50 Jahre, 50 Gesichter: Daum mischt die Bundesliga auf

50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. Heute: 1988/1989. Der aufstrebende Kölner Trainer Christoph Daum wagt den Angriff auf die Bayern, mit großen Worten und beachtlichen Taten - am Ende aber ohne Erfolg.

Als er anfing, musste er mit Spott leben. Wer Daum heißt, wird auf dem Boulevard schnell zum "Däumling", jedenfalls wenn er noch so jung ist und nichts vorzuweisen hat. Christoph Daums Karriere als Bundesligatrainer begann im September 1986. Der Nachfolger von Georg Kessler beim 1. FC Köln galt als Übergangslösung, schließlich war er erst 32 und hatte bis dahin nur als Jugend- und Co-Trainer der Domstädter gearbeitet. Aber Daum, der schon immer Bundesligatrainer hatte werden wollen, gab seinen Traumjob nicht so einfach her, und da die Ergebnisse für ihn sprachen, behielten die Kölner ihn ganz einfach.

Nach einem zehnten und einem dritten Platz blies er 1988/1989 zum Großangriff auf Meister Bremen, Nachbar Bayer Leverkusen, das Europameister-Coach Rinus Michels geholt hatte - und natürlich auf die Bayern. Die wurden mit souveränen drei Zählern Vorsprung Herbstmeister, und alle Welt glaubte, dass sie auch Meister werden würden. In der Rückrunde vergrößerte sich der Abstand auf bis zu fünf Punkte, der Liga drohte die große Langeweile.

Der Lautsprecher der Liga

Da fühlte sich Daum aufgerufen, Alarm zu schlagen. In einer bis dahin ungewöhnlichen Form attackierte er die Bayern und besonders deren Trainer - auch damals hieß er Jupp Heynckes -, und er wurde so zum Lautsprecher der Bundesliga. Seine Sprüche hätten selbst einem Max Merkel Ehre gemacht. Kostprobe: "Ich werde immer häufiger angerufen von Leuten, die wissen wollen, was der Unterschied zwischen Heynckes und einem großen Trainer sei."

Oft und gern lästerte er über Heynckes' angebliches Phlegma, sprach von wenig "durchbluteten Hirnwindungen" und meinte, dass die Wetterkarte interessanter sei als ein Gespräch mit Jupp. Der Zweck heiligte für Daum die Mittel. Sein Credo: "Die Show gehört heute einfach dazu, die Leute wollen das."

Heißes Rededuell im ZDF-Sportstudio

Ob Zufall oder nicht, Bayerns Vorsprung schmolz bis zum 31. Spieltag auf einen Punkt. Vor dem entscheidenden Spiel der Aspiranten an Christi Himmelfahrt in Köln kam es im ZDF-Sportstudio zu einer legendären Konfrontation, Moderator Bernd Heller saß zwischen den rivalisierenden Parteien und kam kaum zu Wort. Daum hatte den früheren Kölner Sportdirektor Udo Lattek zur Seite, Heynckes den Bayern-Manager Uli Hoeneß zur Verstärkung.

Wer das nicht sonderlich niveauvolle Rededuell gewann, wird noch heute unterschiedlich aufgefasst, aber Hoeneß bekam jedenfalls Recht mit seiner Prophezeiung: "Am Donnerstag wird dein Weg zuende sein, mein lieber Freund." Freilich nur in Bezug auf die Saison 1988/1989, weil Bayern 3:1 gewann und Meister wurde. Für Daum hatte das immerhin den Vorteil, dass er kein Freibier spendieren musste. Das hatte er allen Kölner Fans, die zum Heimspiel gegen den BVB kommen würden, versprochen - falls der FC Meister werde.

"Mehr Zuschauer, mehr Bewegung"

Auch seine Spieler wusste er zu motivieren. Vor dem Spiel in Bremen jagte er den Geschäftsführer zur nächsten Bank, um 35.000 Mark abzuheben. Die 35 Tausend-Mark-Scheine klebte er an die Kabinenwand, damit die Spieler mal wüssten "worum es geht". Köln gewann 2:1, aber die Meisterprämie musste nie gezahlt werden.

Weshalb Daum in jener Saison einige private Meisterwetten über zusammen mehr als 10.000 Mark verlor, aber auch darüber stand er: "Das ist Lehrgeld, aber das hole ich mir nächste Saison auf Heller und Pfennig zurück." Ändern wollte er sich nicht: "Auch wenn ich Prügel bekomme, reiße ich weiter den Mund auf. Als graue Maus bin ich mir zu schade." Der Bundesliga, rechnete er vor, habe sein Ballyhoo "circa drei Millionen Mark" gebracht: "Mehr Zuschauer, mehr Bewegung".

Nicht alles war heiße Luft. Köln spielte erstmals seit 1982 wieder um den Titel mit, kommende Weltmeister wie Bodo Illgner, Jürgen Kohler und Thomas Häßler wurden von Chritoph Daum geformt. Meister aber sollte er erst werden, als er Köln verließ - 1992 mit dem VfB Stuttgart.

Christoph Daums Bundesligabilanz: 426 Spiele als Trainer, einmal Deutscher Meister (1992) - 33 Partien und elf Tore als Spieler.

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50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. Heute: 1988/1989. Der aufstrebende Kölner Trainer Christoph Daum wagt den Angriff auf die Bayern, mit großen Worten und beachtlichen Taten - am Ende aber ohne Erfolg.

Als er anfing, musste er mit Spott leben. Wer Daum heißt, wird auf dem Boulevard schnell zum "Däumling", jedenfalls wenn er noch so jung ist und nichts vorzuweisen hat. Christoph Daums Karriere als Bundesligatrainer begann im September 1986. Der Nachfolger von Georg Kessler beim 1. FC Köln galt als Übergangslösung, schließlich war er erst 32 und hatte bis dahin nur als Jugend- und Co-Trainer der Domstädter gearbeitet. Aber Daum, der schon immer Bundesligatrainer hatte werden wollen, gab seinen Traumjob nicht so einfach her, und da die Ergebnisse für ihn sprachen, behielten die Kölner ihn ganz einfach.

Nach einem zehnten und einem dritten Platz blies er 1988/1989 zum Großangriff auf Meister Bremen, Nachbar Bayer Leverkusen, das Europameister-Coach Rinus Michels geholt hatte - und natürlich auf die Bayern. Die wurden mit souveränen drei Zählern Vorsprung Herbstmeister, und alle Welt glaubte, dass sie auch Meister werden würden. In der Rückrunde vergrößerte sich der Abstand auf bis zu fünf Punkte, der Liga drohte die große Langeweile.

Der Lautsprecher der Liga

Da fühlte sich Daum aufgerufen, Alarm zu schlagen. In einer bis dahin ungewöhnlichen Form attackierte er die Bayern und besonders deren Trainer - auch damals hieß er Jupp Heynckes -, und er wurde so zum Lautsprecher der Bundesliga. Seine Sprüche hätten selbst einem Max Merkel Ehre gemacht. Kostprobe: "Ich werde immer häufiger angerufen von Leuten, die wissen wollen, was der Unterschied zwischen Heynckes und einem großen Trainer sei."

Oft und gern lästerte er über Heynckes' angebliches Phlegma, sprach von wenig "durchbluteten Hirnwindungen" und meinte, dass die Wetterkarte interessanter sei als ein Gespräch mit Jupp. Der Zweck heiligte für Daum die Mittel. Sein Credo: "Die Show gehört heute einfach dazu, die Leute wollen das."

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Heißes Rededuell im ZDF-Sportstudio

Ob Zufall oder nicht, Bayerns Vorsprung schmolz bis zum 31. Spieltag auf einen Punkt. Vor dem entscheidenden Spiel der Aspiranten an Christi Himmelfahrt in Köln kam es im ZDF-Sportstudio zu einer legendären Konfrontation, Moderator Bernd Heller saß zwischen den rivalisierenden Parteien und kam kaum zu Wort. Daum hatte den früheren Kölner Sportdirektor Udo Lattek zur Seite, Heynckes den Bayern-Manager Uli Hoeneß zur Verstärkung.

Wer das nicht sonderlich niveauvolle Rededuell gewann, wird noch heute unterschiedlich aufgefasst, aber Hoeneß bekam jedenfalls Recht mit seiner Prophezeiung: "Am Donnerstag wird dein Weg zuende sein, mein lieber Freund." Freilich nur in Bezug auf die Saison 1988/1989, weil Bayern 3:1 gewann und Meister wurde. Für Daum hatte das immerhin den Vorteil, dass er kein Freibier spendieren musste. Das hatte er allen Kölner Fans, die zum Heimspiel gegen den BVB kommen würden, versprochen - falls der FC Meister werde.

"Mehr Zuschauer, mehr Bewegung"

Auch seine Spieler wusste er zu motivieren. Vor dem Spiel in Bremen jagte er den Geschäftsführer zur nächsten Bank, um 35.000 Mark abzuheben. Die 35 Tausend-Mark-Scheine klebte er an die Kabinenwand, damit die Spieler mal wüssten "worum es geht". Köln gewann 2:1, aber die Meisterprämie musste nie gezahlt werden.

Weshalb Daum in jener Saison einige private Meisterwetten über zusammen mehr als 10.000 Mark verlor, aber auch darüber stand er: "Das ist Lehrgeld, aber das hole ich mir nächste Saison auf Heller und Pfennig zurück." Ändern wollte er sich nicht: "Auch wenn ich Prügel bekomme, reiße ich weiter den Mund auf. Als graue Maus bin ich mir zu schade." Der Bundesliga, rechnete er vor, habe sein Ballyhoo "circa drei Millionen Mark" gebracht: "Mehr Zuschauer, mehr Bewegung".

Nicht alles war heiße Luft. Köln spielte erstmals seit 1982 wieder um den Titel mit, kommende Weltmeister wie Bodo Illgner, Jürgen Kohler und Thomas Häßler wurden von Chritoph Daum geformt. Meister aber sollte er erst werden, als er Köln verließ - 1992 mit dem VfB Stuttgart.

Christoph Daums Bundesligabilanz: 426 Spiele als Trainer, einmal Deutscher Meister (1992) - 33 Partien und elf Tore als Spieler.