50 Jahre Bundesliga: Die Saison 1999/2000

Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich dazu gibt es auf DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst der Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: die Saison 1999/2000.

Schon in seiner ersten Bundesliga-Saison war Michael Ballack Meister geworden, doch den Durchbruch hatte er unter Otto Rehhagel in Kaiserslautern nie so ganz geschafft. So nahm er im Sommer 1999 liebend gern das Angebot von Bayer Leverkusen an, wo der vor Ehrgeiz brennende Trainer Christoph Daum noch immer von der Meisterschale träumte. Ballack sollte ihm dabei helfen – und ein bisschen Hokuspokus. Der von ihm verpflichtete Mentaltrainer ließ die Spieler im Juli barfuß über Glasscherben laufen. Ängste überwinden, um Ziele zu erreichen.

Nicht auszudenken, wie viele Fußballersohlen bis heute wohl zerschnitten worden wären, hätte Michael Ballack am 20. Mai 2000 nicht ins eigene, sondern ins gegnerische Tor geschossen.

So aber fragte nach dem spektakulären Saisonfinale niemand nach dem Meister-Geheimnis des Christoph Daum, denn die Schale ging erneut an Kollege Ottmar Hitzfeld. Es war eines der packendsten Titelrennen der Bundesliga mit einem äußerst seltenen Ausgang.

Nicht, dass wieder die Bayern Meister wurden – das war mittlerweile Normalität. Aber dass eine Mannschaft am letzten Spieltag trotz eines drei Punkte (ein Sieg) Vorsprungs abgefangen wurde, das war die Ausnahme. Nur Werder Bremen passierte Ähnliches, anno 1986 – auch im Fernduell gegen die Bayern. Und wie damals wurde auch diesem Vize-Meister konzediert, den schöneren Fußball gespielt zu haben. Was wesentlich an den vier Brasilianern lag, die auch neutrale Zuschauer verzückten. Um Spieler wie Ze Roberto oder Emerson wurde Bayer von der ganzen Liga beneidet. Das Sieger-Gen brachten aber auch sie nicht an den Rhein und so fiel die schon vorbereitete Meisterfeier aus. Leverkusen verlor im ausverkauften Unterhachinger Sportpark vor doch nur 11.000 Zuschauern 0:2, als besagter Michael Ballack mit einem missglückten Rettungsversuch als Torschütze wider Willen in Erscheinung trat. Sein späterer Klub, die Bayern, dankte es ihm.

Mit dem 3:1 gegen Werder Bremen zogen sie an der Daum-Elf vorbei. Oliver Kahn jubelte lauthals: "Das war meine schönste Meisterschaft", Uli Hoeneß bekundete aufrichtig "Mitleid mit Christoph Daum" und Leverkusens Ulf Kirsten fragte konsterniert: "Was habe ich eigentlich verbrochen, dass ich nie Deutscher Meister werde?"

Auch der Abstiegskampf hielt die Fans in Atem, hier geschah Unglaubliches: Borussia Dortmund entließ im Januar Trainer Michael Skibbe auf Platz 6 und rutschte ungebremst nach unten; Nachfolger Bernd Krauss blieb elf Mal sieglos und musste am 13. April weichen. Nun war man schon 13. Für ihn kam der bereits in Rente gegangene Alt-Meister Udo Lattek (65.). Es war eine Sensation. Spiegel-online schrieb: "Kein Witz – Udo Lattek soll den BVB retten!"

Es war der erste Abstiegskampf im Leben des Udo Lattek, dem der BVB seinen invaliden Ex-Profi Matthias Sammer zur Seite stellte. Das Duo tat seine Pflicht, zwei Siege in fünf Spielen reichten zur Rettung. Lattek nahm seine Nicht-Abstiegsprämie (eine Million D-Mark) und gab wieder den elder statesman in Diskussionsrunden. Das Rentner-Modell im Abstiegskampf sollte Schule machen, doch spätere Nachahmer (Rolf Schafstall, Otto Rehhagel) würden weniger Erfolg haben.

Die Saison 1999/2000 brachte der Bundesliga nicht nur alte Bekannte, sondern auch absolute Neuheiten. Die Münchner Vorort-Gemeinde Unterhaching und das schwäbische Ulm wurden plötzlich Bundesliga-Standorte und waren aufgrund kleiner Stadien und fehlender Zugkraft für den merklichen Zuschauerrückgang mitverantwortlich. Eine Attraktion waren sie trotzdem, zuweilen: Die kleinen Bayern durften dann bleiben. Die wackeren Schwaben feierten zu früh und stiegen nach einem 1:2 im Finale um Platz 15 bei der Frankfurter Eintracht, der kurz vor Saisonende wegen verbotener Transfers in der Winterpause zwei Punkte abgezogen worden waren, ab.

In Erinnerung blieb besonders das 1:9 im Heimspiel gegen Leverkusen. Schon im März nahm ein ganz Großer des Weltfußballs Abschied: Lothar Matthäus folgte seinem Vorbild Franz Beckenbauer und wechselte nach New York.

Im Juni wurde er noch einmal gebraucht: mit 39 vertrat er die Nationalelf bei der EM – als Libero. Spielerisch und taktisch lief die DFB-Auswahl dermaßen der Musik hinterher, dass das Vorrundenaus die logische Konsequenz war. Das Krisen-Geschrei war groß, Bundestrainer Erich Ribbeck trat zurück. Sein designierter Nachfolger kam aus der Bundesliga: Christoph Daum sollte das Flagg-Schiff wieder flott machen, vorher aber wollte er noch mit Leverkusen Meister werden. So opferte Bayer 04 seinen Sport-Direktor Rudi Völler. Für ein Jahr, übergangsweise. Aber es sollte wieder ganz anders kommen.

ZAHLEN UND FAKTEN DER 37. BUNDESLIGASAISON

Tore: 885 (2,89 pro Spiel)
Torschützenkönige: Martin Max (1860 München) 19
Zuschauer: 8.849.618 (28.920 pro Spiel)
Meister: Bayern München
Absteiger: SSV Ulm 1846, Arminia Bielefeld, MSV Duisburg
Aufsteiger: 1. FC Köln, VfL Bochum, Energie Cottbus
Trainerentlassungen: 4
[um]


[bild1]

Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich dazu gibt es auf DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst der Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: die Saison 1999/2000.

Schon in seiner ersten Bundesliga-Saison war Michael Ballack Meister geworden, doch den Durchbruch hatte er unter Otto Rehhagel in Kaiserslautern nie so ganz geschafft. So nahm er im Sommer 1999 liebend gern das Angebot von Bayer Leverkusen an, wo der vor Ehrgeiz brennende Trainer Christoph Daum noch immer von der Meisterschale träumte. Ballack sollte ihm dabei helfen – und ein bisschen Hokuspokus. Der von ihm verpflichtete Mentaltrainer ließ die Spieler im Juli barfuß über Glasscherben laufen. Ängste überwinden, um Ziele zu erreichen.

Nicht auszudenken, wie viele Fußballersohlen bis heute wohl zerschnitten worden wären, hätte Michael Ballack am 20. Mai 2000 nicht ins eigene, sondern ins gegnerische Tor geschossen.

So aber fragte nach dem spektakulären Saisonfinale niemand nach dem Meister-Geheimnis des Christoph Daum, denn die Schale ging erneut an Kollege Ottmar Hitzfeld. Es war eines der packendsten Titelrennen der Bundesliga mit einem äußerst seltenen Ausgang.

Nicht, dass wieder die Bayern Meister wurden – das war mittlerweile Normalität. Aber dass eine Mannschaft am letzten Spieltag trotz eines drei Punkte (ein Sieg) Vorsprungs abgefangen wurde, das war die Ausnahme. Nur Werder Bremen passierte Ähnliches, anno 1986 – auch im Fernduell gegen die Bayern. Und wie damals wurde auch diesem Vize-Meister konzediert, den schöneren Fußball gespielt zu haben. Was wesentlich an den vier Brasilianern lag, die auch neutrale Zuschauer verzückten. Um Spieler wie Ze Roberto oder Emerson wurde Bayer von der ganzen Liga beneidet. Das Sieger-Gen brachten aber auch sie nicht an den Rhein und so fiel die schon vorbereitete Meisterfeier aus. Leverkusen verlor im ausverkauften Unterhachinger Sportpark vor doch nur 11.000 Zuschauern 0:2, als besagter Michael Ballack mit einem missglückten Rettungsversuch als Torschütze wider Willen in Erscheinung trat. Sein späterer Klub, die Bayern, dankte es ihm.

Mit dem 3:1 gegen Werder Bremen zogen sie an der Daum-Elf vorbei. Oliver Kahn jubelte lauthals: "Das war meine schönste Meisterschaft", Uli Hoeneß bekundete aufrichtig "Mitleid mit Christoph Daum" und Leverkusens Ulf Kirsten fragte konsterniert: "Was habe ich eigentlich verbrochen, dass ich nie Deutscher Meister werde?"

Auch der Abstiegskampf hielt die Fans in Atem, hier geschah Unglaubliches: Borussia Dortmund entließ im Januar Trainer Michael Skibbe auf Platz 6 und rutschte ungebremst nach unten; Nachfolger Bernd Krauss blieb elf Mal sieglos und musste am 13. April weichen. Nun war man schon 13. Für ihn kam der bereits in Rente gegangene Alt-Meister Udo Lattek (65.). Es war eine Sensation. Spiegel-online schrieb: "Kein Witz – Udo Lattek soll den BVB retten!"

Es war der erste Abstiegskampf im Leben des Udo Lattek, dem der BVB seinen invaliden Ex-Profi Matthias Sammer zur Seite stellte. Das Duo tat seine Pflicht, zwei Siege in fünf Spielen reichten zur Rettung. Lattek nahm seine Nicht-Abstiegsprämie (eine Million D-Mark) und gab wieder den elder statesman in Diskussionsrunden. Das Rentner-Modell im Abstiegskampf sollte Schule machen, doch spätere Nachahmer (Rolf Schafstall, Otto Rehhagel) würden weniger Erfolg haben.

Die Saison 1999/2000 brachte der Bundesliga nicht nur alte Bekannte, sondern auch absolute Neuheiten. Die Münchner Vorort-Gemeinde Unterhaching und das schwäbische Ulm wurden plötzlich Bundesliga-Standorte und waren aufgrund kleiner Stadien und fehlender Zugkraft für den merklichen Zuschauerrückgang mitverantwortlich. Eine Attraktion waren sie trotzdem, zuweilen: Die kleinen Bayern durften dann bleiben. Die wackeren Schwaben feierten zu früh und stiegen nach einem 1:2 im Finale um Platz 15 bei der Frankfurter Eintracht, der kurz vor Saisonende wegen verbotener Transfers in der Winterpause zwei Punkte abgezogen worden waren, ab.

In Erinnerung blieb besonders das 1:9 im Heimspiel gegen Leverkusen. Schon im März nahm ein ganz Großer des Weltfußballs Abschied: Lothar Matthäus folgte seinem Vorbild Franz Beckenbauer und wechselte nach New York.

[bild2]

Im Juni wurde er noch einmal gebraucht: mit 39 vertrat er die Nationalelf bei der EM – als Libero. Spielerisch und taktisch lief die DFB-Auswahl dermaßen der Musik hinterher, dass das Vorrundenaus die logische Konsequenz war. Das Krisen-Geschrei war groß, Bundestrainer Erich Ribbeck trat zurück. Sein designierter Nachfolger kam aus der Bundesliga: Christoph Daum sollte das Flagg-Schiff wieder flott machen, vorher aber wollte er noch mit Leverkusen Meister werden. So opferte Bayer 04 seinen Sport-Direktor Rudi Völler. Für ein Jahr, übergangsweise. Aber es sollte wieder ganz anders kommen.

ZAHLEN UND FAKTEN DER 37. BUNDESLIGASAISON

Tore: 885 (2,89 pro Spiel)
Torschützenkönige: Martin Max (1860 München) 19
Zuschauer: 8.849.618 (28.920 pro Spiel)
Meister: Bayern München
Absteiger: SSV Ulm 1846, Arminia Bielefeld, MSV Duisburg
Aufsteiger: 1. FC Köln, VfL Bochum, Energie Cottbus
Trainerentlassungen: 4