Herbergers Entdecker: Felix Linnemann ©

Felix Linnemann

(1925-1945)

Herbergers Entdecker

Seit den Tagen, als die Kicker den Kinderschuhen entwuchsen und die Fußballstiefel schnürten, beschäftigte die Gremien und Präsidenten des DFB mit stetig wachsender Dringlichkeit die Gretchenfrage, die irgendwann gar zur Glaubensfrage wurde: Amateure, Vertragsspieler, Lizenzspieler, Profis? Mehr als die Punkte interessierte manchen Spieler die Prämie, mehr als die Kasse am Stadiontor die schwarze Kasse des Schatzmeisters. In der Verbandsführung wurden immer wieder Anläufe unternommen, reinen Tisch und klare Verhältnisse zu schaffen.

Der Streit um das Profitum lag auch dem Oberregierungs- und Kriminalrat Felix Linnemann am Herzen, "einem ziemlich großen, schlanken Herrn mit Knebelbart, durchdringenden Augen, lebhaften Gesten, messerscharfer Logik", wie ihn ein Mitstreiter beschrieb, der an ihm die angeblich typischen Eigenschaften des Kriminalisten entdeckt haben wollte: "Er hatte eine Art von zweitem Gesicht und war irgendwie zum Fürchten." Die Presse rühmte ihn nach der Wahl als einen rauhen, ehrlichen und geraden Pragmatiker, einen Mann mit "strengem Lebensstil". Immerhin wunderte sich das 12-Uhr-Blatt in Berlin, es seien die Zeiten noch nicht so lange vorüber, "da in Deutschland die Polizei sehr hinter jenen Leuten her war, die Fußball spielten und dann wegen groben Unfugs bestraft wurden, weil sie Wesen oder Unwesen an Stellen trieben, die auch für noch nicht vom Fußballwahn ergriffene Menschen zugänglich waren".

Amt und Art des neuen Präsidenten, der als Vize schon 1919 eine zentrale Führung und straffe Organisation angemahnt hatte, verhießen also nichts Gutes für jene Zeitgenossen, die es angesichts der explosionsartig wachsenden Zuschauerzahlen mit den vorgeschriebenen Honorierungsgrenzen nicht so genau nahmen. Linnemann, am Rande der Lüneburger Heide geboren und groß geworden, in Münster Student an allen vier Fakultäten, war der Fußballsport eine Herzensangelegenheit. Der politische Umschwung 1933 führte zu einer Klärung der Verhältnisse in seinem Sinn. Der Profisport wurde kategorisch verboten, so dass der DFB, der sich vor einer Abspaltung der Berufsspieler zu einem eigenen Verband gefürchtet hatte, seine zentrale Stellung als Dachorganisation des deutschen Fußballs erhalten konnte. Vor allem mit Blick auf die Olympischen Spiele in Berlin hatten die Machthaber des Dritten Reiches kein Interesse an offenem Berufsspielertum. Also blieb es weiter bei einem verlogenen Scheinamateurismus, der von Staats wegen subventioniert wurde. Die politischen Sportführer wollten die Stars am Ball so oft wie möglich in Länderkämpfen als Demonstration nationaler Stärke präsentieren. Sport als Instrument der Propaganda. Die Folge: unbegrenzte Aktivität durch unbegrenzten finanziellen Aufwand.

Am 30. Januar 1933 berief Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Der schwor schon einige Tage später die Befehlshaber des Heeres und der Marine ein, die Sportorganisationen sollten als "Pflanzstätten soldatischer Tugenden und Schulen staatlichen Geistes" helfen, das ganze Volk dem neuen Geist unterzuordnen und kriegsreif zu machen. Schon am 9. Juli 1933 ermächtigte ein einstimmiger Beschluss des Fußball-Bundestags den Vorsitzenden Linnemann, alle personellen und sachlichen Maßnahmen zur Eingliederung des Fußballsports in das Programm des Reichssportkommissariats und die Umgestaltung des Deutschen Fußball-Bundes vorzunehmen. Bei dem Polizeibeamten Linnemann fand dieser Auftrag offene Ohren. Prompt meldete er Vollzug: "Wir sind heute stolz darauf, daß sich die Amtswalter des Deutschen Fußball-Bundes versammelten, um als erste sportliche Organisation ihre Auflösung zu beschließen, und sich mit allem lebenden und toten Inventar in den eben gegründeten Reichsbund für Leibesübungen der NSDAP einzugliedern."

Der Kriminalrat Linnemann, der auch als Kurator an der Hochschule für Leibesübungen in Berlin und als Mitglied der Amateurkommission der FIFA tätig war, geriet später nach und nach ins Abseits. Im Verlauf des Jahres 1937 wurde er dienstlich von Berlin nach Stettin versetzt und dann nach Hannover. Das schnitt den Fußball-Chef, der sich mehr und mehr zum Choleriker und Hypochonder entwickelte, von den direkten Informationen im deutschen Sport ab. Nach Kriegsende saß der Chef der Kriminalpolizei Hannover, Felix Linnemann, sechs Monate im Internierungslager bei den Engländern in der Lüneburger Heide, weil er zum 1. Mai 1940 der SS beigetreten war. In seiner Funktion als Leiter der Kriminalpolizeileitstelle Hannover war Linnemann im Herbst 1939 in seinem Zuständigkeitsbereich an der Erfassung von Sinti und Roma beteiligt, welche die Vorstufe für ihre Deportationen nach Auschwitz ab März 1943 bildete.

In seiner Funktion als Vorsitzender des DFB trieb Linnemann bereits in der Weimarer Zeit die Modernisierung des Verbandes voran, so dass sich der DFB zu einem der größten Organisationen in Deutschland entwickelte. Im sportlichen Bereich war sein größtes Verdienst, die Trainerkarriere von Sepp Herberger mitangestoßen zu haben. 1921 hatte er Herberger auf einer Reise nach Finnland zur Trainerausbildung gedrängt, was der ihm zeitlebens dankte. Linnemann starb 1948; in seiner Heimat im Heideörtchen Steinhorst wurde er begraben.