Amateurserie: Ex-Tasmane Rohloff trainiert Bambini

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders, in der Verbands-, Bezirks- oder Kreisliga, auf kleinen Sportplätzen.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in seiner Serie. Sie zeigt, wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: Heinz Rohloff, Tasmania Berlins Bundesligatorhüter in der Saison 1965/1966, trainiert heute Junioren.

Schlechter war keiner - nicht davor und nicht danach

Heinz Rohloff weiß, wie man es in kurzer Zeit zu lebenslanger Bekanntheit bringt. "Als Sportler muss man entweder richtig gut oder richtig schlecht sein", sagt der einstige Fußball-Torhüter. Rohloffs Team war richtig schlecht. Tasmania Berlin ist das Synonym für chronische Erfolgslosigkeit im Profifußball. Auch heute noch. 47 Jahre nach der einzigen Spielzeit in Deutschlands höchster Spielklasse.

Der Klub schaffte es, sich innerhalb dieses einen Jahres in jeder Menge Rekordlisten, in denen kein Sportler auftauchen will, den ersten Platz zu sichern. In der Saison 1966 erzielten die Berliner die wenigsten Tore aller Zeiten (15), kassierten die meisten Gegentore (108), holten die wenigsten Punkte (8), feierten die wenigsten Siege (2), steckten die meisten Niederlagen ein (28), blieben als einziger Bundesligist ohne Auswärtssieg und warteten länger als alle anderen auf einen Sieg (31 Spiele). Schlechter war keiner. Nicht davor und nicht danach.

Damit muss man erst einmal klarkommen. Als Funktionär, Fan, Vereinsmitglied und allen voran als Spieler. Rohloff stand im Tor von Tasmania Berlin. Um diesen Job dürfte ihn niemand beneidet haben. Nach dem 100. Gegentreffer übten sich die Anhänger des Klubs in Sarkasmus und legten hinter seinem Tor ein goldbekränztes, trauerflorumwehtes Pappschild mit der Aufschrift "100" nieder. Immerhin 63 Tore davon hatte er hinnehmen müssen. Sein Vertreter Klaus Basikow den Rest.

"Ich bekomme immer noch Fanpost"

Auch fast vier Jahrzehnte später lässt Rohloff diese Serie nicht los. "Die Vergangenheit holt mich immer wieder ein", sagt der 73-Jährige. Aber der gebürtige Bonner hat längst seinen Frieden mit der Geschichte gemacht. "Ich bekomme immer noch Fanpost. Zwei, drei Briefe die Woche. Das ist doch schön", erzählt er. Auch die Medien haben ihn nicht aus den Augen gelassen. Noch immer rufen Zeitungsjournalisten an und jüngst besuchte ihn das Team eines regionalen Fernsehsenders in seinem beschaulichen Wohnort Bad Münstereifel-Mahlberg in der Eifel. Niemand in der 661 Einwohner zählenden Ortschaft im Süden Nordrhein-Westfalens ist so begehrt wie Rohloff. Und so lange die Rekorde halten, wird sich dies kaum ändern.

Für den Rentner sind die Gespräche eine nette Abwechslung. Er erzählt gerne die Anekdoten von früher. Wie es war, mit 25 Jahren der zweitjüngste Spieler in einer viel zu alten und hoffnungslos überforderten Mannschaft gewesen zu sein. Wie man die Wochen der Erfolglosigkeit mit viel Humor meisterte und wie man sich vor dem Training zum gemeinsamen Frühstück mit ein, zwei Gläschen Portwein und reichlich Buletten traf.

Zweifellos hätte eine mittelmäßige Saison in der Bundesliga nicht eine derart nachhaltige Wirkung entfaltet. Rohloff wäre nur irgendein ehemaliger Bundesliga-Keeper. Zudem darf er sich damit trösten, nicht der eigentliche Verursacher der damaligen Misere gewesen zu sein. Dafür gibt es durchaus Belege: Im Anschluss an die WM in England 1966 traf der Schlussmann mit einer Berliner Auswahl auf das Team des Vizeweltmeisters aus West-Deutschland. Rohloff spielte überragend und wurde erst in der Schlussphase von Uwe Seeler überwunden.

"Zweimal wären wir beinahe aufgestiegen"

Trotz der katastrophalen Saison mit Tasmania, die mit dem Abstieg endete, wollte Ajax Amsterdam den Keeper verpflichten. Der Transfer scheiterte aber, weil sich die Klubs nicht auf die Ablösesumme einigen konnten. Rohloff blieb sechs weitere Jahre in Berlin und erlebte dort anschließend bessere Zeiten in der damaligen Regionalliga. "Zweimal wären wir beinahe aufgestiegen", sagt er. Doch aus der Rückkehr wurde nichts. Die Chance, die Scharte auszuwetzen und die Statistiken zu verbessern, blieb aus - und Tasmania bis heute das Schlusslicht der ewigen Bundesliga-Tabelle.

Rohloffs jüngsten Anhängern ist die Geschichte allerdings herzlich egal. Seit gut einem Jahr coacht er die Mini-Bambini und die F-Jugend im Nachbarort Schönau. Und die Resonanz beeindruckt ihn. "Die Kleinen können mit dem Begriff Bundesliga nicht viel anfangen und erst recht nicht mit irgendwelchen Ergebnissen von früher. Die Eltern sind einfach nur begeistert, weil ich gut mit den Kindern umgehen kann", sagt er.

Rohloff, den die Nachwuchskicker liebevoll "Jumbo" nennen, hat beim TSV Schönau einen kleinen Boom ausgelöst. "Am Anfang waren kaum Kinder da, jetzt kommen schon rund 30 regelmäßig zum Training", erklärt der 73-Jährige. Dabei kam er eher unverhofft zu diesem Engagement: "Meine Frau hat in einer Zeitungsannonce gelesen, dass der Verein Trainer sucht und mich überredet, mich dort zu melden."

Auch das Engagement bei Tasmania Berlin war nicht wirklich geplant. Rohloff spielte beim Bonner Fußball-Verein, einem der Vorgängerklubs des Bonner SC, als ihm die Verantwortlichen im Sommer 1965 mitteilten, ihn verkaufen zu müssen. "Man fragte mich, ob ich zum Karlsruher SC, zu Schalke 04 oder nach Berlin wolle. Ich entschied mich für Berlin und dachte natürlich an Hertha BSC", erinnert er sich.

"Habe mich gründlich verkalkuliert"

Erst als die Verhandlungsdelegation aus West-Berlin eintraf, wurde ihm klar, dass es zur Tasmania gehen sollte. Da Hertha inzwischen als Absteiger feststand und der weniger berühmte örtliche Konkurrent dafür in die höchste Spielklasse aufrückte, blieb Rohloff bei seinem Entschluss. "Die Verhandlungen gingen zügig über die Bühne. Der Bonner Manager hat mir nur gesagt, ich solle eingangs einfach sagen, dass ich nicht nach Berlin wechseln will und rausgehen. Den Rest würde er schon machen", so Rohloff.

Das Ergebnis dieser Transferstrategie konnte sich sehen lassen. Zumindest vorläufig. Der finanziell klamme Klub aus der damaligen Bundeshauptstadt kassierte 20.000 Mark, der Keeper künftig 1200 Mark Grundgehalt – plus Siegprämien. Aber genau da lag letztlich der Fehler. "Ich habe mich gründlich verkalkuliert. Schließlich haben wir nur zweimal gewonnen", sagt Rohloff, der nach seiner Profizeit als Computerexperte Karriere machte. Die Trauer um die verpassten Einnahmen ist also längst verflogen. Rohloff weiß, dass es Wichtigeres gibt. Zum Beispiel ein Leben lang unvergessen zu bleiben.

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Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders, in der Verbands-, Bezirks- oder Kreisliga, auf kleinen Sportplätzen.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in seiner Serie. Sie zeigt, wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: Heinz Rohloff, Tasmania Berlins Bundesligatorhüter in der Saison 1965/1966, trainiert heute Junioren.

Schlechter war keiner - nicht davor und nicht danach

Heinz Rohloff weiß, wie man es in kurzer Zeit zu lebenslanger Bekanntheit bringt. "Als Sportler muss man entweder richtig gut oder richtig schlecht sein", sagt der einstige Fußball-Torhüter. Rohloffs Team war richtig schlecht. Tasmania Berlin ist das Synonym für chronische Erfolgslosigkeit im Profifußball. Auch heute noch. 47 Jahre nach der einzigen Spielzeit in Deutschlands höchster Spielklasse.

Der Klub schaffte es, sich innerhalb dieses einen Jahres in jeder Menge Rekordlisten, in denen kein Sportler auftauchen will, den ersten Platz zu sichern. In der Saison 1966 erzielten die Berliner die wenigsten Tore aller Zeiten (15), kassierten die meisten Gegentore (108), holten die wenigsten Punkte (8), feierten die wenigsten Siege (2), steckten die meisten Niederlagen ein (28), blieben als einziger Bundesligist ohne Auswärtssieg und warteten länger als alle anderen auf einen Sieg (31 Spiele). Schlechter war keiner. Nicht davor und nicht danach.

Damit muss man erst einmal klarkommen. Als Funktionär, Fan, Vereinsmitglied und allen voran als Spieler. Rohloff stand im Tor von Tasmania Berlin. Um diesen Job dürfte ihn niemand beneidet haben. Nach dem 100. Gegentreffer übten sich die Anhänger des Klubs in Sarkasmus und legten hinter seinem Tor ein goldbekränztes, trauerflorumwehtes Pappschild mit der Aufschrift "100" nieder. Immerhin 63 Tore davon hatte er hinnehmen müssen. Sein Vertreter Klaus Basikow den Rest.

"Ich bekomme immer noch Fanpost"

Auch fast vier Jahrzehnte später lässt Rohloff diese Serie nicht los. "Die Vergangenheit holt mich immer wieder ein", sagt der 73-Jährige. Aber der gebürtige Bonner hat längst seinen Frieden mit der Geschichte gemacht. "Ich bekomme immer noch Fanpost. Zwei, drei Briefe die Woche. Das ist doch schön", erzählt er. Auch die Medien haben ihn nicht aus den Augen gelassen. Noch immer rufen Zeitungsjournalisten an und jüngst besuchte ihn das Team eines regionalen Fernsehsenders in seinem beschaulichen Wohnort Bad Münstereifel-Mahlberg in der Eifel. Niemand in der 661 Einwohner zählenden Ortschaft im Süden Nordrhein-Westfalens ist so begehrt wie Rohloff. Und so lange die Rekorde halten, wird sich dies kaum ändern.

Für den Rentner sind die Gespräche eine nette Abwechslung. Er erzählt gerne die Anekdoten von früher. Wie es war, mit 25 Jahren der zweitjüngste Spieler in einer viel zu alten und hoffnungslos überforderten Mannschaft gewesen zu sein. Wie man die Wochen der Erfolglosigkeit mit viel Humor meisterte und wie man sich vor dem Training zum gemeinsamen Frühstück mit ein, zwei Gläschen Portwein und reichlich Buletten traf.

Zweifellos hätte eine mittelmäßige Saison in der Bundesliga nicht eine derart nachhaltige Wirkung entfaltet. Rohloff wäre nur irgendein ehemaliger Bundesliga-Keeper. Zudem darf er sich damit trösten, nicht der eigentliche Verursacher der damaligen Misere gewesen zu sein. Dafür gibt es durchaus Belege: Im Anschluss an die WM in England 1966 traf der Schlussmann mit einer Berliner Auswahl auf das Team des Vizeweltmeisters aus West-Deutschland. Rohloff spielte überragend und wurde erst in der Schlussphase von Uwe Seeler überwunden.

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"Zweimal wären wir beinahe aufgestiegen"

Trotz der katastrophalen Saison mit Tasmania, die mit dem Abstieg endete, wollte Ajax Amsterdam den Keeper verpflichten. Der Transfer scheiterte aber, weil sich die Klubs nicht auf die Ablösesumme einigen konnten. Rohloff blieb sechs weitere Jahre in Berlin und erlebte dort anschließend bessere Zeiten in der damaligen Regionalliga. "Zweimal wären wir beinahe aufgestiegen", sagt er. Doch aus der Rückkehr wurde nichts. Die Chance, die Scharte auszuwetzen und die Statistiken zu verbessern, blieb aus - und Tasmania bis heute das Schlusslicht der ewigen Bundesliga-Tabelle.

Rohloffs jüngsten Anhängern ist die Geschichte allerdings herzlich egal. Seit gut einem Jahr coacht er die Mini-Bambini und die F-Jugend im Nachbarort Schönau. Und die Resonanz beeindruckt ihn. "Die Kleinen können mit dem Begriff Bundesliga nicht viel anfangen und erst recht nicht mit irgendwelchen Ergebnissen von früher. Die Eltern sind einfach nur begeistert, weil ich gut mit den Kindern umgehen kann", sagt er.

Rohloff, den die Nachwuchskicker liebevoll "Jumbo" nennen, hat beim TSV Schönau einen kleinen Boom ausgelöst. "Am Anfang waren kaum Kinder da, jetzt kommen schon rund 30 regelmäßig zum Training", erklärt der 73-Jährige. Dabei kam er eher unverhofft zu diesem Engagement: "Meine Frau hat in einer Zeitungsannonce gelesen, dass der Verein Trainer sucht und mich überredet, mich dort zu melden."

Auch das Engagement bei Tasmania Berlin war nicht wirklich geplant. Rohloff spielte beim Bonner Fußball-Verein, einem der Vorgängerklubs des Bonner SC, als ihm die Verantwortlichen im Sommer 1965 mitteilten, ihn verkaufen zu müssen. "Man fragte mich, ob ich zum Karlsruher SC, zu Schalke 04 oder nach Berlin wolle. Ich entschied mich für Berlin und dachte natürlich an Hertha BSC", erinnert er sich.

"Habe mich gründlich verkalkuliert"

Erst als die Verhandlungsdelegation aus West-Berlin eintraf, wurde ihm klar, dass es zur Tasmania gehen sollte. Da Hertha inzwischen als Absteiger feststand und der weniger berühmte örtliche Konkurrent dafür in die höchste Spielklasse aufrückte, blieb Rohloff bei seinem Entschluss. "Die Verhandlungen gingen zügig über die Bühne. Der Bonner Manager hat mir nur gesagt, ich solle eingangs einfach sagen, dass ich nicht nach Berlin wechseln will und rausgehen. Den Rest würde er schon machen", so Rohloff.

Das Ergebnis dieser Transferstrategie konnte sich sehen lassen. Zumindest vorläufig. Der finanziell klamme Klub aus der damaligen Bundeshauptstadt kassierte 20.000 Mark, der Keeper künftig 1200 Mark Grundgehalt – plus Siegprämien. Aber genau da lag letztlich der Fehler. "Ich habe mich gründlich verkalkuliert. Schließlich haben wir nur zweimal gewonnen", sagt Rohloff, der nach seiner Profizeit als Computerexperte Karriere machte. Die Trauer um die verpassten Einnahmen ist also längst verflogen. Rohloff weiß, dass es Wichtigeres gibt. Zum Beispiel ein Leben lang unvergessen zu bleiben.