Hummels vor Italien-Spiel: "Der U 21-Erfolg 2009 verbindet"

Mats Hummels ist eine feste Säule in der deutschen Hintermannschaft. Mit Nationaltorwart Manuel Neuer und Nebenmann Jerome Boateng bildet der 27-Jährige ein Dreieck, das von vielen als das weltbeste angesehen wird. Im DFB.de-Interview spricht Mats Hummels mit Redakteur Steffen Lüdeke über die deutsche Defensive, Ehrgeiz unter Profisportlern und das EM-Viertelfinale gegen Italien am Samstag (ab 21 Uhr, live in der ARD und im Fan-Club-Radio).

DFB.de: Die EM läuft gut, Ihre fußballerische Bilanz ist fast makellos, Deutschland hat noch kein Gegentor kassiert. Wie sieht es aus in anderen Sportarten?

Mats Hummels: Da ist die Bilanz absolut nicht makellos, aber absolut zufriedenstellend. Wir haben hier schon einiges gerissen: Boule, Basketball, Billard, Beachvolleyball. Ich meine, dass ich relativ erfolgreich war, aber die Konkurrenz ist hart.

DFB.de: Wie ehrgeizig sind Sie außerhalb des Fußballplatzes?

Hummels: Es ist Spaß, aber es ist schon so, dass man bei jedem Einzelnen merkt: Da hat man einen Sportler gegen sich, einen Ehrgeizling. Hier verliert keiner gerne, man bekommt nichts geschenkt. Ich finde es faszinierend zu sehen, wie sehr alle dieses unbedingte Gewinnenwollen in sich haben. Und wie sehr sie es auch in anderen Sportarten ausleben. Ich bin da keine Ausnahme.

DFB.de: Wenn Sie sich im Kollegenkreis messen, fordern Sie dies auch ein, oder?

Hummels: Ja. Ich will immer, dass der andere auch alles versucht, um zu gewinnen. Der Sieg fühlt sich dann viel besser an.

DFB.de: Das Team ist seit mehr als fünf Wochen zusammen. Gab es mal Momente, in denen ein Ansatz von Lagerkoller aufgekommen ist?

Hummels: Nein, und da sehe ich auch keine Gefahr. Mit den ganzen Möglichkeiten, die der DFB hier geschaffen hat, mit den verschiedenen Sportarten, mit dem kleinen Kino, mit dem großem Außenbereich - das alles wirkt sehr Lagerkoller-verhindernd.



Mats Hummels ist eine feste Säule in der deutschen Hintermannschaft. Mit Nationaltorwart Manuel Neuer und Nebenmann Jerome Boateng bildet der 27-Jährige ein Dreieck, das von vielen als das weltbeste angesehen wird. Im DFB.de-Interview spricht Mats Hummels mit Redakteur Steffen Lüdeke über die deutsche Defensive, Ehrgeiz unter Profisportlern und das EM-Viertelfinale gegen Italien am Samstag (ab 21 Uhr, live in der ARD und im Fan-Club-Radio).

DFB.de: Die EM läuft gut, Ihre fußballerische Bilanz ist fast makellos, Deutschland hat noch kein Gegentor kassiert. Wie sieht es aus in anderen Sportarten?

Mats Hummels: Da ist die Bilanz absolut nicht makellos, aber absolut zufriedenstellend. Wir haben hier schon einiges gerissen: Boule, Basketball, Billard, Beachvolleyball. Ich meine, dass ich relativ erfolgreich war, aber die Konkurrenz ist hart.

DFB.de: Wie ehrgeizig sind Sie außerhalb des Fußballplatzes?

Hummels: Es ist Spaß, aber es ist schon so, dass man bei jedem Einzelnen merkt: Da hat man einen Sportler gegen sich, einen Ehrgeizling. Hier verliert keiner gerne, man bekommt nichts geschenkt. Ich finde es faszinierend zu sehen, wie sehr alle dieses unbedingte Gewinnenwollen in sich haben. Und wie sehr sie es auch in anderen Sportarten ausleben. Ich bin da keine Ausnahme.

DFB.de: Wenn Sie sich im Kollegenkreis messen, fordern Sie dies auch ein, oder?

Hummels: Ja. Ich will immer, dass der andere auch alles versucht, um zu gewinnen. Der Sieg fühlt sich dann viel besser an.

DFB.de: Das Team ist seit mehr als fünf Wochen zusammen. Gab es mal Momente, in denen ein Ansatz von Lagerkoller aufgekommen ist?

Hummels: Nein, und da sehe ich auch keine Gefahr. Mit den ganzen Möglichkeiten, die der DFB hier geschaffen hat, mit den verschiedenen Sportarten, mit dem kleinen Kino, mit dem großem Außenbereich - das alles wirkt sehr Lagerkoller-verhindernd.

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DFB.de: Wie entscheidend ist die Auswahl des Teamquartiers für den sportlichen Erfolg?

Hummels: Von außen wird dies ja manchmal belächelt - Stichwort Wohlfühloase, Luxusdebatte. Aber es spielt eine große Rolle, dass man bei einem Turnier eine solche Atmosphäre schafft. Auch wenn wir alle hochprofessionelle und topmotivierte Sportler sind, kann man sich nicht davon frei machen, dass Monotonie irgendwann zu Lasten der Leistung gehen könnte. Und hier sind wir ganz weit von Monotonie entfernt. Wie gesagt: Wir haben sehr viele Möglichkeiten, das ist ein Grund, warum man hier nur Menschen mit guter Laune sieht - und gute Laune wirkt teambildend. Im Campo Bahia (das Teamquartier während der WM 2014 in Brasilien; Anm. d. Red.) war das extrem, und hier ist es auch so.

DFB.de: Zu den Freizeitmöglichkeiten gehört auch Fernsehen. Haben Sie die Partie Italien gegen Spanien gesehen?

Hummels: Klar.

DFB.de: Überrascht, wie die Italiener aufgetreten sind?

Hummels: Von der Mentalität her nicht. Auch nicht von der kompakten, starken Defensive. Aber sie waren offensiv noch einen Tick stärker, als man sie erwartet hatte. Wir haben gesehen, wie gefährlich sie sind. Sie haben Spanien verdient ausgeschaltet, sie haben sich damit definitiv zu einem der Turnierfavoriten aufgeschwungen.

DFB.de: Gegen Italien in einem K.o.-Spiel einer Europameisterschaft, Sie verbinden damit schlechte Erfahrungen - und gute. Auf dem Weg zum Titel bei der U 21-EM 2009 in Schweden hat Deutschland im Halbfinale gegen Italien gewonnen. Wie detailliert sind Ihre Erinnerungen an dieses Spiel?

Hummels: Ich weiß das noch sehr gut. Mit ein paar Spielern habe ich erst gestern wieder über dieses Spiel geredet. Wir haben 1:0 gewonnen, Fernschuss Andi Beck. Wir hatten damals auch das nötige Quäntchen Glück, das man benötigt - die Italiener waren keinesfalls das schwächere Team. Ich bin erst in der 89. Minute eingewechselt worden. Die Spieler, die damals mit mir auf der Bank saßen, lachen sich heute noch kaputt. Ich bin damals aufgesprungen und war spielbereit, noch bevor der Trainer meinen Namen zu Ende gesprochen hatte. Ich wollte unbedingt auf den Platz. (lacht) Es gab damals ein paar schöne Situationen und Szenen, an die wir uns alle immer sehr gerne erinnern.

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DFB.de: Der Kern der Mannschaft spielt seither zusammen. Wie viel Kraft zieht das Team aus den vielen gemeinsamen Erlebnissen?

Hummels: Es verbindet. Insbesondere die Erinnerung an den Titel von 2009. Bei jedem, mit dem man darüber redet, folgt als Reaktion ein Lächeln im Gesicht. Ich bin der Überzeugung, dass die vielen Erlebnisse, die wir miteinander geteilt haben, Einfluss haben auf die Erlebnisse, die wir noch miteinander teilen werden.

DFB.de: Auch negative Erlebnisse?

Hummels: Ja, natürlich.

DFB.de: Also auch die Niederlage im EM-Halbfinale 2012 gegen Italien?

Hummels: Ja. Insofern, als dass wir unsere Lehren daraus ziehen können. Die Italiener haben damals schon sehr ähnlich gespielt zu ihrer Spielweise heute. Natürlich sind sie personell ein wenig anders besetzt. Sie hatten damals mit Ántonio Cassano und Mario Balotelli zwei Stürmer, die uns das Leben sehr schwer gemacht haben, aber aktuell haben sie mit Graziano Pellé und Eder eine ähnliche Kombination. Sie werden am Samstag natürlich ein bisschen anders spielen, aber wir werden uns dennoch die eine oder andere Szene aus diesem Spiel vor Augen führen.

DFB.de: Jubelnde Italiener als Motivationshilfe?

Hummels: Das weniger. Eher zur Fehleranalyse. Wir werden auch Szenen aus unseren anderen Spielen gegen Italien anschauen, nicht nur 2012. Die Italiener sind die Mannschaft, die am meisten mit festen Spielzügen operiert. Wo der eine Pass schon die Bewegung von drei Spielern und den nächsten Pass auslöst.

DFB.de: Ein Fest für Spielanalysten.

Hummels: Es hat zwei Seiten. Ja, man kann das gut analysieren, man weiß, was kommt. Aber: Sie sind sehr eingespielt, sie wissen, was sie machen. Wenn man den ersten Pass zulässt, dann ist häufig nur noch ganz schwer zu verteidigen, was danach kommt. Es ist ja kein Zufall, dass Italien im Viertelfinale steht, obwohl viele Mannschaften wissen, was das Team vorhat. Aber natürlich sehe ich in diesen festen Spielzügen für uns eher Vorteile.

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DFB.de: Hat Deutschland diese Erkenntnisse in den letzten Spielen gegen Italien umgesetzt?

Hummels: Jetzt im März beim 4:1 in München sowieso. Aber fast noch mehr vor drei Jahren beim 1:1 in Mailand. Ich weiß noch, dass uns der Trainer vorher einen ganz typischen Spielzug der Italiener vor Augen geführt hat. Wir wussten dann, wie wir uns dagegen verhalten müssen. Und das hat wunderbar funktioniert. Im gesamten Spiel hat dieser Spielzug bei den Italienern nicht ein einziges Mal funktioniert. Das sind kleine Zwischentriumphe, über die ich mich richtig freuen kann.

DFB.de: Auf Ihrer Homepage steht ein schöner Spruch: "Ich erwarte bei jedem Spiel von mir, dass ich keine Fehler mache. Das hat noch nie geklappt." Wann waren Sie mal nah dran?

Hummels: Es gibt Spiele, bei denen die kleinen Fehler, die ich gemacht habe, nicht bestraft wurden. Aber ein komplett perfektes Spiel, bei dem man sagt, dass jede einzelne Aktion genau richtig gelöst wurde - das wird es nie geben.

DFB.de: Wie nah dran waren Sie gegen die Slowakei?

Hummels: Ich habe mir das Spiel noch einmal angeschaut. Es war auf jeden Fall ein gutes Spiel. Als Mannschaft, aber in dem Fall eben auch individuell. Ich war zufrieden mit mir. Aber nicht fehlerlos, bestimmt nicht. Bei der Analyse habe ich einiges gesehen. In der einen Situation habe ich zu viel Abstand gelassen, in der nächsten war der Pass nicht genau genug. Es gab mehrere kleine Fehler. Und eine Aktion, die mich richtig aufgeregt hat. Einmal habe ich einen riskanten Pass gespielt, den ich nicht hätte spielen müssen, einfach, weil ich nicht flexibel war. Ich habe schon fünf Sekunden vorher überlegt, dass ich diesen Pass gerne spielen möchte - und dann habe ich an diesem Pass festgehalten, obwohl es gar nicht mehr ging.

DFB.de: Sie haben für eine saubere Aktion eine Gelbe Karte bekommen. Können Sie sich in dieser Szene dennoch einen Vorwurf machen?

Hummels: Ich habe mir die Szene auch noch einmal angeschaut. Schon auf dem Platz war ich sicher, dass es klar kein Foul gewesen ist. Das hat sich dann bestätigt. Ich war fast einen Meter vor dem Gegner am Ball, wir sind dann ineinander gerutscht, aber mein Bein war nicht gestreckt. Es gab kein Anlass, auf Foul zu entscheiden. Und schon gar nicht für eine Gelbe Karte.

DFB.de: Wie schwer fällt es Ihnen, so etwas zu akzeptieren?

Hummels: Ich rege mich natürlich kurz auf - das hat man ja auch gesehen. Aber ich weiß auch, dass sich an der Entscheidung nichts ändern lässt.

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DFB.de: Wie viel schwieriger wird Ihre Aufgabe im Spiel gegen Italien durch die Gelbe Karte? Sie sind jetzt vorbelastet, noch eine Gelbe Karte und Sie würden in einem möglichen Halbfinale zuschauen müssen.

Hummels: Das hat keinen Einfluss auf mein Spiel. Ich versuche ja eh, keine dummen Fouls zu machen, ganz unabhängig von der Gelben Karte. Und es ist keine Situation vorstellbar, in der ich zurückziehe, weil ich jetzt vorbelastet bin. Ein Gegentor ist für die Mannschaft schlimmer als meine persönliche Strafe. Ich werde also nicht anders spielen als ohne Vorbelastung.

DFB.de: Hilft es zu wissen, dass im Falle Ihres Ausfalls mit Shkodran Mustafi, Benedikt Höwedes und Jonathan Tah drei Spieler da sind, auf die zu 100 Prozent Verlass ist?

Hummels: Ganz klar. Es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, dass die Qualität hoch ist, auch wenn man selbst nicht spielen sollte. Das gibt auf jeden Fall große Sicherheit und das ist ja auch eine der großen Stärken unserer Mannschaft.

DFB.de: Medial wird aus vielen Gründen viel von Jerome Boateng, Ihrem Partner in der Innenverteidigung, dominiert. Ihm gehören die Schlagzeilen. Sind Sie in dieser Hinsicht komplett neidfrei?

Hummels: Ja. Ich gönne ihm das zu 100 Prozent. Er hat sich das absolut verdient, ganz einfach, weil er überragend Fußball spielt.

DFB.de: Aus Dortmund sind Sie gewohnt, dass sich viel auf Sie kapriziert. Mal ganz angenehm, dass Sie nicht alleine im Fokus stehen?

Hummels: Ich finde schon, ja. Ich spiele meinen Part, ich stelle mich in den Dienst der Mannschaft. Ich kann einfach Fußball spielen. Unangenehm ist das nicht.

DFB.de: In der Vorrunde der EM wurde insgesamt viel über die Defensive gesprochen, über die Riegel der "kleinen" Mannschaften. Jetzt kommen die großen Spiele. Wird das Turnier jetzt zu einem Turnier der Offensiven?

Hummels: Das ist nicht gegeben. Es kann aber sein, klar. Jetzt sind nur noch wenige Mannschaften dabei, die offensiv limitiert sind und sich daher komplett aufs Verteidigen beschränken. Die meisten Teams, die jetzt noch im Turnier sind, haben hohe Qualität - eben auch im Offensivbereich.

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DFB.de: Italien gegen Deutschland heißt auch, die älteste Mannschaft des Turniers gegen die jüngste Mannschaft.

Hummels: Ist das so?

DFB.de: Ja. Im Schnitt sind die Italiener fünf Jahre älter. Kann das ein Faktor werden?

Hummels: Das glaube ich nicht. Auch wir haben eine sehr erfahrene Mannschaft. Im Kaderschnitt sind wir möglicherweise jung. Aber wenn man sich die Mannschaft anguckt, die dann am Ende auf dem Platz steht, dann haben wir eine Mannschaft, in der viele Spieler schon das eine oder andere Turnier gespielt haben, viele Mitzwanziger im besten Fußballer-Alter. Ich glaube nicht, dass fehlende Erfahrung ein Problem wird.

DFB.de: Und umgekehrt? Dass Deutschland aufgrund der Jugend den Italienern kräftemäßig etwas voraushaben wird?

Hummels: Auch nicht. Da gilt ja im Grunde das Gleiche. Außerdem glaube ich nicht, dass die Italiener körperlich Defizite haben werden. Das wäre schön, aber ich kann es mir nicht vorstellen.

DFB.de: Was muss Deutschland umsetzen, um das Spiel gegen Italien zu gewinnen? Was für ein Spiel erwarten Sie?

Hummels: Es kann sein, dass es eines dieser Spiele wird, bei denen der erste Fehler, das erste Tor, schon alles entscheidet. Wenn eine Mannschaft in Führung geht, ändert sich dadurch die ganze Statik des Spiels. Wenn wir das 1:0 machen, dann müssen die Italiener langsam kommen und wir können kontern. Umgekehrt gilt das aber genauso. Ich kann mir also vorstellen, dass beide Teams lange darauf bedacht sind, dass Risiko zu dosieren und gleichwohl den entscheidenden Fehler zu provozieren.

DFB.de: Bundestrainer Joachim Löw hat gesagt, dass mit Deutschland und Italien die bisher besten Mannschaften des Turniers aufeinandertreffen. Sehen Sie das auch so?

Hummels: Ja - damit hat der Trainer wahrscheinlich nicht ganz Unrecht.

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