Benefizländerspiel: "4,5 Millionen Euro für gute Sache"

Wenn Deutschland am Freitag (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) im letzten WM-Test Armenien empfängt, heißt der Gastgeber Eugen Gehlenborg. Der ehemalige Referent des niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur und heutige DFB-Vizepräsident für Soziales hält auch den Vorsitz der DFB-Stiftung Egidius Braun. Und die ist rechtlich Ausrichter des Benefizländerspiels. Mehrere Millionen Euro werden in Mainz für die gute Sache erspielt.

Der 66-jährige Gehlenborg redet im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Thomas Hackbarth über Einnahmen und Geldverteilung beim Benefizländerspiel, zieht aber auch die großen Linien sozialen Handelns im und durch den Fußball.

DFB.de: Deutschland will Weltmeister werden, die Entscheidung, ob das klappt, fällt hoffentlich im Maracana-Stadion. Mit etwas längerer Brennweite betrachtet: Welche Ziele sollte sich der Fußball für die Zeit nach dem 13. Juli stecken?

Eugen Gehlenborg: Ganz Deutschland freut sich auf diese WM. Gerade über diese Emotionen können wir Menschen mit anderen wichtigen Themen ansprechen, etwa Fairplay, Ehrenamt, Respekt. Über den Fußball erreicht man unglaublich viele Menschen sehr direkt. Der DFB steht mit seinem sozialen und gesellschaftspolitischen Engagement längst nicht mehr alleine. Da hat sich in den vergangenen Jahren viel entwickelt. Fast alle Bundesligavereine sind hier inzwischen aktiv. Die DFL betont, wie wichtig gesellschaftliche Impulse sind. Fußball findet nicht nur auf dem Platz statt. Das ganze Drumherum ist mitentscheidend.

DFB.de: Für "das ganze Drumherum" sind Sie als Vizepräsident für Soziales und Gesellschaftspolitik im DFB-Präsidium zuständig - die Stiftungen, Anti-Diskriminierung, Integration, um nur ein paar Themen zu nennen. Das Feld ist weit und manchmal unübersichtlich. Knapp sieben Monate nach Ihrer Wahl beim DFB-Bundestag in Nürnberg, wie sehr fühlen Sie sich angekommen und angenommen im DFB-Präsidium?

Gehlenborg: Angenommen sicher, angekommen braucht noch. Bis mir die gesamte Bandbreite der DFB-Nachhaltigkeit vertraut ist, das wird noch dauern. Da wären die etablierten Auszeichnungen, die Kampagnen, die Stiftungen und vieles mehr. Wolfgang Niersbach jedenfalls habe ich persönlich versichert, dass er mit mir einen absoluten Überzeugungstäter an seiner Seite hat. Meine Identifikation mit dieser Aufgabe, das Soziale im Präsidium zu vertreten, liegt bei 100 Prozent. Aber noch brauche ich etwas Zeit, mich ganz vertraut zu machen. Momentan verwalte ich eher noch - das Gestalten kommt später.

DFB.de: Reden wir über ein Thema, das Ihnen beim niedersächsischen Ministerium wichtig war - das Ehrenamt. Ohne Trainer, Betreuer, Vereinsvorstände und Platzwarte wird dem Fußball schnell die Luft ausgehen. Doch die Zahlen sind weiterhin stark rückläufig. Wie ernst ist die Lage?

Gehlenborg: Der DFB agiert als Fachverband vorbildlich. Die Ehrenamtsaktion "Club 100" funktioniert auch 15 Jahre nach dem Start. Die ausgezeichneten Menschen kehren hochmotiviert zurück zu ihrer Aufgabe. Das Problem ist, wenn wir 1000 erreichen, müssten es 10.000 sein. Und während die Bereitschaft sinkt, sich ehrenamtlich im Verein zu engagieren, nehmen die Anforderungen zu. Denken Sie nur an die neuen Medien. Jeder Klub braucht heute neben der Internet- und Facebookseite perspektivisch auch noch einen Liveticker vom Spiel.



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Wenn Deutschland am Freitag (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) im letzten WM-Test Armenien empfängt, heißt der Gastgeber Eugen Gehlenborg. Der ehemalige Referent des niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur und heutige DFB-Vizepräsident für Soziales hält auch den Vorsitz der DFB-Stiftung Egidius Braun. Und die ist rechtlich Ausrichter des Benefizländerspiels. Mehrere Millionen Euro werden in Mainz für die gute Sache erspielt.

Der 66-jährige Gehlenborg redet im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Thomas Hackbarth über Einnahmen und Geldverteilung beim Benefizländerspiel, zieht aber auch die großen Linien sozialen Handelns im und durch den Fußball.

DFB.de: Deutschland will Weltmeister werden, die Entscheidung, ob das klappt, fällt hoffentlich im Maracana-Stadion. Mit etwas längerer Brennweite betrachtet: Welche Ziele sollte sich der Fußball für die Zeit nach dem 13. Juli stecken?

Eugen Gehlenborg: Ganz Deutschland freut sich auf diese WM. Gerade über diese Emotionen können wir Menschen mit anderen wichtigen Themen ansprechen, etwa Fairplay, Ehrenamt, Respekt. Über den Fußball erreicht man unglaublich viele Menschen sehr direkt. Der DFB steht mit seinem sozialen und gesellschaftspolitischen Engagement längst nicht mehr alleine. Da hat sich in den vergangenen Jahren viel entwickelt. Fast alle Bundesligavereine sind hier inzwischen aktiv. Die DFL betont, wie wichtig gesellschaftliche Impulse sind. Fußball findet nicht nur auf dem Platz statt. Das ganze Drumherum ist mitentscheidend.

DFB.de: Für "das ganze Drumherum" sind Sie als Vizepräsident für Soziales und Gesellschaftspolitik im DFB-Präsidium zuständig - die Stiftungen, Anti-Diskriminierung, Integration, um nur ein paar Themen zu nennen. Das Feld ist weit und manchmal unübersichtlich. Knapp sieben Monate nach Ihrer Wahl beim DFB-Bundestag in Nürnberg, wie sehr fühlen Sie sich angekommen und angenommen im DFB-Präsidium?

Gehlenborg: Angenommen sicher, angekommen braucht noch. Bis mir die gesamte Bandbreite der DFB-Nachhaltigkeit vertraut ist, das wird noch dauern. Da wären die etablierten Auszeichnungen, die Kampagnen, die Stiftungen und vieles mehr. Wolfgang Niersbach jedenfalls habe ich persönlich versichert, dass er mit mir einen absoluten Überzeugungstäter an seiner Seite hat. Meine Identifikation mit dieser Aufgabe, das Soziale im Präsidium zu vertreten, liegt bei 100 Prozent. Aber noch brauche ich etwas Zeit, mich ganz vertraut zu machen. Momentan verwalte ich eher noch - das Gestalten kommt später.

DFB.de: Reden wir über ein Thema, das Ihnen beim niedersächsischen Ministerium wichtig war - das Ehrenamt. Ohne Trainer, Betreuer, Vereinsvorstände und Platzwarte wird dem Fußball schnell die Luft ausgehen. Doch die Zahlen sind weiterhin stark rückläufig. Wie ernst ist die Lage?

Gehlenborg: Der DFB agiert als Fachverband vorbildlich. Die Ehrenamtsaktion "Club 100" funktioniert auch 15 Jahre nach dem Start. Die ausgezeichneten Menschen kehren hochmotiviert zurück zu ihrer Aufgabe. Das Problem ist, wenn wir 1000 erreichen, müssten es 10.000 sein. Und während die Bereitschaft sinkt, sich ehrenamtlich im Verein zu engagieren, nehmen die Anforderungen zu. Denken Sie nur an die neuen Medien. Jeder Klub braucht heute neben der Internet- und Facebookseite perspektivisch auch noch einen Liveticker vom Spiel.

DFB.de: Gerade Jüngere tun sich schwer, stundenlang unentgeltlich für den Sportverein zu ackern. Was also tun?

Gehlenborg: Beim Norddeutschen Fußball-Verband haben wir jetzt gemeinsam mit einem großen Automobilkonzern ein interessantes Projekt entwickelt. Hierbei erhöhen Bewerber maßgeblich ihre Chancen, wenn sie ehrenamtlich tätig sind. Einmal eingestellt, werden sie für die Vereinsarbeit gegen Stundenausgleich auch mal freigestellt. Entscheidend ist hier die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Bei Qualifizierungsmaßnahmen werden sie bevorzugt. Der Autokonzern bestätigt uns, dass die ehrenamtlich aktiven Mitarbeiter beruflich aktiver und kommunikativer sind. Momentan sind wir dran, diese positiven Kompetenzgewinne wissenschaftlich zu untermauern. Politisch verankert ist bereits die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Ehrenamt wollen wir erreichen. Der NFV treibt das im Zusammenspiel mit mehreren großen Unternehmen voran.

DFB.de: Bereits 2013 bewirkte die Lobbyarbeit des DFB eine Weiterentwicklung beim Ehrenamt.

Gehlenborg: Im vergangenen Jahr trat das Ehrenamtsstärkungsgesetz in Kraft. Hierfür hatten wir erfolgreich argumentiert. So wurde der Übungsleiterfreibetrag rückwirkend zum Jahresanfang von 2100 auf 2400 Euro pro Jahr erhöht, der Ehrenamtsfreibetrag von 500 auf 720 Euro pro Jahr. Auch die Haftungsregelungen wurden verbessert. Aber es sind eben nicht nur die monetären Bedingungen, die eine junge Frau oder einen jungen Mann überzeugen zu sagen: "Ich gehe in den Vorstand" oder "Jetzt mache ich den Trainer". Es geht auch um die wirtschaftlichen und beruflichen Rahmenbedingungen. Das Stundenvolumen vieler Arbeitnehmer hat zugenommen. Man muss erst mal Zeit haben. Und dann wollen junge Leute vor allem dazulernen im Verein, man will in seiner Aufgabe und als Person wachsen.

DFB.de: Und damit wiederum die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen?

Gehlenborg: Genau. Unternehmen sollten nicht so exklusiv nur den Bildungsabschluss bewerten, sondern die Gesamtkompetenz des künftigen Mitarbeiters.

DFB.de: Integration ist ein weiteres Thema in Ihrem Bereich. Ein Fünftel der in Deutschland Fußball spielenden Menschen hat eine Zuwanderungsgeschichte. Das ist über Schnitt im Vergleich zur Gesellschaft.

Gehlenborg: Mobilität ist gefragt, und angesichts der deutschen Wirtschaftsleistung sind Hunderttausende zu uns gekommen. Wo bin ich eigentlich zu Hause? Das ist schon eine Frage für viele. Der Fußball aufgrund seiner globalen Beliebtheit kann hier eine Antwort liefern, unsere Fußballvereine auch. In meiner Zeit im Ministerium für Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen haben wir im Rahmen von Weiterbildungsprojekten Einwanderer aus Weißrussland betreut, die weder die Sprache konnten noch sonst motiviert schienen, sich einzugliedern. Ein Fußballkurs hat dann unglaublich viel verändert. Plötzlich entstanden Gruppengefühl, Vertrauen, auch Sprachkompetenz. Menschen bekommen Rückenwind, sobald erst mal ein Wir-Gefühl entsteht.

DFB.de: Packen wir noch ein brisantes Thema an: Fußball und Rechtsextremismus, Diskriminierung und Rassismus. Positioniert sich der Fußball hier klar genug?

Gehlenborg: Ein eindeutiges Ja. Nils Havemann hat die Geschichte des DFB im Nationalsozialismus erforscht, seine Studie "Fußball unterm Hakenkreuz" hat auch schlimme Verfehlungen wie den Ausschluss jüdischer Fußballer offengelegt. Unsere U 18-Junioren fahren immer gegen Jahresende nach Israel und besuchen dort die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Seit 2006 verleiht der DFB alljährlich den Julius Hirsch Preis, ebenfalls ein starkes Zeichen gegen jede Form der Diskriminierung. Hier ist der DFB sehr gut aufgestellt.

DFB.de: Hat es Sie dann nicht umso mehr geärgert, dass beim Training der Nationalmannschaft auf St. Pauli ein Banner "Kein Fußball den Faschisten" zugehängt wurde?

Gehlenborg: Hinter der Aussage dieses Banners können wir alle stehen, gewissermaßen ist sie die Basis unseres Landes. Aber wissen Sie, ich will auch sagen: Die Kollegen vor Ort hatten die Aufgabe, das Stadion werbefrei zu machen, damit die Nationalmannschaft bestehende Verträge nicht verletzt. St. Pauli war ein Ausweichstadion, das Wetter und die bevorstehende Relegation des HSV machten den Umzug notwendig. Die DFB-Mitarbeiter mussten also schnell entscheiden. Sie trafen eine falsche Entscheidung. Aber daraus jetzt ein Abdriften des DFB in eine rechte Ecke abzuleiten, finde ich haarsträubend. Wir haben einen Fehler gemacht. Und Punkt.

DFB.de: Das Benefizländerspiel an diesem Freitag wird eine Menge Geld einspielen, das zum Großteil an die Sozialstiftungen des Fußballs überwiesen wird. Mit welcher Summe rechnen Sie? Und wie wird das Geld an die Stiftungen verteilt?

Gehlenborg: Wir rechnen mit einer Einnahme von 4,5 Millionen Euro. Gut die Hälfte bekommt die Egidius-Braun-Stiftung. Die Bundesliga-Stiftung erhält ein Drittel. Die Zusammenarbeit mit der Liga bei den Sozialthemen ist inzwischen sehr vertrauensvoll und konstruktiv, etwa auch jetzt bei der Sozialkampagne im WM-Land Brasilien. Den Rest der 4,5 Millionen Euro erhalten die DFB-Kulturstiftung und die Sepp-Herberger-Stiftung, die ihre Arbeit ohne das Benefizspiel nicht machen könnten. Die Stiftungen erweitern das Wirkungsfeld des DFB.

DFB.de: Am Freitag findet bereits das 13. Benefizländerspiel statt, wenn man die Spiele gegen Bundesligateams und die "Fluthilfe-Spiele" hinzurechnet. Wie kam es eigentlich zu der Idee, einmal alle zwei Jahre die Einnahmen eines Länderspiels an die Sozialstiftungen zu spenden?

Gehlenborg: Die Idee hatte der damalige DFB-Präsident Egidius Braun. Nach den Anschlägen auf ein Asylbewerberheim in Rostock und dann dem Brandanschlag auf die Familie Genc in Solingen ließ er seinen Stab ein Spiel zwischen der Nationalmannschaft und einer internationalen Bundesligaauswahl organisieren. Das Spiel stand unter dem Motto: "Mein Freund ist Ausländer". Das war 1993, das Benefizländerspiel hat mittlerweile also eine stolze Tradition.

DFB.de: Reicht das Geld für die Arbeit der Stiftungen in den kommenden zwei Jahren?

Gehlenborg: Den größten Anteil an der Gesamtsumme macht das TV-Geld aus. Die Einnahme durch den Ticketverkauf ist durch einen Präsidiumsbeschluss noch einmal erhöht worden. Mit dem DFB-Schatzmeister Reinhard Grindel haben die Stiftungen einen wichtigen Mitstreiter. Er ist zutiefst von dieser Arbeit überzeugt und versucht immer, das bestmögliche Ergebnis herauszuholen.

DFB.de: Sie sind Jahrgang 1947 und wurden in Petersdorf bei Oldenburg geboren. Wer waren denn die Fußballhelden Ihrer Kindheit?

Gehlenborg: Uwe Seeler. Auch verletzt hat er sich ganz selten auswechseln lassen, eine unglaubliche Einstellung. Franz Beckenbauer war technisch das Erlebnis in meinem Fußballleben. Sepp Maier hat den Humor in den Fußball gebracht.

DFB.de: Heute heißen die Helden Philipp Lahm oder Miroslav Klose. Zehn Tage vor dem WM-Eröffnungsspiel Brasilien gegen Kroatien und zwei Wochen vor dem Turnierstart unserer Mannschaft: Wie sehen Sie die deutschen Chancen?

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Gehlenborg: Oh, eine Expertenfrage, das wird momentan im Fernsehen und in den Zeitungen hoch und runter diskutiert. Vielleicht hilft ja ein begrenztes Wissen, so wie immer der die Million gewinnt, der zum ersten Mal einen Lottoschein ausfüllt. Meine Prognose: Unsere Mannschaft wird an den Herausforderungen wachsen und zusammengeschweißt. An den Verletzungen, an die Aufregung rund um den schlimmen Unfall, an den anderen Geschichten. Das Turnier wird kein Selbstläufer. Wir müssen brutal hart arbeiten und auf Gedeih und Verderb zusammenhalten. Das sind nicht die schlechtesten Voraussetzungen für den großen Erfolg. Der Halbfinaleinzug nach guten Spielen wäre okay, damit könnten die Fußballfans in Deutschland leben. Holen wir aber den Titel, dann würde der Fußball so ungeheuer positive Impulse bekommen, das wäre phänomenal.

DFB.de: Die richtigen Werte sind also Erfolgsfaktoren. Kann es sein, dass Nachhaltigkeit und Kerngeschäft doch viel miteinander zu tun haben?

Gehlenborg: (lacht) Wir können wahnsinnig viel erreichen, wenn wir zusammenhalten, wenn wir individuell hochkompetent sind und uns gegenseitig unterstützen und respektieren. Hätte Beckenbauer den Katsche Schwarzenbeck, der ihm viel Defensivarbeit abnahm, nicht in seiner Spielweise akzeptiert und respektiert, wären für die Bayern und die Nationalmannschaft bestimmt einige Titel weniger rausgesprungen.

DFB.de: So leicht und so schwer.

Gehlenborg: So leicht und so schwer. Ein Doppelpass hat sowohl eine technische als auch eine soziale Qualität.