Norbert Dickel: "Jeder kennt ihn, den Held von Berlin"

Wenn Norbert Dickel am Samstag zum Mikrofon greifen wird, ist nicht so ganz sicher, was er sagen wird. Wenn der "Held von Berlin", wie die Fans von Borussia Dortmund ihren Stadionsprecher nennen, spricht, dann meistens über das, was er empfindet. Er wird sich umschauen, er wird die Stimmung im Stadion aufsaugen, um dann selbst seine eigenen Emotionen auszudrücken. Oder hat sich diesmal doch etwas zurechtgelegt? "Ich werde sachlich, objektiv und analytisch sein. Genau, wie ihr mich kennt", sagt Dickel, macht eine Pause, schaut dem Gegenüber in die Augen – und lacht laut los, als er dessen Verwirrung bemerkt: "Nein, nein, keine Sorge. Ich werde so sein wie immer."

Dickel, mittlerweile 55, kann vieles, aber eines nicht: mit angezogener Handbremse agieren. Und in Berlin dürfte dies erst recht nicht gelingen. Das Olympiastadion ist für ihn ein besonderer Ort. Mit einer ganz besonderen Erinnerung. "Mein erster Blick wird zu der Treppe gehen, über ich damals zur Pokalübergabe hochgegangen bin", sagt Dickel. Die Erinnerungen sind noch ganz frisch – an den 24. Juni 1989, den Tag, an dem sein Leben eine entscheidende Wendung genommen hatte: als er fit gespritzt und unter Schmerzen seine Karriere für den BVB geopfert hatte. Mit zwei Toren beim 4:1-Finalsieg über Werder Bremen erarbeitete er sich einen Ehrentitel, der in Dortmund noch immer gebräuchlich ist. "Dickel, Dickel – jeder kennt ihn, den Held von Berlin", singen die Fans zur Melodie der alten Fernsehserie "Flipper", bevor er lautstark die Mannschaftsaufstellung zelebriert.

Spiel seines Lebens

"Wenn es dieses Spiel damals nicht gegeben hätte, würden wir heute nicht reden", sagt Dickel, der sicher ist, dass vieles von dem, was sich in den zurückliegenden 28 Jahren ereignet hat, anders verlaufen wäre. Dabei wäre es zu dem Spiel seines Lebens fast überhaupt nicht gekommen. Sechs Wochen vor dem Finale hatte er sich eine Knieverletzung zugezogen. "Eine Katastrophe" erinnert er sich. Es wurde zwar alles versucht, um das Knie wieder hinzubekommen, aber die Zeit lief davon. Erst kurz vor dem Endspiel konnte er wieder trainieren.

Ob es für einen Einsatz reichte? "Ich war skeptisch, aber Nobby wollte unbedingt spielen", sagt Horst Köppel, damals BVB-Trainer. Also wurde Dickel mit nach Berlin genommen. Auf dem Weg gab es einen Vorgeschmack auf das, was die Borussen atmosphärisch erwartete: Aus den Autos auf der Transitstrecke durch die damalige DDR flatterten schwarz-gelbe Schals und Fahnen. "Es war unglaublich, was damals los war. Da waren mehr als 40.000 Borussen", sagt Dickel. "Die großen aufblasbaren Bananen waren damals der Renner." Alles schien für einen großen Fußballtag bereitet.

Doch am Vorabend der Partie spielte sich im BVB-Mannschaftshotel ein Drama ab. Dickels Knie fing an zu schmerzen, schwoll an und musste punktiert werden. Er bekam Zweifel, ob er der Mannschaft überhaupt würde helfen können. Doch er spielte. Zunächst sah es danach aus, als sei Dickels Aufstellung ein Fehler gewesen. Das Spiel lief an dem Mittelstürmer komplett vorbei. Werder Bremen ging in Führung. "Dann aber habe ich in der 21. Minute wie aus dem Nichts den Ausgleich erzielt", sagt Dickel. Das Foto, das ihn mit ausgebreiteten Armen beim Jubel zeigt, hängt heute in Dickels Büro in der Geschäftsstelle. Dieses Tor war die Initialzündung: Die Dortmunder, die als Außenseiter in die Partie gegangen waren, glaubten an die Sensation. Dickel erzielte auch noch das 3:1. Der BVB holte den Pokal.

Gigantischer Empfang

An all das, was nach dem Schlusspfiff passierte, kann sich Dickel nur noch schemenhaft erinnern: an ein völlig überlaufenes Bankett und den Rückflug nach Dortmund am Tag danach. "Kurz vor der Landung sagte der Kapitän über Lautsprecher, dass wir uns auf einen gigantischen Empfang gefasst machen sollten", sagt Dickel. "Für den Weg vom Flughafen bis zum Rathaus haben wir mehr als vier Stunden gebraucht." Irgendwo unterwegs haben die Fans zum ersten Mal den "Held von Berlin" besungen.

Dickel musste für seine Tore einen hohen Preis bezahlen. Das Knie verkraftete die Belastung nicht. In der nächsten Saison konnte er nur noch sechs Spiele bestreiten. Er wurde Sportinvalide. "Das war eine harte Zeit", sagt er. Dickel musste sich vom Fußball abnabeln. Erst drei Jahre später war er wieder in seinem Element: Er kehrte als Stadionsprecher zum BVB zurück. Später wurde er Eventmanager, noch später Reporter für das BVB-Netradio. Ob sich das große Opfer, das er damals gebracht hatte, gelohnt hat? "Was für eine Frage", sagt Dickel. Seine Antwort steht übrigens seit Jahren schon in schwarz auf gelb an einer Tribünenwand in Dortmund: "Ich würde es wieder tun!"

[om]

Wenn Norbert Dickel am Samstag zum Mikrofon greifen wird, ist nicht so ganz sicher, was er sagen wird. Wenn der "Held von Berlin", wie die Fans von Borussia Dortmund ihren Stadionsprecher nennen, spricht, dann meistens über das, was er empfindet. Er wird sich umschauen, er wird die Stimmung im Stadion aufsaugen, um dann selbst seine eigenen Emotionen auszudrücken. Oder hat sich diesmal doch etwas zurechtgelegt? "Ich werde sachlich, objektiv und analytisch sein. Genau, wie ihr mich kennt", sagt Dickel, macht eine Pause, schaut dem Gegenüber in die Augen – und lacht laut los, als er dessen Verwirrung bemerkt: "Nein, nein, keine Sorge. Ich werde so sein wie immer."

Dickel, mittlerweile 55, kann vieles, aber eines nicht: mit angezogener Handbremse agieren. Und in Berlin dürfte dies erst recht nicht gelingen. Das Olympiastadion ist für ihn ein besonderer Ort. Mit einer ganz besonderen Erinnerung. "Mein erster Blick wird zu der Treppe gehen, über ich damals zur Pokalübergabe hochgegangen bin", sagt Dickel. Die Erinnerungen sind noch ganz frisch – an den 24. Juni 1989, den Tag, an dem sein Leben eine entscheidende Wendung genommen hatte: als er fit gespritzt und unter Schmerzen seine Karriere für den BVB geopfert hatte. Mit zwei Toren beim 4:1-Finalsieg über Werder Bremen erarbeitete er sich einen Ehrentitel, der in Dortmund noch immer gebräuchlich ist. "Dickel, Dickel – jeder kennt ihn, den Held von Berlin", singen die Fans zur Melodie der alten Fernsehserie "Flipper", bevor er lautstark die Mannschaftsaufstellung zelebriert.

Spiel seines Lebens

"Wenn es dieses Spiel damals nicht gegeben hätte, würden wir heute nicht reden", sagt Dickel, der sicher ist, dass vieles von dem, was sich in den zurückliegenden 28 Jahren ereignet hat, anders verlaufen wäre. Dabei wäre es zu dem Spiel seines Lebens fast überhaupt nicht gekommen. Sechs Wochen vor dem Finale hatte er sich eine Knieverletzung zugezogen. "Eine Katastrophe" erinnert er sich. Es wurde zwar alles versucht, um das Knie wieder hinzubekommen, aber die Zeit lief davon. Erst kurz vor dem Endspiel konnte er wieder trainieren.

Ob es für einen Einsatz reichte? "Ich war skeptisch, aber Nobby wollte unbedingt spielen", sagt Horst Köppel, damals BVB-Trainer. Also wurde Dickel mit nach Berlin genommen. Auf dem Weg gab es einen Vorgeschmack auf das, was die Borussen atmosphärisch erwartete: Aus den Autos auf der Transitstrecke durch die damalige DDR flatterten schwarz-gelbe Schals und Fahnen. "Es war unglaublich, was damals los war. Da waren mehr als 40.000 Borussen", sagt Dickel. "Die großen aufblasbaren Bananen waren damals der Renner." Alles schien für einen großen Fußballtag bereitet.

Doch am Vorabend der Partie spielte sich im BVB-Mannschaftshotel ein Drama ab. Dickels Knie fing an zu schmerzen, schwoll an und musste punktiert werden. Er bekam Zweifel, ob er der Mannschaft überhaupt würde helfen können. Doch er spielte. Zunächst sah es danach aus, als sei Dickels Aufstellung ein Fehler gewesen. Das Spiel lief an dem Mittelstürmer komplett vorbei. Werder Bremen ging in Führung. "Dann aber habe ich in der 21. Minute wie aus dem Nichts den Ausgleich erzielt", sagt Dickel. Das Foto, das ihn mit ausgebreiteten Armen beim Jubel zeigt, hängt heute in Dickels Büro in der Geschäftsstelle. Dieses Tor war die Initialzündung: Die Dortmunder, die als Außenseiter in die Partie gegangen waren, glaubten an die Sensation. Dickel erzielte auch noch das 3:1. Der BVB holte den Pokal.

Gigantischer Empfang

An all das, was nach dem Schlusspfiff passierte, kann sich Dickel nur noch schemenhaft erinnern: an ein völlig überlaufenes Bankett und den Rückflug nach Dortmund am Tag danach. "Kurz vor der Landung sagte der Kapitän über Lautsprecher, dass wir uns auf einen gigantischen Empfang gefasst machen sollten", sagt Dickel. "Für den Weg vom Flughafen bis zum Rathaus haben wir mehr als vier Stunden gebraucht." Irgendwo unterwegs haben die Fans zum ersten Mal den "Held von Berlin" besungen.

Dickel musste für seine Tore einen hohen Preis bezahlen. Das Knie verkraftete die Belastung nicht. In der nächsten Saison konnte er nur noch sechs Spiele bestreiten. Er wurde Sportinvalide. "Das war eine harte Zeit", sagt er. Dickel musste sich vom Fußball abnabeln. Erst drei Jahre später war er wieder in seinem Element: Er kehrte als Stadionsprecher zum BVB zurück. Später wurde er Eventmanager, noch später Reporter für das BVB-Netradio. Ob sich das große Opfer, das er damals gebracht hatte, gelohnt hat? "Was für eine Frage", sagt Dickel. Seine Antwort steht übrigens seit Jahren schon in schwarz auf gelb an einer Tribünenwand in Dortmund: "Ich würde es wieder tun!"

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