50 Jahre Bundesliga: Die Saison 1989/1990

Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich dazu startet DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst der Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: die Saison 1989/1990.

Der Ausgang der vergangenen Saison konnte Christoph Daum nicht entmutigen. Kölns junger Trainer kündigte keck an, dass die Bayern nun "schon vom ersten Spieltag an unseren heißen Atem spüren". Die Münchner sahen es locker, hatten sie den Kölnern doch ihren Weltklasseverteidiger Jürgen Kohler abgeworben und sich für insgesamt zehn Millionen Mark verstärkt. Also sprach Uli Hoeneß in Richtung Köln: "Die sollten besser aufpassen, dass sie unter die ersten fünf oder sechs kommen."

Gleicher Einlauf wie im Jahr zuvor

Die Wortgeplänkel änderten nichts daran, dass der Einlauf an der Spitze absolut identisch zum Vorjahr war. Bayern Erster, Köln Zweiter. Diesmal mit sechs statt fünf Punkten Vorsprung und noch etwas weniger Spannung. Sogar in Frankfurt gewann der FCB diesmal, erstmals nach 18 langen Jahren. Hansi Pflügler schoss am 32. Spieltag gegen St. Pauli das Tor zur Meisterschaft, an der keiner mehr zweifelte. Nur 18.000 Partygäste verloren sich im Olympiastadion.

"Eine durch und durch unspektakuläre Saison" glaubte Bayern-Libero Klaus Augenthaler erlebt zu haben – aber das war die subjektive Münchner Sicht. Natürlich trug auch die grassierende Torarmut, die einen neuen Höhepunkt erlebte und in 33 torlosen Spielen gipfelte, zu einer solchen Bewertung bei.

Ein weiterer Punkt: Der Liga gingen die Stars aus, Italien wurde zum Magnet für die Nationalspieler. Im Sommer 1989 packte auch den 25-jährigen Stuttgarter Jürgen Klinsmann das Fernweh, der nun mit Lothar Matthäus und Andreas Brehme bei Inter Mailand ein deutsches Trio bildete.

Thom gibt als erster DDR-Fußballer Bundesliga-Debüt

Aber es gab auch Gründe, in die Bundesliga zu wechseln. Weltbewegende. Im November 1989 fiel in Berlin die Mauer, die deutsche Einheit bahnte sich an. DDR-Bürger strömten in jenem Gänsehaut-Herbst in Scharen in den Westen und erhielten in der Bundesliga zur Begrüßung freien Eintritt - Platz war ja genug in den leeren Stadien. So brachte der Vorstand des 1. FC Nürnberg 10.000 Freikarten fürs Heimspiel gegen Kaiserslautern in seiner Partnerstadt Gera an den Mann, leider erwischten die Gäste aus Thüringen ein 0:0.

Die neue Reisefreiheit bedeutete auch freie Wahl des Arbeitsplatzes, und plötzlich durften DDR-Spieler ganz legal "rübermachen". So schlug am 17. Februar 1990 im Ulrich-Haberland-Stadion die historische Stunde: Der DDR-Nationalspieler Andreas Thom gab sein Bundesligadebüt. Der BFC Dynamo Berlin hatte ihn für 4,1 Millionen Mark an Leverkusen abgegeben. Es war der erste legale Ost-West-Wechsel im deutschen Fußball.

Thom brauchte keine lange Eingewöhnungszeit, nach 15 Minuten schoss er sein erstes Tor – gegen Auf- und Wiederabsteiger FC Homburg. Nur mit der neuen Medienwelt hatte er so seine Probleme: "Is det ein Rummel hier", stöhnte er schon im Dezember bei der Vorstellung. Dabei mussten sich auch die Fußballfans an die sich stets verändernde Medienlandschaft gewöhnen.

RTL sendet gegen ARD

1989/1990 gehörte die Bundesliga längst nicht mehr allein der guten alten Sportschau. RTL plus ging bereits in der zweiten Saison in Konkurrenz zur ARD, und nachdem der Anpfiff um 20.15 gefloppt hatte, zeigte der Privatsender nun alle Spiele parallel zur Sportschau. Die sendete vier Spiele exklusiv, RTL die anderen.

Weil man auch 1989/1990 vorher nicht wusste, wie ein Fußballspiel ausgeht, wurde die Fernbedienung am Samstagabend zum wichtigsten Utensil in deutschen Haushalten, in denen Fußballfans lebten. Über deren Zahl und Neigungen machten sich Verantwortlichen weiterhin ernste Sorgen, die Bundesliga steckte weiterhin in der Krise.

DFB-Präsident Neuberger für Reduzierung der Liga

Die Wirtschaft wurde aufgefordert, die Liga zu retten. Bayern zog Opel als Sponsor an Land, kassierte 15 Millionen Mark für drei Jahre. Aber was sollten die anderen machen, von denen es ohnehin zu viele gab. DFB-Präsident Hermann Neuberger sprach sich für eine Reduzierung auf 16 Klubs aus, auf dem DFB-Bundestag im April erging ein entsprechende Beschluss für die Saison 1991/1992. Ex-Nationalspieler Karl-Heinz Rummenigge plädierte gar für zwölf Klubs, "denn Quantität ist nun einmal nicht Qualität. Zuviel Mittelmaß wird dem Zuschauer zu schnell langweilig."

Doch nach dem goldenen italienischen Sommer, als die Nationalelf von Kaiser Franz Beckenbauer zum dritten Mal den WM-Pokal gewann, rückten solche Ansichten ins Hintertreffen. Und außerdem: Wo Deutschland jetzt größer wurde, konnte doch die Bundesliga nicht kleiner werden. Nur Christoph Daum sollte vorerst fehlen, er wurde nach der Saison unter dubiosen Umständen während der WM entlassen.

ZAHLEN UND FAKTEN DER 27. BUNDESLIGASAISON

Tore: 790 (2,58 pro Spiel) Minusrekord
Torschützenkönig: Jörn Andersen (Eintracht Frankfurt) 18
Zuschauer: 6.048.207 (19.765 pro Spiel)
Meister: Bayern München
Absteiger: Waldhof Mannheim, FC Homburg
Aufsteiger: Wattenscheid 09, Hertha BSC
Trainerentlassungen: 7
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Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich dazu startet DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst der Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: die Saison 1989/1990.

Der Ausgang der vergangenen Saison konnte Christoph Daum nicht entmutigen. Kölns junger Trainer kündigte keck an, dass die Bayern nun "schon vom ersten Spieltag an unseren heißen Atem spüren". Die Münchner sahen es locker, hatten sie den Kölnern doch ihren Weltklasseverteidiger Jürgen Kohler abgeworben und sich für insgesamt zehn Millionen Mark verstärkt. Also sprach Uli Hoeneß in Richtung Köln: "Die sollten besser aufpassen, dass sie unter die ersten fünf oder sechs kommen."

Gleicher Einlauf wie im Jahr zuvor

Die Wortgeplänkel änderten nichts daran, dass der Einlauf an der Spitze absolut identisch zum Vorjahr war. Bayern Erster, Köln Zweiter. Diesmal mit sechs statt fünf Punkten Vorsprung und noch etwas weniger Spannung. Sogar in Frankfurt gewann der FCB diesmal, erstmals nach 18 langen Jahren. Hansi Pflügler schoss am 32. Spieltag gegen St. Pauli das Tor zur Meisterschaft, an der keiner mehr zweifelte. Nur 18.000 Partygäste verloren sich im Olympiastadion.

"Eine durch und durch unspektakuläre Saison" glaubte Bayern-Libero Klaus Augenthaler erlebt zu haben – aber das war die subjektive Münchner Sicht. Natürlich trug auch die grassierende Torarmut, die einen neuen Höhepunkt erlebte und in 33 torlosen Spielen gipfelte, zu einer solchen Bewertung bei.

Ein weiterer Punkt: Der Liga gingen die Stars aus, Italien wurde zum Magnet für die Nationalspieler. Im Sommer 1989 packte auch den 25-jährigen Stuttgarter Jürgen Klinsmann das Fernweh, der nun mit Lothar Matthäus und Andreas Brehme bei Inter Mailand ein deutsches Trio bildete.

Thom gibt als erster DDR-Fußballer Bundesliga-Debüt

Aber es gab auch Gründe, in die Bundesliga zu wechseln. Weltbewegende. Im November 1989 fiel in Berlin die Mauer, die deutsche Einheit bahnte sich an. DDR-Bürger strömten in jenem Gänsehaut-Herbst in Scharen in den Westen und erhielten in der Bundesliga zur Begrüßung freien Eintritt - Platz war ja genug in den leeren Stadien. So brachte der Vorstand des 1. FC Nürnberg 10.000 Freikarten fürs Heimspiel gegen Kaiserslautern in seiner Partnerstadt Gera an den Mann, leider erwischten die Gäste aus Thüringen ein 0:0.

Die neue Reisefreiheit bedeutete auch freie Wahl des Arbeitsplatzes, und plötzlich durften DDR-Spieler ganz legal "rübermachen". So schlug am 17. Februar 1990 im Ulrich-Haberland-Stadion die historische Stunde: Der DDR-Nationalspieler Andreas Thom gab sein Bundesligadebüt. Der BFC Dynamo Berlin hatte ihn für 4,1 Millionen Mark an Leverkusen abgegeben. Es war der erste legale Ost-West-Wechsel im deutschen Fußball.

Thom brauchte keine lange Eingewöhnungszeit, nach 15 Minuten schoss er sein erstes Tor – gegen Auf- und Wiederabsteiger FC Homburg. Nur mit der neuen Medienwelt hatte er so seine Probleme: "Is det ein Rummel hier", stöhnte er schon im Dezember bei der Vorstellung. Dabei mussten sich auch die Fußballfans an die sich stets verändernde Medienlandschaft gewöhnen.

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RTL sendet gegen ARD

1989/1990 gehörte die Bundesliga längst nicht mehr allein der guten alten Sportschau. RTL plus ging bereits in der zweiten Saison in Konkurrenz zur ARD, und nachdem der Anpfiff um 20.15 gefloppt hatte, zeigte der Privatsender nun alle Spiele parallel zur Sportschau. Die sendete vier Spiele exklusiv, RTL die anderen.

Weil man auch 1989/1990 vorher nicht wusste, wie ein Fußballspiel ausgeht, wurde die Fernbedienung am Samstagabend zum wichtigsten Utensil in deutschen Haushalten, in denen Fußballfans lebten. Über deren Zahl und Neigungen machten sich Verantwortlichen weiterhin ernste Sorgen, die Bundesliga steckte weiterhin in der Krise.

DFB-Präsident Neuberger für Reduzierung der Liga

Die Wirtschaft wurde aufgefordert, die Liga zu retten. Bayern zog Opel als Sponsor an Land, kassierte 15 Millionen Mark für drei Jahre. Aber was sollten die anderen machen, von denen es ohnehin zu viele gab. DFB-Präsident Hermann Neuberger sprach sich für eine Reduzierung auf 16 Klubs aus, auf dem DFB-Bundestag im April erging ein entsprechende Beschluss für die Saison 1991/1992. Ex-Nationalspieler Karl-Heinz Rummenigge plädierte gar für zwölf Klubs, "denn Quantität ist nun einmal nicht Qualität. Zuviel Mittelmaß wird dem Zuschauer zu schnell langweilig."

Doch nach dem goldenen italienischen Sommer, als die Nationalelf von Kaiser Franz Beckenbauer zum dritten Mal den WM-Pokal gewann, rückten solche Ansichten ins Hintertreffen. Und außerdem: Wo Deutschland jetzt größer wurde, konnte doch die Bundesliga nicht kleiner werden. Nur Christoph Daum sollte vorerst fehlen, er wurde nach der Saison unter dubiosen Umständen während der WM entlassen.

ZAHLEN UND FAKTEN DER 27. BUNDESLIGASAISON

Tore: 790 (2,58 pro Spiel) Minusrekord
Torschützenkönig: Jörn Andersen (Eintracht Frankfurt) 18
Zuschauer: 6.048.207 (19.765 pro Spiel)
Meister: Bayern München
Absteiger: Waldhof Mannheim, FC Homburg
Aufsteiger: Wattenscheid 09, Hertha BSC
Trainerentlassungen: 7