Andreas Thom: Keine Lust auf Reihe eins

Andreas Thom hat deutsch-deutsche Fußballgeschichte geschrieben: Am 19. Dezember 1990 war er der erste ehemalige DDR-Nationalspieler, der für die DFB-Auswahl traf. Ein guter Grund also für ein Heimspiel. Treffpunkt: das Vereinsgelände von Hertha BSC in Blickweite des Olympiastadions. Herthas U 19 ist Thoms Gegenwart, aus seiner erfolgreichen Vergangenheit macht er keine große Sache.

Andreas Thom trägt einen blauen Trainingsanzug mit dem Emblem von Hertha BSC. Der 50-Jährige sitzt im Bistro "Greens" auf dem weitläufigen Vereinsgelände des populärsten Berliner Fußballklubs. Thom gehört, mit einigen Unterbrechungen, seit 1998 zur Hertha, hat dort längst seine sportliche und berufliche Heimat gefunden. Mit einigen Trainerkollegen aus der Hertha-Jugend-Akademie geht er im "Greens" regelmäßig Mittagessen. Die ehemaligen Bundesliga-Profis Andreas "Zecke" Neuendorf, Jörg Schwanke oder Michael Hartmann gehören zu diesem Kreis. Das ist praktisch, denn das Bistro liegt nur wenige Schritte von Thoms Büro entfernt. Doch Thom ist viel lieber draußen auf den gepflegten Trainingsplätzen oder im schmucken Amateurstadion, wo er mit seiner Mannschaft, der U 19 von Hertha, auch Gegner in der A-Junioren-Bundesliga empfängt.

Thom: "Ich fühlte mich überhaupt nicht als Außenseiter"

Im Dezember 2015 jährt sich zum 25. Mal ein für den deutschen Fußball historisches Ereignis, bei dem der junge Profi Andreas Thom eine wichtige Rolle spielte. Am 19. Dezember 1990 ging in Stuttgart das erste sogenannte "gesamtdeutsche Länderspiel" über die Bühne. Der Gegner in diesem freundschaftlichen Duell war die Schweiz. "Wir haben 4:0 gewonnen, und es war eiskalt", sagt Thom kurz und trocken. Das ist typisch für ihn. Eine Plaudertasche war er noch nie. In der zweiten Reihe hat er sich immer wohler gefühlt.

Damals in Stuttgart war Thom neben Matthias Sammer, der in der Startelf stand, der zweite Spieler aus der ehemaligen DDR, der das Trikot der bundesdeutschen Auswahl tragen durfte – und das auch noch beim neuen Weltmeister. Thom sagt: "Zeig' doch mal die Aufstellung von damals!" Die liest sich noch heute wie ein "Who is Who" der großen Fußballwelt: Illgner, Berthold, Kohler, Buchwald, Helmer, Reuter, Häßler, Matthäus, Sammer (74. Thom), Klinsmann, Völler (46. Riedle).

"Starke Truppe", sagt er knapp und grinst. "Da ich schon seit 1990 in der Bundesliga war, kam ich mit den anderen Nationalspielern gut zurecht. Ich fühlte mich überhaupt nicht als Außenseiter." Es passte zu diesem Spiel, dass Thom unmittelbar nach seiner Einwechslung den Treffer zum zwischenzeitlichen 3:0 erzielte. Diese Szene sieht er noch vor sich: "Der Ball kam nach einer Ecke genau zu mir. Ich habe draufgehalten und schon war er drin. Ich konnte nicht viel verkehrt machen." Seit dem Schweiz-Spiel wird Thom als erster Länderspiel-Torschütze für Deutschland nach der Wende geführt, der aus dem Osten kam. Für ihn ist das heute nichts Besonderes mehr. Thom, in Rüdersdorf bei Berlin geboren, ist aber bereits ein Jahr vor dem Vergleich gegen die Schweiz in die Annalen des deutschen Fußballs eingegangen.



Andreas Thom hat deutsch-deutsche Fußballgeschichte geschrieben: Am 19. Dezember 1990 war er der erste ehemalige DDR-Nationalspieler, der für die DFB-Auswahl traf. Ein guter Grund also für ein Heimspiel. Treffpunkt: das Vereinsgelände von Hertha BSC in Blickweite des Olympiastadions. Herthas U 19 ist Thoms Gegenwart, aus seiner erfolgreichen Vergangenheit macht er keine große Sache.

Andreas Thom trägt einen blauen Trainingsanzug mit dem Emblem von Hertha BSC. Der 50-Jährige sitzt im Bistro "Greens" auf dem weitläufigen Vereinsgelände des populärsten Berliner Fußballklubs. Thom gehört, mit einigen Unterbrechungen, seit 1998 zur Hertha, hat dort längst seine sportliche und berufliche Heimat gefunden. Mit einigen Trainerkollegen aus der Hertha-Jugend-Akademie geht er im "Greens" regelmäßig Mittagessen. Die ehemaligen Bundesliga-Profis Andreas "Zecke" Neuendorf, Jörg Schwanke oder Michael Hartmann gehören zu diesem Kreis. Das ist praktisch, denn das Bistro liegt nur wenige Schritte von Thoms Büro entfernt. Doch Thom ist viel lieber draußen auf den gepflegten Trainingsplätzen oder im schmucken Amateurstadion, wo er mit seiner Mannschaft, der U 19 von Hertha, auch Gegner in der A-Junioren-Bundesliga empfängt.

Thom: "Ich fühlte mich überhaupt nicht als Außenseiter"

Im Dezember 2015 jährt sich zum 25. Mal ein für den deutschen Fußball historisches Ereignis, bei dem der junge Profi Andreas Thom eine wichtige Rolle spielte. Am 19. Dezember 1990 ging in Stuttgart das erste sogenannte "gesamtdeutsche Länderspiel" über die Bühne. Der Gegner in diesem freundschaftlichen Duell war die Schweiz. "Wir haben 4:0 gewonnen, und es war eiskalt", sagt Thom kurz und trocken. Das ist typisch für ihn. Eine Plaudertasche war er noch nie. In der zweiten Reihe hat er sich immer wohler gefühlt.

Damals in Stuttgart war Thom neben Matthias Sammer, der in der Startelf stand, der zweite Spieler aus der ehemaligen DDR, der das Trikot der bundesdeutschen Auswahl tragen durfte – und das auch noch beim neuen Weltmeister. Thom sagt: "Zeig' doch mal die Aufstellung von damals!" Die liest sich noch heute wie ein "Who is Who" der großen Fußballwelt: Illgner, Berthold, Kohler, Buchwald, Helmer, Reuter, Häßler, Matthäus, Sammer (74. Thom), Klinsmann, Völler (46. Riedle).

"Starke Truppe", sagt er knapp und grinst. "Da ich schon seit 1990 in der Bundesliga war, kam ich mit den anderen Nationalspielern gut zurecht. Ich fühlte mich überhaupt nicht als Außenseiter." Es passte zu diesem Spiel, dass Thom unmittelbar nach seiner Einwechslung den Treffer zum zwischenzeitlichen 3:0 erzielte. Diese Szene sieht er noch vor sich: "Der Ball kam nach einer Ecke genau zu mir. Ich habe draufgehalten und schon war er drin. Ich konnte nicht viel verkehrt machen." Seit dem Schweiz-Spiel wird Thom als erster Länderspiel-Torschütze für Deutschland nach der Wende geführt, der aus dem Osten kam. Für ihn ist das heute nichts Besonderes mehr. Thom, in Rüdersdorf bei Berlin geboren, ist aber bereits ein Jahr vor dem Vergleich gegen die Schweiz in die Annalen des deutschen Fußballs eingegangen.

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Spektakulärer Wechsel nach West-Deutschland

Am 12. Dezember 1989, nur vier Wochen nach dem Fall der Mauer, besiegelten der DFB und der DFV den ersten offiziellen Wechsel eines DDR-Oberligaspielers in die Bundesliga. Sein Name: Andreas Thom, damals gerade 24 Jahre alt. Seine Meriten: zwischen 1984 und 1989 fünfmal in Serie mit dem BFC Dynamo DDR-Meister, dazu Torschützenkönig der Oberliga und Fußballer des Jahres in der DDR. Er wechselte zu Bayer 04 Leverkusen, was damals einer Sensation gleichkam in äußerst turbulenten politischen Zeiten. Die Geschichte, wie es zu diesem spektakulären Wechsel kam, ist kurios und liest sich spannend. "Das begann alles in Wien", sagt Thom. "Die DDR-Nationalmannschaft besaß im November 1989 noch die große Chance, die WM in Italien zu erreichen. Wir fuhren nur sechs Tage nach dem Mauerfall, am 15. November 1989, zum Duell gegen Österreich ins Wiener Praterstadion. Uns hätte ein Remis genügt, um zur WM nach Italien zu kommen. Doch wir haben 0:3 verloren."

Die Situation für die Spieler wie Thom, Sammer, Ulf Kirsten oder Rico Steinmann war nicht einfach. Die Zukunft war plötzlich offen und ungewiss, die Atmosphäre angesichts der weltbewegenden Ereignisse in Deutschland beinahe euphorisch. Gut 100 Scouts und Manager aus der Bundesliga beobachteten die besten DDR-Spieler in der Hoffnung, sie möglichst bald verpflichten zu können. Und vieles spukte in den Köpfen der Spieler aus Ostberlin, Dresden oder Magdeburg herum. Thom sagt deutlich: "Trotz der Turbulenzen wollten wir das Spiel in Wien natürlich unbedingt gewinnen, wir wollten zur WM. Doch dann ging alles schief. Das war die größte Enttäuschung für mich in einem Länderspiel für die DDR."

Thoms Handy klingelt. Er muss zu einer kurzen Besprechung in die Jugend-Akademie. Viel Zeit für einen ausgedehnten Rundgang über das Vereinsgelände hat er nicht. Als Nachwuchscoach hat er einiges um die Ohren. Er muss für seine jungen Schützlinge da sein. Weiter geht es ins nahe Amateurstadion. Dort spielt Thom mit der U 19, für die er seit diesem Jahr verantwortlich ist. Zuvor trainierte er sehr erfolgreich die U 17, wurde mit ihr sogar Deutscher Meister.

Thom: "Bei Bayer habe ich mich sehr wohlgefühlt"

Thom hat ohne Zweifel Geschichte geschrieben, obwohl er selbst nicht viel Aufhebens um seine Person macht. Nach der Pleite mit der DDR-Auswahl in Wien überschlugen sich die Ereignisse. Vor allem auch bei Thom. Schuld daran hatte Reiner Calmund. Der hatte in Wolfgang Karnath einen engen Vertrauten als Fotograf im Praterstadion akkreditieren lassen. Der hielt sich unauffällig in der Nähe der DDR-Bank auf und besorgte nach Spielschluss flugs einige Telefonnummern – auch die von Thom. "Wir haben den erst gar nicht bemerkt", sagt Thom. Nur 24 Stunden nach dem denkwürdigen Spiel in Wien hatte Calmund vom DDR-Verband die Erlaubnis, mit dem Stürmer des BFC Dynamo zu verhandeln. Beide wurden sich schnell handelseinig.

Der junge Profi galt natürlich zuerst als Exot bei Bayer und in der Liga. "Die haben mich toll empfangen", sagt er heute, "aber manche glaubten, ich hätte drei Arme und vier Füße." Die Erwartungen waren riesengroß, Ost wie West schauten auf ihn. Große Berührungsängste kannte Thom trotzdem nicht, dafür war er fußballerisch viel zu stark und selbstbewusst. "Bei Bayer haben sie es mir auch leicht gemacht mit dem Eingewöhnen. Ich habe mich dort sehr wohlgefühlt." Er integrierte sich schnell in der für ihn neuen Fußballwelt. Schon im Februar 1990 gab er sein Debüt in der Bundesliga. Er sagt: "Ich war gerne bei Bayer."

Genauso gerne ist er nun seit vielen Jahren bei der Hertha in Berlin. Man merkt, wie populär Thom noch immer ist. Ab und an wird er angehalten, wenn er über das Gelände geht. Junge Spieler sprechen ihn an, Kollegen aus der Akademie, Fans oder eben auch Journalisten. Als Profi am Ende seiner Karriere erreichte er mit Hertha die Champions League. "Dafür musst du natürlich viel investieren", sagt er ernst, "wir hatten damals einen unglaublichen Zusammenhalt in der Mannschaft. Das hat uns ausgezeichnet und stark gemacht." Assistenztrainer war er später bei Hertha – unter Falko Götz, auch Chef für drei Erstligaspiele Ende 2003.

Nun also gehört seine ganze Kraft dem Nachwuchs der Berliner. Der Job füllt ihn total aus. Ab und an sollte er den Jungs ruhig von seiner aufregenden Vergangenheit als Spieler erzählen. Auch wenn er nicht gern damit protzt. Am Ende des kleinen Rundgangs über das Vereinsgelände sagt er: "So, genug geredet. Ich muss mich kümmern. Um halb sechs beginnt das Training." Typisch Thom.

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