Bayern vs. BVB: Rekordsieg für Rekordmeister

Seit Jahren schon firmiert es als das Topspiel der Saison, das gewöhnlich in über 100 Ländern der Welt live übertragen wird. Am Sonntag (ab 17.30 Uhr, live bei Sky) ist es wieder so weit, die Meister der letzten sechs Jahre treffen aufeinander: der FC Bayern und Borussia Dortmund. Anders als vergangenen Saison ist es diesmal tatsächlich das Spitzenspiel Tabellenführer gegen ersten Verfolger - beide Teams sind noch ungeschlagen. Auf Augenhöhe begegneten sie sich schon oft, vor zwei Jahren gar im Finale um die Champions League. Aber sie waren auch mal ganz weit auseinander, zehn Tore, um präzise zu sein, wie der DFB.de-Streifzug durch die Geschichte dieses Spiels zeigt.

Das erste dokumentierte Treffen der Klubs fand am 4. August 1956 statt, die Bayern gewannen in aller Freundschaft an der Grünwalder Straße mit 4:2. Beim ersten Pflichtspiel am 16. Oktober 1965, nun schon in der Bundesliga, nahmen die Borussen dagegen die Punkte mit (0:2). Die ersten Bundesliga-Tore dieser Paarung erzielte Reinhold Wosab und Franz Beckenbauer verschoss seinen ersten Elfmeter - Hans Tilkowsi parierte. Erst im sechsten Jahr gab es mal keine Sieger, beide Partien der Saison 1970/71 endeten Remis (0:0 und 1:1). Nichts deutete daraufhin, dass die Klubs schon ein Jahr später Welten trennen würde. Bayern wurde 1972 Meister, der BVB stieg ab und wegweisend für beide war ein Schützenfest.

11:1 am 27. November 1971: Höchster Bundesligasieg der Bayern

An diesem Tag ist Bayern gegen Dortmund alles andere als ein Gipfeltreffen, der Zweite empfängt den Fünfzehnten. Im Kicker ist zu lesen: "Die Borussen werden am Freitag nur mit der Hoffnung nach München fliegen, nicht zu arg unter die Räder zu kommen." BVB-Trainer Horst Witzler wünscht sich "eine knappe Niederlage". Ein frommer Wunsch, den die Bayern nicht zu erhören gedenken. Ganz im Gegenteil. Sie spielen 1971/1972 die beste Bundesligasaison jener Ära, am Ende werden 101 Tore gezählt - bis heute einmalig.

Mehr als ein Zehntel davon fallen an jenem trüben November-Samstag, womit natürlich niemand rechnet. 18.000 Besucher finden sich ein im Stadion an der Grünwalder Straße, es ist die letzte Bayern-Saison vor dem Umzug ins Olympiastadion. Mehr als doppelt so viele gehen hinein, aber es ist nicht die Zeit der vollen Stadien. Eine Folge des Bundesliga-Skandals, obwohl beide Klubs darin nicht verwickelt sind. Der FC Bayern vermeldet noch den zweitbesten Tagesbesuch – aber die mit Abstand höchste Torfrequenz. Trainer Udo Lattek beantwortet am Spieltag die letzte offene Frage; auf Rechtsaußen stürmt Franz Krauthausen statt Edgar Schneider, alle sechs Nationalspieler sind an Bord. Der BVB hat so etwas nicht zu bieten. Torwart Jürgen Rynio sagt noch über 40 Jahre später entschuldigend: "Ein bis zwei Jahre vorher wäre das nicht passiert, da hatten wir noch einige ältere Spieler in unseren Reihen gehabt. Wir waren eine junge Mannschaft, die im Neuaufbau stand."

Chronologie eines Schützenfests

6. Minute: Franz "Bulle" Roth trifft den Pfosten.
7. Minute: Franz Krauthausen trifft den Pfosten.
12. Minute: 1:0 Gerd Müller, auf Flanke von Uli Hoeneß.
20. Minute: 2:0 Hoeneß, mit einem „Nachschuss“ per Kopf. Den Schuss zuvor hält der wackere Rynio.
22. Minute: Sepp Maier muss den ersten Ball halten, Dieter Weinkauff prüft ihn.
34. Minute: Roth vergibt eine Großchance.
39. Minute: 3:0 Willi Hoffmann, Schlenzer nach Solo.
Werner Lorant (BVB) wird ausgewechselt
44. Minute: 4:0 Müller, Volleyschuss.
Halbzeit. Bayerns Ex-Trainer Tschik Cajkovski sagt auf der Tribüne: "Die Dortmunder Jungen nicht so schlecht, müssen nur viel, viel offensiver spielen."

Wiederanpfiff: Sepp Maier hat sich eine lange Hose angezogen, es friert ihn zu sehr. Der BVB tauscht erneut aus: Verteidiger Theodor Rieländer für Libero Branco Rasovic. Witzler denkt nicht an Offensive.
48. Minute: Breitner an den Pfosten.
49. Minute: 5:0 Hoeneß mit scharfem Flachschuss von halbrechts.
54. Minute: 6:0 Beckenbauer nach Solo.
57. Minute: 6:1 Weinkauff nach Koppenhöfers Fehlpass.
59. Minute: 7:1 Breitner trifft aus der zweiten Reihe, Rynio ist die Sicht versperrt. Der arme Torwart fragt sich nun, "ob die eigentlich zweistellige Ergebnisse zeigen können an der Anzeigetafel. An so was denkt man als Torwart, wenn die Dinge so laufen."
64. Minute: 8:1 Roth-Hammer nach Hoeneß-Vorlage.
83. Minute: 9:1 Müller, typischer Drehschuss.
88. Minute: 10:1 Roth schießt ein Tor!!! Aus 20 Metern
90. Minute: 11:1 Gerd Müller per Abstauber mit links, Rynio kann Beckenbauers Schuss nicht festhalten.

BVB muss "muss den Scherbenhaufen kitten"

Fertig ist Bayerns Rekordsieg in der Bundesliga und Borussias damalige Rekordpleite, ehe sie 1978 von Gladbach gar mit 12:0 überrollt werden wird. In der Bundesligahistorie hat es überhaupt nur zwei höhere Siege gegeben. In den Katakomben hört man – nanu? – schimpfende Bayern und witzelnde Dortmunder. Uli Hoeneß selbstkritisch: "Wenn wir so hoch führen, fehlt mir einfach der richtige Ehrgeiz. Fünf Tore hätte ich schießen können." Borusse Dieter Weinkauff, der Torschütze, spottet derweil: "Ein Weinkauff ist eben nicht genug", weshalb Rynio ihm hätte "an die Gurgel gehen können." Noch einen Konjunktiv bringt der Torwart ins Spiel: "Wir hätten ein Timeout wie beim Handball gebraucht."

Auf der Pressekonferenz sind gemäßigte Töne zu hören. Udo Lattek hat Mitleid mit dem BVB: "Wenn ein Spiel so läuft, dann versucht sich jeder einzelne so gut freizuschwimmen, wie es geht. Von Taktik kann man da nicht mehr reden." Kollege Horst Witzler überrascht niemanden wirklich mit seinem Bekenntnis, es sei "die katastrophalste Niederlage, die ich in meiner 13-jährigen Trainerlaufbahn habe erdulden müssen", gewesen. Er gibt den Schwarzen Peter dem Vorstand, der ihm eine dermaßen unerfahrene Mannschaft überlassen habe ("Sie wurden ja regelrecht vom Lande geholt"), "und nun stehe ich da und muss den Scherbenhaufen kitten". Eine Woche später fliegt Witzler. Ein halbes Jahr später steigt die Borussia ab – mit den meisten Gegentoren ihrer Historie.



Seit Jahren schon firmiert es als das Topspiel der Saison, das gewöhnlich in über 100 Ländern der Welt live übertragen wird. Am Sonntag (ab 17.30 Uhr, live bei Sky) ist es wieder so weit, die Meister der letzten sechs Jahre treffen aufeinander: der FC Bayern und Borussia Dortmund. Anders als vergangenen Saison ist es diesmal tatsächlich das Spitzenspiel Tabellenführer gegen ersten Verfolger - beide Teams sind noch ungeschlagen. Auf Augenhöhe begegneten sie sich schon oft, vor zwei Jahren gar im Finale um die Champions League. Aber sie waren auch mal ganz weit auseinander, zehn Tore, um präzise zu sein, wie der DFB.de-Streifzug durch die Geschichte dieses Spiels zeigt.

Das erste dokumentierte Treffen der Klubs fand am 4. August 1956 statt, die Bayern gewannen in aller Freundschaft an der Grünwalder Straße mit 4:2. Beim ersten Pflichtspiel am 16. Oktober 1965, nun schon in der Bundesliga, nahmen die Borussen dagegen die Punkte mit (0:2). Die ersten Bundesliga-Tore dieser Paarung erzielte Reinhold Wosab und Franz Beckenbauer verschoss seinen ersten Elfmeter - Hans Tilkowsi parierte. Erst im sechsten Jahr gab es mal keine Sieger, beide Partien der Saison 1970/71 endeten Remis (0:0 und 1:1). Nichts deutete daraufhin, dass die Klubs schon ein Jahr später Welten trennen würde. Bayern wurde 1972 Meister, der BVB stieg ab und wegweisend für beide war ein Schützenfest.

11:1 am 27. November 1971: Höchster Bundesligasieg der Bayern

An diesem Tag ist Bayern gegen Dortmund alles andere als ein Gipfeltreffen, der Zweite empfängt den Fünfzehnten. Im Kicker ist zu lesen: "Die Borussen werden am Freitag nur mit der Hoffnung nach München fliegen, nicht zu arg unter die Räder zu kommen." BVB-Trainer Horst Witzler wünscht sich "eine knappe Niederlage". Ein frommer Wunsch, den die Bayern nicht zu erhören gedenken. Ganz im Gegenteil. Sie spielen 1971/1972 die beste Bundesligasaison jener Ära, am Ende werden 101 Tore gezählt - bis heute einmalig.

Mehr als ein Zehntel davon fallen an jenem trüben November-Samstag, womit natürlich niemand rechnet. 18.000 Besucher finden sich ein im Stadion an der Grünwalder Straße, es ist die letzte Bayern-Saison vor dem Umzug ins Olympiastadion. Mehr als doppelt so viele gehen hinein, aber es ist nicht die Zeit der vollen Stadien. Eine Folge des Bundesliga-Skandals, obwohl beide Klubs darin nicht verwickelt sind. Der FC Bayern vermeldet noch den zweitbesten Tagesbesuch – aber die mit Abstand höchste Torfrequenz. Trainer Udo Lattek beantwortet am Spieltag die letzte offene Frage; auf Rechtsaußen stürmt Franz Krauthausen statt Edgar Schneider, alle sechs Nationalspieler sind an Bord. Der BVB hat so etwas nicht zu bieten. Torwart Jürgen Rynio sagt noch über 40 Jahre später entschuldigend: "Ein bis zwei Jahre vorher wäre das nicht passiert, da hatten wir noch einige ältere Spieler in unseren Reihen gehabt. Wir waren eine junge Mannschaft, die im Neuaufbau stand."

Chronologie eines Schützenfests

6. Minute: Franz "Bulle" Roth trifft den Pfosten.
7. Minute: Franz Krauthausen trifft den Pfosten.
12. Minute: 1:0 Gerd Müller, auf Flanke von Uli Hoeneß.
20. Minute: 2:0 Hoeneß, mit einem „Nachschuss“ per Kopf. Den Schuss zuvor hält der wackere Rynio.
22. Minute: Sepp Maier muss den ersten Ball halten, Dieter Weinkauff prüft ihn.
34. Minute: Roth vergibt eine Großchance.
39. Minute: 3:0 Willi Hoffmann, Schlenzer nach Solo.
Werner Lorant (BVB) wird ausgewechselt
44. Minute: 4:0 Müller, Volleyschuss.
Halbzeit. Bayerns Ex-Trainer Tschik Cajkovski sagt auf der Tribüne: "Die Dortmunder Jungen nicht so schlecht, müssen nur viel, viel offensiver spielen."

Wiederanpfiff: Sepp Maier hat sich eine lange Hose angezogen, es friert ihn zu sehr. Der BVB tauscht erneut aus: Verteidiger Theodor Rieländer für Libero Branco Rasovic. Witzler denkt nicht an Offensive.
48. Minute: Breitner an den Pfosten.
49. Minute: 5:0 Hoeneß mit scharfem Flachschuss von halbrechts.
54. Minute: 6:0 Beckenbauer nach Solo.
57. Minute: 6:1 Weinkauff nach Koppenhöfers Fehlpass.
59. Minute: 7:1 Breitner trifft aus der zweiten Reihe, Rynio ist die Sicht versperrt. Der arme Torwart fragt sich nun, "ob die eigentlich zweistellige Ergebnisse zeigen können an der Anzeigetafel. An so was denkt man als Torwart, wenn die Dinge so laufen."
64. Minute: 8:1 Roth-Hammer nach Hoeneß-Vorlage.
83. Minute: 9:1 Müller, typischer Drehschuss.
88. Minute: 10:1 Roth schießt ein Tor!!! Aus 20 Metern
90. Minute: 11:1 Gerd Müller per Abstauber mit links, Rynio kann Beckenbauers Schuss nicht festhalten.

BVB muss "muss den Scherbenhaufen kitten"

Fertig ist Bayerns Rekordsieg in der Bundesliga und Borussias damalige Rekordpleite, ehe sie 1978 von Gladbach gar mit 12:0 überrollt werden wird. In der Bundesligahistorie hat es überhaupt nur zwei höhere Siege gegeben. In den Katakomben hört man – nanu? – schimpfende Bayern und witzelnde Dortmunder. Uli Hoeneß selbstkritisch: "Wenn wir so hoch führen, fehlt mir einfach der richtige Ehrgeiz. Fünf Tore hätte ich schießen können." Borusse Dieter Weinkauff, der Torschütze, spottet derweil: "Ein Weinkauff ist eben nicht genug", weshalb Rynio ihm hätte "an die Gurgel gehen können." Noch einen Konjunktiv bringt der Torwart ins Spiel: "Wir hätten ein Timeout wie beim Handball gebraucht."

Auf der Pressekonferenz sind gemäßigte Töne zu hören. Udo Lattek hat Mitleid mit dem BVB: "Wenn ein Spiel so läuft, dann versucht sich jeder einzelne so gut freizuschwimmen, wie es geht. Von Taktik kann man da nicht mehr reden." Kollege Horst Witzler überrascht niemanden wirklich mit seinem Bekenntnis, es sei "die katastrophalste Niederlage, die ich in meiner 13-jährigen Trainerlaufbahn habe erdulden müssen", gewesen. Er gibt den Schwarzen Peter dem Vorstand, der ihm eine dermaßen unerfahrene Mannschaft überlassen habe ("Sie wurden ja regelrecht vom Lande geholt"), "und nun stehe ich da und muss den Scherbenhaufen kitten". Eine Woche später fliegt Witzler. Ein halbes Jahr später steigt die Borussia ab – mit den meisten Gegentoren ihrer Historie.

###more###

Gesamtbilanz spricht klar für Bayern

Vier Jahre später sind die Borussen zurück, seit 1976 steht das Duell mit den Bayern ununterbrochen auf dem Spielplan. Die Gesamtbilanz spricht deutlich für die Bayern (41-28-23), in Dortmund ist sie ausgeglichen (14-18-14). Vorwiegend in München ereigneten sich allerlei Kuriositäten. Unvergessen der Pfostenschuss von Frank Mill am 9. August 1986 vor dem leeren Tor, als ihn in seinem ersten Bundesligaspiel für den BVB die Nerven im Stich lassen. Mill verfolgt die Szene bis heute, einmal sah er sie sogar im USA-Urlaub, als im TV zufällig eine Pannenshow lief.

Am 12. Mai 1990 endete die Meisterfeier der Bayern im Chaos. Am letzten Spieltag ist der BVB zu Gast, die Bayern haben die Schale schon sicher und die Fans feiern längst. In der Pause wird Schiedsrichter Umbach ausgetauscht, ein Abschlag von Teddy de Beer hat ihn am Kopf getroffen. Auch Vertreter Joachim Ren kann seinen Auftrag nicht komplett erfüllen; dreimal wird die Partie unterbrochen wegen aufs Feld rennender Fans, die zu Hunderten den Spielfeldrand säumen. Einige Bayern retten sich in die Kabine, trinken schon Champagner und müssen wieder auf den Platz. Schließlich pfeift Ren vier Minuten zu früh ab. Manager Uli Hoeneß: "Heute war ich zum ersten Mal konsterniert."

3. April 1999: Kahns Kung-Fu-Einlage

Das war er auch nach den nächsten beiden BVB-Gastspielen (2:3 und 0:3). Im Oktober 1991 verdarb Borussia das Trainer-Debüt von Sören Lerby, der gerade für Jupp Heynckes gekommen war. Auf der Gäste-Bank saß Ottmar Hitzfeld, für den es der erste von 28 Klassikern war – 16 davon als Bayern-Trainer. Beim ersten Champions-League-Duell der Rivalen im März 1998 nahm er sich gerade eine Auszeit, drei Monate später wechselte er nach München. Das Viertelfinale brachte zwei torlose Partien in der regulären Spielzeit, ehe Stephane Chapuisat im Westfalen-Stadion in der 108. Minute das einzige Tor erzielte. Schon um die Jahrtausend-Wende waren die beiden die Supermächte der Liga; zwischen 1994 und 1997 waren sie Titelrivalen, jeder triumphierte zweimal.

Dortmunds Meister-Doppel (1995, 1996) geschah auch mit Hilfe von Ex-Bayern; Stefan Reuter und Jürgen Kohler. Sie waren gegen ihre Ex-Klubs besonders motiviert. Reuter flog am 3. April 1999 (2:2) zu Hause vom Platz und stellte nummerische Gleichzahl her, schon 30 Minuten zuvor hatte es Bayerns Sammy Kuffour erwischt. In jener Partie kam es zum berühmten Kung-Fu-Lufttritt von Oliver Kahn gegen Heiko Herrlich, der ihm zwei Tore eingeschenkt hatte. Der an diesem Tag etwas überdrehte Nationalkeeper kam zudem Andreas Möller bedrohlich nahe, Nase an Nase standen sie, und Kahn deutete einen Biss an.

7. April 2001: Kartenfestival in Dortmund

Es war typisch für die Rivalität der Klubs um die Jahrtausendwende, wo es des öfteren zu wilden Spielen kam. Am 7. April 2001 wurde in Dortmund ein trauriger Bundesligarekord aufgestellt: Schiedsrichter Hartmut Strampe musste eine Rote, zwei Gelb-Rote Karten und acht Gelbe Karten zücken. Von der Bayern-Mannschaft, die zwischen der 55. und 89. Minute gleich zwei Köpfe weniger zählte, blieben nur Patrik Andersson, Paulo Sergio und Alex Zickler sauber. Trotzdem nahmen sie einen Punkt mit (1:1).

In München blieben die Bayern nach jenem 0:3 unter Lerby fast 20 Jahre ungeschlagen. So auch am 9. November 2002 (2:1), als sich das nächste Kuriosum ereignete. Nach Borusse Torsten Frings musste auch Torwart Jens Lehmann vom Platz, für ihn stellte sich Zweimeter-Stürmer Jan Koller 25 Minuten ins BVB-Tor, das er sauber hielt. 2005 erfolgte der Umzug der Bayern in die Allianz Arena, das höchste Ergebnis dort lautete 5:0. Am 13. April 2008 hatte auch Ottmar Hitzfeld wenig Erbarmen mit seinem Ex-Klub. Schon nach acht Minuten hieß es 2:0, Luca Tonis Doppelschlag binnen vier Minuten sorgte schon vor der Pause für klare Verhältnisse, und Hitzfeld wechselte Oliver Kahn aus.

###more###

15. April 2008: Bayern gewinnt das erste DFB-Pokalfinalduell

Die Favoritenrolle für das erste von drei Pokalfinals zwischen Bayern und Borussia 15. April 2008 war also geklärt. Aber der Pokal hat seine eigenen Gesetze. Bei fürchterlichem Wetter hatten die Zuschauer wenig Freude an der Partie, die nach Luca Tonis frühem 1:0 (11.) unspektakulär auszutrudeln drohte. Doch der in der Liga abgeschlagene BVB glich durch Mladen Petric noch in der zweiten Minute der Nachspielzeit aus. So musste Luca Toni noch ein zweites Tor – auf Vorarbeit von Lukas Podolski – erzielen, um Held des Tages zu werden. Nach einem Platzverweis für Borusse "Kuba" (108.) war alles entschieden. Die 74.244 Zuschauer sahen im Berliner Dauerregen eine "qualitativ mäßige Partie" (Kicker). Die Bayern hielt das nicht vom Feiern ab. Franck Ribery klaute im Überschwang sogar den Pokal und verschwand im Sprinttempo vom Podest. Hitzfeld gewann auch seinen letzten deutschen Clasico und trat von der Bühne als Doublesieger ab.

In Dortmund begann wenige Wochen später die Ära Jürgen Klopp. Auch der neue Trainer musste zunächst schmerzliche Niederlagen quittieren wie das 1:5 am 12. September 2009, bis heute die höchste Heimniederlage im Clasico. Dabei hatte Mats Hummels die Borussia noch in Führung geschossen, aber nach der Pause machte der Meister kurzen Prozess. Louis van Gaals Joker stachen: Franck Ribery verwandelte einen herrlichen Freistoß und dann fielen an diesem Tag die ersten beiden Bundesliga-Tore von Weltmeister Thomas Müller.

Mit Anbruch der Saison 2010/11 gab es eine Zäsur im Clasico; Borussia blieb sieben Spiele ungeschlagen, gewann binnen neun Monaten zweimal in München (3:1 und 1:0) und am Saisonende jeweils die Meisterschaft. Besonders genossen die Borussen die Spielzeit 2011/12, als sie durch ein Tor von Mario Götze beim Tabellenführer siegten und im Rückspiel mit dem gleichen Resultat – nun traf Robert Lewandowski – die Meisterschaft vorentschieden. Tragische Figur an jenem 11. April 2012 war Arjen Robben, der einen Elfmeter und danach eine Großchance aus noch kürzerer Distanz vergab. Als wäre das nicht schlimm genug gewesen für die Bayern, wurden sie in Berlin ein drittes Mal gedemütigt.

12. Mai 2012: BVB deklassiert Bayern im Pokalfinale

Vergebens sannen die Münchner, die sieben Tage später noch ein Champions League-Finale vor der Brust hatten, auf Revanche. Schon nach drei Minuten führte Meister BVB durch Shinji Kagawa. Arjen Robben, der in Dortmund einen Elfmeter verschossen hatte, wagte sich in der 25. Minute erneut an die Aufgabe und machte seinen Frieden mit dem BVB – 1:1. Vorläufig. Denn wie er litten alle Bayern unter dem, was dann kam: Borussia nutzte in der Folge fast jede Chance, führte zur Pause durch einen Foulelfmeter Mats Hummels (41.) und einen Treffer von Robert Lewandowski (45.) schon 3:1. Als Lewandowski in der 58. Minute erneut traf, war das mit Hochspannung erwartete Gipfeltreffen des deutschen Fußballs unerwartet früh entschieden. Und die BVB-Fans sangen nun das Lied der Bayern-Fans, bloß dass sie es hämisch meinten: "Ein Schuss, ein Tor – die Bayern." Tore schoss nämlich vor allem Dortmund.

Dem Polen Lewandowski gelang sogar noch ein drittes (81.), dazwischen lag das 4:2 von Ribery (75.), der diesmal nicht zu Späßen aufgelegt war. Die Bayern, die nie zuvor so viele Tore in einem Finale kassierten, waren geschockt. "Das war eine Blamage. Es gibt eine Mannschaft, die national derzeit über uns steht. Das müssen wir respektieren, akzeptieren und korrigieren", sagte Vorstands-Chef Karl-Heinz Rummenigge auf dem Bankett der Verlierer. Sie entschlossen sich, das Festgeldkonto anzurühren und die alten Machtverhältnisse mittels großer Transfers wieder herzustellen. Seitdem heißt der Deutsche Meister Bayern München. Und einmal kam alles zusammen, im Triplejahr 2013 – obwohl Dortmund sich nach Kräften gegen Bayerns totalen Triumph wehrte. In der Liga hatte es keine Sieger in dem Duell gegeben, beide Partien endeten 1:1. In München schied Holger Badstuber mit Kreuzbandriss aus, und wieder schoss Götze das Borussen-Tor. In Dortmund gab es unschöne Szenen nach Rafinhas Platzverweis, Matthias Sammer und Jürgen Klopp gerieten aneinander. Und Manuel Neuer hielt einen Lewandowski-Elfmeter.

Im Februar 2013 gab es im DFB-Pokal Revanche. 71.000 im Stadion und Millionen vor den Bildschirmen in 170 übertragenden Ländern waren dabei und sahen in der Allianz Arena das vorweg genommene Finale - und diesmal jubelten wieder die Bayern. Geradezu symbolisch für den Machtwechsel war das Tor des Tages durch den Mann, der 2012 gegen den BVB noch zur tragischen Figur geworden war: Arjen Robben donnerte den Ball kurz vor der Halbzeit in sehenswerter Manier aus 18 Metern unter die Latte. Dass es beim 1:0 blieb, hatte Borussia vor allem Torwart Roman Weidenfeller zu verdanken. Die Statistiker zählten 11:3 Chancen pro FC Bayern. Trainer Jupp Heynckes bilanzierte: "Wir waren einen Touch gieriger, wir wollten den Sieg unbedingt."

###more###

25. Mai 2013: Das historische Endspiel im Wembleystadion

Drei Monate später erst recht. Im Finale um die Champions League, dem bedeutsamsten Classico aller Zeiten. Das hatte es noch nie gegeben – ein deutsches Finale um die Champions League. Aber die Giganten der Bundesliga hatten es sich verdient und in furiosen Halbfinals die Sterne Spaniens, FC Barcelona (0:4 und 0:3 gegen Bayern) und Real Madrid (1:4 und 2:0 vs. BVB) vom Himmel geholt. Und so war Wembley an diesem Mai-Tag fest in deutscher Hand. Die Bayern hatten bereits die Meisterschaft eingefahren, nun sollte der wertvollste Titel her – erstmals seit 2001. Der BVB hatte ihn 1997 gewonnen – beide unter Ottmar Hitzfeld. Auf beiden Seiten fehlten wichtige Spieler; bei Bayern neben Badstuber auch Toni Kroos, bei Borussia Mario Götze. Dafür waren einige Helden von einst auf dem Rasen; vor dem Spiel sah man Paul Breitner und Lars Ricken im Rahmen des Eröffnungsprogramms in abenteuerlichen Ritter-Kostümen.

Der BVB erwischte den besseren Start ins Endspiel. Schweinsteiger versuchte zunächst vergeblich als Libero, gefährliche Bayern-Angriffe zu initiieren. Auf der Gegenseite setzte Blaszczykowski den ersten Warnschuss noch über das Münchner Tor. Und danach war Bayern-Schlussmann Neuer innerhalb von acht Minuten gleich viermal bei Chancen von Lewandowski (14.), Blaszczy-kowski (15.), Reus (19.) und Sven Bender (22.) gefordert. Mit jedem Torschuss der Dortmunder wirkte der Rekordmeister verunsicherter und konnte sich kaum mehr befreien. Immerhin hatte er Glück: Bei einem Zweikampf mit Lewandowski befreite sich Ribery mit einem Ellbogencheck aus der Umklammerung seines polnischen Gegenspielers. Statt Rot für den Münchner gab es einen Freistoß für den Meister.

Erst als Javi Martinez die Kugel auf das Tordach köpfte, kamen die Bayern besser in die Partie, und Robben tauchte zweimal alleine vor Weidenfeller auf, konnte ihn aber nicht bezwingen (30., 43.). Atemlose Spannung lag über dem Rund, die Welt sah eine beeindruckende Leistungsschau der Bundesliga – und nach der Pause endlich Tore. Bayern spielte nun druckvoller und nach genau einer Stunde wurde der Favorit dafür belohnt. Auf der linken Seite steckte Ribery zu Robben durch. Weidenfeller machte den Winkel für den Niederländer spitz, jedoch konnte der Franzose die Kugel am Dortmunder Schlussmann vorbei in die Tormitte bringen, und Mandzukic brauchte lediglich zum 1:0 ins leere Tor einzuschieben.

Robben, ausgerechnet Robben

Aber nur acht Minuten später herrschte wieder Gleichstand. Beim Versuch, an den Ball heranzukommen, trat Bayern-Verteidiger Dante seinem ehemaligen Gladbacher Teamkollegen Reus im Strafraum in den Bauch. Der bereits verwarnte Brasilianer hatte Glück, dass er nicht mit der Ampelkarte vom Platz flog. Den fälligen Strafstoß brachte Gündogan sicher unter (68.). Wenige Augenblicke später hätte Hummels nach einem Konter Schwarz-Gelb sogar in Führung bringen können, allerdings zielte er etwas zu hoch. (70.). Die Bayern schüttelten sich kurz und wollten die Entscheidung in der regulären Spielzeit erzwingen. Einen Schuss von Müller auf das leere Tor wurde von Subotic noch von der Linie gekratzt (72.). Bei den Versuchen von Alaba (76.) und Schweinsteiger (87.) war Weidenfeller zur Stelle.

Ein Verteidiger leitete dann die späte Entscheidung ein. Jerome Boateng, der humpelnd die zweite Halbzeit durchstand. Ihm gebührt ein Scorerpunkt. Ribery kam in der 89. Minute an einen langen, vom deutschen Nationalspieler getretenen Freistoß heran, die Hackenablage des Franzosen landete bei Robben. Der Niederländer lief an den beiden Innenverteidigern Hummels sowie Subotic vorbei und schob dann überlegt an Weidenfeller vorbei ins Tor ein. Womöglich hatte er den Ball gar nicht richtig getroffen, aber wer wollte das noch wissen? Die entkräfteten Borussen hatten lediglich eine Möglichkeit zum erneuten Ausgleich, der Schuss des eingewechselten Schieber in der Nachspielzeit wurde aber zu einer sicheren Beute für Neuer.

Dann kam der Schlusspfiff und Jupp Heynckes hatte als Trainer zum zweiten Mal die Champions League gewonnen – ebenso wie seine Bayern. Seine Spieler warfen ihn in die Höhe und auf der Party erfüllte er den brennenden Wunsch seines Assistenten Hermann Gerland. Der hatte gesagt: "Josef, ich habe einen Wunsch. Ich möchte, dass Du lockerer wirst. Irgendwann kommt der Sensenmann, du kommst in den Himmel, ich in die Hölle. Aber davor müssen wir noch mal richtig die Sau raus lassen." Was er auf der Tanzfläche umgehend befolgte. Heynckes, der als Triple-Sieger seine Karriere beendete: "Ich habe als Spieler und Trainer viele außergewöhnliche Erlebnisse gehabt. Aber dieser Titel hier ist schon etwas Besonderes!" Die geknickten, tapferen Borussen wurden von ihren Fans im heimischen Stadion empfangen, es war eine eher gespenstische Stimmung. Keiner wollte feiern oder lachen, die späte Niederlage tat einfach zu weh. Und so ähnlich kam es auch im Jahr darauf.

###more###

17. Mai 2014: Bayern gewinnt das dritte Pokalfinale

Damals plagte den FC Bayern ein rätselhaftes Verletzungspech. Auf der Ausfall-Liste für Berlin standen Schweinsteiger, Thiago und Alaba, zudem hatte Trainer Pep Guardiola den aufsässigen Mario Mandzukic suspendiert. Und Kapitän Philipp Lahm schied nach bereits 31 Minuten aus, um durch den gleichsam nicht ganz fitten Franck Ribery ersetzt zu werden. Guardiola musste sich etwas einfallen lassen gegen den Vize-Meister, dessen Konter er mehr als alles andere fürchtete. So spannte er erstmals in seiner Amtszeit eine Dreier-Kette vor Manuel Neuers Tor auf, im Zentrum stand Javier Martinez, neben ihm Jerome Boateng und Dante. Im Mittelfeld standen vier defensive Kräfte, mehr als gewöhnlich, Arjen Robben war die einzige Spitze. Bayern wollte diesen Pokal, aber sie wussten, dass sie ihn nicht im Sturm würden erobern können. "Wir wurden taktisch überragend vom Trainer eingestellt, Dortmund hatte kaum Chancen", lobte Lahm. Bayern aber auch nicht, das Finale, auf das die ganze Welt schaute, hatte wenig Höhepunkte.

Über eine Szene aber spricht man – zumindest in Dortmund – heute noch. In der 64. Minute schlug Dante den von Mats Hummels geköpften Ball knapp hinter der Linie aus dem Tor. Schiedsrichter Florian Meyer konnte es nicht zweifelsfrei erkennen und erhielt von seinen Assistenten auch keine andere Botschaft, also ließ er weiterspielen. Die Szene verhalf der Einführung der Tortechnologie zum Durchbruch. In der Verlängerung fielen dann Tore, die zählten. Wieder wurde Arjen Robben, der einst unter einem BVB-Trauma gelitten hatte, zum Matchwinner. In der 107. Minute überwand er Roman Weidenfeller zum 1:0, dem Thomas Müller mit einem Konter in letzter Minute das 2:0 folgen ließ. Und so standen sie wieder im Goldkonfettiregen, diese Bayern, und feierten ihren 17. Pokalsieg.

28. April 2015: Bayern erlebt Elfmeterdebakel

Das letzte denkwürdige Treffen der Rivalen fand ebenfalls im Pokal statt. Im Halbfinale hieß es am 28. April 2015, in einem Spiel mit Bayern-Chancen in Hülle und Fülle 1:1, doch außer Neu-Bayer Lewandowski und Aubameyang trafen die Akteure zwei Stunden lang das Tor nicht. Und im Elfmeterschießen ging es so weiter. Über das folgende Spektakel konnten nur die Bayern-Fans nicht lachen. Xabi Alonso und Philipp Lahm rutschten jeweils aus, mancher dachte an eine Wiederholung – so ähnlich waren sich die Fehlschüsse. Mario Götze scheiterte an Mitch Langerak, und Manuel Neuer, der sich auch als Schütze versuchte, traf die Latte. Vier Bayern-Elfmeter, keiner drin. Das kostete die Berlin-Fahrkarte, denn bei Borussia scheiterte nur Mats Hummels.

Ein Elfmeterschießen kann es Sonntag nicht geben – aber sicher jede Menge Gesprächsstoff. Vorher und nachher, wie sich das für einen Klassiker gehört.