Starke Bilanz gegen Chile: Drei WM-Duelle, drei Siege

Erstes WM-Rot, erste Südamerika-Reise überhaupt, drei siegreiche Duelle bei Weltmeisterschaften und der Start einer Rekordserie - bei Deutschland gegen Chile wird regelmäßig Geschichte geschrieben. Für DFB.de blickt der Historiker Udo Muras zurück auf eine Paarung, die es zum ersten Mal 1962 in Stuttgart gab und die am Donnerstag (ab 20 Uhr, live in der ARD) in Kasan beim Confed Cup ihre achte Auflage erfährt.

Chile ist weit weg, viel weiter als andere Länder. Als die deutsche Nationalmannschaft erstmals nach Santiago flog, war sie noch 30 Stunden unterwegs. Mit neun Zwischenlandungen in sieben Ländern. Der Rückflug dauerte gar 37 Stunden. So verwundert es nicht, dass nach Gründung des DFB noch 60 Jahre vergingen, ehe es zub Länderspielen mit den Südamerikanern kam. Die Vergabe der WM 1962 nach Chile war wesentlich dafür, Bundestrainer Sepp Herberger wollte die Verhältnisse vor Ort erkunden.

1962: Sieg beim Debüt dank Haller und Seeler

Die Premiere dieses Duells fand allerdings im Stuttgarter Neckar-Stadion statt, denn auch die Chilenen als qualifizierter WM-Gastgeber wollten Erfahrungen auf anderen Kontinenten sammeln. So überquerten sie im Frühjahr 1960 den Atlantik für eine Länderspiel-Tournee. Sepp Herberger hatte die Chilenen schon vier Mal beobachtet und warnte vor einem unbequemen Gegner, 72.000 Zuschauer waren gespannt auf Spieler, die sie nie gesehen hatten. Und die vielleicht doch nicht so gut waren wie gedacht, denn kaum in Europa gelandet, verloren sie in Frankreich mit 0:6. Das Sport Magazin schrieb: "Es wird kein Mensch, nach allem was sich in Paris abgespielt hat, auf den Gedanken kommen, dass der deutsche Fußball vor einer unlösbaren Aufgabe steht." Wer die Einzelporträts der Chilenen sah, dachte das auch nicht. Profi war keiner; im Tor stand ein Eisenbahner, auf Linksaußen stürmte ein Volksschullehrer.

Aber Fußballer waren sie alle und am 23. März 1960 drängten sie die DFB-Auswahl an den Rand einer Niederlage. Nach einem frühen Kopfball-Tor durch Juan Soto, den einzigen Arbeitslosen, vernagelten die Chilenen ihr Tor; neun Spieler verriegelten den Strafraum. Es war ein Vorbote für die kommenden Spiele. Immer war es unbequem, selten schön und nie wurde sich etwas geschenkt – ob bei den drei Testspielen oder den drei WM-Spielen. Weshalb es auch nie ein Unentschieden gab.

Damals in Stuttgart drehten die Deutschen die Partie noch, weil Helmut Haller nach furiosem Dribbling eher unabsichtlich ins Tor flankte (73.) und Uwe Seeler trotz Mandelentzündung vor Tatendrang sprühte und aus 20 Metern unhaltbar abzog (75.). Binnen zwei Minuten gewann Deutschland das Spiel, das die Zuschauer aber nicht begeisterte. Herberger, der über 90 Minuten auf der Tribüne saß, "um aus dem erhöhten Blickwinkel taktische Varianten schnell zu erkennen", gab zu: "Von einem schönen Spiel konnte selbstverständlich keine Rede sein."



Erstes WM-Rot, erste Südamerika-Reise überhaupt, drei siegreiche Duelle bei Weltmeisterschaften und der Start einer Rekordserie - bei Deutschland gegen Chile wird regelmäßig Geschichte geschrieben. Für DFB.de blickt der Historiker Udo Muras zurück auf eine Paarung, die es zum ersten Mal 1962 in Stuttgart gab und die am Donnerstag (ab 20 Uhr, live in der ARD) in Kasan beim Confed Cup ihre achte Auflage erfährt.

Chile ist weit weg, viel weiter als andere Länder. Als die deutsche Nationalmannschaft erstmals nach Santiago flog, war sie noch 30 Stunden unterwegs. Mit neun Zwischenlandungen in sieben Ländern. Der Rückflug dauerte gar 37 Stunden. So verwundert es nicht, dass nach Gründung des DFB noch 60 Jahre vergingen, ehe es zub Länderspielen mit den Südamerikanern kam. Die Vergabe der WM 1962 nach Chile war wesentlich dafür, Bundestrainer Sepp Herberger wollte die Verhältnisse vor Ort erkunden.

1962: Sieg beim Debüt dank Haller und Seeler

Die Premiere dieses Duells fand allerdings im Stuttgarter Neckar-Stadion statt, denn auch die Chilenen als qualifizierter WM-Gastgeber wollten Erfahrungen auf anderen Kontinenten sammeln. So überquerten sie im Frühjahr 1960 den Atlantik für eine Länderspiel-Tournee. Sepp Herberger hatte die Chilenen schon vier Mal beobachtet und warnte vor einem unbequemen Gegner, 72.000 Zuschauer waren gespannt auf Spieler, die sie nie gesehen hatten. Und die vielleicht doch nicht so gut waren wie gedacht, denn kaum in Europa gelandet, verloren sie in Frankreich mit 0:6. Das Sport Magazin schrieb: "Es wird kein Mensch, nach allem was sich in Paris abgespielt hat, auf den Gedanken kommen, dass der deutsche Fußball vor einer unlösbaren Aufgabe steht." Wer die Einzelporträts der Chilenen sah, dachte das auch nicht. Profi war keiner; im Tor stand ein Eisenbahner, auf Linksaußen stürmte ein Volksschullehrer.

Aber Fußballer waren sie alle und am 23. März 1960 drängten sie die DFB-Auswahl an den Rand einer Niederlage. Nach einem frühen Kopfball-Tor durch Juan Soto, den einzigen Arbeitslosen, vernagelten die Chilenen ihr Tor; neun Spieler verriegelten den Strafraum. Es war ein Vorbote für die kommenden Spiele. Immer war es unbequem, selten schön und nie wurde sich etwas geschenkt – ob bei den drei Testspielen oder den drei WM-Spielen. Weshalb es auch nie ein Unentschieden gab.

Damals in Stuttgart drehten die Deutschen die Partie noch, weil Helmut Haller nach furiosem Dribbling eher unabsichtlich ins Tor flankte (73.) und Uwe Seeler trotz Mandelentzündung vor Tatendrang sprühte und aus 20 Metern unhaltbar abzog (75.). Binnen zwei Minuten gewann Deutschland das Spiel, das die Zuschauer aber nicht begeisterte. Herberger, der über 90 Minuten auf der Tribüne saß, "um aus dem erhöhten Blickwinkel taktische Varianten schnell zu erkennen", gab zu: "Von einem schönen Spiel konnte selbstverständlich keine Rede sein."

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1961: Ernüchterung bei Südamerikareise

Ein Jahr später kam es dann zur ersten Südamerikareise der DFB-Historie und zur zweiten auf einen anderen Kontinent überhaupt. Es galt das Gastgeberland der WM 1962 zu erkunden, es war fast wichtiger als das Spiel in Santiago. Die Gäste freuten sich über den herzlichen Empfang, Herberger musste vor 1500 Schülern auf Einladung der chilenischen Trainer-Vereinigung einen Vortrag über "taktische Fragen im Fußball" halten. Die Spieler wurden tagelang von Autogrammjägern umlagert, der deutsche Botschafter und die große deutsche Gemeinde Santiagos suchten die Nähe der Spieler. Das zwischenmenschliche Klima war also denkbar angenehm, aber das metereologische war das Problem. Aus dem ausklingenden deutschen Winter kommend, landeten die Gäste quasi im Frühsommer. Und so schoben fast alle Beobachter die 1:3-Niederlage auf die schwüle Witterung und die Zeitverschiebung. Chiles frühe Führung durch Sanchez (10.) konnte der Karlsruher Günter Herrmann noch ausgleichen (13.).

Das 2:1 erneut von Sanchez (40.) bedeutete den Halbzeitstand, dem Rojas (79.) das entscheidende 3:1 anfügte. Aber vielleicht wären die Deutschen der ersten Niederlage in Südamerika entgangen, hätte der Gladbacher Albert Brülls in der 70. Minute einen Foulelfmeter nicht über das Tor gesetzt. Zerknirscht kommentierte er: "Ich weiß nicht, wie es gekommen ist."

Brülls wird die Reise gewiss noch in anderer Hinsicht in Erinnerung behalten haben, es wäre beinahe seine letzte gewesen. Auf dem Hinflug zog er unbeabsichtigt den Griff für den Notausgang, normal hätte die Bordwand aufspringen müssen und seine komplette Sitzreihe wäre ausgestiegen. Sie ging nicht auf. Glück im Unglück hatten auch die daneben sitzenden Richard Kreß (Eintracht Frankfurt) und ARD-Reporter Rudi Michel.

WM 1962: Szymaniak und Seeler entzaubern Gastgeber

Michel ärgerte sich in Chile über die Erkenntnis, dass von der WM 1962 keine Liveübertragungen möglich sein würden. Die Technik war noch nicht so weit. Und so erfuhr die deutsche Fangemeinde ein Jahr später zuerst nur aus dem Radio oder der Zeitung vom ersten deutschen Sieg in Chile – diesmal ging es um WM-Punkte. Das Los hatte die Deutschen 1962 mit dem Gastgeber zusammengeführt. Beide Teams gingen ungeschlagen ins letzte Gruppenspiel in Santiago, die Chilenen waren gar schon weiter.

Im nicht ganz ausverkauften Nationalstadion sicherten sich auch die DFB-Spieler den Einzug ins Viertelfinale. Nachdem Horst Szymaniak einen Foulelfmeter verwandelte (21.), war von den Deutschen nicht mehr viel zu sehen, die Abwehr um Willi Schulz und den jungen Torwart Wolfgang Fahrian war stark gefordert und alles rechnete mit dem Ausgleich. Aber dann hechtete "Uns Uwe" in eine Brülls-Flanke (82.) und sicherte den Sieg im Spiel und in der Gruppe. Chiles Trainer Riera: "Die Deutschen haben gut gespielt, aber einen Fußball, den ich nicht liebe." In dem Stil ging es weiter.

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1968: Chilenischer Schiedsrichter stellt Netzer vom Platz

Der Kicker begann seinen Bericht über das Testspiel in Santiago am 18. Dezember 1968 mit dem Satz: "Ein Spiel, das man rasch vergisst." Günter Netzer wird es sicher nie vergessen, wurde er damals doch als erst fünfter Spieler der DFB-Historie vom Platz gestellt. Unberechtigt nach deutscher Lesart - und auch noch von einem Chilenen, was die eigentliche Ungerechtigkeit war.

DFB-Sekretär Hermann Joch hatte drei Wochen vor der Partie telegrafisch angefragt, wer denn Schiedsrichter sei - und darauf keine Antwort erhalten. Nun wusste man warum. Senor Robles hatte am 2:1-Heimsieg seiner Landsleute keinen geringen Anteil. Er stellte Netzer nach vierminütiger Debatte vom Feld. Bundestrainer Helmut Schön, die Besonnenheit in Person, gab zu, er habe "die Zähne zusammenbeißen müssen, um nicht zu explodieren." Die Deutschen, nach acht Minuten durch Braunschweigs Lothar Ulsaß führend, mussten auch noch Franz Beckenbauer vor der Pause ersetzen, er schied mit Magenbeschwerden aus.

Das verkraftete die Mannschaft schlecht, Chile drehte nach der Pause die Partie durch Tore von Araya (60.) und Fouilloux (81.). Im Bus herrschte trübe Stimmung und gelacht wurde erst, als bekannt wurde, dass auch die Chilenen mit Landmann Robles unzufrieden gewesen seien.

1974: Breitner erzielt erstes Tor der Heim-WM

Erst sechs Jahre später sah man sich wieder. In Berlin wurde am 14. Juni 1974 WM-Geschichte geschrieben, denn der Chilene Carlos Caszely sah als Erster bei diesem Turnier die 1970 schon eingeführte, aber da noch nicht verhängte Rote Karte. Den sportlichen Höhepunkt sahen die 83.168 schon 50 Minuten früher, als Paul Breitner das erste Tor der WM 1974 glückte. Es verleitete die Gäste nicht zu mehr Mut. Trainer Luis Alamos hatte angekündigt: "Wir werden gegen Deutschland mauern, das ist unsere einzige Chance, gewinnen können wir sowieso nicht." Das wegen eines Bombenanschlags auf das chilenische Konsulat zum Hochsicherheits-Spiel deklarierte Match verdiente sich das Etikett auch sportlich.

Zum Abschluss gab es Pfiffe und Franz Beckenbauer schrieb in sein WM-Tagebuch: "Selten ist unsere Mannschaft nach einem Sieg so nachdenklich und selbstkritisch gewesen." Ein Faktor war das Lampenfieber: "Ich musste in der ersten halben Stunde mehr reden und beruhigend auf meine Nebenspieler einwirken, als Fußball spielen. Das Premierenfieber und die Last des Favoriten machten einigen schwer zu schaffen."

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WM 1982: Matthäus-Debüt und drei Rummenigge-Tore

Auch das nächste Spiel gegen die Chilenen stand im Zeichen großer nervlicher Belastungen. Am 20. Juni 1982 ging es in Gijon für beide schon um Sein oder Nicht-Sein bei der WM in Spanien, da beide ihre Auftaktpartie verloren hatten. Bundestrainer Jupp Derwall ging hohes Risiko und vertraute der Elf, die gegen Algerien versagt hatte. Es lohnte sich, die Deutschen gewannen mit 4:1. Kapitän Karl-Heinz Rummenigge schoss trotz Verletzung die drei ersten Tore (9., 57., 67.), Joker Uwe Reinders traf drei Minuten nach seiner Einwechslung. Moscoso war nach einem Tunnel gegen Manni Kaltz nur noch der Ehrentreffer vergönnt. Die Heimat atmete auf, der Europameister blieb im Turnier. Nur eine Fußnote war deshalb die Tatsache, dass an diesem Tag WM-Rekordspieler Lothar Matthäus sein Debüt gab. Noch so ein Markstein, den Deutschland und Chile setzten.

2014: Erfolgreicher WM-Test dank Götze

32 Jahre vergingen, ehe man sich da wiedersah, wo 1962 alles begann: in Stuttgart. Drei Monate vor der so erfolgreichen WM in Brasilien testete Deutschland gegen eine der damals besten südamerikanischen Mannschaften, von der man sich Wunderdinge erzählte. In Tests hatten sie Weltmeister Spanien ein Remis abgetrotzt und die Engländer geschlagen. Im Team standen in Deutschland bekannte Namen wie Arturo Vidal, Charles Aranguiz und Alexis Sanchez. Joachim Löw überraschte gleich vier Spieler, die er erstmals in den Kader nominierte: Matthias Ginter, Shkodran Mustafi, Pierre-Michel Lassoga und André Hahn durften plötzlich von der WM träumen, im Fall der beiden Verteidiger wurde es wahr. Richtung WM deutete auch die Maßnahme, Kapitän Philipp Lahm nach 101 Einsätzen als Verteidiger nun zum erst vierten Mal im Mittelfeld einzusetzen.

Dass die DFB-Auswahl nach dem siebten Duell ihre positive Bilanz ausgebaut hatte (5 Siege, 2 Remis), hatte durchaus mit Glück zu tun, fand nicht nur der Kicker: "Mehr Glück als Können", betitelte das Fachblatt seine Analyse. "Mag das Fundament auch gegossen sein, das WM-Haus steht noch lange nicht." Die Gäste hatten mehr Ballbesitz, bessere Zweikampfwerte, mehr Chancen (7:3) und Ecken (13:5). Das einzige Tor aber schossen die in rot und schwarz spielenden Deutschen durch den Neu-Münchner Mario Götze (16.) nach Vorarbeit von Mesut Özil. Manuel Neuer bot eine herausragende Leistung und verhinderte mehrfach den Ausgleich. Auf allzu viel Experimente durfte man die durchwachsene deutsche Leistung nicht schieben, nur Ginter debütierte (eine Minute), alle anderen kannten sich. Das Spiel vor 55.000 Zuschauern hatte sein Gutes, es war ein rechtzeitiger Weckruf vor dem Abflug nach Brasilien.

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