Hansi Flick: "Wir werden mutig sein"

Was macht erfolgreiches Spiel aus? Welche Handlungen bedingen Sieg oder Niederlage? Was war gut, was war schlecht? DFB-Sportdirektor Hansi Flick spricht im zweiteiligen Exklusivinterview auf DFB.de über 2015 und 2016 – und über die neue Spielauffassung im DFB. Im zweiten Teil liegt der Schwerpunkt auf der Umsetzung der Leitlinien der neuen Spielauffassung auf dem Platz, der Etablierung von Spezialtrainern im Trainingsbetrieb und einem Ausblick auf das gerade gestartete Jahr.

DFB.de: Sie haben über die neue deutsche Spielauffassung gesprochen, die die Grundprinzipien für ein erfolgreiches Spiel beschreibt. Wie sichtbar wird die neue Spielauffassung bei den künftigen Auftritten deutscher Nationalmannschaften?

Flick: Ich glaube, dass viele Elemente erkennbar sein werden. Der Mut, Eins-gegen-Eins-Situationen zu suchen. Der Mut, sehr frühzeitig kompakt zu verteidigen, die dichte Staffelung, die engen Räume. Wir werden sehen, dass unsere Spieler bei Ballbesitz schon Zugriff auf den Gegner haben, auch wenn dieser 30 Meter in der eigenen Hälfte steht. Auch das erfordert Courage. Und die hat man nur, wenn wir das Vertrauen darin haben, bei einem Konter des Gegners das Laufduell zu gewinnen. Ohne diesen Mut, ist es noch schwieriger, in der Offensive Überzahl zu bekommen.

DFB.de: Wesentlich ist auch, dass der ballführende Spieler den Gegner bindet.

Flick: Wir wollen, dass der Gegner nicht abwarten kann. Wir müssen ihn zu einer Entscheidung zwingen. Und das geht nur, wenn ich mit dem Ball am Fuß nicht in den freien Raum laufe, sondern den Weg zum Gegner suche. Denn nur dann ist er zu einer Entscheidung gezwungen. Weicht er zurück? Geht er drauf? Wenn er zurückweicht, kann ich weiter im Tempo auf ihn zulaufen. Und irgendwann muss er versuchen, mich zu stellen. Dann ist es wichtig, dass unsere Spieler die Qualität haben, an ihm vorbeizukommen oder den besser postierten Mitspieler zu finden und die kompakte Defensive des Gegners durch intelligente Pässe auszuspielen. Durch Pässe mit Botschaften. Diese Gegnerbindung ist ganz wesentlich. Und zwar mit und ohne Ball. Unsere Spieler müssen Spielsituationen antizipieren, sie müssen einrücken, wenn dies sinnvoll ist und einen Gegner mitziehen, wenn sie dadurch Räume schaffen können.

DFB.de: Alle Spieler haben während der 90 Minuten zu jederzeit eine Funktion.

Flick: Ja, ohne Ausnahme. Ansonsten wären sie aus dem Spiel. Und dann hätten sie etwas falsch gemacht.

DFB.de: Aus den Leitlinien ergibt sich neben Initiative, Variabilität und Effizienz als einer von vier wesentlichen Faktoren die Stabilität. Auch im Sinne von Druckresistenz. Bei den U-Turnieren im Jahr 2015 war genau dies mitunter das Manko.

Flick: Ja. Nicht alle konnten mit dem Erwartungsdruck umgehen, das ist die eine Komponente der Stabilität. Die andere Komponente ist der Gegnerdruck auf dem Spielfeld. Wir mussten leider feststellen, dass wir in den Momenten, in denen es richtig wichtig war, die Leistung nicht komplett abgerufen haben. Bei der U 17 war es so, dass wir zu wenig effizient waren, wir haben die Chancen nicht genutzt. Bei der U 21 hatten wir im Halbfinale gegen Portugal beinahe einen kompletten Ausfall. Wir haben das sehr genau analysiert.

DFB.de: Mit welchem Ergebnis?

Flick: Dass wir Drucksituationen viel früher üben lassen müssen. Die Trainingsgestaltung muss wettkampfnaher sein. Pässe im Training müssen unter Druck gespielt werden. Die Ballannahme und -kontrolle muss unter Druck erfolgen.



Was macht erfolgreiches Spiel aus? Welche Handlungen bedingen Sieg oder Niederlage? Was war gut, was war schlecht? DFB-Sportdirektor Hansi Flick spricht im zweiteiligen Exklusivinterview auf DFB.de über 2015 und 2016 – und über die neue Spielauffassung im DFB. Im zweiten Teil liegt der Schwerpunkt auf der Umsetzung der Leitlinien der neuen Spielauffassung auf dem Platz, der Etablierung von Spezialtrainern im Trainingsbetrieb und einem Ausblick auf das gerade gestartete Jahr.

DFB.de: Sie haben über die neue deutsche Spielauffassung gesprochen, die die Grundprinzipien für ein erfolgreiches Spiel beschreibt. Wie sichtbar wird die neue Spielauffassung bei den künftigen Auftritten deutscher Nationalmannschaften?

Flick: Ich glaube, dass viele Elemente erkennbar sein werden. Der Mut, Eins-gegen-Eins-Situationen zu suchen. Der Mut, sehr frühzeitig kompakt zu verteidigen, die dichte Staffelung, die engen Räume. Wir werden sehen, dass unsere Spieler bei Ballbesitz schon Zugriff auf den Gegner haben, auch wenn dieser 30 Meter in der eigenen Hälfte steht. Auch das erfordert Courage. Und die hat man nur, wenn wir das Vertrauen darin haben, bei einem Konter des Gegners das Laufduell zu gewinnen. Ohne diesen Mut, ist es noch schwieriger, in der Offensive Überzahl zu bekommen.

DFB.de: Wesentlich ist auch, dass der ballführende Spieler den Gegner bindet.

Flick: Wir wollen, dass der Gegner nicht abwarten kann. Wir müssen ihn zu einer Entscheidung zwingen. Und das geht nur, wenn ich mit dem Ball am Fuß nicht in den freien Raum laufe, sondern den Weg zum Gegner suche. Denn nur dann ist er zu einer Entscheidung gezwungen. Weicht er zurück? Geht er drauf? Wenn er zurückweicht, kann ich weiter im Tempo auf ihn zulaufen. Und irgendwann muss er versuchen, mich zu stellen. Dann ist es wichtig, dass unsere Spieler die Qualität haben, an ihm vorbeizukommen oder den besser postierten Mitspieler zu finden und die kompakte Defensive des Gegners durch intelligente Pässe auszuspielen. Durch Pässe mit Botschaften. Diese Gegnerbindung ist ganz wesentlich. Und zwar mit und ohne Ball. Unsere Spieler müssen Spielsituationen antizipieren, sie müssen einrücken, wenn dies sinnvoll ist und einen Gegner mitziehen, wenn sie dadurch Räume schaffen können.

DFB.de: Alle Spieler haben während der 90 Minuten zu jederzeit eine Funktion.

Flick: Ja, ohne Ausnahme. Ansonsten wären sie aus dem Spiel. Und dann hätten sie etwas falsch gemacht.

DFB.de: Aus den Leitlinien ergibt sich neben Initiative, Variabilität und Effizienz als einer von vier wesentlichen Faktoren die Stabilität. Auch im Sinne von Druckresistenz. Bei den U-Turnieren im Jahr 2015 war genau dies mitunter das Manko.

Flick: Ja. Nicht alle konnten mit dem Erwartungsdruck umgehen, das ist die eine Komponente der Stabilität. Die andere Komponente ist der Gegnerdruck auf dem Spielfeld. Wir mussten leider feststellen, dass wir in den Momenten, in denen es richtig wichtig war, die Leistung nicht komplett abgerufen haben. Bei der U 17 war es so, dass wir zu wenig effizient waren, wir haben die Chancen nicht genutzt. Bei der U 21 hatten wir im Halbfinale gegen Portugal beinahe einen kompletten Ausfall. Wir haben das sehr genau analysiert.

DFB.de: Mit welchem Ergebnis?

Flick: Dass wir Drucksituationen viel früher üben lassen müssen. Die Trainingsgestaltung muss wettkampfnaher sein. Pässe im Training müssen unter Druck gespielt werden. Die Ballannahme und -kontrolle muss unter Druck erfolgen.

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DFB.de: Und was ist mit dem psychischen Druck?

Flick: Mit Hans-Dieter Hermann, dem Sportpsychologen der Nationalmannschaft, haben wir uns natürlich auch über den Umgang mit dem psychischen Druck unterhalten. Vieles dabei hängt von der Prägung ab, davon, was die Eltern den Spielern mitgeben. Ich persönlich habe mich, auch in der Kindheit und Jugend, auf die Situationen gefreut, wenn es eng wird, wenn es wichtig wird, wenn es darauf ankam. Die Aufregung war bei mir immer kleiner als die Vorfreude. Diesen Gedanken müssen wir den Spielern vermitteln. Wir wollen Erfolg entwickeln, und dafür müssen wir Spieler zu Persönlichkeiten mit mentaler Stärke formen. Der Wille zum Sieg muss größer sein als die Angst vor der Niederlage – dieser Satz ist nicht neu. Aber er ist richtig.

DFB.de: Die schönste Idee ist nutzlos, wenn sie nicht realisierbar ist. Die neue Spielauffassung setzt voraus, dass Fußballer vorhanden sind, die in der Lage sind, die Spielauffassung umzusetzen. Gute Fußballer.

Flick: Absolut. Deshalb ist die Spielauffassung nur ein Teil in unserer sportlichen Zukunftsstrategie "Unser Weg". Sie gibt vor, was wir auf dem Spielfeld sehen wollen.

DFB.de: Was gehört neben der Spielauffassung zur sportlichen Zukunftsstrategie des DFB?

Flick: Die Ausbildungs- und Trainingsvision. Sie beinhalten, wie wir das, was wir sehen wollen, auch erreichen. Auf Basis der Spielauffassung haben wir die bestehende Ausbildungs- und Trainingsvision angepasst. Wir benötigen noch bessere Spieler, also benötigen wir noch bessere Trainer. Schlüssel für die Ausbildung der Spieler ist die Qualität der Trainer. Aufgabe unserer U-Trainer ist es, dass sie einen Blick für Talente haben. Und ein Gespür dafür, wie diese sich weiterentwickeln können. Dafür sind viele Faktoren wichtig. Die Kommunikation mit den Vereinstrainern, auch mit den Menschen aus ihrem Umfeld, den Eltern.

DFB.de: Sie haben häufig angestoßen, im Fußball vermehrt Spezialtrainer zu etablieren. Technik-Trainer, Taktik-Trainer, Trainer für die Offensive, Trainer für die Defensive.

Flick: In Deutschland gibt es die Torwarttrainer und die Fitnesstrainer, andere Spezialtrainer sind nicht etabliert. Ich glaube, dass dies ein Fehler ist. Und dass sich das ändern wird. Wir hatten mit Marcel Lucassen im DFB einen Technik- und Taktiktrainer, der sich leider für einen anderen Weg entschieden hat. Er war ab dem Bereich U 15 für uns da. Aber wir wollen diese Position künftig wieder besetzen. Und wir wollen, dass wir über diese Position im Verband noch früheren Zugriff zur Talentförderung bekommen. Wir müssen über die Stützpunkte in die Breite wirken. Unser Techniktrainer wird die Stützpunkttrainer fortbilden. Dann können wir einer großen Zahl an Spielern noch früher noch besser die Basics vermitteln. Dann werden die Spieler, die in unseren Nationalmannschaften ankommen, in der Lage sein, unter Druck die beste Lösung zu finden. Und das ist das, was wir in Zukunft wollen.

DFB.de: Sind diese Spezialtrainer notwendigerweise auf den Jugendbereich beschränkt?

Flick: Nein. Dafür müssen wir uns nur die Situation bei der WM in Brasilien anschauen. Wir waren zwei klassische Trainer, Joachim Löw und ich. Dazu Andy Köpke, der als Torwarttrainer noch einmal eine Sonderrolle hatte. Daneben hatten wir vier Fitnesstrainer. Ich bin der Überzeugung, dass sich das Verhältnis künftig ändern wird. Wir werden mehr Trainer haben, die im technischen und taktischen, also dem klassisch fußballerischen Bereich mit der Mannschaft arbeiten. Der Cheftrainer wird mehr in die Rolle des übergeordneten Supervisors rücken. Daneben wird es einen Trainer geben, der für die Defensive zuständig ist, einen für die Offensive. Und wahrscheinlich noch weitere. Einige Klubs sind in diesem Bereich schon aktiv. Hoffenheim und Köln beispielsweise, in der Jugend.

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DFB.de: 2015 stand im Zeichen der Erarbeitung einer neuen Spielauffassung. Was werden Ihre Schwerpunkte im Jahr 2016 sein?

Flick: 2016 stehen drei große Turniere an. Allen voran natürlich die Europameisterschaft mit der A-Nationalmannschaft. Diese Mannschaft ist das Flaggschiff des DFB. Alle im Verband wollen helfen, dass wir in Frankreich erfolgreich sind. Ganz wichtig ist auch die U 19-EM im eigenen Land, in Baden-Württemberg. Es wäre toll, wenn wir den Erfolg, den wir 2014 in Ungarn hatten, bestätigen könnten. Und dann kommen im Sommer die Olympischen Spiele. Sowohl für unsere Frauen als auch für das Team von Horst Hrubesch. Rio wird eine riesige Herausforderung und eine tolle Chance. Wir wollen mit der bestmöglichen Mannschaft antreten, und die Vereine haben signalisiert, dass sie bereit sind, uns dabei zu unterstützen.

DFB.de: Für Sie wird es die Rückkehr nach Rio. Wie emotional wird das?

Flick: Nicht so sehr, glaube ich. Manchmal staune ich in dieser Hinsicht über mich. Für mich ist Vergangenheit Vergangenheit. Mir ist wichtiger, was im Hier und Jetzt passiert und was die Zukunft bringt.

DFB.de: Den Triumph von Rio sehen Sie so nüchtern. Abgehakt - und weiter geht’s?

Flick: Es ist ein wunderbarer Erfolg, den wird uns niemand mehr nehmen. Brasilien ist für die Ewigkeit. Ich bin aber keiner, der ständig die Medaille rausholt und in Erinnerungen schwelgt. Aber natürlich wird Brasilien immer einen riesigen Stellenwert für mich haben. Was sich in diesen vier, fünf, sechs Wochen in der Mannschaft entwickelt hat, das war sensationell, das war schlicht weltmeisterlich. Die Mannschaft hat den Fokus immer enger auf das große Ziel gesetzt, sie ist immer enger zusammengerückt. Sie hat sich von nichts und niemand ablenken und schon gar nicht abbringen lassen. Ab einem gewissen Zeitpunkt hatte ich das Gefühl: Das muss klappen, das wird klappen. Ein so großes Urvertrauen in eine Mannschaft habe ich zuvor noch nie gespürt. Was wir alle damals erlebt haben, das war herausragend. Die Erinnerung werde ich immer in Ehren halten. Ich bin stolz, ein Teil davon gewesen zu sein.

DFB.de: Wenn Sie über Brasilien sprechen, leuchten Ihre Augen.

Flick: Ja. Aber das darf den Blick nicht trüben. Und schon gar nicht darf es zu Zufriedenheit führen. Und zum Glück ist das bei niemandem im DFB der Fall. Es ist wichtig, dass wir nicht stehen bleiben, es ist wichtig, dass investiert wird, dass in Frankfurt-Niederrad ein neuer DFB entsteht, mit neuen Möglichkeiten in der Akademie. Was auf diesem Weg schon aktuell im Hause des DFB wächst, ist einfach nur überragend. Der Spirit, der bei den Mitarbeitern entstanden ist, die Überzeugung, die Begeisterung für das Projekt des neuen DFB – daran erkennt man, welche Qualität die Mitarbeiter des DFB haben. Und darauf kann der Verband sehr stolz sein.