Paul Breitner: "Die eigene Stärke demonstrieren"

Er steht auf der "FIFA 100", der Liste der besten lebenden Fußballer. Mit der spielerisch besten deutschen Nationalmannschaft wurde er 1972 Europameister, zwei Jahre später Weltmeister im eigenen Land. Kein anderer deutscher Spieler hat zuvor oder danach in zwei WM-Endspielen einen Treffer erzielt, so wie es Breitner 1974 und 1982 gelang.

Der heute 59-Jährige war der Prototyp des modernen Verteidigers, später formte er sich um zu einem Weltklasse-Spielgestalter im Mittelfeld von Madrid und München. Unbequem und unkonventionell war er, manchen galt er als "Revoluzzer". Keine Frage, Paul Breitner hat deutsche Fußball-Geschichte und Geschichten geschrieben.

Eine davon dreht sich um seinen Wechsel von Real Madrid zu Eintracht Braunschweig im Frühjahr 1977. Am 1. August (ab 20.30 Uhr, live in der ARD und bei Sky) muss sein FC Bayern, für den er wieder als Chefscout tätig ist, in der ersten Pokalrunde bei Zweitliga-Tabellenführer Braunschweig antreten. Was Paul Breitner nicht unbedingt den Nachtschlaf raubt, wie er im Interview mit DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Thomas Hackbarth berichtet.

DFB.de: Herr Breitner, 1977 schockten sie die Fußballinteressierten hierzulande. Sie waren Welt- und Europameister, Deutscher und Spanischer Meister. Sie hatten mit Bayern München 1974 den Europapokal der Landesmeister gewonnen. Da wechselt man als Fußballprofi nicht zwingend nach Niedersachsen. Bitte erzählen Sie ein letztes Mal, wie es zu diesem sensationellen Wechsel kam!

Paul Breitner: Sensationell ist ein nettes Wort, viele haben damals von hirnrissig gesprochen. Nach drei erfolgreichen Jahren bei Real Madrid hatte ich mich entschieden, den Klub zu verlassen. Ich fühlte mich zu jung, um für immer bei Real zu bleiben. Angebote aus Südamerika, Paris und Marseille sowie von Cosmos New York gingen ein, doch meine Frau war dagegen. Unsere Töchter standen vor der Einschulung, wir wollten zurück nach Deutschland. Das erfuhr auch der FC Bayern und machte mir im Frühjahr '77 ein Angebot. Diese Rückkehr nach München als „verlorener Sohn“ aber, das wollte ich einfach nicht. Mit dem Hamburger SV waren wir schon unterschriftsreif, bis der damalige HSV-Manager Dr. Peter Krohn mich bat, noch ein paar Wochen zu warten. Die Meldung von meinem Wechsel wolle man lieber etwas später rausgeben.

DFB.de: Davon hörte der Chef des Hauses Jägermeister und millionenschwere Sponsor von Eintracht Braunschweig, Günter Mast.

Breitner: Genau, Günter Mast rief an und fragte mich, ob ich denn auch nach Braunschweig kommen würde. Bayern ging für mich nicht, die Situation mit dem HSV wurde mir zu unsicher. Ich telefonierte also mit Mast, das Gespräch dauerte keine zwei Minuten, dann zwei Tage später noch mal, wieder für zwei oder drei Minuten. Wir waren uns schnell einig. Mast flog sofort persönlich nach Madrid und brachte den Transfer über die Bühne.

DFB.de: Also doch nicht hirnrissig, sondern ein durchaus sinnvoller Wechsel?

Breitner: Geschäftlich und familiär war das für mich ein logischer Schritt.

DFB.de: Wie schwierig war diese eine Saison in Braunschweig?

Breitner: Nach drei Jahren in Madrid betrat ich eine ganz andere Welt. Es gab Neid und Missgunst in der Mannschaft, mindestens bei der Hälfte der Spieler. Von Anfang an wurde ich nicht angespielt, der Ball ging immer wieder zum schlechter postierten Mann. Nach vier Wochen habe ich erst die Mannschaft zur Rede gestellt, dann bin ich auch zu Günter Mast gegangen. Alle verständigten sich darauf, dass wir es weiter versuchen wollen. Doch auf dem Platz blieb alles wie gehabt. Für mich stand fest, dass ich mich nicht kaputtmachen lasse.

DFB.de: Wie reagierte Mast?

Breitner: Er hat meine Entscheidung verstanden, auch wenn es ihm leid tat. Er ist ja im diesem Frühjahr verstorben. Uns verband über die Jahre ein freundschaftliches Verhältnis, Günter Mast hat mich ein paar Mal auf seine Jagd in Lenggries eingeladen, und bis zum vergangenen Herbst haben wir uns immer wieder getroffen.

DFB.de: Trotz der angespannten Stimmung im Team haben Sie in der Saison 1977/1978 zehn Tore für Eintracht Braunschweig geschossen.

Breitner: Von fünf möglichen Bällen habe ich nur einen bekommen. Dafür war das eine sehr gute Bilanz. Dennoch, bis heute spüre ich in Braunschweig, dass die Fußballfans mir den Weggang nicht übel genommen haben, weil ich bis zur letzten Sekunde des letzten Spiels versucht habe, das maximal Mögliche zu geben.

DFB.de: War es denn ein verlorenes Jahr?

Breitner: Nein, so würde ich das nicht sehen. In der Summe war es eher unbefriedigend, aber auch dabei gab es positive Momente. Einige Freundschaften sind damals entstanden, etwa mit Dietmar Erler und Dieter Zembski. Mit Danilo Popivoda, zurecht bis heute einer der beliebtesten Spieler in Braunschweig, habe ich damals in der Saison bei Auswärtsspielen das Zimmer geteilt. Nach wie vor bin ich oft und immer wieder gerne in Braunschweig.

DFB.de: Zittern in der ersten Pokalrunde - das hat Geschichte beim FC Bayern München. 2009 gab es ein 2:1 gegen Spvgg Neckarelz, 2007 bewahrte Oliver Kahn die Bayern im Elfmeterschießen vor dem Ausscheiden gegen Wacker Burghausen. Wie eng wird es diesmal in Braunschweig?

Breitner: Wenn ein Großer stolpert, wird den Leuten oft verkauft, der Bundesligaklub habe den unterklassigen Gegner unterschätzt. Die sind ausgeschieden, weil sie zu überheblich waren, heißt es dann. In 99 von 100 Fällen ist das Blödsinn. Die Angst vor der Blamage ist viel häufiger die Ursache für Favoritenstürze. Diese Furcht vor dem Scheitern führt dazu, dass man den Underdog überschätzt. Nicht das Unterschätzen, das Überschätzen ist das Problem.

DFB.de: Also, Braunschweig gegen Bayern?

Breitner: Wir werden in Braunschweig gewinnen. Alles andere ist unrealistisch.

DFB.de: Beobachten Sie als Chefscout vorher mal die Braunschweiger?

Breitner: Nein, wozu? Mein damaliger Trainer in Madrid, Miljan Miljanic, hielt immer kurze Ansprachen. Der sagte zu uns: „Ihr kennt doch eure Gegenspieler ganz genau. Was soll ich euch denn groß sagen?“ Ich muss nicht wissen, mit wem der rechte Verteidiger verheiratet ist oder wo er in den letzten zehn Jahren unter Vertrag stand. Es kommt nur auf eins an: Ich muss meine eigene Stärke demonstrieren. Wenn wir das in Braunschweig tun, bekommen wir keine Probleme.

DFB.de: Manuel Neuer im Tor, Rafinha und Jerome Boateng in der Abwehr, der neue Trainer Heynckes - es gab einige Veränderungen in München. Braunschweig wird für die neue Formation des FC Bayern der erste Test unter Feuer sein.

Breitner: Das würde ich nicht überbewerten. Die ersten Spiele, in der Bundesliga oder im Pokal, sind ein Schaulaufen für die Neuen im Team. Das wird für unsere Mannschaft und Jupp Heynckes auch in Braunschweig so sein.

DFB.de: Als Kolumnist haben Sie den DFB und auch die Nationalmannschaft kritisiert, manchmal auch durchaus sehr hart. Das fand in Frankfurt nicht immer zustimmenden Applaus. Haben Sie das je bereut?

Breitner: Kritisieren ist ein Form des Abwägens. Ich bin kein Schönredner. Ich verlange von jedem Spieler sehr viel, von einem Nationalspieler kann man Außergewöhnliches erwarten.

DFB.de: Dennoch, Ihre Beziehung mit dem DFB war nicht immer frei von Störungen.

Breitner: Ich konnte und wollte nicht vor jedem einen Hofknicks machen. Diese Einstellung hatte ich schon als ganz junger Spieler, damit bin ich natürlich angeeckt. Als ich Ende der 60er-Jahre erstmals für die Junioren-Nationalmannschaft nominiert wurde, da wurden die Abläufe doch mehr nach den Bedürfnissen der begleitenden Delegation gestaltet. Die jungen Nationalspieler standen eher in der zweiten Reihe. Dazu kam, dass damals ein ganz anderer Ton gegenüber Junioren angeschlagen wurde. Bis ich irgendwann sagte: "Hoppla, jetzt mal Stopp, so geht das nicht!"

DFB.de: Mit welcher Konsequenz?

Breitner: Dass manche Funktionäre ein sehr einseitiges Bild von mir hatten. Ich war für viele der komische Heini, ein Wahnsinniger. Aber meine Eltern haben mich so erzogen, ich durfte und sollte alles hinterfragen. Diesen Weg bin auch beim FC Bayern gegangen. Auch dort reagierten manche schockiert.

DFB.de: Sie lasen Schriften von Mao Tse Tung, sie trugen diesen gewaltigen Afro-Look.

Breitner: Als 19-Jähriger habe ich darauf bestanden, gesiezt zu werden. Ich war nicht der Trottel oder nur ein Befehlsempfänger. Eine Fußballmannschaft ist kein Militärregiment. Der damalige Bundestrainer Helmut Schön hielt immer zu mir, der gab mir viel Rückhalt und begegnete mir mit Verständnis. Das war in der Nationalmannschaft sehr wichtig für mich.

DFB.de: Haben sich die Verhältnisse inzwischen geändert?

Breitner: Ganz grundlegend. Die Spieler stehen heute im Mittelpunkt, bei den Klubs und in den Nationalmannschaften. Und auch mein Verhältnis zum DFB hat sich grundlegend geändert. Es ist seit vielen, vielen Jahren ein angenehmes Miteinander.

DFB.de: Wie sehen Sie die Nationalmannschaft heute?

Breitner: Für mich ist sie der große Favorit für die WM 2014. Wir haben erfolgreich Lehren aus den Jahren 1998 bis 2004 gezogen. Mittlerweile bilden wir unsere Kinder wieder darin aus, Fußball zu spielen und nicht nur Fußball zu arbeiten. Zusammen mit den Spaniern hat Deutschland die beste junge Generation im Weltfußball. Gerade die Entwicklung von Mesut Özil verläuft sehr positiv, er ist auf dem Weg, einer der weltbesten Spieler zu werden.

DFB.de: Eine letzte Frage bleibt: Stimmt es, dass Sie mit dem Papst verwandt sind?

Breitner: Der Papst und meine Mutter haben den gleichen Großvater.

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Er steht auf der "FIFA 100", der Liste der besten lebenden Fußballer. Mit der spielerisch besten deutschen Nationalmannschaft wurde er 1972 Europameister, zwei Jahre später Weltmeister im eigenen Land. Kein anderer deutscher Spieler hat zuvor oder danach in zwei WM-Endspielen einen Treffer erzielt, so wie es Breitner 1974 und 1982 gelang.

Der heute 59-Jährige war der Prototyp des modernen Verteidigers, später formte er sich um zu einem Weltklasse-Spielgestalter im Mittelfeld von Madrid und München. Unbequem und unkonventionell war er, manchen galt er als "Revoluzzer". Keine Frage, Paul Breitner hat deutsche Fußball-Geschichte und Geschichten geschrieben.

Eine davon dreht sich um seinen Wechsel von Real Madrid zu Eintracht Braunschweig im Frühjahr 1977. Am 1. August (ab 20.30 Uhr, live in der ARD und bei Sky) muss sein FC Bayern, für den er wieder als Chefscout tätig ist, in der ersten Pokalrunde bei Zweitliga-Tabellenführer Braunschweig antreten. Was Paul Breitner nicht unbedingt den Nachtschlaf raubt, wie er im Interview mit DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Thomas Hackbarth berichtet.

DFB.de: Herr Breitner, 1977 schockten sie die Fußballinteressierten hierzulande. Sie waren Welt- und Europameister, Deutscher und Spanischer Meister. Sie hatten mit Bayern München 1974 den Europapokal der Landesmeister gewonnen. Da wechselt man als Fußballprofi nicht zwingend nach Niedersachsen. Bitte erzählen Sie ein letztes Mal, wie es zu diesem sensationellen Wechsel kam!

Paul Breitner: Sensationell ist ein nettes Wort, viele haben damals von hirnrissig gesprochen. Nach drei erfolgreichen Jahren bei Real Madrid hatte ich mich entschieden, den Klub zu verlassen. Ich fühlte mich zu jung, um für immer bei Real zu bleiben. Angebote aus Südamerika, Paris und Marseille sowie von Cosmos New York gingen ein, doch meine Frau war dagegen. Unsere Töchter standen vor der Einschulung, wir wollten zurück nach Deutschland. Das erfuhr auch der FC Bayern und machte mir im Frühjahr '77 ein Angebot. Diese Rückkehr nach München als „verlorener Sohn“ aber, das wollte ich einfach nicht. Mit dem Hamburger SV waren wir schon unterschriftsreif, bis der damalige HSV-Manager Dr. Peter Krohn mich bat, noch ein paar Wochen zu warten. Die Meldung von meinem Wechsel wolle man lieber etwas später rausgeben.

DFB.de: Davon hörte der Chef des Hauses Jägermeister und millionenschwere Sponsor von Eintracht Braunschweig, Günter Mast.

Breitner: Genau, Günter Mast rief an und fragte mich, ob ich denn auch nach Braunschweig kommen würde. Bayern ging für mich nicht, die Situation mit dem HSV wurde mir zu unsicher. Ich telefonierte also mit Mast, das Gespräch dauerte keine zwei Minuten, dann zwei Tage später noch mal, wieder für zwei oder drei Minuten. Wir waren uns schnell einig. Mast flog sofort persönlich nach Madrid und brachte den Transfer über die Bühne.

DFB.de: Also doch nicht hirnrissig, sondern ein durchaus sinnvoller Wechsel?

Breitner: Geschäftlich und familiär war das für mich ein logischer Schritt.

DFB.de: Wie schwierig war diese eine Saison in Braunschweig?

Breitner: Nach drei Jahren in Madrid betrat ich eine ganz andere Welt. Es gab Neid und Missgunst in der Mannschaft, mindestens bei der Hälfte der Spieler. Von Anfang an wurde ich nicht angespielt, der Ball ging immer wieder zum schlechter postierten Mann. Nach vier Wochen habe ich erst die Mannschaft zur Rede gestellt, dann bin ich auch zu Günter Mast gegangen. Alle verständigten sich darauf, dass wir es weiter versuchen wollen. Doch auf dem Platz blieb alles wie gehabt. Für mich stand fest, dass ich mich nicht kaputtmachen lasse.

DFB.de: Wie reagierte Mast?

Breitner: Er hat meine Entscheidung verstanden, auch wenn es ihm leid tat. Er ist ja im diesem Frühjahr verstorben. Uns verband über die Jahre ein freundschaftliches Verhältnis, Günter Mast hat mich ein paar Mal auf seine Jagd in Lenggries eingeladen, und bis zum vergangenen Herbst haben wir uns immer wieder getroffen.

DFB.de: Trotz der angespannten Stimmung im Team haben Sie in der Saison 1977/1978 zehn Tore für Eintracht Braunschweig geschossen.

Breitner: Von fünf möglichen Bällen habe ich nur einen bekommen. Dafür war das eine sehr gute Bilanz. Dennoch, bis heute spüre ich in Braunschweig, dass die Fußballfans mir den Weggang nicht übel genommen haben, weil ich bis zur letzten Sekunde des letzten Spiels versucht habe, das maximal Mögliche zu geben.

DFB.de: War es denn ein verlorenes Jahr?

Breitner: Nein, so würde ich das nicht sehen. In der Summe war es eher unbefriedigend, aber auch dabei gab es positive Momente. Einige Freundschaften sind damals entstanden, etwa mit Dietmar Erler und Dieter Zembski. Mit Danilo Popivoda, zurecht bis heute einer der beliebtesten Spieler in Braunschweig, habe ich damals in der Saison bei Auswärtsspielen das Zimmer geteilt. Nach wie vor bin ich oft und immer wieder gerne in Braunschweig.

DFB.de: Zittern in der ersten Pokalrunde - das hat Geschichte beim FC Bayern München. 2009 gab es ein 2:1 gegen Spvgg Neckarelz, 2007 bewahrte Oliver Kahn die Bayern im Elfmeterschießen vor dem Ausscheiden gegen Wacker Burghausen. Wie eng wird es diesmal in Braunschweig?

Breitner: Wenn ein Großer stolpert, wird den Leuten oft verkauft, der Bundesligaklub habe den unterklassigen Gegner unterschätzt. Die sind ausgeschieden, weil sie zu überheblich waren, heißt es dann. In 99 von 100 Fällen ist das Blödsinn. Die Angst vor der Blamage ist viel häufiger die Ursache für Favoritenstürze. Diese Furcht vor dem Scheitern führt dazu, dass man den Underdog überschätzt. Nicht das Unterschätzen, das Überschätzen ist das Problem.

DFB.de: Also, Braunschweig gegen Bayern?

Breitner: Wir werden in Braunschweig gewinnen. Alles andere ist unrealistisch.

DFB.de: Beobachten Sie als Chefscout vorher mal die Braunschweiger?

Breitner: Nein, wozu? Mein damaliger Trainer in Madrid, Miljan Miljanic, hielt immer kurze Ansprachen. Der sagte zu uns: „Ihr kennt doch eure Gegenspieler ganz genau. Was soll ich euch denn groß sagen?“ Ich muss nicht wissen, mit wem der rechte Verteidiger verheiratet ist oder wo er in den letzten zehn Jahren unter Vertrag stand. Es kommt nur auf eins an: Ich muss meine eigene Stärke demonstrieren. Wenn wir das in Braunschweig tun, bekommen wir keine Probleme.

DFB.de: Manuel Neuer im Tor, Rafinha und Jerome Boateng in der Abwehr, der neue Trainer Heynckes - es gab einige Veränderungen in München. Braunschweig wird für die neue Formation des FC Bayern der erste Test unter Feuer sein.

Breitner: Das würde ich nicht überbewerten. Die ersten Spiele, in der Bundesliga oder im Pokal, sind ein Schaulaufen für die Neuen im Team. Das wird für unsere Mannschaft und Jupp Heynckes auch in Braunschweig so sein.

DFB.de: Als Kolumnist haben Sie den DFB und auch die Nationalmannschaft kritisiert, manchmal auch durchaus sehr hart. Das fand in Frankfurt nicht immer zustimmenden Applaus. Haben Sie das je bereut?

Breitner: Kritisieren ist ein Form des Abwägens. Ich bin kein Schönredner. Ich verlange von jedem Spieler sehr viel, von einem Nationalspieler kann man Außergewöhnliches erwarten.

DFB.de: Dennoch, Ihre Beziehung mit dem DFB war nicht immer frei von Störungen.

Breitner: Ich konnte und wollte nicht vor jedem einen Hofknicks machen. Diese Einstellung hatte ich schon als ganz junger Spieler, damit bin ich natürlich angeeckt. Als ich Ende der 60er-Jahre erstmals für die Junioren-Nationalmannschaft nominiert wurde, da wurden die Abläufe doch mehr nach den Bedürfnissen der begleitenden Delegation gestaltet. Die jungen Nationalspieler standen eher in der zweiten Reihe. Dazu kam, dass damals ein ganz anderer Ton gegenüber Junioren angeschlagen wurde. Bis ich irgendwann sagte: "Hoppla, jetzt mal Stopp, so geht das nicht!"

DFB.de: Mit welcher Konsequenz?

Breitner: Dass manche Funktionäre ein sehr einseitiges Bild von mir hatten. Ich war für viele der komische Heini, ein Wahnsinniger. Aber meine Eltern haben mich so erzogen, ich durfte und sollte alles hinterfragen. Diesen Weg bin auch beim FC Bayern gegangen. Auch dort reagierten manche schockiert.

DFB.de: Sie lasen Schriften von Mao Tse Tung, sie trugen diesen gewaltigen Afro-Look.

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Breitner: Als 19-Jähriger habe ich darauf bestanden, gesiezt zu werden. Ich war nicht der Trottel oder nur ein Befehlsempfänger. Eine Fußballmannschaft ist kein Militärregiment. Der damalige Bundestrainer Helmut Schön hielt immer zu mir, der gab mir viel Rückhalt und begegnete mir mit Verständnis. Das war in der Nationalmannschaft sehr wichtig für mich.

DFB.de: Haben sich die Verhältnisse inzwischen geändert?

Breitner: Ganz grundlegend. Die Spieler stehen heute im Mittelpunkt, bei den Klubs und in den Nationalmannschaften. Und auch mein Verhältnis zum DFB hat sich grundlegend geändert. Es ist seit vielen, vielen Jahren ein angenehmes Miteinander.

DFB.de: Wie sehen Sie die Nationalmannschaft heute?

Breitner: Für mich ist sie der große Favorit für die WM 2014. Wir haben erfolgreich Lehren aus den Jahren 1998 bis 2004 gezogen. Mittlerweile bilden wir unsere Kinder wieder darin aus, Fußball zu spielen und nicht nur Fußball zu arbeiten. Zusammen mit den Spaniern hat Deutschland die beste junge Generation im Weltfußball. Gerade die Entwicklung von Mesut Özil verläuft sehr positiv, er ist auf dem Weg, einer der weltbesten Spieler zu werden.

DFB.de: Eine letzte Frage bleibt: Stimmt es, dass Sie mit dem Papst verwandt sind?

Breitner: Der Papst und meine Mutter haben den gleichen Großvater.