"Begeisterung wird 2011 wieder aufbranden"

Frauen gewinnen, gerade auch im Fußball. Die Nationalmannschaft ist aktueller Welt- und Europameister. Auch an der Basis stimmt die Entwicklung. In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl der Mädchenteams verdoppelt.

Um über die Gegenwart und Zukunftschancen zu diskutieren, hatte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer für drei Tage in die Mainzer Rheingoldhalle zum Frauen- und Mädchenfußballkongress 2010 "Alles, außer Abseits!" eingeladen. Kurt Beck, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, hatte die Schirmherrschaft übernommen.

Auch Dagmar Freitag war nach Mainz als Gastrednerin gekommen. Seit 1994 sitzt die ehemalige Englisch-Lehrerin für die SPD im Deutschen Bundestag, im vergangenen November wurde sie zur Vorsitzenden des Sportausschusses gewählt. Und wenn der mitgliedsstärkste Einzelsportverband einen dreitägigen Kongress zum Thema Frauen- und Mädchenfußball veranstaltet, dann ist das für die 57-jährige Politikerin schon so etwas wie eine Pflichtveranstaltung.

Frauen sollen Sport treiben, sagt Dagmar Freitag‚ "unfeminine" Sportarten kennt sie nicht. Und auch in den Spitzenpositionen der Verbände wünscht sie sich mehr Frauen. "Aber wir Frauen müssen uns diese Positionen auch erobern wollen", sagt sie im DFB.de Gespräch der Woche mit Onlineredakteur Thomas Hackbarth.

DFB.de: Frau Freitag, was ist denn mit dem alten Diktum geschehen, dass Sport und Politik nichts miteinander zu tun haben?

Dagmar Freitag: Das war damals genauso falsch wie heute, denn Politik und Sport haben reichlich Gemeinsamkeiten. Beide wirken in und für die Gesellschaft, oft genug überschneiden sich die Zielsetzungen. Mit Ausnahme des Fußballs erhalten die meisten Spitzensportverbände hohe Zuwendungen vom Bund. Also schauen wir da auch genau hin. Oder lassen Sie uns einen Blick zurück auf die WM in Südafrika werfen: In der deutschen Mannschaft standen etliche junge Männer mit ausländischen Wurzeln. Für uns Fans war das unsere Nationalmannschaft, die ein großartiges Turnier gespielt hat. Die Frage der Herkunft der Spieler spielte - wenn überhaupt - in der Diskussion eine positive Rolle. Auch dieses Beispiel zeigt die gesellschaftspolitische Wirkung des Sports.

DFB.de: Wie zufrieden sind Sie mit der Gleichstellung der Frau im Sport?

Freitag: Das Thema ist nicht neu. Sowohl der Deutsche Olympische Sport-Bund als auch der DFB bemühen sich seit vielen Jahren und durchaus mit steigendem Erfolg, Frauen dafür zu begeistern, sich ehrenamtlich einzubringen. Ich möchte Frauen auch ausdrücklich ermuntern, sich dafür zur Verfügung zu stellen. Der Status Quo ist dennoch nicht zufriedenstellend. Im Geschäftsführenden Präsidium des Deutschen Leichtathletik-Verbandes bin ich beispielsweise nach wie vor die einzige Frau.

DFB.de: Woran liegt das?

Freitag:Dafür gibt es vielschichtige Gründe. Ich glaube nicht, dass man ausschließlich die Männer, die den Sport traditionell in Führungspositionen dominieren, dafür verantwortlich machen kann. Wir Frauen müssen diese Positionen auch erobern wollen. Dafür braucht es aber ab und zu gute Nerven und Stehvermögen. Ich weiß, wovon ich spreche...

DFB.de: Wird es gelingen, mehr Mädchen und Frauen dafür zu begeistern, selbst Fußball zu spielen?

Freitag: Da bin ich mir sehr sicher. Der Aufschwung des Mädchen- und Frauenfußballs in Deutschland ist bemerkenswert. Ausgelöst wurde dieser Aufschwung sicher durch die großen Erfolge der Frauen-Nationalmannschaft, aber auch durch das sympathische und souveräne Auftreten aller weiblichen DFB-Teams. In meiner Heimatstadt Iserlohn bieten mittlerweile viele Fußballvereine Trainingsmöglichkeiten für Mädchen an. Warten wir mal die WM 2011 im eigenen Land ab. Die Wirkung wird enorm sein, danach wollen sicher noch viel mehr Mädchen dem Ball hinterherjagen.

DFB.de: Gibt es Sportarten, die für Frauen und Mädchen nicht geeignet, die also "unfeminin" sind?

Freitag: Vor ein paar Jahren haben alle den Kopf geschüttelt, als Frauen plötzlich den Hammer werfen wollten. Und heute? Wir sehen überwiegend schlanke, bestens trainierte Frauen, die mit glänzender Technik ihr Sportgerät beherrschen. Subjektiv kann sicher jeder Einzelne sich bei bestimmten Sportarten immer mal fragen: "Muss das sein?" Aber das gilt dann bitte gleichermaßen für Männer wie Frauen.

DFB.de: Welche Ziele verbinden Sie mit der Frauen-WM 2011 hier in Deutschland?

Freitag: Erst mal freue ich mich wahnsinnig darauf. Die Generalprobe mit der U 20-Weltmeisterschaft diesen Sommer war schon ein großer Erfolg. Volle Stadien, begeisterte Zuschauer - das hat Lust auf Mehr gemacht. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Funke auch 2011 überspringen wird. Deutschland ist ein sportbegeistertes Land, und das werden die Frauen nächstes Jahr genauso zu spüren bekommen wie 2006 die Männer.

DFB.de: Das internationale Ansehen der Deutschen erfuhr durch die WM 2006 eine kräftige Aufpolierung. Was für eine internationale Botschaft kann von einer Frauen-WM ausgehen?

Freitag: Ich rate davon ab, die beiden Veranstaltungen miteinander zu vergleichen. Da täten wir der Frauen-WM keinen Gefallen; die Rahmenbedingungen sind ja auch andere. Aber nach der Fußball-WM, der Handball-WM oder der Leichtathletik-WM, um nur ein paar Beispiele zu nennen, richten wir ein weiteres internationales Großereignis aus. Die Begeisterung der Fans wird wieder aufbranden. Und die Gastmannschaften aus aller Welt werden sich wieder herzlich willkommen fühlen. Das alles spricht für Deutschland, auch und gerade im Ausland.

DFB.de: In manchen Teilen der Welt hat Frauenfußball eine politische Dimension. Die afghanische Frauen-Nationalmannschaft trainiert heute noch in einer Kaserne.

Freitag: Das ist auch in Deutschland eine Aufgabe: Je mehr wir muslimische Mädchen davon überzeugen können, sei es in der Schule oder im Verein, ganz normal am Sport teilzunehmen, ist das ein riesiger Gewinn für unsere Gesellschaft. Es bedeutet Öffnung von und zu beiden Seiten. Der Frauenfußball kann hierfür eine besondere Rolle einnehmen.

DFB.de: Nach dem 1:4 gegen Italien in Florenz, ein paar Monate vor dem WM 2006, wollte der Sportausschuss Bundestrainer Jürgen Klinsmann zum Rapport einbestellen. Muss Silvia Neid befürchten, bei Ihnen einbestellt zu werden?

Freitag: Das war damals nicht der gesamte Sportausschuss, sondern eine, sagen wir mal, unerfahrene Kollegin der FDP, die eine Frage der Bild-Zeitung beantwortet hatte, während wir anderen Ausschussmitglieder klugerweise geschwiegen haben. Silvia Neid muss nicht befürchten, einbestellt zu werden - ganz egal, wie der WM-Vorbereitung läuft oder die Mannschaft dann abschneidet. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.

DFB.de: Kennen Sie eigentlich einige aktuelle Nationalspielerinnen?

Freitag: Na, das wäre jetzt peinlich. Wenn man Birgit Prinz nicht kennen würde, wäre man sicher auch als Vorsitzende des Sportausschusses eine Fehlbesetzung. Natürlich verfolge ich die Spiele und freue mich über die Leistungen von Nadine Angerer oder jetzt aktuell Alexandra Popp, die ja bei der U 20-Weltmeisterschaft ein Tor nach dem anderen geschossen hat. In Südafrika habe ich auch Nia Künzer wiedergetroffen, bei deren Golden Goal zum ersten WM-Titelgewinn 2003 ich damals selbst im Stadion saß. Dieses Finale zählt heute noch für mich zu den begeisterndsten Sporterlebnissen überhaupt.

DFB.de: Wem schauen Sie lieber beim Fußballspielen zu: den Männern oder Frauen?

Freitag: Da mache ich keinen Unterschied. Schon als kleines Mädchen hat mich mein Vater mit auf den Fußballplatz genommen. Die Sonntage habe ich also schon als Fünfjährige an der Hand meines Vaters im Letmather Fußballstadion verbracht. Als Kind habe ich übrigens selbst mit Hingabe Fußball gespielt. Hätte es damals schon die heutigen Möglichkeiten gegeben, wäre ich vielleicht gar nicht zur Leichtathletik "abgewandert".

DFB.de: Beitrag zur Gesundheit, Bewegungsfreude, Wettbewerb, Wirtschaftsfaktor: Sport kann soviel sein - und soviel Unterschiedliches. Welche Bedeutung interessiert Sie besonders?

Freitag: Jeder der genannten Bereiche hat seine Berechtigung. Der Sport kann gesellschaftspolitisch viel bewirken. Dann gibt es die Frage der Prävention. Das Zahlenmaterial über die gesundheitliche Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen ist alarmierend. Gepaart mit vernünftiger Ernährung, sorgt regelmäßiger Sport dafür, dass bestimmte Probleme gar nicht erst auftreten. Die dicken Kinder von heute sind die kranken Erwachsenen von morgen, was dann wieder über die gesundheitspolitische Dimension hinausgeht, denn der Arbeitsmarkt braucht leistungsfähige Mitarbeiter. Der Sport für Ältere ist ebenfalls ein Zukunftsmarkt, hier stellen die Vereine heute schon ganz gut die Weichen.

DFB.de: Welche Entwicklung des Sports sehen Sie mit Sorge?

Freitag: Wenn der Sport das Problem des Dopings nicht in den Griff bekommt, wird er seine Faszination verlieren. Bei dieser schwierigen Aufgabe kann der Sport auf die Unterstützung des Staates bauen. Wenn Betrugsfälle, sei es durch illegale Wetten oder durch Doping-Missbrauch, immer mehr die Schlagzeilen bestimmen, werden sich die Leute abwenden.

DFB.de: Früher wurden Kinder im frühen Alter auch zum Schwimmen, Turnen oder zur Leichtathletik geschickt. Heute fangen viele auch schon mit fünf oder sechs Jahren an, Fußball zu spielen. Ärgert sie das als Leichtathletin?

Freitag: Kinder sollten eine breite Grundausbildung erhalten, zu der auch der Fußball gehören kann. Wichtig ist, dass die Kinder früh anfangen, sich sportlich zu bewegen, und dass sie Spaß am Sport haben. Dann bleiben sie nämlich auch ein Leben lang dabei. Bei einigen Sportarten ist es fast zwangsläufig, sehr jung schon ganz spezialisiert zu trainieren, etwa beim Eiskunstlauf oder Turnen. Ich meine allerdings nicht, dass hierzu auch der Fußball zählen muss.

DFB.de: Und wieviel Sport passt noch in Ihre Woche?

Freitag: Leider zu wenig.

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Frauen gewinnen, gerade auch im Fußball. Die Nationalmannschaft ist aktueller Welt- und Europameister. Auch an der Basis stimmt die Entwicklung. In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl der Mädchenteams verdoppelt.

Um über die Gegenwart und Zukunftschancen zu diskutieren, hatte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer für drei Tage in die Mainzer Rheingoldhalle zum Frauen- und Mädchenfußballkongress 2010 "Alles, außer Abseits!" eingeladen. Kurt Beck, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, hatte die Schirmherrschaft übernommen.

Auch Dagmar Freitag war nach Mainz als Gastrednerin gekommen. Seit 1994 sitzt die ehemalige Englisch-Lehrerin für die SPD im Deutschen Bundestag, im vergangenen November wurde sie zur Vorsitzenden des Sportausschusses gewählt. Und wenn der mitgliedsstärkste Einzelsportverband einen dreitägigen Kongress zum Thema Frauen- und Mädchenfußball veranstaltet, dann ist das für die 57-jährige Politikerin schon so etwas wie eine Pflichtveranstaltung.

Frauen sollen Sport treiben, sagt Dagmar Freitag‚ "unfeminine" Sportarten kennt sie nicht. Und auch in den Spitzenpositionen der Verbände wünscht sie sich mehr Frauen. "Aber wir Frauen müssen uns diese Positionen auch erobern wollen", sagt sie im DFB.de Gespräch der Woche mit Onlineredakteur Thomas Hackbarth.

DFB.de: Frau Freitag, was ist denn mit dem alten Diktum geschehen, dass Sport und Politik nichts miteinander zu tun haben?

Dagmar Freitag: Das war damals genauso falsch wie heute, denn Politik und Sport haben reichlich Gemeinsamkeiten. Beide wirken in und für die Gesellschaft, oft genug überschneiden sich die Zielsetzungen. Mit Ausnahme des Fußballs erhalten die meisten Spitzensportverbände hohe Zuwendungen vom Bund. Also schauen wir da auch genau hin. Oder lassen Sie uns einen Blick zurück auf die WM in Südafrika werfen: In der deutschen Mannschaft standen etliche junge Männer mit ausländischen Wurzeln. Für uns Fans war das unsere Nationalmannschaft, die ein großartiges Turnier gespielt hat. Die Frage der Herkunft der Spieler spielte - wenn überhaupt - in der Diskussion eine positive Rolle. Auch dieses Beispiel zeigt die gesellschaftspolitische Wirkung des Sports.

DFB.de: Wie zufrieden sind Sie mit der Gleichstellung der Frau im Sport?

Freitag: Das Thema ist nicht neu. Sowohl der Deutsche Olympische Sport-Bund als auch der DFB bemühen sich seit vielen Jahren und durchaus mit steigendem Erfolg, Frauen dafür zu begeistern, sich ehrenamtlich einzubringen. Ich möchte Frauen auch ausdrücklich ermuntern, sich dafür zur Verfügung zu stellen. Der Status Quo ist dennoch nicht zufriedenstellend. Im Geschäftsführenden Präsidium des Deutschen Leichtathletik-Verbandes bin ich beispielsweise nach wie vor die einzige Frau.

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DFB.de: Woran liegt das?

Freitag:Dafür gibt es vielschichtige Gründe. Ich glaube nicht, dass man ausschließlich die Männer, die den Sport traditionell in Führungspositionen dominieren, dafür verantwortlich machen kann. Wir Frauen müssen diese Positionen auch erobern wollen. Dafür braucht es aber ab und zu gute Nerven und Stehvermögen. Ich weiß, wovon ich spreche...

DFB.de: Wird es gelingen, mehr Mädchen und Frauen dafür zu begeistern, selbst Fußball zu spielen?

Freitag: Da bin ich mir sehr sicher. Der Aufschwung des Mädchen- und Frauenfußballs in Deutschland ist bemerkenswert. Ausgelöst wurde dieser Aufschwung sicher durch die großen Erfolge der Frauen-Nationalmannschaft, aber auch durch das sympathische und souveräne Auftreten aller weiblichen DFB-Teams. In meiner Heimatstadt Iserlohn bieten mittlerweile viele Fußballvereine Trainingsmöglichkeiten für Mädchen an. Warten wir mal die WM 2011 im eigenen Land ab. Die Wirkung wird enorm sein, danach wollen sicher noch viel mehr Mädchen dem Ball hinterherjagen.

DFB.de: Gibt es Sportarten, die für Frauen und Mädchen nicht geeignet, die also "unfeminin" sind?

Freitag: Vor ein paar Jahren haben alle den Kopf geschüttelt, als Frauen plötzlich den Hammer werfen wollten. Und heute? Wir sehen überwiegend schlanke, bestens trainierte Frauen, die mit glänzender Technik ihr Sportgerät beherrschen. Subjektiv kann sicher jeder Einzelne sich bei bestimmten Sportarten immer mal fragen: "Muss das sein?" Aber das gilt dann bitte gleichermaßen für Männer wie Frauen.

DFB.de: Welche Ziele verbinden Sie mit der Frauen-WM 2011 hier in Deutschland?

Freitag: Erst mal freue ich mich wahnsinnig darauf. Die Generalprobe mit der U 20-Weltmeisterschaft diesen Sommer war schon ein großer Erfolg. Volle Stadien, begeisterte Zuschauer - das hat Lust auf Mehr gemacht. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Funke auch 2011 überspringen wird. Deutschland ist ein sportbegeistertes Land, und das werden die Frauen nächstes Jahr genauso zu spüren bekommen wie 2006 die Männer.

DFB.de: Das internationale Ansehen der Deutschen erfuhr durch die WM 2006 eine kräftige Aufpolierung. Was für eine internationale Botschaft kann von einer Frauen-WM ausgehen?

Freitag: Ich rate davon ab, die beiden Veranstaltungen miteinander zu vergleichen. Da täten wir der Frauen-WM keinen Gefallen; die Rahmenbedingungen sind ja auch andere. Aber nach der Fußball-WM, der Handball-WM oder der Leichtathletik-WM, um nur ein paar Beispiele zu nennen, richten wir ein weiteres internationales Großereignis aus. Die Begeisterung der Fans wird wieder aufbranden. Und die Gastmannschaften aus aller Welt werden sich wieder herzlich willkommen fühlen. Das alles spricht für Deutschland, auch und gerade im Ausland.

DFB.de: In manchen Teilen der Welt hat Frauenfußball eine politische Dimension. Die afghanische Frauen-Nationalmannschaft trainiert heute noch in einer Kaserne.

Freitag: Das ist auch in Deutschland eine Aufgabe: Je mehr wir muslimische Mädchen davon überzeugen können, sei es in der Schule oder im Verein, ganz normal am Sport teilzunehmen, ist das ein riesiger Gewinn für unsere Gesellschaft. Es bedeutet Öffnung von und zu beiden Seiten. Der Frauenfußball kann hierfür eine besondere Rolle einnehmen.

DFB.de: Nach dem 1:4 gegen Italien in Florenz, ein paar Monate vor dem WM 2006, wollte der Sportausschuss Bundestrainer Jürgen Klinsmann zum Rapport einbestellen. Muss Silvia Neid befürchten, bei Ihnen einbestellt zu werden?

Freitag: Das war damals nicht der gesamte Sportausschuss, sondern eine, sagen wir mal, unerfahrene Kollegin der FDP, die eine Frage der Bild-Zeitung beantwortet hatte, während wir anderen Ausschussmitglieder klugerweise geschwiegen haben. Silvia Neid muss nicht befürchten, einbestellt zu werden - ganz egal, wie der WM-Vorbereitung läuft oder die Mannschaft dann abschneidet. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.

DFB.de: Kennen Sie eigentlich einige aktuelle Nationalspielerinnen?

Freitag: Na, das wäre jetzt peinlich. Wenn man Birgit Prinz nicht kennen würde, wäre man sicher auch als Vorsitzende des Sportausschusses eine Fehlbesetzung. Natürlich verfolge ich die Spiele und freue mich über die Leistungen von Nadine Angerer oder jetzt aktuell Alexandra Popp, die ja bei der U 20-Weltmeisterschaft ein Tor nach dem anderen geschossen hat. In Südafrika habe ich auch Nia Künzer wiedergetroffen, bei deren Golden Goal zum ersten WM-Titelgewinn 2003 ich damals selbst im Stadion saß. Dieses Finale zählt heute noch für mich zu den begeisterndsten Sporterlebnissen überhaupt.

DFB.de: Wem schauen Sie lieber beim Fußballspielen zu: den Männern oder Frauen?

Freitag: Da mache ich keinen Unterschied. Schon als kleines Mädchen hat mich mein Vater mit auf den Fußballplatz genommen. Die Sonntage habe ich also schon als Fünfjährige an der Hand meines Vaters im Letmather Fußballstadion verbracht. Als Kind habe ich übrigens selbst mit Hingabe Fußball gespielt. Hätte es damals schon die heutigen Möglichkeiten gegeben, wäre ich vielleicht gar nicht zur Leichtathletik "abgewandert".

DFB.de: Beitrag zur Gesundheit, Bewegungsfreude, Wettbewerb, Wirtschaftsfaktor: Sport kann soviel sein - und soviel Unterschiedliches. Welche Bedeutung interessiert Sie besonders?

Freitag: Jeder der genannten Bereiche hat seine Berechtigung. Der Sport kann gesellschaftspolitisch viel bewirken. Dann gibt es die Frage der Prävention. Das Zahlenmaterial über die gesundheitliche Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen ist alarmierend. Gepaart mit vernünftiger Ernährung, sorgt regelmäßiger Sport dafür, dass bestimmte Probleme gar nicht erst auftreten. Die dicken Kinder von heute sind die kranken Erwachsenen von morgen, was dann wieder über die gesundheitspolitische Dimension hinausgeht, denn der Arbeitsmarkt braucht leistungsfähige Mitarbeiter. Der Sport für Ältere ist ebenfalls ein Zukunftsmarkt, hier stellen die Vereine heute schon ganz gut die Weichen.

DFB.de: Welche Entwicklung des Sports sehen Sie mit Sorge?

Freitag: Wenn der Sport das Problem des Dopings nicht in den Griff bekommt, wird er seine Faszination verlieren. Bei dieser schwierigen Aufgabe kann der Sport auf die Unterstützung des Staates bauen. Wenn Betrugsfälle, sei es durch illegale Wetten oder durch Doping-Missbrauch, immer mehr die Schlagzeilen bestimmen, werden sich die Leute abwenden.

DFB.de: Früher wurden Kinder im frühen Alter auch zum Schwimmen, Turnen oder zur Leichtathletik geschickt. Heute fangen viele auch schon mit fünf oder sechs Jahren an, Fußball zu spielen. Ärgert sie das als Leichtathletin?

Freitag: Kinder sollten eine breite Grundausbildung erhalten, zu der auch der Fußball gehören kann. Wichtig ist, dass die Kinder früh anfangen, sich sportlich zu bewegen, und dass sie Spaß am Sport haben. Dann bleiben sie nämlich auch ein Leben lang dabei. Bei einigen Sportarten ist es fast zwangsläufig, sehr jung schon ganz spezialisiert zu trainieren, etwa beim Eiskunstlauf oder Turnen. Ich meine allerdings nicht, dass hierzu auch der Fußball zählen muss.

DFB.de: Und wieviel Sport passt noch in Ihre Woche?

Freitag: Leider zu wenig.