Beckenbauer: "EM-Spiele in München werden perfekt"

Franz Beckenbauer kennt sich aus. Der "Kaiser" weiß, wie es ist, eine Europameisterschaft im eigenen Land zu spielen - als Teamchef führte er die Nationalmannschaft 1988 ins Halbfinale. Und er weiß, wie es ist, Gastgeber eines Großereignisses zu sein - als OK-Chef der WM 2006 trug er maßgeblich zum deutschen "Sommermärchen" bei.

Seit Freitag ist klar: Deutschland kann in sechs Jahren auf ein neues Fußball-Sommermärchen hoffen, vielleicht eine Hausnummer kleiner. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat mit München den Zuschlag für vier Spiele bei der paneuropäischen EURO 2020 bekommen. In der Allianz-Arena finden drei Gruppenspiele - davon zwei mit deutscher Beteiligung - und ein Viertelfinale statt. Die Bewerbung um das Finalpaket zog der DFB zu Gunsten der englischen Bewerbung mit dem Londoner Wembleystadion zurück.

Im DFB.de-Gespräch der Woche redet Franz Beckenbauer mit Redakteur Wolfgang Tobien über die Bedeutung der EM für seine Heimatstadt München und ganz Deutschland. Und der 69-jährige Weltmeister von 1974 und 1990 rät dem DFB, die Bewerbung für eine alleinige Ausrichtuing der EURO 2024 voranzutreiben.

DFB.de: Am Freitag entschied die UEFA über die Vergabe der EM 2020. Der DFB war dabei mit seiner Bewerbung für München erfolgreich. Was sagen Sie generell zu dieser Entscheidung?

Franz Beckenbauer: Ich kann dem DFB zu seinem Verhandlungsgeschick und der hohen Qualität seiner Bewerbung nur gratulieren. Und, ganz klar, ist diese Entscheidung ist ein sehr deutlicher Hinweis auf das große Vertrauen, das die UEFA dem DFB als Veranstalter großer Events entgegenbringt. Ich kann den DFB daher nur ermuntern, nun auch in den Bewerbungsprozess für die alleinige Ausrichtung der EM-Endrunde 2024 einzusteigen.

DFB.de: Was versprechen Sie sich von der erfolgreichen Bewerbung um EM-Spiele 2020 ganz speziell für Ihre Heimatstadt München?

Beckenbauer: In der Vergangenheit hat sich stets deutlich gezeigt, dass die Durchführung großer Sportevents bei uns in Deutschland mit einer Verbesserung in allen Bereichen einhergegangen ist. Mit erheblichen Verbesserungen der nationalen und kommunalen Infrastruktur, besonders auch für unseren Fußball. Allein die Stadien, die für Olympia 1972 und für die WM 1974 bei uns in Deutschland entstanden sind, waren doch ein riesiger Quantensprung in der damaligen Zeit. Wenn ich nur daran denke, was für uns beim FC Bayern der Umzug von der Grünwalderstraße ins neugebaute Olympiastadion bedeutet hat.

DFB.de: Inzwischen hat das Olympiastadion für den großen Fußball längst ausgedient - die Allianz-Arena ist das Maß aller Dinge.



Franz Beckenbauer kennt sich aus. Der "Kaiser" weiß, wie es ist, eine Europameisterschaft im eigenen Land zu spielen - als Teamchef führte er die Nationalmannschaft 1988 ins Halbfinale. Und er weiß, wie es ist, Gastgeber eines Großereignisses zu sein - als OK-Chef der WM 2006 trug er maßgeblich zum deutschen "Sommermärchen" bei.

Seit Freitag ist klar: Deutschland kann in sechs Jahren auf ein neues Fußball-Sommermärchen hoffen, vielleicht eine Hausnummer kleiner. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat mit München den Zuschlag für vier Spiele bei der paneuropäischen EURO 2020 bekommen. In der Allianz-Arena finden drei Gruppenspiele - davon zwei mit deutscher Beteiligung - und ein Viertelfinale statt. Die Bewerbung um das Finalpaket zog der DFB zu Gunsten der englischen Bewerbung mit dem Londoner Wembleystadion zurück.

Im DFB.de-Gespräch der Woche redet Franz Beckenbauer mit Redakteur Wolfgang Tobien über die Bedeutung der EM für seine Heimatstadt München und ganz Deutschland. Und der 69-jährige Weltmeister von 1974 und 1990 rät dem DFB, die Bewerbung für eine alleinige Ausrichtuing der EURO 2024 voranzutreiben.

DFB.de: Am Freitag entschied die UEFA über die Vergabe der EM 2020. Der DFB war dabei mit seiner Bewerbung für München erfolgreich. Was sagen Sie generell zu dieser Entscheidung?

Franz Beckenbauer: Ich kann dem DFB zu seinem Verhandlungsgeschick und der hohen Qualität seiner Bewerbung nur gratulieren. Und, ganz klar, ist diese Entscheidung ist ein sehr deutlicher Hinweis auf das große Vertrauen, das die UEFA dem DFB als Veranstalter großer Events entgegenbringt. Ich kann den DFB daher nur ermuntern, nun auch in den Bewerbungsprozess für die alleinige Ausrichtung der EM-Endrunde 2024 einzusteigen.

DFB.de: Was versprechen Sie sich von der erfolgreichen Bewerbung um EM-Spiele 2020 ganz speziell für Ihre Heimatstadt München?

Beckenbauer: In der Vergangenheit hat sich stets deutlich gezeigt, dass die Durchführung großer Sportevents bei uns in Deutschland mit einer Verbesserung in allen Bereichen einhergegangen ist. Mit erheblichen Verbesserungen der nationalen und kommunalen Infrastruktur, besonders auch für unseren Fußball. Allein die Stadien, die für Olympia 1972 und für die WM 1974 bei uns in Deutschland entstanden sind, waren doch ein riesiger Quantensprung in der damaligen Zeit. Wenn ich nur daran denke, was für uns beim FC Bayern der Umzug von der Grünwalderstraße ins neugebaute Olympiastadion bedeutet hat.

DFB.de: Inzwischen hat das Olympiastadion für den großen Fußball längst ausgedient - die Allianz-Arena ist das Maß aller Dinge.

Beckenbauer: Richtig. Ohne den Zuschlag der FIFA für die WM 2006 in Deutschland gäbe es diese tolle Arena aber gar nicht. Ich erinnere daran, dass ein Bürgerentscheid nötig und nur möglich war wegen unseres damaligen WM-Engagements. Beworben hatten wir uns seinerzeit noch mit dem alten Olympiastadion. Wie sehr darüber hinaus der deutsche Fußball von der fantastischen Stadienlandschaft profitiert, die für die WM 2006 und in deren Folge entstanden ist, das sieht man ja seitdem an jedem Wochenende. München wird auf jeden Fall gut gerüstet sein, die vier EURO-Spiele werden in sechs Jahren perfekt über die Bühne gehen.

DFB.de: Mit deutscher Beteiligung in der Allianz-Arena...

Beckenbauer: Wenn sich unsere Mannschaft qualifiziert, wovon wir alle ausgehen, wird sie - wie ich gehört habe - auf jeden Fall bei zwei Vorrundenspielen in München antreten. Unsere Stadt und die Fans werden aber auch bei den beiden anderen Begegnungen für eine tolle, sympathische Atmosphäre sorgen. Ähnlich wie vor zwei Jahren beim Champions-League-Finale der Bayern gegen Chelsea wird München 2020 ein alle überzeugender Gastgeber sein.

DFB.de: 1972 und 1976 wurden Sie als Spieler Europameister und Vizeeuropameister bei einer Endrunde mit jeweils vier Mannschaften. 1988 erlebten Sie die Finalrunde als Teamchef bei einem Turnier mit acht Teilnehmern. Für 2016 und 2020 werden sich 24 Mannschaften qualifizieren. Und aus Anlass des 60. Jubiläums der EM wird das Turnier in sechs Jahren erstmals und einmalig europaweit in 13 Städten aus 13 Ländern stattfinden. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?

Beckenbauer: Ob 24 Mannschaften der Weisheit letzter Schluss sind, wird sich zeigen müssen. Die Entwicklung ist auf jeden Fall überwältigend. Ich selbst habe als Spieler und Teamchef die EM noch als eine völlig andere Welt erlebt - im Miniformat, im Vergleich zu heute. Und unter ganz anderen Verhältnissen und Bedingungen.

DFB.de: Woran denken Sie dabei?

Beckenbauer: 1988 zum Beispiel sorgten zwar die acht Teams, die teilgenommen haben, dafür, dass zwölf der 15 Spiele ausverkauft waren. Doch die Stadien, in denen gespielt wurde, waren Betonschüsseln mit riesigen unüberdachten Stehplatzbereichen. Und auch die politische Landschaft war damals noch völlig anders. Deutschland war geteilt, und die EU gab es auch noch nicht. Deshalb finde ich die Idee einer einmaligen EURO für ganz Europa zum 60. Jubiläum sehr gut und besonderes charmant.

DFB.de: Die EM 1988 wurde überall in Europa als die bis dahin sportlich niveauvollste und atmosphärisch schönste Endrunde bewertet. Was ist bis heute als Ihr nachhaltigster Eindruck von diesem Turnier in Deutschland haften geblieben?

Beckenbauer: Die Begeisterung der Zuschauer. Ich habe immer noch diese gewaltige orangefarbene Flut vor Augen, die sich in jenen Wochen mit den holländischen Fans über Deutschland ergoss. Aber auch die Anhänger der anderen Teams und unsere eigenen Fans setzten sich in einer Weise in Szene, die eine ganz andere Dimension hatte als bei der WM 1974 in unserem Land.

DFB.de: Als Sieger wurde ganz allgemein der Fußball bezeichnet. War er das auch Ihrer Meinung nach?

Beckenbauer: Ich denke schon. Bei dieser Endrunde auf wirklich ganz hohem Niveau waren die damals tatsächlich acht besten europäischen Teams dabei, von denen jedes einzelne offensiv auf Sieg spielte. Die Niederlande und Sowjetunion sowieso, aber auch die Italiener, Spanier, Engländer, Dänen und selbst die Iren. Es gab kein einziges 0:0. Dass kein Spiel mit mehr als zwei Toren Unterschied endete, zeigt, wie ausgeglichen dieses Turnier besetzt war. Dazu ging es sehr sportlich und fair zu. Wenn ich mich richtig erinnere, gab es keine einzige Rote Karte.

DFB.de: Für Sie war die EM 1988 nach der WM 1986 in Mexiko Ihr zweites Turnier als Teamchef. Mit welchen Erwartungen gingen Sie damals an diese Aufgabe heran?

Beckenbauer: Meine Aufgabe war es, den Umbruch im Nationalteam einzuleiten und umzusetzen. Etliche unserer Spieler hatten in Mexiko 1986 den Zenit erreicht und ihre Karriere danach beendet. Karl-Heinz Rummenigge zum Beispiel, Hans-Peter Briegel, Ditmar Jakobs oder Norbert Eder und etwas später auch Klaus Allofs - diese Namen fallen mir jetzt spontan ein. Unsere neue Mannschaft war allerdings noch nicht so weit, dass man mit ganz hohen Erwartungen in die EM '88 hätte gehen können. Daher diente dieses Turnier mehr zur Vorbereitung auf die WM zwei Jahre später.

DFB.de: Mit welchem Resümee blicken Sie heute, mehr als ein Vierteljahrhundert später, auf den Auftritt Ihrer Mannschaft zurück?

Beckenbauer: Es war für uns eine sehr lehrreiche Europameisterschaft auf dem Weg zur Weltmeisterschaft. Dass wir aus dieser Ausgangssituation das Beste gemacht haben, zeigte sich dann ja 1990 in Italien.

DFB.de: Hat die Mannschaft mit dem Erreichen des EM-Halbfinales das Optimum ihrer damaligen Möglichkeiten erreicht?

Beckenbauer: Auf jeden Fall. Mit etwas Glück hätten wir sogar das Finale in München erreichen können. Doch wir konnten nicht mehr reagieren, als Marco van Basten kurz vor Schluss das 2:1 für die Holländer erzielte. Aber die Niederlande sind verdient Europameister geworden. Rinus Michels konnte seine Karriere als Trainer doch noch krönen, was ihm 1974 mit der Generation um Johan Cruyff und Johan Neeskens im Endspiel gegen uns noch verwehrt geblieben war. Sein Team hat ein Superturnier gespielt, auch wenn es in seiner Gruppe das erste Spiel gegen die UdSSR verloren hatte. Auch das zeigt, wie ausgeglichen dieses hochklassige Turnier damals war.

DFB.de: Welche Spieler und welche Szenen sind Ihnen von 1988 besonders im Gedächtnis geblieben?

Beckenbauer: Da fällt mir vor allem Rudi Völler sofort ein. Er kam schwer in dieses Turnier rein, wurde aber von einigen Medien viel zu hart und unfair kritisiert. Doch er ließ sich davon nicht beeindrucken und explodierte regelrecht im dritten Spiel gegen Spanien, als er in München beide Tore zu unserem Gruppensieg und zum Halbfinaleinzug erzielte. Daneben erinnert man sich natürlich immer wieder an die beiden Tore von Marco van Basten, das erste im Halbfinale gegen uns, was ganz besonders ärgerlich war. Und dann im Finale natürlich sein Jahrhunderttreffer, volley gegen die Sowjetunion.

DFB.de: Im Rückblick wird die EM 1988 aus deutscher Sicht als Durchgangsstation auf dem Weg zum WM-Titel 1990 bezeichnet. Sind auch Sie dieser Meinung?

Beckenbauer: Wie schon gesagt, war die EM '88 für uns eine Zwischenstation im Hinblick auf die WM in Italien. Immel und etwas später Illgner, Kohler, Klinsmann, Reuter und Häßler ersetzten die ausgeschiedenen Vizeweltmeister von 1986. Auch Buchwald wurde eine ganz feste Größe. Möller und Riedle kamen in den Monaten danach hinzu. Das sind Beispiele für den personellen Umbruch, mit dem die Mannschaft nach und nach feste Konturen für 1990 bekam.

DFB.de: Was auch für den Trainer- und Betreuerstab galt?

Beckenbauer: Auch der war bei der EM 1988 schon auf die folgende WM ausgerichtet, mit Berti Vogts und Holger Osieck als meinen Assistenten an Stelle von Horst Köppel. Mit Sepp Maier hatten wir erstmals einen extra Torwarttrainer. Und Professor Heinz Liesen war als Internist neu im medizinischen Stab. Dazu präsentierte sich unsere Mannschaft, anders als 1986, schon als geschlossene und harmonische Einheit, was schließlich auch ein wichtiger Grund für den späteren Gewinn des WM-Titels 1990 sein sollte.

DFB.de: "Integration anstatt Intrige" - so beschrieben manche 1988 das Binnenklima der Mannschaft im Vergleich zu 1986...

Beckenbauer: Intrige würde ich jetzt nicht sagen. Von 1988 an war eine völlig neue Generation im Nationalteam am Ball. Die von 1986 war noch geprägt durch Gruppenbildung. Wir hatten eine bayerische Gruppe, eine norddeutsche und eine westdeutsche. Das ist generell für ein Turnier nicht optimal. 1988 waren wir auf der Vorstufe zu 1990 schon eine Einheit. Bei der EM sah man: Hier wächst eine Mannschaft heran.

DFB.de: Und Jürgen Klinsmann wurde am Ende als der Gewinner im deutschen EM-Team bezeichnet. Auch ein Wegweiser zur WM 1990?

Beckenbauer: Ich denke schon. Er bildete von da an zusammen mit Rudi Völler unseren ersten Sturm, auf den ja dann auch bei der WM absolut Verlass war. Für Jürgen Klinsmann war 1988 ohnehin der Sommer seines großen Durchbruchs. Erst diese erfolgreiche EM und danach seine tollen Auftritte beim Gewinn der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Seoul.

DFB.de: Überzeugen konnte Deutschland 1988 auch als Gastgeber. Vor allem für die Heerscharen niederländischer, dänischer und irischer Fans, die damals quer durch die Republik zogen. Wie war Ihr Eindruck?

Beckenbauer: Es war das erste Mal überhaupt, dass Fans in solchen Massen bei einem Turnier aufgetreten sind. Das kannte man ja vorher überhaupt nicht. Aber es lief im Großen und Ganzen alles friedlich und fröhlich und in bunten Farben ab.

DFB.de: War das für Sie als Organisationschef der WM 2006 eine wichtige Erfahrung für Deutschlands Gastgeberrolle beim Sommermärchen 18 Jahre später?

Beckenbauer: Wir wussten, was im Hinblick auf die Fans 2006 auf uns zukommen würde, und wollten, in Anlehnung an 1988, ganz einfach gute Gastgeber sein. Daher ja auch unser WM-Slogan "Die Welt zu Gast bei Freunden".

DFB.de: Zudem spielte wie 1988 auch 2006 das Wetter eine perfekte Rolle.

Beckenbauer: Ein bisschen Glück braucht man eben im Leben.

DFB.de: Und schließlich gab es für Sie 2006 und 1988 auch eine ganz persönliche Duplizität.

Beckenbauer: Was meinen Sie?

DFB.de: Wie 1988, so reisten Sie auch 2006 aus Zeitgründen mit dem Hubschrauber zu den Spielen, die Sie interessierten.

Beckenbauer: Wenn man möglichst viele Spiele sehen will und muss, kann man das nur mit einem Hubschrauber bewältigen. Bei manchmal drei Spielen an einem Tag wurde der Hubschrauber 2006 für mich das ideale Fortbewegungsmittel. 1988 war es dagegen die Ausnahme. Damals habe ich nur zwei- oder dreimal einen Hubschrauber benutzt, um aus unserem Trainingscamp am Tegernsee zur Beobachtung der Spiele von Kontrahenten zu fliegen. Mal nach Frankfurt zum Spiel Italien gegen Spanien und dann nach Gelsenkirchen zur Begegnung Irland gegen die Niederlande. Hubschrauber, das ist schon eine feine Sache.