Lebensfroher Rheinländer: Dr. Peco Bauwens ©

Dr. Peco Bauwens

(1950-1962)

Der Schiedsrichter mit dem offenen Wort

Als der Kölner Dr. Peco (Peter Joseph) Bauwens, Mitinhaber eines großen Baugeschäfts, 1950 zum ersten Präsidenten des DFB nach dem Zweiten Weltkrieg gewählt wurde, blickte er bereits auf eine lange und intensive fußballerische Vergangenheit in vielen unterschiedlichen Funktionen zurück. Als bisher einziger DFB-Präsident war es ihm vergönnt, sowohl als aktiver Spieler wie auch als Schiedsrichter zu Länderspielehren zu kommen. Bereits seit 1925 war er zudem in unterschiedlichen FIFA-Gremien tätig, seit 1932 als Mitglied des Exekutiv-Komitees – und gehört somit zu jenen Funktionären, die sowohl unter der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft als auch nach 1945 exponierte Ämter im Fußball ausübten.

Bauwens war geprägt von einem musischen Elternhaus, spielte gerne und gut Klavier und wäre wohl als Spross einer bürgerlichen Familie beim Tennis gelandet, hätte nicht ein schmerzlicher Zufall mitgespielt. Ein Arzt empfahl seiner Mutter, nachdem er den jungen Mann einige Zeit lang wegen der Folgen eines schweren Unfalls behandelt hatte, dringlich: „Der Junge muss Fußball spielen." Ausgerechnet Fußball, der verpönte Proletensport. Die Therapie indes half und die schon in Erwägung gezogene Amputation des schwer geschädigten Beines unterblieb. Trotz seines Handicaps entwickelte sich Bauwens derart prächtig, dass er 1910 zum ersten (und einzigen) Mal ins Trikot der deutschen Nationalelf berufen wurde. In Duisburg setzte es allerdings eine 0:3-Niederlage gegen die Belgier – und einen Sehnenriss.

Nach dem Ersten Weltkrieg entschloss er sich, dem Fußball als Schiedsrichter weiter erhalten zu bleiben und machte Karriere. Er pfiff 82 Länderspiele und erfuhr eine ganz besondere Ehre: Er durfte sogar auf britischen Sportplätzen ran. Der lebensfrohe Rheinländer, der in seiner Heimatstadt auch Präsident der deutsch-belgisch-luxemburgischen Handelskammer war, hatte international längst einen Namen, als er fünf Jahre nach Kriegsende antrat, um als Mann vom Bau dem deutschen Fußball wieder auf die Beine zu helfen.

Seine persönliche Unabhängigkeit stand für Bauwens immer vornan. Der selbstbewusste Mann lebte für den Sport, aber nie vom Sport, der ihm aber zu einer gewissen Popularität verhalf. Landesweit bekannt wurde er durch ein Finale: Am 16. Juni 1922 ließ Bauwens in Berlin 189 Minuten spielen, ehe er das deutsche Meisterschaftsendspiel zwischen dem 1. FC Nürnberg und dem Hamburger SV beim Stande von 2:2 wegen Dunkelheit abbrach. Am 6. August wurde in Leipzig zum zweiten Male angepfiffen. Als die Wiederholung 1:1 stand, eine Entscheidung nicht abzusehen war, und die Nürnberger nach zwei Platzverweisen und zwei Verletzungen nur noch sieben Mann auf dem Feld hatten, brach Bauwens erneut ab. Der DFB wollte die Hamburger zum Sieger erklären, aber der HSV lehnte ab. Deshalb weist die Statistik für dieses Jahr keinen deutschen Meister aus.

Bauwens war nicht eben ein Meister der gepflegten Diplomatensprache. Er sagte meistens ohne Umschweife, was er dachte. Das führte schon mal zu Irritationen und Dissonanzen, bei einem Auftritt – der bis heute umstrittenen Rede bei der Siegesfeier für die „Helden von Bern“ 1954 im Münchner Löwenbräukeller – sogar zu einem Politikum, das den Bayerischen Rundfunk veranlasste, die Direktübertragung abzubrechen. Der Präsident hatte im Überschwang nationalistische Töne angestimmt, die nach der Einschätzung vieler kritischer Zeitgenossen nicht in die politische Landschaft der jungen, sich gerade wieder international eingliedernden Republik gehörten. Bauwens ließ die freigehaltene Rede, in der er vom „Führerprinzip“ schwärmte – freilich auf den Sport bezogen – sogar nachträglich anhand eines Tonbandmitschnittes transkribieren und zu seiner Entlastung dem Bundespräsidialamt zuleiten.

Umstritten ist und bleibt seine Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus, die in verschiedenen historischen Untersuchungen der 2000er Jahre, u.a. in der unabhängigen, von Dr. Nils Havemann im Auftrag des DFB verfassten Studie „Fußball unterm Hakenkreuz“ (2005), thematisiert wird. Wurden bis dahin vor allem Bauwens‘ eigene Aussagen unkritisch rezipiert, er habe sich wegen seiner jüdischen Frau, die 1940 Selbstmord beging, von den Nazis ständig bedroht gefühlt, wird seine Rolle von der jüngeren Forschung kritischer aufgefasst. Beruflich wird seine Kooperation mit dem NS-Regime in der Rolle als Vertreter des „Fachamts Fußball“ im Nationalsozialistischen Reichsbundes für Leibesübungen in der FIFA-Exekutive thematisiert. Das Fachamt hegte Ambitionen, die FIFA unter deutsche Kontrolle zu bekommen und deren „frankophile Kräfte“ zu schwächen. Hartnäckig setzte er sich auch nach Kriegsausbruch für die Austragung der WM 1942 in Deutschland ein, um die sich das Reich beworben hatte. Zudem hatte seine Firma in den Kriegsjahren Zwangsarbeiter beschäftigt, über deren Behandlung nur wenig bekannt ist.

Persönlich hat Bauwens diese Diskussionen nicht mehr erlebt. Als er sein Amt 1962 an Dr. Hermann Gösmann abgab, wählte ihn der DFB zum Ehrenpräsidenten. Am 7. November 1963 darauf starb Dr. Peco Bauwens und wurde auf dem Kölner Friedhof Melaten beigesetzt.