Asamoah: "Beide waren viel zu offen"

34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014. Heute Gerald Asamoah im DFB.de-Gespräch mit Mitarbeiter Sven Winterschladen über das Rekordspiel am 11. Februar 2006 zwischen dem FC Schalke 04 und Bayer 04 Leverkusen, die am Samstag (ab 18.30 Uhr, live bei Sky) wieder aufeinander treffen. Mehr Tore sind seither nicht gefallen - das historische Interview.

Eigentlich war nach einer guten halben Stunde alles entschieden. 1:0 in der 9. Minute, 2:0 in der 17. Minute, 3:0 in der 34. Minute. Schon das war ein außergewöhnlicher Start in die Begegnung zwischen dem FC Schalke 04 und Bayer 04 Leverkusen. Mit so einer klaren Sache hatte niemand gerechnet.

Aber was dann geschah an jenem 11. Februar 2006, hat bis heute einen festen Platz in allen Geschichtsbüchern des Fußballs. Schalke gewann nach einer turbulenten zweiten Halbzeit mit 7:4. Mehr Tore in einer Begegnung sind in diesem Jahrtausend nie gefallen. Und den Schlusspunkt setzte damals der frühere deutsche Nationalspieler Gerald Asamoah. Inzwischen ist er wieder zurück auf Schalke und hilft der zweiten Mannschaft in der Regionalliga West.

DFB.de: Herr Asamoah, welche Erinnerungen haben Sie spontan an diesen Samstagnachmittag im Februar 2006?

Gerald Asamoah: Es war der absolute Hammer. Niemand hat damit gerechnet, dass sich so eine Begegnung entwickeln könnte. Aber man muss sagen, dass Leverkusen sehr stark nach vorne gespielt hat. Für eine Auswärtsmannschaft war das wirklich eine beachtliche Offensivleistung. Hinten waren beide Teams viel zu offen, das war erstaunlich. In diesem Spiel hätte wirklich alles passieren können. Das war schon gigantisch.

DFB.de: Eigentlich hatte Schalke in dieser Saison eine sehr starke Defensive…

Asamoah: Ja, Sie brauchen gar nicht weiter zu fragen. Genau deshalb war das alles so ungewöhnlich. Wenn ich heute daran zurückdenke, muss ich oft noch mit dem Kopf schütteln. Wir hatten mit Marcelo Bordon und Mladen Krstajic zwei überragende Innenverteidiger. Die ganze Abwehr war eigentlich eine Bank. Wir hatten ein starkes und kompaktes Gebilde - und dann passiert so etwas. Aber man darf auch nicht vergessen, dass Leverkusen kein schlechter Gegner war. Die haben toll nach vorne gespielt. Für viele war diese Begegnung das Spiel des Jahres. Für die meisten Zuschauer war es sicher ein Fest. Aber wir als Mannschaft waren natürlich nicht nur glücklich über dieses Ereignis - obwohl wir die drei Punkte auf Schalke halten konnten, trotz allem.

DFB.de: Sie haben viele große und wichtige Begegnungen erlebt. Zählt dieses 7:4 für Sie dazu?

Asamoah: Auf jeden Fall, das war ein Höhepunkt. Es war einfach so ungewöhnlich, dass sich zwei große Mannschaften so einen offenen Schlagabtausch leisten. Das gibt es ja heutzutage kaum noch. Man muss sich das nur einmal vorstellen: Wir kassieren in einem Heimspiel vier Tore und gewinnen trotzdem noch. Das habe ich wirklich selten erlebt, und als unmittelbar Beteiligter auf dem Platz wahrscheinlich nur dieses eine Mal. Deshalb bleibt diese Partie schon hängen im Gedächtnis. Gerade auch, weil ich den letzten Treffer dieses Aufeinandertreffens erzielen konnte.

DFB.de: Sie sind erst nach 75 Minuten eingewechselt worden. Was ging Ihnen auf der Bank durch den Kopf?

Asamoah: Nach jedem Tor habe ich gedacht: Okay, das muss es jetzt aber gewesen sein. Aber es ging immer weiter, immer weiter, immer weiter. Irgendwann habe ich nur noch gedacht, dass die da auf dem Platz doch alle verrückt sind. So ein Spektakel hatte ich selten erlebt. Ich konnte einfach nicht glauben, was ich da erleben durfte.

DFB.de: Wann war Ihnen klar, dass gerade etwas Historisches passiert?

Asamoah: Als sich Anfang der zweiten Halbzeit die Ereignisse überschlagen haben. Da war ich plötzlich so heiß, dass ich unbedingt eingewechselt werden wollte. Ich wollte meinen Beitrag zu diesem geschichtsträchtigen Duell leisten. Ich wollte, dass mein Name ebenfalls damit in Verbindung gebracht wird. Ich wollte, dass in diesem Zusammenhang auch über mich gesprochen wird. Und Gott sei Dank habe ich diese Chance bekommen. Ich habe mir dann zehn Minuten vor Schluss an der Seitenauslinie den Ball geschnappt, bin in den Strafraum rein und habe mit dem Außenrist ins lange Eck verwandelt. Ein schönes Tor.

DFB.de: Wie sind Sie danach mit dem Spiel umgegangen?

Asamoah: Unser Trainer war damals Mirko Slomka. Er war einfach nur erleichtert, dass wir die drei Punkte geholt hatten. Aber er hat auch ganz klar die Probleme in der Defensive angesprochen. Dimitar Berbatow stand ja teilweise total frei in unserem Strafraum. Solche Fehler mussten wir abstellen. Bei mir persönlich war es eine Mischung: Ich war glücklich über den Sieg und meinen Treffer, aber auch nachdenklich wegen der vielen Gegentreffer.

DFB.de: Glauben Sie, dass sich so eine Partie wiederholen kann?

Asamoah: Theoretisch ist das schon möglich. Auch wenn die Trainer immer mehr auf die Sicherung der Defensive achten. Aber gerade am vergangenen Wochenende habe ich das Spiel zwischen Hoffenheim und Freiburg gesehen. Das war ebenfalls gigantisch. 3:3 am Ende, Emotionen, Platzverweise. Es ging hin und her. Das macht die Faszination Fußball aus. Aber noch mal elf Tore in einem Bundesligaspiel, wenn zwei Topteams aufeinander treffen? Da müsste wirklich viel zusammenkommen. Vielleicht wenn Bayern München einen guten Tag hat und sieben oder acht Treffer schießt und gleichzeitig ein paar kassiert. Aber nein, sehr wahrscheinlich ist das nicht. Man muss sich ja nur mal die erste Runde des DFB-Pokals anschauen. Selbst im Duell zwischen Bundesligisten und Amateuren fallen selten so viele Tore. Jeder weiß inzwischen, wie man seinen Strafraum schützt. Deshalb glaube ich, dass wir noch einige Zeit einen Platz in den Geschichtsbüchern haben werden.

Die Torfolge: 1:0 Sören Larsen (9.), 2:0 Mladen Krstajic (17.), 3:0 Zlatan Bajramovic (34.), 3:1 Andrej Woronin (41.), 3:2 Dimitar Berbatow (50.), 4:2 Kevin Kuranyi (55.), 5:2 Sören Larsen (63.), 5:3 Andrej Woronin (64.), 5:4 Jacek Krzynowek (70.), 6:4 Lincoln (76.), 7:4 Gerald Asamoah (81.).

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34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014. Heute Gerald Asamoah im DFB.de-Gespräch mit Mitarbeiter Sven Winterschladen über das Rekordspiel am 11. Februar 2006 zwischen dem FC Schalke 04 und Bayer 04 Leverkusen, die am Samstag (ab 18.30 Uhr, live bei Sky) wieder aufeinander treffen. Mehr Tore sind seither nicht gefallen - das historische Interview.

Eigentlich war nach einer guten halben Stunde alles entschieden. 1:0 in der 9. Minute, 2:0 in der 17. Minute, 3:0 in der 34. Minute. Schon das war ein außergewöhnlicher Start in die Begegnung zwischen dem FC Schalke 04 und Bayer 04 Leverkusen. Mit so einer klaren Sache hatte niemand gerechnet.

Aber was dann geschah an jenem 11. Februar 2006, hat bis heute einen festen Platz in allen Geschichtsbüchern des Fußballs. Schalke gewann nach einer turbulenten zweiten Halbzeit mit 7:4. Mehr Tore in einer Begegnung sind in diesem Jahrtausend nie gefallen. Und den Schlusspunkt setzte damals der frühere deutsche Nationalspieler Gerald Asamoah. Inzwischen ist er wieder zurück auf Schalke und hilft der zweiten Mannschaft in der Regionalliga West.

DFB.de: Herr Asamoah, welche Erinnerungen haben Sie spontan an diesen Samstagnachmittag im Februar 2006?

Gerald Asamoah: Es war der absolute Hammer. Niemand hat damit gerechnet, dass sich so eine Begegnung entwickeln könnte. Aber man muss sagen, dass Leverkusen sehr stark nach vorne gespielt hat. Für eine Auswärtsmannschaft war das wirklich eine beachtliche Offensivleistung. Hinten waren beide Teams viel zu offen, das war erstaunlich. In diesem Spiel hätte wirklich alles passieren können. Das war schon gigantisch.

DFB.de: Eigentlich hatte Schalke in dieser Saison eine sehr starke Defensive…

Asamoah: Ja, Sie brauchen gar nicht weiter zu fragen. Genau deshalb war das alles so ungewöhnlich. Wenn ich heute daran zurückdenke, muss ich oft noch mit dem Kopf schütteln. Wir hatten mit Marcelo Bordon und Mladen Krstajic zwei überragende Innenverteidiger. Die ganze Abwehr war eigentlich eine Bank. Wir hatten ein starkes und kompaktes Gebilde - und dann passiert so etwas. Aber man darf auch nicht vergessen, dass Leverkusen kein schlechter Gegner war. Die haben toll nach vorne gespielt. Für viele war diese Begegnung das Spiel des Jahres. Für die meisten Zuschauer war es sicher ein Fest. Aber wir als Mannschaft waren natürlich nicht nur glücklich über dieses Ereignis - obwohl wir die drei Punkte auf Schalke halten konnten, trotz allem.

DFB.de: Sie haben viele große und wichtige Begegnungen erlebt. Zählt dieses 7:4 für Sie dazu?

Asamoah: Auf jeden Fall, das war ein Höhepunkt. Es war einfach so ungewöhnlich, dass sich zwei große Mannschaften so einen offenen Schlagabtausch leisten. Das gibt es ja heutzutage kaum noch. Man muss sich das nur einmal vorstellen: Wir kassieren in einem Heimspiel vier Tore und gewinnen trotzdem noch. Das habe ich wirklich selten erlebt, und als unmittelbar Beteiligter auf dem Platz wahrscheinlich nur dieses eine Mal. Deshalb bleibt diese Partie schon hängen im Gedächtnis. Gerade auch, weil ich den letzten Treffer dieses Aufeinandertreffens erzielen konnte.

DFB.de: Sie sind erst nach 75 Minuten eingewechselt worden. Was ging Ihnen auf der Bank durch den Kopf?

Asamoah: Nach jedem Tor habe ich gedacht: Okay, das muss es jetzt aber gewesen sein. Aber es ging immer weiter, immer weiter, immer weiter. Irgendwann habe ich nur noch gedacht, dass die da auf dem Platz doch alle verrückt sind. So ein Spektakel hatte ich selten erlebt. Ich konnte einfach nicht glauben, was ich da erleben durfte.

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DFB.de: Wann war Ihnen klar, dass gerade etwas Historisches passiert?

Asamoah: Als sich Anfang der zweiten Halbzeit die Ereignisse überschlagen haben. Da war ich plötzlich so heiß, dass ich unbedingt eingewechselt werden wollte. Ich wollte meinen Beitrag zu diesem geschichtsträchtigen Duell leisten. Ich wollte, dass mein Name ebenfalls damit in Verbindung gebracht wird. Ich wollte, dass in diesem Zusammenhang auch über mich gesprochen wird. Und Gott sei Dank habe ich diese Chance bekommen. Ich habe mir dann zehn Minuten vor Schluss an der Seitenauslinie den Ball geschnappt, bin in den Strafraum rein und habe mit dem Außenrist ins lange Eck verwandelt. Ein schönes Tor.

DFB.de: Wie sind Sie danach mit dem Spiel umgegangen?

Asamoah: Unser Trainer war damals Mirko Slomka. Er war einfach nur erleichtert, dass wir die drei Punkte geholt hatten. Aber er hat auch ganz klar die Probleme in der Defensive angesprochen. Dimitar Berbatow stand ja teilweise total frei in unserem Strafraum. Solche Fehler mussten wir abstellen. Bei mir persönlich war es eine Mischung: Ich war glücklich über den Sieg und meinen Treffer, aber auch nachdenklich wegen der vielen Gegentreffer.

DFB.de: Glauben Sie, dass sich so eine Partie wiederholen kann?

Asamoah: Theoretisch ist das schon möglich. Auch wenn die Trainer immer mehr auf die Sicherung der Defensive achten. Aber gerade am vergangenen Wochenende habe ich das Spiel zwischen Hoffenheim und Freiburg gesehen. Das war ebenfalls gigantisch. 3:3 am Ende, Emotionen, Platzverweise. Es ging hin und her. Das macht die Faszination Fußball aus. Aber noch mal elf Tore in einem Bundesligaspiel, wenn zwei Topteams aufeinander treffen? Da müsste wirklich viel zusammenkommen. Vielleicht wenn Bayern München einen guten Tag hat und sieben oder acht Treffer schießt und gleichzeitig ein paar kassiert. Aber nein, sehr wahrscheinlich ist das nicht. Man muss sich ja nur mal die erste Runde des DFB-Pokals anschauen. Selbst im Duell zwischen Bundesligisten und Amateuren fallen selten so viele Tore. Jeder weiß inzwischen, wie man seinen Strafraum schützt. Deshalb glaube ich, dass wir noch einige Zeit einen Platz in den Geschichtsbüchern haben werden.

Die Torfolge: 1:0 Sören Larsen (9.), 2:0 Mladen Krstajic (17.), 3:0 Zlatan Bajramovic (34.), 3:1 Andrej Woronin (41.), 3:2 Dimitar Berbatow (50.), 4:2 Kevin Kuranyi (55.), 5:2 Sören Larsen (63.), 5:3 Andrej Woronin (64.), 5:4 Jacek Krzynowek (70.), 6:4 Lincoln (76.), 7:4 Gerald Asamoah (81.).