50 Jahre, 50 Gesichter: Anthony und die Zeugen Yeboahs

50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. Heute: Die Vorrunde der Saison 1993/1994 wird zum Triumphzug für Eintracht Frankfurt und deren Torjäger Anthony Yeboah, der auf Gerd Müllers Spuren wandelt. Dann bremst ihn ein Mitspieler.

Nach zwei dritten Plätzen peilte Eintracht Frankfurt 1993/1994 endlich die Meisterschaft an. Der hochkarätig besetzte Kader mit Namen wie Uli Stein, Uwe Bein und Maurizio Gaudino verleitete zu großen Hoffnungen. Liebling der Fans war allerdings ein anderer: Anthony Yeboah.

Der bullige Stürmer aus Ghana, war in seiner dritten Bundesligasaison bereits Torschützenkönig geworden, gemeinsam mit Ulf Kirsten. Nachdem die Eintracht 1990 mit Jörn Andersen schon den ersten ausländischen Torschützenkönig überhaupt in ihren Reihen gehabt hatte, stellte sie 1993 auch den ersten aus Afrika.

"Tony kann 40 Tore schießen"

Yeboahs Potenzial schien noch lange nicht ausgereizt. Der offiziell 27 Jahre alte Stürmer, um dessen Geburtsdatum sich stets Rätsel rankten, hatte 1992/1993 sieben Partien verpasst, weshalb sie ihn zumindest in Frankfurt für den einzig wahren Torschützenkönig hielten.

Vor der Saison 1993/1994 prophezeite der neue Trainer Klaus Toppmöller, Anthony Yeboah könne Gerd Müllers Torrekord von 40 Toren einstellen, und Vizepräsident Bernd Hölzenbein pflichtet ihm bei: "Tony kann tatsächlich 40 Tore schießen. Er zeigt seit einiger Zeit nicht nur auf dem Spielfeld ein ganz neues Selbstbewusstsein, sondern tritt auch innerhalb der Mannschaft ganz locker auf."

Neun Tore in den ersten sieben Spielen

Locker ging er auch in die Saison. Yeboah schoss in den ersten sieben Spielen neun Tore, und der Kicker widmete ihm eine Doppelseite, auf dem Titel vom 13. September 1993 stand: "Der Wunderstürmer". Die Kicker-Leser kürten den Ghanaer im Oktober 1993 bei einer Wahl mit 6060 Stimmen bei über 16.000 Zuschriften - im Vor-Internet-Zeitalter eine beachtliche Zahl - zum "besten und populärsten Ausländer der Bundesliga". Vor so prominenten Namen wie Andreas Herzog (5156) und Jorginho (4622).



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50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. Heute: Die Vorrunde der Saison 1993/1994 wird zum Triumphzug für Eintracht Frankfurt und deren Torjäger Anthony Yeboah, der auf Gerd Müllers Spuren wandelt. Dann bremst ihn ein Mitspieler.

Nach zwei dritten Plätzen peilte Eintracht Frankfurt 1993/1994 endlich die Meisterschaft an. Der hochkarätig besetzte Kader mit Namen wie Uli Stein, Uwe Bein und Maurizio Gaudino verleitete zu großen Hoffnungen. Liebling der Fans war allerdings ein anderer: Anthony Yeboah.

Der bullige Stürmer aus Ghana, war in seiner dritten Bundesligasaison bereits Torschützenkönig geworden, gemeinsam mit Ulf Kirsten. Nachdem die Eintracht 1990 mit Jörn Andersen schon den ersten ausländischen Torschützenkönig überhaupt in ihren Reihen gehabt hatte, stellte sie 1993 auch den ersten aus Afrika.

"Tony kann 40 Tore schießen"

Yeboahs Potenzial schien noch lange nicht ausgereizt. Der offiziell 27 Jahre alte Stürmer, um dessen Geburtsdatum sich stets Rätsel rankten, hatte 1992/1993 sieben Partien verpasst, weshalb sie ihn zumindest in Frankfurt für den einzig wahren Torschützenkönig hielten.

Vor der Saison 1993/1994 prophezeite der neue Trainer Klaus Toppmöller, Anthony Yeboah könne Gerd Müllers Torrekord von 40 Toren einstellen, und Vizepräsident Bernd Hölzenbein pflichtet ihm bei: "Tony kann tatsächlich 40 Tore schießen. Er zeigt seit einiger Zeit nicht nur auf dem Spielfeld ein ganz neues Selbstbewusstsein, sondern tritt auch innerhalb der Mannschaft ganz locker auf."

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Neun Tore in den ersten sieben Spielen

Locker ging er auch in die Saison. Yeboah schoss in den ersten sieben Spielen neun Tore, und der Kicker widmete ihm eine Doppelseite, auf dem Titel vom 13. September 1993 stand: "Der Wunderstürmer". Die Kicker-Leser kürten den Ghanaer im Oktober 1993 bei einer Wahl mit 6060 Stimmen bei über 16.000 Zuschriften - im Vor-Internet-Zeitalter eine beachtliche Zahl - zum "besten und populärsten Ausländer der Bundesliga". Vor so prominenten Namen wie Andreas Herzog (5156) und Jorginho (4622).

Die FAZ sah in Yeboah in diesen Tagen "eine Mischung aus Pelé und Carl Lewis", und auch die Gegenspieler waren voll des Lobes. Der spätere Nationalspieler Thomas Linke von Schalke 04 sagte: "Er hat alles, was ein Stürmer braucht. Er ist für mich der beste Angreifer der Liga." Kaiserslauterns Wolfgang Funkel stöhnte: "Dieser Mann ist einfach nicht auszuschalten, er kann einfach alles."

Sicherster Beweis für seine Extraklasse war das obligatorische Bayern-Interesse, und die Eintracht war heilfroh, dass Yeboahs bis 1996 laufender Vertrag keine Ausstiegsklausel enthielt. Yeboah blieb also in Frankfurt, hier fühlte er sich "so wohl, dass ich manchmal vergesse, das ich ein Schwarzer bin", sagte Yeboah. Auch er war Opfer von Rassismus geworden, der in jenen Jahren in den Stadien häufiger zu spüren war. Zumindest im eigenen Stadion brachte der Afrikaner alle Dummköpfe zum Schweigen und war Liebling der Fans - der so genannten "Zeugen Yeboahs".

Yeboah-Verletzung als Anfang vom Ende der Frankfurter Titelträume

Dann kam der 24. September 1993 und Dynamo Dresden ins Waldstadion. Eintracht gewann 3:2 und blieb ungeschlagener Tabellenführer, aber rundum glücklich war niemand. Denn Yeboah verletzte sich schwer am Knie, ausgerechnet nach einem Zusammenprall mit seinem Mitspieler Kachaber Zchadadse. Diagnose: Innenbandriss im linken Knie und Meniskusschaden. Zur Pause schied Yeboah aus, sechs Tage später lag er auf dem OP-Tisch. Und schon wurde gefragt: Kostet das die Meisterschaft?

Toppmöller entgegnete: "Ganz klar, der Tony ist ein Mann von Weltklasse. Aber er ist nicht die Eintracht. Wir haben 25 Lizenzspieler, jetzt sind die anderen gefragt." Zunächst ging es gut, mit 20:2 Punkten stellte die Eintracht einen Startrekord auf, aber schon im Spiel drei ohne Yeboah setzte es die erste Niederlage, die andere nach sich zog. Nach der vierten in Folge sagt Hölzenbein: "Yeboah macht den Unterschied." Den zwischen einer guten und einer Spitzenmannschaft.

Fünf Monate Pause mit versöhnlichem Ende

Fünf Monate und damit drei länger, als zunächst prophezeit, fiel der Heilsbringer aus. Zum Start nach der Winterpause wurde er gegen Nürnberg eingewechselt. Obwohl er nicht traf und nur ein 1:1 heraussprang, brachte er das Glück zurück: Die Eintracht war wieder Tabellenführer. Doch sie war nicht mehr dieselbe Mannschaft: Interne Streitigkeiten führten im Frühjahr 1994 zur Entlassung von Trainer Klaus Toppmöller und Torwart Uli Stein - der treue Charly Körbel sollte die Saison mit Anstand zu Ende bringen.

Die Meisterschaft war längst kein Thema mehr, nur einen "Titel" hatten die Hessen noch im Visier: die Torjägerkanone. Yeboah und Kaiserslauterns Stefan Kuntz lagen vor dem letzten Spieltag gleichauf, und als es in Köln Elfmeter für die Eintracht gab, durfte der Ghanaer schießen. Erstmals in der Bundesliga - ein Geschenk der Kollegen. Er verwandelte zum 3:2-Auswärtssieg, Saisontor Nummer 18. Doch in der dritten Minute der Nachspielzeit traf auch Kuntz in Hamburg, und so musste sich Yeboah den Ruhm wieder mit einem Konkurrenten teilen.

Und wieder durfte er sich als der wahre König fühlen: Nie bestritt der beste Torjäger einer Saison weniger Spiele als er (22). Das hätte eigentlich ein Happy-End verdient gehabt, aber das passte nicht zu dieser Eintracht-Saison.

Anthony Yeboahs Bundesligabilanz: 223 Spiele, 96 Tore, zweimal Torschützenkönig (1993, 1994).