Meyer: "Kälte für den Fußball nicht so dramatisch"

Tim Meyer ist der Arzt, dem Philipp Lahm und Co. vertrauen. Seit 2001 arbeitet er für die deutsche Nationalmannschaft, er hat drei Welt- und zwei Europameisterschaften mit der DFB-Auswahl erlebt und betreute vorher schon die U 20 bei den WM-Turnieren in Nigeria und Argentinien. Seit Oktober 2008 ist er W3-Professor für Sport- und Präventivmedizin an der Universität des Saarlandes.

Meyer kennt sich aus, mit dem Fußball, mit der Medizin, mit der Kälte. Angesichts des kalten Winters mit eisigen Temperaturen in Deutschland auch im zweistelligen Minusgradbereich appelliert der 44-Jährige im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke vor dem anstehenden Fußball-Wochenende vor allem an den gesunden Menschenverstand.

DFB.de: Herr Meyer, es ist kalt in Deutschland, und am Wochenende sollen die Temperaturen weiter fallen. Ab wann wird Fußball in der Kälte zum Gesundheitsrisiko?

Tim Meyer: Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es gab mal Überlegungen, dass ab einer Temperatur von minus 15 Grad beziehungsweise bei minus zehn Grad und viel Wind über eine Absage des Spiels nachgedacht werden sollte. In Deutschland gibt es aber keine fixe Regelung. Ganz generell sollte man die Kirche im Dorf lassen. Die Auswirkungen der Kälte auf das Fußballspiel sind mit Sicherheit nicht so dramatisch, wie es das Ausmaß der öffentlichen Diskussion nahelegt.

DFB.de: Aber ein paar Vorsichtsmaßnahmen sollten getroffen werden.

Meyer: Man darf die Situation natürlich auch nicht verharmlosen. Es ist klar, dass die Atemwege durch kalte, trockene Luft gereizt werden können. Bei den meisten Menschen ist das nicht weiter schlimm, aber Menschen mit Vorbelastung müssen aufpassen. Asthmatiker können zum Beispiel bei der Bewegung in kalter, trockener Luft verstärkt Atemprobleme bekommen - sie müssen also besonders vorsichtig sein. Kalte, trockene Luft ist sicherlich auch nachteilig für die Infektionsabwehr an den Schleimhautoberflächen. Aber auch die in Betracht kommenden Erreger freuen sich nicht über ein solches Klima...

DFB.de: In der Halbzeit wird in der Kabine meistens warmer Tee getrunken. Ist das sinnvoll?

Meyer: Ja. Alles, was den Körper von innen und außen wärmt, ist sinnvoll. Das gilt vor dem Spiel, während des Spiels, nach dem Spiel und natürlich auch während der Pause. Ungünstig wird es aber, wenn dem Tee Alkohol beigemischt wird. Leider gibt es das ja auch. Und Alkohol trägt eher dazu bei, dass der Körper auskühlt.



[bild1]

Tim Meyer ist der Arzt, dem Philipp Lahm und Co. vertrauen. Seit 2001 arbeitet er für die deutsche Nationalmannschaft, er hat drei Welt- und zwei Europameisterschaften mit der DFB-Auswahl erlebt und betreute vorher schon die U 20 bei den WM-Turnieren in Nigeria und Argentinien. Seit Oktober 2008 ist er W3-Professor für Sport- und Präventivmedizin an der Universität des Saarlandes.

Meyer kennt sich aus, mit dem Fußball, mit der Medizin, mit der Kälte. Angesichts des kalten Winters mit eisigen Temperaturen in Deutschland auch im zweistelligen Minusgradbereich appelliert der 44-Jährige im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke vor dem anstehenden Fußball-Wochenende vor allem an den gesunden Menschenverstand.

DFB.de: Herr Meyer, es ist kalt in Deutschland, und am Wochenende sollen die Temperaturen weiter fallen. Ab wann wird Fußball in der Kälte zum Gesundheitsrisiko?

Tim Meyer: Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es gab mal Überlegungen, dass ab einer Temperatur von minus 15 Grad beziehungsweise bei minus zehn Grad und viel Wind über eine Absage des Spiels nachgedacht werden sollte. In Deutschland gibt es aber keine fixe Regelung. Ganz generell sollte man die Kirche im Dorf lassen. Die Auswirkungen der Kälte auf das Fußballspiel sind mit Sicherheit nicht so dramatisch, wie es das Ausmaß der öffentlichen Diskussion nahelegt.

DFB.de: Aber ein paar Vorsichtsmaßnahmen sollten getroffen werden.

Meyer: Man darf die Situation natürlich auch nicht verharmlosen. Es ist klar, dass die Atemwege durch kalte, trockene Luft gereizt werden können. Bei den meisten Menschen ist das nicht weiter schlimm, aber Menschen mit Vorbelastung müssen aufpassen. Asthmatiker können zum Beispiel bei der Bewegung in kalter, trockener Luft verstärkt Atemprobleme bekommen - sie müssen also besonders vorsichtig sein. Kalte, trockene Luft ist sicherlich auch nachteilig für die Infektionsabwehr an den Schleimhautoberflächen. Aber auch die in Betracht kommenden Erreger freuen sich nicht über ein solches Klima...

DFB.de: In der Halbzeit wird in der Kabine meistens warmer Tee getrunken. Ist das sinnvoll?

Meyer: Ja. Alles, was den Körper von innen und außen wärmt, ist sinnvoll. Das gilt vor dem Spiel, während des Spiels, nach dem Spiel und natürlich auch während der Pause. Ungünstig wird es aber, wenn dem Tee Alkohol beigemischt wird. Leider gibt es das ja auch. Und Alkohol trägt eher dazu bei, dass der Körper auskühlt.

DFB.de: Wie sieht es mit den Muskeln aus?

Meyer: Kalte Muskulatur ist weniger leistungsfähig. Insbesondere mit unzureichender Bekleidung könnte es bei der aktuellen Witterung passieren, dass die Muskeln nicht auf die gewohnte Betriebstemperatur kommen. Und wenn trotzdem die gleichen Anforderungen gestellt werden, ist es durchaus vorstellbar, dass eine höhere Anzahl an Verletzungen entsteht.

DFB.de: Das richtige Aufwärmen ist im Winter also besonders wichtig?

Meyer: Ja, klar. Wesentlich ist, dass man sich entsprechend Zeit nimmt.

DFB.de: Können gesunde Menschen bei richtigem Aufwärmen und der richtigen Kleidung demnach auch bei deutlichen Minusgraden unbedenklich Fußball spielen?

Meyer: Im Prinzip, ja. Eine Gefährdung für die Spieler in den Amateurklassen stellen auch die Platzverhältnisse dar. Ohne Rasenheizung friert der Boden. Und wenn der Boden hartgefroren ist, fallen die Spieler fast wie auf Beton. Es ist ja klar, dass dies Auswirkungen hat. Eine lange Hose kann zwar helfen, aber weicher wird der Boden dadurch auch nicht. Glücklicherweise handelt es sich bei Verletzungen, die auf diese Art entstehen, in der Regel um oberflächliche.

DFB.de: Torhüter müssen manchmal fallen. Sollten sich Torhüter im Winter durch die Kleidung besonders schützen? Oder mit Ellebogen- und Knieschützern?

Meyer: Solange die Kleidung die Beweglichkeit nicht einschränkt, ist ein solcher Schutz sinnvoll. Die Torhüter sollten außerdem versuchen, immer in Bewegung zu bleiben und sich warm zu halten, auch wenn das Spielgeschehen auf der anderen Seite stattfindet. Dann können auch sie ohne allzu sehr erhöhtes Gesundheitsrisiko in der Kälte Fußball spielen.