wahrscheinlicher, dass am Ende der FC Bayern das Spiel gewinnt. Aber ein bekannter Bochumer Autor und Kabarettist – ich glaube, ich war das selber - hat mal gesagt: „Auf wahrscheinlich ist geschissen.“ Wenn einer in so ein Spiel gehen würde mit der Haltung „Verlieren wir ja sowieso“, dann würde ich den rausschmeißen. Das würde meinem Verständnis von Leistungssport total zuwiderlaufen. Natürlich sind die Bayern Favorit, aber das ist ein K.o.-Spiel, was bedeutet, dass es kein Unentschieden geben wird. Natürlich müssen wir über uns hinauswachsen, aber das traue ich unserer Mannschaft zu.

DFB.de: Sie gelten auch als feiner Beobachter des Zwischenmenschlichen. Welche Szenen erhoffen Sie sich denn beim Pokalspiel zu erhaschen?

Goosen: Da erhoffe ich mir ganz klar, dass wir die Bayern-Spieler kollegial trösten müssen. Ich bin sehr gespannt drauf, wie Hermann Gerland damit umgeht, weil in Hermann Gerlands Brust zwei Herzen schlagen. Er liebt seinen FC Bayern, aber der VfL Bochum ist natürlich seine Heimat und hier ist er eine Legende. Intensiv wird es aber für uns alle.

[nb]

Im Broterwerb ist Frank Goosen Autor und Kabarettist. Was aber auch nur daran liegt, dass es den hauptberuflichen Fußballfan nicht gibt. Der 49-Jährige hat das Beste aus der Situation gemacht und fiebert mit seinem Verein, dem VfL Bochum 1848, mittlerweile als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. Nun liegen aufregende Tage vor ihm. Am Mittwoch kommen die Bayern im DFB-Pokal und am 18. Februar erscheint sein neues Buch „Förster, mein Förster“. DFB-Redakteur Niels Barnhofer hat mit ihm über Melancholie, absurde Komik und nüchterne Realität gesprochen.

DFB.de: Herr Goosen, würden Sie sich als Melancholiker bezeichnen?

Frank Goosen: Eigentlich schon. Ich habe – neben der Tatsache, dass ich gerne Leute zum Lachen bringe – immer auch die Einsicht, dass Lachen nicht alles ist. Als Anhänger des VfL Bochum sowieso.

DFB.de: Kennen Sie die Pokal- und Bundesliga-Statistik des VfL gegen den FC Bayern?

Goosen: Nein, nicht auswendig. Ich weiß nur, dass wir sowohl in der Bundesliga als auch im DFB-Pokal gegen die Bayern etliche sehr gute Spiele gemacht haben. Also dieser Automatismus, dass der VfL von den Bayern immer nur schwer über die Rübe bekommen hat, diese Behauptung ist nicht zu halten.

DFB.de: Dann schätzen Sie doch mal, wie die Bilanz aussieht.

Goosen: Ich würde sagen, wenn es 50 Spiele waren, haben wir wahrscheinlich 30 verloren.

DFB.de: Die DFB.de-Datenbank sagt: 73 Spiele, neun Siege, 16 Unentschieden, 48 Niederlagen. Überrascht?

Goosen: Überrascht mich jetzt nicht. Ich habe erst kürzlich auf einer Veranstaltung alte Zeitungsausschnitte in mein Programm eingebaut. Die waren von 1974. Der VfL hatte die Bayern mit 3:0 geschlagen. In den Artikeln stand, dass Udo Lattek anschließend um Entlassung gebeten hatte. Wahrscheinlich, weil er Trainer beim VfL werden wollte, damals eine aufstrebende, junge Truppe mit einem für damalige Verhältnisse sehr modernen Trainer, Heinz Höher. Und da haben wir die Bayern 3:0 weggefiedelt. Das war vom Allerfeinsten, die Schlagzeilen von damals haben sich überschlagen. Allerdings haben wir eben auch das berühmte Jahrhundert-Spiel (Anm. d. Red.: Saison 1976/77) gehabt, in dem der VfL erst 4:0 führt, um dann noch 5:6 zu verlieren. Hermann Gerland hat mir mal erzählt, dass ihn Uli Hoeneß heute noch damit aufzieht.

DFB.de: An welche Spiele und Szenen erinnern Sie sich zurück?

Goosen: Ich kann mich tatsächlich an dieses 5:6 erinnern. Ich war im Stadion dabei. Es war eines der ersten Spiele vor der neuen Südtribüne, das Stadion wurde damals noch umgebaut und mein Vater hatte da ausnahmsweise mal Sitzplatzkarten gekauft. Die habe ich übrigens jahrzehntelang aufbewahrt, sie sind dann aber bei irgendeinem Umzug verloren gegangen. Aber ich weiß noch, dass wir im Block A, Reihe 22, Sitz 1 und 2 saßen. Das werde ich mein Leben nicht vergessen, es gab im Bochumer Stadion noch orangefarbene Sitzschalen, die waren damals topmodern. Und dann das Spiel. Wir konnten es alle nicht fassen. Erst unsere 4:0-Führung und dann, dass wir das noch verloren haben.

DFB.de: Wissen Sie noch, wann der VfL zum bisher letzten Mal gegen die Bayern gewonnen hat?

Goosen: Ich weiß ungefähr wann der letzte Auswärtssieg gegen den FC Bayern war, das war Anfang der 90er Jahre, 1992 oder so?

DFB.de: Der letzte Heimsieg ist auch schon über zehn Jahre her, datiert aus dem Jahr 2004.

Goosen: Ja, 2004! An den erinnere ich mich genau. (lacht)

DFB.de: Wissen Sie noch, wer das Tor gemacht hat zum 1:0-Sieg?

Goosen: Das war Peter Madsen.

DFB.de: Richtig!

Goosen: Ja, das weiß ich deshalb, weil Peter Madsen vor dem Treffer Oliver Kahn ausgespielt hatte – und davon gibt es ein Foto, wo Oliver Kahn wie eine tote Schildkröte auf dem Rücken liegt und Madsen an ihm vorbeigeht. Und mit diesem Fotomotiv hat ein Freund von mir sich damals ein T-Shirt gemacht.

DFB.de: Steigern wir den Schwierigkeitsgrad: Wann hat der VfL die Bayern letztmals im Pokal besiegen können?

Goosen: Das weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass es einen der wichtigsten Pokalsiege der Vereinsgeschichte gab, das war im Halbfinale 1968, da hat der VfL 2:1 gewonnen.

DFB.de: Richtig! Spricht die Bilanz Ihre melancholische Ader an?

Goosen: Nein, in diesem Fall würde ich eher sagen: meine kämpferische Ader. Gerade in Hinblick auf das bevorstehende Pokalspiel.

DFB.de: Sie sind Meister der absurden Komik: Entwerfen Sie doch mal ein entsprechendes Szenario für das Pokalspiel.

Goosen: Ich weiß nicht. Ich komm da nicht auf absurde Komik. Ich kann dieses Spiel bisher noch nicht unter satirischen Aspekten sehen, da man in Bochum wegen dieser Partie sehr aufgeregt ist und in der Stadt sowie im ganzen Verein eine erwartungsfrohe und ungemein kämpferische Stimmung herrscht. Also hier geht keiner davon aus, dass das Spiel automatisch verloren ist. Die Mannschaft ist besser als vor einem halben Jahr. Die Qualität ist hoch. Ich war selber mit im Trainingslager, die Spieler sind enger zusammengerückt und ziemlich heiß auf die Rückrunde. Sie haben sich was vorgenommen. Und sie sind alle sehr, sehr heiß auf dieses Spiel. Wie ich auch. Wir gehen da rein, um das Spiel zu gewinnen, ganz klar. Und das ist für mich keine absurde Komik, sondern eine Selbstverständlichkeit. Denn wenn man in ein Pokalspiel geht, ein K.o.-Spiel also, kann alles passieren.

DFB.de: Und wie wird die nüchterne Realität aussehen?

Goosen: Realistisch betrachtet, ist es wahrscheinlicher, dass am Ende der FC Bayern das Spiel gewinnt. Aber ein bekannter Bochumer Autor und Kabarettist – ich glaube, ich war das selber - hat mal gesagt: „Auf wahrscheinlich ist geschissen.“ Wenn einer in so ein Spiel gehen würde mit der Haltung „Verlieren wir ja sowieso“, dann würde ich den rausschmeißen. Das würde meinem Verständnis von Leistungssport total zuwiderlaufen. Natürlich sind die Bayern Favorit, aber das ist ein K.o.-Spiel, was bedeutet, dass es kein Unentschieden geben wird. Natürlich müssen wir über uns hinauswachsen, aber das traue ich unserer Mannschaft zu.

DFB.de: Sie gelten auch als feiner Beobachter des Zwischenmenschlichen. Welche Szenen erhoffen Sie sich denn beim Pokalspiel zu erhaschen?

Goosen: Da erhoffe ich mir ganz klar, dass wir die Bayern-Spieler kollegial trösten müssen. Ich bin sehr gespannt drauf, wie Hermann Gerland damit umgeht, weil in Hermann Gerlands Brust zwei Herzen schlagen. Er liebt seinen FC Bayern, aber der VfL Bochum ist natürlich seine Heimat und hier ist er eine Legende. Intensiv wird es aber für uns alle.