Als Schön mit dem Saarland Herbergers DFB-Team herausforderte

Heute wäre Helmut Schön 100 Jahre alt geworden. Unter ihm wurde die Nationalmannschaft Welt- und Europameister - das hat kein anderer Bundestrainer geschafft. Vorher betreute er das Saarland - und forderte den großen Nachbarn heraus. Für DFB.de blickt Michael Kipp zurück.

In einem militärgrünen Käfer rollt er in sein neues Fußballreich, schreibt Helmut Schön in seiner Biografie. "Später tuckerte ich in einem Peugeot-Kombi durchs Saarland." Um sich Fußball-Spiele anzuschauen, um Fußball zu lehren. Der Sachse ist seit 1. Januar 1952 Trainer der Saarländischen Nationalmannschaft.

Zwei Jahre zuvor flieht der ehemalige Fußball-Nationalspieler mit seiner Familie aus Dresden. Über Berlin kommt er nach Wiesbaden. In eine Stadt "die meiner alten Heimat Dresden so ähnelt", wie Schön schreibt. Im Hessischen gefällt es ihm. Er sollte in Wiesbaden bis zu seinem Tod 1996 leben. Was ihm fehlt, ist das Herz des Fußballs. Das schlägt damals nicht im Rhein-Main-Gebiet, das pocht 150 Kilometer weiter südwestlich im Saarland. Was für viele heute ein Trip in die Provinz ist, war für Schön 1952 eine Reise ins Fußball-Paradies. "Wenn auch die Äußerlichkeiten primitiv erscheinen mochten, war dieses Lehrstück dennoch ideal", schreibt Schön in seiner Biografie über seine Zeit zwischen Mosel und Saar.

Dank des Fußvballs keine Provinz

Zu den Äußerlichkeiten sei geschrieben: Nur knapp eine Million Saarländer leben auf einer Fläche, die so klein wie 35972 Fußballfelder ist. Sie leben in wunderschönen Landschaften, waren in ihrer Geschichte salopp gesagt zwei Mal deutsch und zwei Mal französisch. Deutsch ist dennoch die Muttersprache der Ureinwohner, Saarbrücken ihre Hauptstadt. In Schöns Zeit ist das Saargebiet dank Kohle und Stahl ein starker deutscher Wirtschaftsmotor. Und dank des Fußballs keine Provinz. Deutschland kennt das Saarland. Der 1. FC Saarbrücken steht 1943 und 1952 im Finale um die Deutsche Meisterschaft, Borussia Neunkirchen verliert das DFB-Pokal-Finale 1959 gegen Schwarz-Weiß Essen – in den 50er und Anfang der 60er Jahre ist der saarländische Fußball en vogue.

Schön übernimmt das Trainer-Amt von Auguste "Gustl" Jordan. Der 24-malige französische Nationalspieler ist gleichzeitig Trainer des 1. FC Saarbrücken, betreute die Saarelf in den ersten fünf ihrer insgesamt 19 Spiele. Zu dieser Zeit ist das Saarland gerade mal wieder französisch, steht bis Ende 1956 unter dem Protektorat Frankreichs. Die Franzosen sind für die Verteidigung und die auswärtige Vertretung zuständig. Ansonsten ist das Saarland ein autonomer Staat, hat eine Verfassung, einen Ministerpräsidenten, einen Landtag, eine Regierung, eine Polizei, Autokennzeichen. Und ist FIFA-Mitglied: Dank des Saarländers Hermann Neuberger.

Am 14. Mai 1950 begann Neuberger als Präsident des damals zwei Jahre alten Saarländischen Fußballbundes seine beispiellose Funktionärskarriere, die der Völklinger als DFB-Präsident (1975 bis 1992) vollendete. Dank seines Vermittlungsgeschicks gelingt es dem Saarland, am 12. Juni 1950 eigenständiges Mitglied der FIFA zu werden. Den DFB nimmt der Weltfußballverband erst im Herbst auf.



Heute wäre Helmut Schön 100 Jahre alt geworden. Unter ihm wurde die Nationalmannschaft Welt- und Europameister - das hat kein anderer Bundestrainer geschafft. Vorher betreute er das Saarland - und forderte den großen Nachbarn heraus. Für DFB.de blickt Michael Kipp zurück.

In einem militärgrünen Käfer rollt er in sein neues Fußballreich, schreibt Helmut Schön in seiner Biografie. "Später tuckerte ich in einem Peugeot-Kombi durchs Saarland." Um sich Fußball-Spiele anzuschauen, um Fußball zu lehren. Der Sachse ist seit 1. Januar 1952 Trainer der Saarländischen Nationalmannschaft.

Zwei Jahre zuvor flieht der ehemalige Fußball-Nationalspieler mit seiner Familie aus Dresden. Über Berlin kommt er nach Wiesbaden. In eine Stadt "die meiner alten Heimat Dresden so ähnelt", wie Schön schreibt. Im Hessischen gefällt es ihm. Er sollte in Wiesbaden bis zu seinem Tod 1996 leben. Was ihm fehlt, ist das Herz des Fußballs. Das schlägt damals nicht im Rhein-Main-Gebiet, das pocht 150 Kilometer weiter südwestlich im Saarland. Was für viele heute ein Trip in die Provinz ist, war für Schön 1952 eine Reise ins Fußball-Paradies. "Wenn auch die Äußerlichkeiten primitiv erscheinen mochten, war dieses Lehrstück dennoch ideal", schreibt Schön in seiner Biografie über seine Zeit zwischen Mosel und Saar.

Dank des Fußvballs keine Provinz

Zu den Äußerlichkeiten sei geschrieben: Nur knapp eine Million Saarländer leben auf einer Fläche, die so klein wie 35972 Fußballfelder ist. Sie leben in wunderschönen Landschaften, waren in ihrer Geschichte salopp gesagt zwei Mal deutsch und zwei Mal französisch. Deutsch ist dennoch die Muttersprache der Ureinwohner, Saarbrücken ihre Hauptstadt. In Schöns Zeit ist das Saargebiet dank Kohle und Stahl ein starker deutscher Wirtschaftsmotor. Und dank des Fußballs keine Provinz. Deutschland kennt das Saarland. Der 1. FC Saarbrücken steht 1943 und 1952 im Finale um die Deutsche Meisterschaft, Borussia Neunkirchen verliert das DFB-Pokal-Finale 1959 gegen Schwarz-Weiß Essen – in den 50er und Anfang der 60er Jahre ist der saarländische Fußball en vogue.

Schön übernimmt das Trainer-Amt von Auguste "Gustl" Jordan. Der 24-malige französische Nationalspieler ist gleichzeitig Trainer des 1. FC Saarbrücken, betreute die Saarelf in den ersten fünf ihrer insgesamt 19 Spiele. Zu dieser Zeit ist das Saarland gerade mal wieder französisch, steht bis Ende 1956 unter dem Protektorat Frankreichs. Die Franzosen sind für die Verteidigung und die auswärtige Vertretung zuständig. Ansonsten ist das Saarland ein autonomer Staat, hat eine Verfassung, einen Ministerpräsidenten, einen Landtag, eine Regierung, eine Polizei, Autokennzeichen. Und ist FIFA-Mitglied: Dank des Saarländers Hermann Neuberger.

Am 14. Mai 1950 begann Neuberger als Präsident des damals zwei Jahre alten Saarländischen Fußballbundes seine beispiellose Funktionärskarriere, die der Völklinger als DFB-Präsident (1975 bis 1992) vollendete. Dank seines Vermittlungsgeschicks gelingt es dem Saarland, am 12. Juni 1950 eigenständiges Mitglied der FIFA zu werden. Den DFB nimmt der Weltfußballverband erst im Herbst auf.

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Zwei Jahre, um eine Mannschaft zu formen

Neubergers Auftrag an seinen neuen Trainer Schön ist klar: Der Sachse soll die Saarländer zur WM in die Schweiz führen. Zwei Jahre hat Schön Zeit, eine Mannschaft zu formieren, die in der Qualifikation für die WM 1954 bestehen soll. Der 1,86-Meter große Schlacks beginnt sofort mit seiner Arbeit: "Ich besuchte die Vereine, beobachtete die Spitzenspieler, stellte verschiedene Auswahlmannschaften auf. Auch die Jugend gehörte dazu", erinnert sich Schön. Das ist, was er immer wollte. War "der Lange" zuvor in Dresden ein großer und erfahrener Spieler, ist er nun ein junger Trainer. Kein Vereinstrainer – Bundestrainer. Nicht nur eine Mannschaft muss er genau im Auge haben, er will sie alle kennen: "Man bekam einen weiteren Horizont, musste beweglicher sein, lernte viel mehr mit Menschen umzugehen und lernte unterschiedliche kennen." Das entspricht seinem Naturell, "sich verschiedenen Situation selbst anzupassen", ein kommunikativer Typ zu sein.

Kontakte mit Menschen waren für mich immer ein Lebenselement", schreibt er. Da ist er im Saarland goldrichtig. Saarländer sind gesellig. "Wir saßen abends oft in der ersten Etage im Haus des Sports in der Saarufer-Straße zusammen. Der Neuberger, der Helmut Schön, ich war da auch oft dabei. Wir haben viel gelacht. Der Helmut hatte immer ein paar Kalauer auf Lager", erinnert sich Gerhard Reuther. Der heute 88-Jährige war Neubergers Assistent und Pressewart des SFB. Er lebt heute noch nur einen Fußball-Abschlag von der Saar entfernt. Reiter erinnert sich an die 50er im Saarland gerne. "Am Hauptbahnhof gab es zum Beispiel eine Kneipe, die hieß Strohdiele, dort haben wir gerne noch ein Feierabend-Bier getrunken. Wie das unter Fußballern üblich ist."

Neuberger ist kein Kostverächter. Schön auch nicht. Jimmy Hogan hatte Schön auf den Geschmack gebracht. Der Engländer war 1932 Schöns erster Trainer beim Dresdner SC und "trank selber mal gerne einen", erinnert sich Schön. Der "Entwicklungshelfer" aus dem Mutterland des Fußballs "führte sich dabei aber nicht wie ein Puritaner auf, wie es manche Trainer an sich haben". Sowieso: Von Hogan habe Schön viele nützliche Tipps erhalten. In sportlichen wie menschlichen Fragen. Er habe mal zu ihm gesagt: "Helmut, du gehst am Tag vor dem Spiel in das Bierhaus Weihenstephan am Bahnhof, trinkst ein großes dunkles Bier, und dann gehst du nach Hause und schläfst gut." Daran habe sich Schön immer gehalten.

Pendler mit einer Mission

So kommt es, dass seine Auswahl-Spieler im Saarland (und später auch in Deutschland) vor dem Schlafen ein bis drei Bier trinken durften. "Das schadet nichts", schreibt Schön in seiner Biografie in Einklang mit seinem Mentor Hogan. Und mit der Absolution von Neuberger. "Schön wusste, wie gerne man an der Saar ein Helles trinkt. Warum sollten unsere Spieler [...] nicht am Abend vor dem Spiel ein und zwei vielleicht auch drei Gläschen kippen dürfen?“, fragt Neuberger in seiner Festschrift, in der er weiter schreibt: "Meist nämlich erweist es sich als falsch, den Spieler aus seiner Gewöhnung zu reißen. Lieber öffentliches Gestatten, das eine Kontrolle erlaubt, als ein Hintenrum, das Vertrauen untergräbt." Eine schöne Umschreibung für Schöns Arbeitsstil.

Er pendelt. Seine damalige Lebenspartnerin Annelies lebt trotz Scheidung 1948 von ihm in Wiesbaden im gemeinsamen Neckermann-Haus, Schön an der Sportschule im beschaulichen Saarbrücker Stadtwald. Erst 1955 heiraten sie im Saarland erneut. "Unter der Woche war Helmut meist hier in Saarbrücken", erinnert sich der Reuther. Ist er da, ist er meist auf Mission. Im Kofferraum seines Käfers "hatte ich eine Filmapparatur für die Vorführung von Lehrfilmen. Ich hielt Vorträge. Ich stellte Teams auf, und ich stellte um, ich gliederte aus und baute neue auf." Er liebt es, über Fußball zu diskutieren. Schön liebt auch die feine Ironie. Was er nicht mag, ist Kritik in Zeitungen. "Als er zu uns ins Saarland kam", erinnert sich der ehemalige Journalist Wilfried Burr, "da dachten wir alle: Jetzt kommt so ein Dickkopf. Im Saarland galten die Sachsen als Dickköpfe." War er es denn? Im Trainer-Journalistenverhältnis? "Nun ja, er konnte schon hartnäckig sein. Aber wenn man ihn besser kannte, und wusste, wie man ihn ansprechen musste, bekam man auch die nötigen Informationen von ihm", erinnert sich Burr. "Menschlich kamen wir bestens miteinander aus. Wir hatten gar ein freundschaftliches Verhältnis."

Ähnliches berichtet Reuther: "Schön war nie wirklich böse, er war nie ein Haudrauf. Dennoch war er konsequent. Er hatte immer eine klare Linie", sagt er. Und Schön ist penibel - wie Burr bei der WM 1978 in Argentinien beobachtet. "Er hat vor dem Spiel die Grashalme im Stadion vermessen. Ob sie gleichlang sind."

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Nichts dem Zufall überlassen

Schön überlässt nichts dem Zufall, hat aber stets den Menschen hinter dem Fußballer im Blick. Neuberger selbst erinnert sich in einer Festschrift, dass Schön zwar ein Meister an der Taktiktafel sei, dass er aber genau weiß, wann er Spieler damit langweile. "Seine Ideen wurden an der Saar für gut geheißen, dort konnte sich vornehmlich der gute Psychologe entfalten: die Saar-Elf war, wenn es galt, ein verschworener Haufe! Der Rädelsführer? Helmut Schön, Lehrer, Kamerad, Freund", lobt Neuberger.

Dass es eine erfolgreiche Zeit war, liegt an seiner Arbeit, aber auch an den Spielern. Das Saarland hat damals gute Fußballer: Herbert Binkert, Herbert Martin, Karl Ringel, Theo Puff, Werner Otto, Waldemar Philippi. Curt Clemens (Saar 05/FCS/Nancy) gilt 1954 als wertvollster Spieler Europas. Der großartige Stratege hat Angebote von Real Madrid und dem FC Barcelona vorliegen, lehnt beide ab. Noch heute lebt er in Homburg und ist 90 Jahre alt. Der damalige FIFA-Präsident Jules Rimet erzählt in einem Interview: "Die interessanteste Mannschaft des Kontinents kommt aus Saarbrücken". Dabei bezieht sich der Namensgeber des WM-Pokals auf die FCS-Mannschaft, die 1951 Real Madrid im Chamartín-Stadion (das heutige Bernabeu) mit 4:0 geschlagen und 1952 das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft gegen Stuttgart unglücklich 2:3 verloren hatte.

Schön weiß das natürlich. Gegen Binkert hat er 1943 noch selbst im Finale um die deutsche Meisterschaft auf dem Platz gestanden. Auch Schöns Förderer, der deutsche Bundestrainer Sepp Herberger, hat zu der Zeit einen guten Draht ins Saarland. Herberger ist aus Mannheim, präferiert Spieler aus Kaiserslautern, reist oft nach Saarbrücken, der DFB sitzt in Frankfurt. Der Südwesten der Republik war damals die Keimzelle für eine erfolgreiche Zeit des DFB. Neuberger, Herberger, Schön, Jupp Derwall, der FCK – zwischen 1954 und 1992 spielen sie in der Geschichte des DFB Hauptrollen.

Erster Coup in Norwegen

Es war auch Herberger, der Schön dem Saarländer Neuberger empfahl. Und alle drei mussten wahrscheinlich schmunzeln, als sie die Auslosung für die WM-Qualifikationsgruppe vor Augen hatten: Das Saarland ist in einer Gruppe mit Deutschland gelost worden. Dazu kam noch Norwegen. Schöns erstes Spiel als Trainer, ein Testländerspiel bei Frankreichs B-Mannschaft, gewann das Saarland mit 3:1. Dennoch fuhr das Team als Außenseiter nach Oslo zum ersten Qualispiel gegen Norwegen. So lief es auch: Die Mannschaft liegt schnell 0:2 hinten, Philippi und Puff verletzen sich, doch Schön stellt taktisch so geschickt um, dass das saarländische Wunder von Oslo gelingt.

Binkert, Otto und Siedl drehen das Spiel zum 3:2. Die Saarländer feiern mit ihrem Trainer und Neuberger den Sieg im Grand Hotel bis zum Morgengrauen. "Ich weiß nicht, ob die überraschende Wende an einer gewissen Überheblichkeit unseres Gegners oder an dem unbeugsamen Kampfgeist unserer Truppe lag. Vielleicht war auch beides zusammen die Ursache", sinniert Schön nach dem Spiel in die Mikrofone. Deutschland schafft in Norwegen nur ein 1:1. Das Saarland ist Tabellenführer.

Es folgt das erste Aufeinandertreffen mit Deutschland. Das Hinspiel findet am 28. Oktober 1953 in Stuttgart statt. 3:0 für Deutschland, aber gute Kritiken für das kämpfende Saarland. "Das Saarland - ein tapferer Gegner", "Nur drei Abstaubertore". Herberger sagt nach dem Spiel zu Schön: "Helmut, wir sollten froh sein, dass das Spiel vorüber ist. Ich bin es jedenfalls." Es folgt das Rückspiel gegen Norwegen im Ludwigspark, es endet 0:0. Trotz großem Chancenplus für die Schön-Elf.

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Entscheidung im Saarbrücker Ludwigspark

Deutschland gewinnt zu Hause zeitgleich gegen Norwegen 5:1. Und so muss der 28. März 1954 im Saarbrücker Ludwigsparkstadion die Entscheidung bringen. Wer fährt zur WM? Schön oder doch Geburtstagskind Herberger? Gewinnt Deutschland, ist es in der Schweiz dabei. Gewinnt das Saarland, kommt es zu einem Entscheidungsspiel im Pariser Prinzenpark.

Die Kartennachfrage an diesem 28. März 1954 ist so groß, dass "Tausende keine Gelegenheit zum Besuch des Kampfes" haben, schrieb die Saarbrücker Zeitung. Das Saarland, Deutschland, der 2. Weltkrieg. Die saarländische Landesregierung lässt aufgrund der politischen Brisanz des Spiels keine Nationalflaggen im Stadion zu. Die Bergmannskapelle darf keine Hymnen spielen. Stattdessen spielen im Wald Lautsprecher die deutsche Nationalhymne ab. Die Saarländer singen mit, sie wollen wieder Deutsche sein. Den saarländischen Spielern, so erzählt Binkert, war das ganze Drumherum eh egal: "Wir wollten guten Fußball spielen, wir wollten gewinnen – was die Politik gemacht hat, hat uns nicht interessiert."

Aberkanntes Führungstor? "Nie und nimmer Abseits"

Binkert lebt heute in einem saarländischen Seniorenheim und erinnert sich noch genau an den Spielfilm des Jahrhundertspiels: Herbert Martin traf kurz nach Beginn zum saarländischen Führungstor, das der niederländische Schiedsrichters Bronkhorst wegen Abseits nicht gab. "Das war nie und nimmer Abseits", erinnert sich der heute 89-jährige Martin. Deutschlands Torwart Toni Turek analysierte: "Es hat eine Halbzeit böse für uns ausgesehen, und ich weiß nicht, was geworden wäre, wenn die Saar einen Vorsprung erreicht hätte." Kurt Clemens treibt die Saarländer immer wieder an. Fritz Walter wiederum hatte in Minute 31 keine Lust mehr, gegen die Saarländer zu spielen. Er ließ sich von Sepp Herberger auswechseln. "Verletzungsbedingt", erinnert sich Binkert.

Das 0:1 durch Deutschlands Stürmer Max Morlock kommt da eher aus dem Nichts. Auch das 0:2 von Morlock (54.) bedeutet noch nicht das Ende saarländischer WM-Träume. Zumal Martin in Minute 67 per Handelfmeter auf 1:2 verkürzt. "Flach und hart habe ich den ins linke Eck geschossen", sagt er. Der Park bebt, doch Hans Schäfer (83.) sorgt mit dem 1:3 für die Entscheidung. Im Anschluss ans Spiel gibt es ein gemeinsames Bankett, Helmut Schön ergreift das Wort und richtet es an seinen Mentor: "Lieber Herr Herberger, da das Saarland nun keine Möglichkeit mehr hat, in der Schweiz Weltmeister zu werden, schaffen sie es doch bitte mit der deutschen Nationalmannschaft!"

Herberger lacht und erwidert: "Wir wollen sehen, was sich machen lässt". Nach dem gewonnenen Finale im Berner Wankdorf-Stadion am 4. Juli 1954, ist die Saarländische Mannschaft unter den ersten Gratulanten in der Schweiz vor Ort. Auf Einladung des DFB. "Da habe ich Seppl Herberger umarmt", erinnert sich Schön. "Wir müssen ein schönes Paar abgegeben haben: Der Kurze und der Lange – innig vereint."

Noch drei weitere Spiele bleibt Schön im Saarland. Taktik, Menschenführung, Medien: "Das Saarland bot mir ein klassisches Modell dafür, was man als Bundestrainer alles machen muss und kann", schreibt Schön als Fazit in seiner Biografie. Die Saar wird 1957 wieder Deutsch, ihr Fußballverband schon etwas früher. Doch Schön sollte nicht arbeitslos werden. "Der Lange" bekam wieder einen Ruf. Diesmal von Sepp Herberger. Und so saß Schön seit dem 26. Mai 1956 regelmäßig neben Herberger als Assistent auf der Trainerbank des Deutschen Fußballbunds. Dabei hatte der Mann gerne eine Mütze auf.