Marco Russ: Er hat schon gewonnen

Vor einem Jahr hebt eine ärztliche Diagnose die Welt des Marco Russ aus den Angeln: Krebs! Operation und Chemotherapie folgen. Ende Februar 2017 wird der 31-Jährige beim DFB-Pokalspiel der Eintracht gegen Arminia Bielefeld kurz vor Schluss eingewechselt. Die Zuschauer erheben sich, einige haben Tränen in den Augen. Russ ist zurück, geheilt, lebensfroh. Und heute zum zweiten Mal im Finale.

Natürlich hat sich Marco Russ auch elf Meter vor dem Tor nicht gedrückt. Er war der fünfte Schütze, er musste treffen, Gladbach hatte vorgelegt im Halbfinale, es ging um den Einzug ins Endspiel in Berlin. Auf ihn kam es jetzt an, auf ihn, den Mann mit der Vergangenheit, verschießt er, ist Eintracht Frankfurt aus dem Rennen. Marco Russ (31) hat sich der Verantwortung gestellt, er hat den Ball flach ins Tor geschoben, rechts unten, dann hat er kurz die Augen geschlossen und in den nachtschwarzen Himmel geblickt. Vielleicht hat er jemandem gedankt, vielleicht hat er da an den Moment gedacht, der sein Leben veränderte.

Es gibt ja mittlerweile eine Menge Dinge, die Marco Russ nicht mehr allzu sehr aufregen. Elfmeterschießen gehört wahrscheinlich dazu, schwere Beine sowieso, schmerzende Glieder, und die ewig drängende Frage: Bin ich im nächsten Spiel dabei? Was waren das früher für wichtige Themen! Früher, als die Welt des Marco Russ noch heil war. Früher, das war vor dem 18. Mai des vergangenen Jahres. Danach war nichts mehr wie zuvor. Da kam die Schock-Diagnose: „Herr Russ, Sie haben Hodenkrebs.“

Athletisch, 1,90 Meter groß, kopfballstark

Sie war unbeschwert, die kleine Welt des Marco Russ. Es war die Welt eines Fußballers, der kein großer Star ist, aber eine lokale Größe. Vieles war Russ scheinbar zugeflogen, es ging immer bergauf. Der Junge aus Großauheim bei Hanau konnte gut kicken, er war ehrgeizig, willig, Vater Rainer hat ihn anfangs trainiert, dann war er, mit elf Jahren schon, zur Eintracht gewechselt. Er durchlief alle Jugendmannschaften am Riederwald, und es war eine der ersten Amtshandlungen des damaligen Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen, Marco Russ einen Profivertrag zu geben, Friedhelm Funkel war da noch Trainer der Eintracht, Jens Keller, Andy Möller oder Alex Schur waren seine Kollegen damals, so lange spielt Russ schon bei den Hessen.

Mit der Karriere ging es schnell aufwärts. Russ ist ein kantiger Abwehrspieler, kräftig, 1,90 Meter groß, kopfballstark. Er ist ein Stopper alter Schule, er führt den Säbel, nicht das Florett. Er ist ein Mann, mit dem man Spiele gewinnt, keine Schönheitspreise, solide, authentisch. Er hat mehr als 280 Bundesligaspiele auf dem Buckel, die allermeisten für die Eintracht, zwei Dutzend auch für den VfL Wolfsburg, wo er zwischenzeitlich spielte. Russ hat das Leben leicht genommen.

Dann kam dieser 18. Mai, der Tag, der sein Leben auf den Kopf stellte. Bei routinemäßigen Dopingkontrollen waren bei Russ dramatisch erhöhte Werte des Wachstumshormons HCG festgestellt worden. Zunächst stand der Verdacht im Raum, Russ habe verbotene Substanzen zu sich genommen, die Staatsanwaltschaft hatte sich gar eingeschaltet, schnell aber war klar: Es ist ernster. Viel ernster.



Vor einem Jahr hebt eine ärztliche Diagnose die Welt des Marco Russ aus den Angeln: Krebs! Operation und Chemotherapie folgen. Ende Februar 2017 wird der 31-Jährige beim DFB-Pokalspiel der Eintracht gegen Arminia Bielefeld kurz vor Schluss eingewechselt. Die Zuschauer erheben sich, einige haben Tränen in den Augen. Russ ist zurück, geheilt, lebensfroh. Und heute zum zweiten Mal im Finale.

Natürlich hat sich Marco Russ auch elf Meter vor dem Tor nicht gedrückt. Er war der fünfte Schütze, er musste treffen, Gladbach hatte vorgelegt im Halbfinale, es ging um den Einzug ins Endspiel in Berlin. Auf ihn kam es jetzt an, auf ihn, den Mann mit der Vergangenheit, verschießt er, ist Eintracht Frankfurt aus dem Rennen. Marco Russ (31) hat sich der Verantwortung gestellt, er hat den Ball flach ins Tor geschoben, rechts unten, dann hat er kurz die Augen geschlossen und in den nachtschwarzen Himmel geblickt. Vielleicht hat er jemandem gedankt, vielleicht hat er da an den Moment gedacht, der sein Leben veränderte.

Es gibt ja mittlerweile eine Menge Dinge, die Marco Russ nicht mehr allzu sehr aufregen. Elfmeterschießen gehört wahrscheinlich dazu, schwere Beine sowieso, schmerzende Glieder, und die ewig drängende Frage: Bin ich im nächsten Spiel dabei? Was waren das früher für wichtige Themen! Früher, als die Welt des Marco Russ noch heil war. Früher, das war vor dem 18. Mai des vergangenen Jahres. Danach war nichts mehr wie zuvor. Da kam die Schock-Diagnose: „Herr Russ, Sie haben Hodenkrebs.“

Athletisch, 1,90 Meter groß, kopfballstark

Sie war unbeschwert, die kleine Welt des Marco Russ. Es war die Welt eines Fußballers, der kein großer Star ist, aber eine lokale Größe. Vieles war Russ scheinbar zugeflogen, es ging immer bergauf. Der Junge aus Großauheim bei Hanau konnte gut kicken, er war ehrgeizig, willig, Vater Rainer hat ihn anfangs trainiert, dann war er, mit elf Jahren schon, zur Eintracht gewechselt. Er durchlief alle Jugendmannschaften am Riederwald, und es war eine der ersten Amtshandlungen des damaligen Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen, Marco Russ einen Profivertrag zu geben, Friedhelm Funkel war da noch Trainer der Eintracht, Jens Keller, Andy Möller oder Alex Schur waren seine Kollegen damals, so lange spielt Russ schon bei den Hessen.

Mit der Karriere ging es schnell aufwärts. Russ ist ein kantiger Abwehrspieler, kräftig, 1,90 Meter groß, kopfballstark. Er ist ein Stopper alter Schule, er führt den Säbel, nicht das Florett. Er ist ein Mann, mit dem man Spiele gewinnt, keine Schönheitspreise, solide, authentisch. Er hat mehr als 280 Bundesligaspiele auf dem Buckel, die allermeisten für die Eintracht, zwei Dutzend auch für den VfL Wolfsburg, wo er zwischenzeitlich spielte. Russ hat das Leben leicht genommen.

Dann kam dieser 18. Mai, der Tag, der sein Leben auf den Kopf stellte. Bei routinemäßigen Dopingkontrollen waren bei Russ dramatisch erhöhte Werte des Wachstumshormons HCG festgestellt worden. Zunächst stand der Verdacht im Raum, Russ habe verbotene Substanzen zu sich genommen, die Staatsanwaltschaft hatte sich gar eingeschaltet, schnell aber war klar: Es ist ernster. Viel ernster.

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Russ: "Es war kurz vor knapp"

Und Marco Russ reagierte wie ein Fußballer eben reagiert. Abends stand das wichtige Relegationsspiel gegen den 1. FC Nürnberg an. Er sei schon „im Tunnel“ gewesen, erzählte er später, er spiele. Am Abend fabrizierte der Frankfurter Bub, welch grausame Pointe, ein Eigentor und sah eine Gelbe Karte zu viel. Für das Rückspiel war er gesperrt. Statt mit der Mannschaft die Klasse zu retten, rettete Russ sein Leben. Am Morgen des Rückspiels, am 23. Mai, wurde er operiert. Später erzählte er der „Frankfurter Rundschau“, wie dicht er am Tod vorbeigeschrammt war: „Es war kurz vor knapp und nicht so, dass man die Operation hätte verhindern können.“

Ein Jahr ist das her. Seit Oktober des vergangenen Jahres gilt Russ als geheilt. Er hat es überstanden, die Chemotherapie, die Kraft- und Hilflosigkeit, die Monate des Hoffens und Bangens, die Ungewissheit. Die Familie ist zusammengerückt. Angst vor dem Tod habe er nicht gehabt, sagte Russ, er sei an „die Dinge positiv herangegangen, Humor hilft“. Auch gegenüber seinen beiden kleinen Kindern sei er ehrlich gewesen. Und er hat sich auseinandergesetzt mit sich, seinem Schicksal, die Krankheit hat ihn nachdenklich gemacht. Seine Sichtweise ist heute, logisch, eine andere. Als es ihm dreckig ging, „hat mich der Fußball gar nicht interessiert. Das Wichtigste im Leben ist die Gesundheit, alles andere ist zweitrangig.“ Eine profane Erkenntnis, sie kommt einem nur, wenn es einem schlecht geht. Er weiß Dinge jetzt anders einzuschätzen.

Emotionales Comeback im DFB-Pokal

Zum Saisonauftakt der Eintracht im August traute er sich erstmals in die Öffentlichkeit. Obwohl es ihm da schon besser ging, stand da ein Mann von der Krankheit gezeichnet, ein Mann mit Glatze, aufgedunsen, ein Schatten seiner selbst. Aber er hat es geschafft, er ist zurück, zurück im Leben, zurück auf dem Fußballplatz. Am 28. Februar, auch so ein Datum, das sich einprägen wird, stand Marco Russ wieder auf dem Rasen, für ein, zwei Minuten nur im DFB-Pokal-Viertelfinalspiel gegen Arminia Bielefeld. Das ganze Stadion stand, applaudierte, skandierte seinen Namen, viele hatten Tränen in den Augen. „Es war ein sehr emotionaler Moment“, sagte Russ hinterher. Seitdem hat er wieder Bundesliga gespielt, fast so wie früher.

Auch im Finale wird er dabei sein. Er war ja schon mal in Berlin, vor elf Jahren, 2006, 0:1 verlor die Eintracht gegen Bayern München, Marko Rehmer hat noch gespielt, Ioannis Amanantidis, Markus Weissenberger, Oka Nikolov, auch Alex Meier war schon da. Russ war fast noch ein Bub, die Haare tief ins kindliche Gesicht gekämmt. „Berlin ist ein besonderes Erlebnis“, sagt er, „die Jungs werden staunen.“ Und dass er, fast auf den Tag ein Jahr nach seiner Krebs-Operation, nochmals dabei ist, ist eine schöne Volte der Geschichte. „Das ist Weltklasse. Das ist ein echtes Highlight zum Ende meiner Karriere“, findet Russ. „Ein Märchen“, sagt sogar Eintracht-Vorstand Fredi Bobic: „Jetzt fehlt eigentlich nur noch, dass er im Finale ein Kopfballtor macht.“ Aber eigentlich braucht Marco Russ das nicht. Den wichtigsten Sieg hat er ohnehin schon errungen.