50 Jahre, 50 Gesichter: Der Schlaks mit dem Wuschelkopf

50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. Heute: Klaus Toppmöller, der 1975/1976 die Saison seines Lebens spielte. Sie brachte ihn in die Nationalmannschaft, aber das Ende der Saison war tragisch.

Er hatte sich schon einen Namen gemacht in der Bundesliga. Seine 27 Tore in 69 Spielen sind allzeit eine passable Quote, selbst in den auch fußballerisch so wilden Siebzigern. Aber noch war Klaus Toppmöller, der schlaksige Stürmer mit dem Wuschelkopf, keine berechenbare Größe in der Bundesliga. Einem bescheidenen Anfangsjahr mit neun torlosen Einsätzen war ein sensationelles mit 21 Toren gefolgt, in der Saison danach kam der Einbruch: Toppmöller erzielte nur noch sechs Treffer.

1975/1976 stand der Kaiserslauterer also am Scheideweg. Eintagsfliege oder doch Bundesliga-Star? Immerhin war er schon 24, der Welpenschutz längst abgelaufen. Auch der Familienanschluss am Arbeitsplatz wurde in jener Saison gekappt. Bruder Heinz schied 1975 aus dem Profi-Kader aus, dem er ohnehin nur sporadisch angehört hatte. Doch Klaus Toppmöller kam auch ohne seinen großen Bruder aus, das bewies er nicht nur auf dem Fußballplatz. Bereits mit 22 Jahren hatte er ein Studium abgeschlossen und durfte sich Ingenieur für Versorgungstechnik nennen.

Müller: "Der müsste mein Nachfolger werden"

Es gab also schon am Anfang der Karriere einen Plan B im Leben des Profis Klaus Toppmöller. Doch den schien er nicht zu benötigen: Mit dem FCK spielte er eine hervorragende Saison, die den Klub ins Pokalfinale und in den UEFA-Pokal führte. "Toppi" schoss in allen Wettbewerben 32 Tore (22 in der Liga, zehn im Pokal). Insbesondere gegen die Bayern lief er zu großer Form auf. Im Hinspiel (2:1) köpfte er beide Tore, im Rückspiel (4:3) schoss er gar drei. Drei Tore hatte bis dahin noch kein Bundesligaspieler im 1972 eingeweihten Olympiastadion erzielt.

Nach jenem grandiosen 10. April kam auch Bundestrainer Helmut Schön nicht mehr an Toppmöller vorbei. Ein Mann, der sich wiederholt gegen Weltmeister "Katsche" Schwarzenbeck behauptet und der mehr Tore als ein Gerd Müller schießt – jedenfalls in jener Saison – ist länderspielreif. Müller selbst sagte nach dem Spiel: "Der müsste mein Nachfolger in der Nationalmannschaft werden!" Gerd Müller war 1974 schon zurückgetreten, Klaus Fischer gesperrt, Dieter Müller hatte Gelbsucht, andere Versuche waren fehlgeschlagen.

So kam am 22. Mai der nächste Karriere-Höhepunkt für den Mann aus dem Mosel-Dörfchen Rivenich und wieder war das Olympiastadion seine Bühne. Gegen Spanien ging es im Viertelfinal-Rückspiel um die Teilnahme an der EM-Endrunde. Nach Seppl Pirrung war er erst der zweite Nationalspieler der Pfälzer in Bundesliga-Zeiten. Schön sollte das Experiment nicht bereuen, in der 43. Minute schoss der Debütant das Tor zum 2:0-Endstand. Es verhalf ihm zu befriedigenden Kritiken, doch eigentlich war ihm nicht viel gelungen. Toppmöller sagte: "Das ganze Drumherum, die feierliche Stimmung beim Abspielen der Hymnen, das hat mich schon geschafft." Aber er hätte wieder kommen dürfen. "Über seine Leistung habe ich mich sehr gefreut, vor allem in spielerischer Hinsicht", sagte Helmut Schön.

Schwerer Unfall am 30. Mai 1976

Doch dann kam der 30. Mai. Toppmöller, stolzer Besitzer eines schwarzen Ferrari Dino 246 GTS (Preis: 50.000 D-Mark), prallt auf der Bundesstraße 269 mit dem Fiat eines amerikanischen Besatzungssoldaten zusammen. Totalschaden, alle Beteiligten werden verletzt, auch seine künftige Ehefrau Roswitha. Er selbst erleidet eine Gehirnerschütterung, Toppmöller ist vorübergehend verwirrt und irrt stundenlang durch den Wald. Als sie ihn finden, kommt er in eine Klinik. Diagnose: Nervenschock. Die Saison 1976/1976, ohnehin schon auf der Zielgeraden, ist für "Toppi" beendet. Er verpasst das Pokalfinale gegen den HSV und auch das EM-Finale. Beide wurden verloren.

Wie sie wohl mit ihm ausgegangen wären, wird er sich noch oft gefragt haben. Warum er sie verpasst hat, hat er schon früh erkannt: "Dieser Unfall war mir eine Lehre fürs Leben. Das Fahren schneller Wagen überlasse ich künftig denen, die es auch wirklich können." Er verkauft seinen Ferrari und seinen Porsche noch 1976 und fährt lieber einen Golf GTI.

Langsamer geht es aber auch sportlich voran. Klaus Toppmöller wird 1979 noch zwei Länderspiele machen, zu einem Turnier fährt er nie. Aber er ist auch bis heute Rekordtorjäger des 1. FCK in der Bundesliga, obwohl er schon mit 30 Invalide wird. An die Leistungen der Saison 1975/1976 konnte er nie mehr anknüpfen.

Klaus Toppmöllers Bundesligabilanz: 204 Spiele und 108 Tore als Spieler sowie 242 Spiele als Trainer.

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50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. Heute: Klaus Toppmöller, der 1975/1976 die Saison seines Lebens spielte. Sie brachte ihn in die Nationalmannschaft, aber das Ende der Saison war tragisch.

Er hatte sich schon einen Namen gemacht in der Bundesliga. Seine 27 Tore in 69 Spielen sind allzeit eine passable Quote, selbst in den auch fußballerisch so wilden Siebzigern. Aber noch war Klaus Toppmöller, der schlaksige Stürmer mit dem Wuschelkopf, keine berechenbare Größe in der Bundesliga. Einem bescheidenen Anfangsjahr mit neun torlosen Einsätzen war ein sensationelles mit 21 Toren gefolgt, in der Saison danach kam der Einbruch: Toppmöller erzielte nur noch sechs Treffer.

1975/1976 stand der Kaiserslauterer also am Scheideweg. Eintagsfliege oder doch Bundesliga-Star? Immerhin war er schon 24, der Welpenschutz längst abgelaufen. Auch der Familienanschluss am Arbeitsplatz wurde in jener Saison gekappt. Bruder Heinz schied 1975 aus dem Profi-Kader aus, dem er ohnehin nur sporadisch angehört hatte. Doch Klaus Toppmöller kam auch ohne seinen großen Bruder aus, das bewies er nicht nur auf dem Fußballplatz. Bereits mit 22 Jahren hatte er ein Studium abgeschlossen und durfte sich Ingenieur für Versorgungstechnik nennen.

Müller: "Der müsste mein Nachfolger werden"

Es gab also schon am Anfang der Karriere einen Plan B im Leben des Profis Klaus Toppmöller. Doch den schien er nicht zu benötigen: Mit dem FCK spielte er eine hervorragende Saison, die den Klub ins Pokalfinale und in den UEFA-Pokal führte. "Toppi" schoss in allen Wettbewerben 32 Tore (22 in der Liga, zehn im Pokal). Insbesondere gegen die Bayern lief er zu großer Form auf. Im Hinspiel (2:1) köpfte er beide Tore, im Rückspiel (4:3) schoss er gar drei. Drei Tore hatte bis dahin noch kein Bundesligaspieler im 1972 eingeweihten Olympiastadion erzielt.

Nach jenem grandiosen 10. April kam auch Bundestrainer Helmut Schön nicht mehr an Toppmöller vorbei. Ein Mann, der sich wiederholt gegen Weltmeister "Katsche" Schwarzenbeck behauptet und der mehr Tore als ein Gerd Müller schießt – jedenfalls in jener Saison – ist länderspielreif. Müller selbst sagte nach dem Spiel: "Der müsste mein Nachfolger in der Nationalmannschaft werden!" Gerd Müller war 1974 schon zurückgetreten, Klaus Fischer gesperrt, Dieter Müller hatte Gelbsucht, andere Versuche waren fehlgeschlagen.

So kam am 22. Mai der nächste Karriere-Höhepunkt für den Mann aus dem Mosel-Dörfchen Rivenich und wieder war das Olympiastadion seine Bühne. Gegen Spanien ging es im Viertelfinal-Rückspiel um die Teilnahme an der EM-Endrunde. Nach Seppl Pirrung war er erst der zweite Nationalspieler der Pfälzer in Bundesliga-Zeiten. Schön sollte das Experiment nicht bereuen, in der 43. Minute schoss der Debütant das Tor zum 2:0-Endstand. Es verhalf ihm zu befriedigenden Kritiken, doch eigentlich war ihm nicht viel gelungen. Toppmöller sagte: "Das ganze Drumherum, die feierliche Stimmung beim Abspielen der Hymnen, das hat mich schon geschafft." Aber er hätte wieder kommen dürfen. "Über seine Leistung habe ich mich sehr gefreut, vor allem in spielerischer Hinsicht", sagte Helmut Schön.

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Schwerer Unfall am 30. Mai 1976

Doch dann kam der 30. Mai. Toppmöller, stolzer Besitzer eines schwarzen Ferrari Dino 246 GTS (Preis: 50.000 D-Mark), prallt auf der Bundesstraße 269 mit dem Fiat eines amerikanischen Besatzungssoldaten zusammen. Totalschaden, alle Beteiligten werden verletzt, auch seine künftige Ehefrau Roswitha. Er selbst erleidet eine Gehirnerschütterung, Toppmöller ist vorübergehend verwirrt und irrt stundenlang durch den Wald. Als sie ihn finden, kommt er in eine Klinik. Diagnose: Nervenschock. Die Saison 1976/1976, ohnehin schon auf der Zielgeraden, ist für "Toppi" beendet. Er verpasst das Pokalfinale gegen den HSV und auch das EM-Finale. Beide wurden verloren.

Wie sie wohl mit ihm ausgegangen wären, wird er sich noch oft gefragt haben. Warum er sie verpasst hat, hat er schon früh erkannt: "Dieser Unfall war mir eine Lehre fürs Leben. Das Fahren schneller Wagen überlasse ich künftig denen, die es auch wirklich können." Er verkauft seinen Ferrari und seinen Porsche noch 1976 und fährt lieber einen Golf GTI.

Langsamer geht es aber auch sportlich voran. Klaus Toppmöller wird 1979 noch zwei Länderspiele machen, zu einem Turnier fährt er nie. Aber er ist auch bis heute Rekordtorjäger des 1. FCK in der Bundesliga, obwohl er schon mit 30 Invalide wird. An die Leistungen der Saison 1975/1976 konnte er nie mehr anknüpfen.

Klaus Toppmöllers Bundesligabilanz: 204 Spiele und 108 Tore als Spieler sowie 242 Spiele als Trainer.