Beim FSV ist jeden Tag Silvester

Man könnte dem FSV Silvester Etikettenschwindel vorwerfen. Denn statt zum Jahreswechsel lädt der Klub traditionell vor Heiligabend zum Turnier in die Thüringer Kurstadt Bad Salzungen – in diesem Jahr bereits zum 25. Mal. Sechs bis acht Hobbymannschaften aus dem Wartburgkreis spielen den Sieg beim Weihnachtsturnier aus. Ein paar Tage später geht es ein paar Nummern kleiner zu. Dann treffen sich Ortwin Schmeling und seine Mitstreiter, um das alte Jahr zu verabschieden. Nicht mit Böllern und Tischfeuerwerk, sondern mit Bällen und Fußballschuhen. "Das Jahr abkicken", nennen sie das in Bad Salzungen.

"Wir spielen das ganze Jahr über Fußball, warum nicht auch am 31. Dezember?", fragt der Erste Vorsitzende Schmeling. Klingt logisch. Also kicken sie am Silvestermittag für zwei Stunden, dann sitzen sie in der Kneipe beisammen – und manchmal haben sie dort auch die besten Ideen. 1991 etwa, als sie beschlossen, aus ihrem Freizeitkick heraus einen Verein zu gründen. Was lag da näher, als den Klub FSV Silvester 91 zu nennen? "Silvester – da kamen wir einfach nicht dran vorbei", sagt Schmeling. Dabei steht das F nicht für Fußball, sondern für Freizeit. Und mittlerweile könnte es längst für Frauen stehen.

Denn neben den Freizeitkickern, die 1994 und 1996 Landesmeister in Thüringen wurden, spielen derzeit fünf Mannschaften des FSV organisiert im Ligabetrieb – allesamt Frauen- und Mädchenmannschaften. "Eine Herrenmannschaft haben wir noch nie für den Spielbetrieb zusammenbekommen", sagt Schmeling. Schließlich ist die Konkurrenz groß. In der rund 16.000 Einwohner zählenden Kurstadt, aus der der spätere Nationalspieler Alexander Zickler und der hochdekorierte Nordische Kombinierer Ronny Ackermann stammen, gibt es sechs weitere Fußballklubs. Mit dem SV Wacker, dessen Erste Mannschaft in der Landesklasse, der siebten Liga, am höchsten spielt, teilt sich der FSV Silvester das Stadion. Bei den Frauen aber ist der Verein konkurrenzlos. "Wir haben unser Hauptaugenmerk auf die Frauen gerichtet. Die waren viel ambitionierter", sagt Schmeling.

Eine Packung vom Bundesligisten

Das Team, das 1994 in der Kreisliga startete, spielt seit dieser Saison in der Verbandsliga, es hält sich im Mittelfeld. Im vergangenen Jahr stiegen die Bad Salzungerinnen nicht nur auf, sie gewannen auch den Fairplay-Wettbewerb des Thüringer Fußball-Verbandes – nicht eine Gelbe Karte hatten sie sich eingehandelt. Zur Belohnung gab es eine Packung vom Bundesligisten aus Jena. 27:0 gewann der USV beim FSV. "Das war eine schöne Klatsche. Die haben nicht zurückgesteckt, haben das richtig ernst genommen. Ein Treffer ist uns leider nicht geglückt", erzählt Schmeling.

Nichts zu feiern also für den FSV Silvester. Ein Spruch, den die Thüringer weder auf dem Platz zu hören noch in der Lokalpresse zu lesen bekommen. Witze über seinen Klub seien sehr selten, sagt Schmeling. Vielmehr seien die Reaktionen auf den ungewöhnlichen Vereinsnamen fast durchweg positiv. "Wir hatten Schlimmes befürchtet", gibt Schmeling zu. "Wir dachten, als Stammtischverein abgestempelt zu werden. Aber die Gegner interessieren sich für unseren Namen, fragen höflich nach." Auch Stefan Huck, Trainer der ersten Frauenmannschaft, hört selbst von Gegnerinnen nur Gutes. "Komischerweise gibt es überhaupt keine dummen Sprüche. Es hat sich wohl schon herumgesprochen, dass wir kein Jux-Verein sind", sagt Huck.

197 Mitglieder zählt der Klub mittlerweile. Aus dem Spaß zum Jahresabschluss ist längst ein Ganzjahresbetrieb geworden. Wer keinen Fußball spielt, kann an den Gymnastikstunden teilnehmen. Und, wie es sich für einen in der Kneipe gegründeten Klub gehört, darf beim FSV Silvester auch gezockt werden. Jeweils acht Doppelkopf- und Skatturniere richtet der Verein im Jahr aus. "Es gibt ja auch Mitglieder mit anderen Interessen als Fußball", sagt der Vorsitzende beinahe entschuldigend. Auch wenn Trainer Huck überzeugt ist: "Es steckt noch viel Silvester im FSV Silvester."

Silvester-Party im Klubhaus

Bei aller weiblichen Dominanz: Als der Verein 2012 das umgebaute Stadion, das die Kommune für 2,2 Millionen Euro sanieren ließ, einweihte, durften die Männer ran. Beim Spiel einer Regionalauswahl gegen die Traditionsmannschaft von Carl Zeiss Jena liefen die früheren DDR-Nationalspieler Harald Irmscher, Peter Ducke und Rüdiger Schnuphase in Bad Salzungen auf. Die Wettkämpfe der Leichtathletik-Abteilung des Klubs eröffnete Olympiasieger Nils Schumann.

Selbstverständlich bietet der Klub in seiner Vereinsgaststätte in jedem Jahr eine Silvesterfeier an – der Name verpflichtet ja doch irgendwie. "Ganz zwanglos, ohne Anwesenheitspflicht", versichert Schmeling. Am ersten Sonntag des neuen Jahres lädt der Verein dann zum "Keltencup" – seit 14 Jahren spielen die Frauen das Turnier aus. Die fußballerische Verabschiedung des alten Jahres ist in Bad Salzungen dagegen noch weitestgehend in Männerhand. Aber auch das "Abkicken" hält nicht länger als eine Woche. Dann stehen sie alle wieder auf dem Platz. Und trainieren schon mal für das Weihnachtsturnier.

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Man könnte dem FSV Silvester Etikettenschwindel vorwerfen. Denn statt zum Jahreswechsel lädt der Klub traditionell vor Heiligabend zum Turnier in die Thüringer Kurstadt Bad Salzungen – in diesem Jahr bereits zum 25. Mal. Sechs bis acht Hobbymannschaften aus dem Wartburgkreis spielen den Sieg beim Weihnachtsturnier aus. Ein paar Tage später geht es ein paar Nummern kleiner zu. Dann treffen sich Ortwin Schmeling und seine Mitstreiter, um das alte Jahr zu verabschieden. Nicht mit Böllern und Tischfeuerwerk, sondern mit Bällen und Fußballschuhen. "Das Jahr abkicken", nennen sie das in Bad Salzungen.

"Wir spielen das ganze Jahr über Fußball, warum nicht auch am 31. Dezember?", fragt der Erste Vorsitzende Schmeling. Klingt logisch. Also kicken sie am Silvestermittag für zwei Stunden, dann sitzen sie in der Kneipe beisammen – und manchmal haben sie dort auch die besten Ideen. 1991 etwa, als sie beschlossen, aus ihrem Freizeitkick heraus einen Verein zu gründen. Was lag da näher, als den Klub FSV Silvester 91 zu nennen? "Silvester – da kamen wir einfach nicht dran vorbei", sagt Schmeling. Dabei steht das F nicht für Fußball, sondern für Freizeit. Und mittlerweile könnte es längst für Frauen stehen.

Denn neben den Freizeitkickern, die 1994 und 1996 Landesmeister in Thüringen wurden, spielen derzeit fünf Mannschaften des FSV organisiert im Ligabetrieb – allesamt Frauen- und Mädchenmannschaften. "Eine Herrenmannschaft haben wir noch nie für den Spielbetrieb zusammenbekommen", sagt Schmeling. Schließlich ist die Konkurrenz groß. In der rund 16.000 Einwohner zählenden Kurstadt, aus der der spätere Nationalspieler Alexander Zickler und der hochdekorierte Nordische Kombinierer Ronny Ackermann stammen, gibt es sechs weitere Fußballklubs. Mit dem SV Wacker, dessen Erste Mannschaft in der Landesklasse, der siebten Liga, am höchsten spielt, teilt sich der FSV Silvester das Stadion. Bei den Frauen aber ist der Verein konkurrenzlos. "Wir haben unser Hauptaugenmerk auf die Frauen gerichtet. Die waren viel ambitionierter", sagt Schmeling.

Eine Packung vom Bundesligisten

Das Team, das 1994 in der Kreisliga startete, spielt seit dieser Saison in der Verbandsliga, es hält sich im Mittelfeld. Im vergangenen Jahr stiegen die Bad Salzungerinnen nicht nur auf, sie gewannen auch den Fairplay-Wettbewerb des Thüringer Fußball-Verbandes – nicht eine Gelbe Karte hatten sie sich eingehandelt. Zur Belohnung gab es eine Packung vom Bundesligisten aus Jena. 27:0 gewann der USV beim FSV. "Das war eine schöne Klatsche. Die haben nicht zurückgesteckt, haben das richtig ernst genommen. Ein Treffer ist uns leider nicht geglückt", erzählt Schmeling.

Nichts zu feiern also für den FSV Silvester. Ein Spruch, den die Thüringer weder auf dem Platz zu hören noch in der Lokalpresse zu lesen bekommen. Witze über seinen Klub seien sehr selten, sagt Schmeling. Vielmehr seien die Reaktionen auf den ungewöhnlichen Vereinsnamen fast durchweg positiv. "Wir hatten Schlimmes befürchtet", gibt Schmeling zu. "Wir dachten, als Stammtischverein abgestempelt zu werden. Aber die Gegner interessieren sich für unseren Namen, fragen höflich nach." Auch Stefan Huck, Trainer der ersten Frauenmannschaft, hört selbst von Gegnerinnen nur Gutes. "Komischerweise gibt es überhaupt keine dummen Sprüche. Es hat sich wohl schon herumgesprochen, dass wir kein Jux-Verein sind", sagt Huck.

197 Mitglieder zählt der Klub mittlerweile. Aus dem Spaß zum Jahresabschluss ist längst ein Ganzjahresbetrieb geworden. Wer keinen Fußball spielt, kann an den Gymnastikstunden teilnehmen. Und, wie es sich für einen in der Kneipe gegründeten Klub gehört, darf beim FSV Silvester auch gezockt werden. Jeweils acht Doppelkopf- und Skatturniere richtet der Verein im Jahr aus. "Es gibt ja auch Mitglieder mit anderen Interessen als Fußball", sagt der Vorsitzende beinahe entschuldigend. Auch wenn Trainer Huck überzeugt ist: "Es steckt noch viel Silvester im FSV Silvester."

Silvester-Party im Klubhaus

Bei aller weiblichen Dominanz: Als der Verein 2012 das umgebaute Stadion, das die Kommune für 2,2 Millionen Euro sanieren ließ, einweihte, durften die Männer ran. Beim Spiel einer Regionalauswahl gegen die Traditionsmannschaft von Carl Zeiss Jena liefen die früheren DDR-Nationalspieler Harald Irmscher, Peter Ducke und Rüdiger Schnuphase in Bad Salzungen auf. Die Wettkämpfe der Leichtathletik-Abteilung des Klubs eröffnete Olympiasieger Nils Schumann.

Selbstverständlich bietet der Klub in seiner Vereinsgaststätte in jedem Jahr eine Silvesterfeier an – der Name verpflichtet ja doch irgendwie. "Ganz zwanglos, ohne Anwesenheitspflicht", versichert Schmeling. Am ersten Sonntag des neuen Jahres lädt der Verein dann zum "Keltencup" – seit 14 Jahren spielen die Frauen das Turnier aus. Die fußballerische Verabschiedung des alten Jahres ist in Bad Salzungen dagegen noch weitestgehend in Männerhand. Aber auch das "Abkicken" hält nicht länger als eine Woche. Dann stehen sie alle wieder auf dem Platz. Und trainieren schon mal für das Weihnachtsturnier.