Nürnberg vs. Schalke: Das erste Pokalfinale

Als das Spiel angepfiffen wurde, standen noch Tausende im Schneesturm vor dem Stadion. Sie wussten, dass es keine Karten mehr gab und dass sie vom ersten DFB-Pokalfinale rein gar nichts sehen würden. Aber sie blieben doch, um wenigstens zu erahnen, was sich da auf dem Feld ereignen würde und um im günstigsten Falle gleich an Ort und Stelle mitfeiern zu können. Es war ja schließlich eine historische Stunde für Deutschlands Fußball: Am 8. Dezember 1935 wurde im Düsseldorfer Rheinstadion im Duell der damals besten deutschen Mannschaften zwischen dem 1. FC Nürnberg und Meister Schalke 04 zum ersten Mal überhaupt der DFB-Pokal vergeben. Der damals übrigens noch anders aussah und anders hieß.

Man spielte offiziell um die DFB-Vereinspokalmeisterschaft und das Objekt der Begierde ähnelte einer antiken Blumenvase. Der neue Wettbewerb wurde im Volksmund bis zur letzten Ausspielung in der NS-Zeit jedoch "Tschammer-Pokal" genannt – nach seinem Erfinder, dem Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten. Der sah die Stunde gekommen, den Engländern Konkurrenz zu machen: "Das Cup-Final im Wembley-Stadion ist alljährlich der größte Tag für die englischen Fußballer. Neben der Viktoria wird es nun auch für die deutschen Vereine eine zweite Trophäe geben, die eines sehr nahen Tages an Bedeutung den Kämpfen um die Deutsche Meisterschaft ebenbürtig sein wird."

Die Arbeit überließ er jedoch dem Bundessportwart Dr. Josef Glaser aus Freiburg, der vor dem ersten Weltkrieg zu fünf Länderspielen gekommen war. Dr. Glaser oblag die Ansetzung der Partien, denn gelost wurde bei der Uraufführung des DFB-Pokals noch nicht. Mit Rücksicht auf die leeren Kassen der Klubs in schwieriger Zeit – das Hitler-Deutschland der ersten Jahre war ein sehr devisenarmes Land – wurden den Vereinen nur kurze Reisen zugemutet.

Die Fußball Woche hatte am 7. August 1935 vor der 1. Runde prophezeit: "Jetzt endlich wird allerseits, auch von den Zuschauern, begriffen werden, welche hochinteressanten Möglichkeiten diese neu eingerichtete Konkurrenz bietet."

"Das denkbar volkstümlichste Finale"

Denn nun konnten auch Anhänger kleinerer Klubs, die nie um die Deutsche Meisterschaft spielten, mit etwas Glück die Großen ihrer Zeit sehen. Aber als der 1. FC Nürnberg dann im Oktober in Chemnitz auftauchte, kamen doch nur 4000 Zuschauer. Mancherorts mag das Wetter auch eine Rolle gespielt haben, die Endrunde wurde zwischen 1. September und 8. Dezember ausgespielt. Vieles war eben noch anders anno 1935. Eines nicht – die Faszination der Traditionsklubs. Die Fußball Woche schrieb: "So kam das denkbar volkstümlichste Finale zustande."

Wenn Schalke 04 und der 1. FC Nürnberg in jenen Jahren aufeinandertrafen, hätte es auch um die Goldene Ananas gehen können – das Stadion wäre auf alle Fälle voll gewesen. So wie an jenem kalten Dezember-Sonntag in Düsseldorf. Das Finale wurde kurzfristig noch um eine Woche verschoben. Eigentlich hätte die Premiere am 1. Dezember stattfinden sollen, doch dann hatten sich Terminschwierigkeiten ergeben. So spielte man eben noch ein wenig tiefer im deutschen Winter und der erste Pokalsieger wurde deshalb auf Schnee gekürt.

Das Finale 1935 stand übrigens im Zeichen der Revanche. Im legendären Finale um die Meisterschaft 1934 hatte Schalke dem Club den Sieg noch in den drei letzten Minuten entrissen, Fritz Szepan und Ernst Kurozza mehrten ihren Ruhm mit Toren in der 88. und 89. Minute.

Im Sommer 1935 hatte Schalke seinen Meistertitel verteidigt und so stellte sich die Favoritenfrage nicht: Königsblau war mit 29:6 Toren durch den Wettbewerb marschiert und verzeichnete gemeinsam mit dem Club (8:0 gegen Ulm) auch das Rekordergebnis (8:0 gegen SV Kassel) des ersten DFB-Pokalwettbewerbs.

Wie in diesem Jahr: Schalke in der Favoritenrolle

Als die Nürnberger am Morgen des Finales in ihrem Quartier die Sonntagszeitungen lesen, springen ihnen ausnahmslos negative Prognosen entgegen. Die Expertenschar setzt auf Schalke, das in Düsseldorf zudem ein Heimspiel zu haben scheint. Das Häuflein Nürnberger Anhänger kommt sich in der Tat etwas verloren vor im Rheinstadion, das die Interessenten nicht alle fassen kann. 1000 Karten werden noch eiligst nachgedruckt und der Anpfiff wird um zehn Minuten verschoben, bis endlich jeder Karteninhaber auch seinen Platz eingenommen hat.

Das Warten wird zunächst nicht belohnt, die 56.000 Zuschauer sehen ein schwaches Spiel; die Akteure leiden unter dem heftigen Schneesturm, der sich erst nach einer halben Stunde legt. Es ist so ungemütlich, dass sogar der harte Schalker Otto Tibulski Socken trägt, normal zieht er es vor, barfuß in die Schuhe zu schlüpfen. Nürnbergs Gußner hat schon in der dritten Minute den Führungstreffer auf dem Fuß, er verzieht jedoch aus drei Metern. Die Schalker dagegen spielen im Schneeregen schwach, nichts zu sehen vom berühmten Schalker Kreisel, dem flüssigen Kombinationswirbel. Nürnbergs Abel Uebelein wird zum entscheidenden Mann, er klaut Ernst Kuzorra viele Bälle. Zur Pause steht es 0:0, was für den Favoriten beinahe schmeichelhaft ist. Es kommt noch schlimmer.

Kaum pfeift der Berliner Schiedsrichter Alfred Birlem wieder an – die Pause wird verkürzt, da man die einbrechende Dunkelheit fürchtet und es noch kein Flutlicht gibt – nimmt die Überraschung ihren Lauf.



Als das Spiel angepfiffen wurde, standen noch Tausende im Schneesturm vor dem Stadion. Sie wussten, dass es keine Karten mehr gab und dass sie vom ersten DFB-Pokalfinale rein gar nichts sehen würden. Aber sie blieben doch, um wenigstens zu erahnen, was sich da auf dem Feld ereignen würde und um im günstigsten Falle gleich an Ort und Stelle mitfeiern zu können. Es war ja schließlich eine historische Stunde für Deutschlands Fußball: Am 8. Dezember 1935 wurde im Düsseldorfer Rheinstadion im Duell der damals besten deutschen Mannschaften zwischen dem 1. FC Nürnberg und Meister Schalke 04 zum ersten Mal überhaupt der DFB-Pokal vergeben. Der damals übrigens noch anders aussah und anders hieß.

Man spielte offiziell um die DFB-Vereinspokalmeisterschaft und das Objekt der Begierde ähnelte einer antiken Blumenvase. Der neue Wettbewerb wurde im Volksmund bis zur letzten Ausspielung in der NS-Zeit jedoch "Tschammer-Pokal" genannt – nach seinem Erfinder, dem Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten. Der sah die Stunde gekommen, den Engländern Konkurrenz zu machen: "Das Cup-Final im Wembley-Stadion ist alljährlich der größte Tag für die englischen Fußballer. Neben der Viktoria wird es nun auch für die deutschen Vereine eine zweite Trophäe geben, die eines sehr nahen Tages an Bedeutung den Kämpfen um die Deutsche Meisterschaft ebenbürtig sein wird."

Die Arbeit überließ er jedoch dem Bundessportwart Dr. Josef Glaser aus Freiburg, der vor dem ersten Weltkrieg zu fünf Länderspielen gekommen war. Dr. Glaser oblag die Ansetzung der Partien, denn gelost wurde bei der Uraufführung des DFB-Pokals noch nicht. Mit Rücksicht auf die leeren Kassen der Klubs in schwieriger Zeit – das Hitler-Deutschland der ersten Jahre war ein sehr devisenarmes Land – wurden den Vereinen nur kurze Reisen zugemutet.

Die Fußball Woche hatte am 7. August 1935 vor der 1. Runde prophezeit: "Jetzt endlich wird allerseits, auch von den Zuschauern, begriffen werden, welche hochinteressanten Möglichkeiten diese neu eingerichtete Konkurrenz bietet."

"Das denkbar volkstümlichste Finale"

Denn nun konnten auch Anhänger kleinerer Klubs, die nie um die Deutsche Meisterschaft spielten, mit etwas Glück die Großen ihrer Zeit sehen. Aber als der 1. FC Nürnberg dann im Oktober in Chemnitz auftauchte, kamen doch nur 4000 Zuschauer. Mancherorts mag das Wetter auch eine Rolle gespielt haben, die Endrunde wurde zwischen 1. September und 8. Dezember ausgespielt. Vieles war eben noch anders anno 1935. Eines nicht – die Faszination der Traditionsklubs. Die Fußball Woche schrieb: "So kam das denkbar volkstümlichste Finale zustande."

Wenn Schalke 04 und der 1. FC Nürnberg in jenen Jahren aufeinandertrafen, hätte es auch um die Goldene Ananas gehen können – das Stadion wäre auf alle Fälle voll gewesen. So wie an jenem kalten Dezember-Sonntag in Düsseldorf. Das Finale wurde kurzfristig noch um eine Woche verschoben. Eigentlich hätte die Premiere am 1. Dezember stattfinden sollen, doch dann hatten sich Terminschwierigkeiten ergeben. So spielte man eben noch ein wenig tiefer im deutschen Winter und der erste Pokalsieger wurde deshalb auf Schnee gekürt.

Das Finale 1935 stand übrigens im Zeichen der Revanche. Im legendären Finale um die Meisterschaft 1934 hatte Schalke dem Club den Sieg noch in den drei letzten Minuten entrissen, Fritz Szepan und Ernst Kurozza mehrten ihren Ruhm mit Toren in der 88. und 89. Minute.

Im Sommer 1935 hatte Schalke seinen Meistertitel verteidigt und so stellte sich die Favoritenfrage nicht: Königsblau war mit 29:6 Toren durch den Wettbewerb marschiert und verzeichnete gemeinsam mit dem Club (8:0 gegen Ulm) auch das Rekordergebnis (8:0 gegen SV Kassel) des ersten DFB-Pokalwettbewerbs.

Wie in diesem Jahr: Schalke in der Favoritenrolle

Als die Nürnberger am Morgen des Finales in ihrem Quartier die Sonntagszeitungen lesen, springen ihnen ausnahmslos negative Prognosen entgegen. Die Expertenschar setzt auf Schalke, das in Düsseldorf zudem ein Heimspiel zu haben scheint. Das Häuflein Nürnberger Anhänger kommt sich in der Tat etwas verloren vor im Rheinstadion, das die Interessenten nicht alle fassen kann. 1000 Karten werden noch eiligst nachgedruckt und der Anpfiff wird um zehn Minuten verschoben, bis endlich jeder Karteninhaber auch seinen Platz eingenommen hat.

Das Warten wird zunächst nicht belohnt, die 56.000 Zuschauer sehen ein schwaches Spiel; die Akteure leiden unter dem heftigen Schneesturm, der sich erst nach einer halben Stunde legt. Es ist so ungemütlich, dass sogar der harte Schalker Otto Tibulski Socken trägt, normal zieht er es vor, barfuß in die Schuhe zu schlüpfen. Nürnbergs Gußner hat schon in der dritten Minute den Führungstreffer auf dem Fuß, er verzieht jedoch aus drei Metern. Die Schalker dagegen spielen im Schneeregen schwach, nichts zu sehen vom berühmten Schalker Kreisel, dem flüssigen Kombinationswirbel. Nürnbergs Abel Uebelein wird zum entscheidenden Mann, er klaut Ernst Kuzorra viele Bälle. Zur Pause steht es 0:0, was für den Favoriten beinahe schmeichelhaft ist. Es kommt noch schlimmer.

Kaum pfeift der Berliner Schiedsrichter Alfred Birlem wieder an – die Pause wird verkürzt, da man die einbrechende Dunkelheit fürchtet und es noch kein Flutlicht gibt – nimmt die Überraschung ihren Lauf.

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Geheimnisvoller Führungstreffer

Schon in der 46. Minute kommt Nürnberg nämlich zum 1:0, über den Torschützen wird noch lange gestritten. Max Eiberger berührt einen Schuss von Georg Friedel, der nach dem Spiel auflöst: "Der Muckl hat ihn reingemacht, ich hab nur mitgeholfen." So führt der Club Max Eiberger in seiner Chronik als Torschütze, in anderen Quellen wie dem kicker aber ist Georg Friedel der erste DFB-Pokalfinal-Torschütze. Es ist eben die Zeit, als der Fußball noch ein paar Geheimnisse hat.

Wie dem auch sei, Friedel geht ohnehin nicht leer aus an diesem Tag, denn als Schalke-Keeper Mellange in der 85. Minute einen Gußner-Schuss aus 30 Metern prallen lässt, schlägt er wieder zu. Zitat aus der Club-Chronik (Der Club – 100 Jahre Fußball): "Friedel, der Schalke-Schreck, ist zur Stelle. Aus vier Metern knallt er das Leder ins Netz. 2:0; der Club ist der erste Deutsche Pokalsieger."

Auch weil die wütenden Schalker in den restlichen Minuten noch drei Großchancen vergeben und an Torwart Georg Köhl, den sie den "Hauptmann" nennen, scheitern. Er spielt mit einer damals üblichen Schiebermütze und im Schneegestöber leistet sie ihm gute Dienste. Dann ist Schluss und Ernst Kuzorra gratuliert den Siegern als Erster, ehe schon von Tschammer aufs Feld eilt und dem Club den Pokal übergibt. Ohne Triumphmusik vom Lautsprecher, ohne Konfettiregen und Weißbierduschen – und doch ist die Freude nicht geringer, als wenn in heutiger Zeit in Berlin der Pokalsieger gekürt wird. Club-Trainer Richard Michalke sucht noch vor der Siegesfeier die nächste Post und telegraphiert seinem fünf Monate zuvor abgelösten Vorgänger Alfred Schaffer: "Lieber Alfred, das war dein Sieg!".

"Schalke adé, scheiden tut weh"

Die Nacht wird lang auf dem Bankett der Sieger und als der Morgen graut und die ersten Sonderzüge gen Nürnberg starten wollen, ereignet sich eine rührende Szene. Wir lesen in der Club-Chronik über die siegreiche Mannschaft: "Sie brechen mitten in der Siegesfeier im Hotel auf und fahren zum Bahnhof. Dort singen sie zusammen mit ihren Anhängern zwanzig Minuten lang Lieder wie 'Schalke adé, scheiden tut weh' oder 'Von deinem Kreiselspiel sahen wir gar nicht viel, drum sind jetzt Sieger wir, nicht Schalke null-vier.' Es wird gesungen und getanzt, die Stimmung ist ausgelassen."

Dass der Club-Sieg verdient ist, bezweifelt niemand. Der kicker analysiert: "Das erste Endspiel um den deutschen Vereinspokal wurde zu einem denkwürdigen Ereignis. Die beiden besten deutschen Mannschaften haben sich einen grandiosen, fesselnden Kampf geliefert. Die an diesem Tag bessere Mannschaft hat den verdienten Sieg errungen."

Die Fußball Woche tröstet die Verlierer: "Und darum, all ihr Schalke-Schwärmer, verlasst euren Meister nicht – denn verlasst euch drauf, er wird wiederkommen!"

Prophetische Worte: Schalke 04 bestreitet auch die beiden kommenden Pokalfinals, gewinnt den Cup aber erst im dritten Anlauf.

Die Aufstellungen im ersten DFB-Pokal-Finale:

Nürnberg: Köhl – Billmann, Munkert – Uebelein I, Carolin, Oehm – Gußner, Eiberger, Friedel, Schmitt, Spieß

Schalke: Mellange – Bornemann, Schweißfurth – Gellesch, Tibulski, Nattkämper – Kalwitzki, Szepan, Pörtgen, Kuzorra, Urban.